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Thomas Näf (PdA): «Ich will die Ausgegrenzten vertreten»

14.09.2007 («Vorwärts») «Kabba» wurde 2006 in Bern als Verein von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Armutsbetroffenen gegründet. Präsident ist Thomas Näf. Er tritt als Kandidat zur Nationalratswahl 2007 an. Ein Interview von Marcel Hostettler.

Stress am Arbeitsplatz und Schikaniererei der Arbeitslosen gehören zusammen

«Vorwärts»: Wo liegt der Hauptgrund für deine Kandidatur? – Thomas: Es ist Zeit, dass die Betroffenen zu Wort kommen. Deshalb habe ich mich zu einer Nationalratskandidatur entschieden. Ich will die wachsende Zahl der Ausgegrenzten vertreten, deren Rechte auf diese oder jene Weise geschmälert werden.

An wen denkst du konkret? – Thomas: Ich spreche von einer Bevölkerungsgruppe, die eigentlich mit mehrfacher Fraktionsstärke in Bern vertreten sein sollte. Darunter fallen alle, die auf Arbeit angewiesen sind und keine finden, von der man anständig leben kann. Wenn die Arbeitsmarktpolitik so weiter geht, landen wir bald bei der Tagelöhnerei. Eine reguläre Anstellung hat bald Seltenheitswert. Ausgrenzung und Entrechtung beginnt mit der Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern, setzt sich fort bei den Arbeitslosen und zieht sich bis hin zur illegalen Beschäftigung.

Dein zentrales Thema ist also der Interessengegensatz zwischen den Stelleninhabern und den Stellenlosen? – Thomas: Nein, die SVP versucht, uns in gegenseitigen Futterneid zu treiben. Ich will den Gegenbeweis führen, dass Arbeitslose und Arbeitstätige gleich gelagerte Interessen haben, und dass eine gute Arbeitslosenversicherung den wirksamsten Schutz gegen Entlassungsdrohungen und Dumping bietet. Arbeitslose werden bevormundet und durch die Mühlen der Arbeits- und Sozialämter auch psychisch aufgerieben. Alles gilt heute als zumutbar, auch Angebote, für die sich kein Mensch finden würde, wenn es die amtliche Zwängerei nicht gäbe. Heute müssen Leute als lebendige Werbeflächen durch die Gassen wandeln. Die Würde der Betroffenen ist das eine. Die andere Problemseite reicht über die Betroffenen hinaus. Den Preis für die unsere Schutzlosigkeit bezahlen auch die Arbeitenden: Lohndumping und Verdrängung der ordentlichen durch prekäre Arbeit. Der Stress am Arbeitsplatz nimmt geradeso zu, wie die Schikaniererei der Arbeitslosen.

Gegen die EU-Personenfreizügigkeit

Du bist gegen den freien Personenverkehr in der Weise, wie er gehandhabt wird. Kannst du das erläutern? – Thomas: Das Kapital kann per Mausclick hier verschwinden und in Billiglohnländern wiederauftauchen. Es ist an der Zeit, dass auch die Menschen das Recht des freien Verkehrs haben sollen. Bis hierher befürworte ich die Freizügigkeit und heisse alle willkommen, die unser Land zum Leben und Arbeiten ausgewählt haben. Oft genug haben sie ihre Heimat aus Not verlassen müssen. Oft genug werden sie hier schlecht empfangen und haben an Diskriminierung und Überwachung schon einiges hinter sich, was uns Armutsbetroffenen noch bevorsteht. Das andere ist die Praxis, dass die Kollegen aus Osteuropa offensichtlich massenhaft zum Lohndumping eingesetzt werden. Was Lohndruck erzeugt, ist nicht ihre Zahl, sondern ihre Rechtlosigkeit. Die schafft Anreize, einheimische Arbeitskraft durch unterbezahlte Immigranten zu ersetzen. Die Statistik der flankierenden Massnahmen zeigt, wie nötig, aber auch wie ungenügend sie sind. Bei jedem sechsten von der Kontrolle erfassten Arbeitnehmer haben die zuständigen Kommissionen Verstösse und Vermutung auf Missbrauch festgestellt.

Forderungen der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen

Für welche Ziele und Forderungen tritt die Bewegung der Armutsbetroffenen ein? – Thomas: Eine solche Bewegung ist erst im Entstehen. Kürzlich wurde die Schweizerische Plattform der Armutsbetroffenen ins Leben gerufen. Das ist unsere gemeinsame Stimme. Wir setzen uns für ein Grundeinkommen ein, das an keine Bedingungen geknüpft ist und ausreicht, um Ausgrenzung zu verhindern.

Das bedingungslose Grundeinkommen wird in linken Kreisen kritisch diskutiert. Einige reden von Klostersuppenpolitik? – Thomas: Jung oder alt, mit oder ohne Arbeitsplatz: Heute werden unsere Entfaltungsmöglichkeiten und Planungen überall durch die Bedürfnisse des Kapitals begrenzt und durchkreuzt. Die Forderung widerspricht der kapitalistischen Logik und trägt zum Bewusstsein mit, dass diese Logik nicht mehr tragbar ist. Die Einführung dieses Grundeinkommens würde nicht alle Ursachen der wachsenden sozialen Ungleichheit beseitigen. Die Massnahme wäre gewiss nicht geeignet, alle grossen Widersprüche unserer Gesellschaft zu lösen, und sie alleine genügt nicht, um die Regierungspolitik zu bekämpfen, welche diese Widersprüche verschärft. Das vergessen wir natürlich nicht.

Quellen: «Vorwärts» – Die sozialistische Zeitung, 14.09.2007 / PdA Bern