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US-gestützter Putschversuch der Gülen-Bewegung und psychologische Kriegsführung – Lügen und Wahrheiten

Nachstehend dokumentieren wir eine weitere Pressemitteilung der Türkischen Jugend-Union (TGB) vom 29. Juli 2016 zum Putschversuch der Gülen-Bewegung. Im Vordergrund des Dokuments steht die nach gescheitertem Putsch zu beobachtende Fortsetzung der Politik mit dem Mittel der psychologischen Kriegsführung. Die TGB ist die mitgliederstärkste revolutionäre Jugendorganisation der Türkei. Sie versteht sich als anti-imperialistische Einheitsfront aller jungen Kommunisten, Sozialisten und Republikaner, die durch die laizistischen und patriotischen Ideale von Mustafa Kemal Atatürk geeint werden. (mh/31.07.2016)


PRESSEMITTEILUNG der TGB Almanya vom 29. Juli 2016: US-amerikanisch gestützter Putschversuch der Gülen-Bewegung und die psychologische Kriegsführung – Lügen und Wahrheiten

Putschversuch und psychologische Kriegsführung

Ein Putsch ist auch immer zu großen Anteilen ein psychologischer Krieg. Es ist nicht ausreichend, wichtige staatliche Einrichtungen und Gebäude mit Waffengewalt zu besetzen; es bedarf auch der Okkupation der Köpfe der Menschen/des Volkes. Das Volk muss davon überzeugt werden, dass die offiziellen Staatseinrichtungen eingenommen sind und die einzige und legale Regierungsgewalt nun bei den Putschisten liegt. Erst dann ist ein Putsch erfolgreich vonstatten gegangen.

Innerhalb eines Jahres wurden 17 Terrorangriffe verübt, mit hunderten Opfern, um eine Atmosphäre der Angst und Auswegslosigkeit zu schaffen; mit dem Abschuss des russischen Flugzeugs wurde versucht, die Türkei politisch zu vereinsamen.

Die Türkei hat die PKK in ihren in den Städten eigens ausgehobenen Gräben begraben; mit Russland wurden vor Kurzem wieder freundschaftliche Beziehungen aufgenommen, und es wurde angefangen, jene Mitglieder der Gülen’schen Bewegung, die in den Streitkräften dienen, spätestens mit dem Abhalten des Obersten Militärrats Anfang August, aus diesen zu entfernen. 
Die Putschisten haben am späten Abend des 15. Juli vor den Augen aller Welt zuerst die Bosporus- und Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke eingenommen und abgesperrt, auch um eine Machtdemonstration an diesen am besten gesicherten Teilen des Landes abzuhalten. Mit Tiefflügen in Überschallgeschwindigkeit wurde die psychologische Kriegsführung verstärkt, um das Volk einzuschüchtern.

Der staatliche Fernsehsender TRT sowie das Radio wurden besetzt. Unter Einsatz von Waffengewalt wurde die Notiz zur Machtübernahme seitens der Türkischen Streitkräfte verlesen, die auch Phrasen aufführte, welche den Schutz der Ideale Mustafa Kemal Atatürks betrafen, die auch in der Verfassung integriert sind, um Akzeptanz und Zustimmung bei kemalistischen und Pro-Atatürk gesinnten Kräften zu gewinnen.

Das Satellitenfernsehen wurde eingeschränkt. Der Sender Ulusal Kanal, der früh von einem seitens der USA gestützten und von den Mitgliedern der terroristischen Vereinigung Fethullah Gülens initiierten Staatsstreich sprach, wurde abgeschaltet.

Der Plan der CIA, der in den USA ausgearbeitet wurde, schlug in der Türkei fehl. Das türkische Volk sowie die türkischen Streitkräfte haben den Putsch nicht akzeptiert. Die standfeste Haltung innerhalb der Armee, gebunden an die Ideale Atatürks und ihr Glaube an die demokratische Republik haben dazu geführt, dass der Putschversuch ein Versuch und somit erfolglos blieb. Millionen haben sich gegen diesen von der US-amerikanische Regierung unterstützen und mitgeplanten Putsch widersetzt, haben gekämpft, wurden verletzt und getötet und haben die Putschisten endgültig zurückgedrängt.

Dabei hatten wir es mit einem äußerst detailliert geplanten Staatsstreich zu tun. Der oberste General der Streitkräfte sowie die gesamte Führungsspitze wurden zuerst gefangen genommen. Tausende Offiziere, die Mitglieder der Gülenschen Terrororganisation sind und tausende unschuldige Soldaten der untersten Ränge für ihre Machenschaften ausgenutzt haben, haben einen der blutigsten Putschversuche in der Geschichte des Landes begonnen.

Als klar wurde, dass der übrige größte Teil der Armee, die Polizei und das Volk den Putsch nicht akzeptieren würden, haben die USA gegen 2 Uhr morgens auch ihre erste klare Stellungnahme verkündet, der ihre Niederlage eingestand.

Jedoch ist die psychologische Kriegsführung noch nicht vorbei; diese hat nun ihren bisher verfolgten Weg geändert. Während bis zur Niederlage versucht wurde mit militärischen Schikanen die Menschen einzuschüchtern und in Angst zu versetzen, wurde plötzlich die Ansicht lautstark vertreten «Tayyip Erdogan sei für den Putsch verantwortlich / Der Putsch sei Erdogans Spiel, und jene die auf den Straßen demonstrierten, wären aggressive Gruppen/Milizen.»

Unentwegt wurde gesagt und geschrieben:
 «Dies ist kein ernsthafter Putsch, sondern Erdogans Machenschaft. Er macht dies um das Präsidialsystem durchzusetzen.»
«Die Demonstranten sind nicht das gemeine Volk, sondern reaktionäre Kräfte.» «Unschuldige Soldaten wurden getötet. Einer wurde enthauptet.»

Das Ziel jener derer, die diesen psychologischen Krieg führen, ist es von nun an gewesen, die Anteilnahme der USA und den versuchten Putsch der Gülenschen Terrororganisation zu kaschieren, ja die Schuld auf andere Kräfte schiebend, sich als unschuldig zu lancieren, auch um eine jetzt befürchtete Verfolgung der seit Jahrzehnten in verschiedensten Staatsapparaten sich organisierenden Mitglieder unterbinden zu können.

Auch im Justizapparat sowie innerhalb der Polizei wurden Mitglieder der Gülenschen Terrororganisation festgenommen. Innerhalb des türkischen Staatspparates eingenistete Gülensche Zellen werden einer nach der anderen ausgehoben.

Die Lügen der Putschisten und ihrer Unterstützer im Zuge der psychologischen Kriegsführung und die Wahrheiten:

1. «Dies ist kein Putsch, sondern ein ,Schauspiel’ gewesen, um Erdogan noch mächtiger zu machen.»

a. Der Generalstabschef sowie alle Stabschefs der Luft-, See-, Landstreitkräfte und der Gendarmerie wurden als Geisel genommen.


b. Es wurden einige Dutzend sehr gut gesicherte Zentren zeitgleich besetzt und eingenommen.

c. Tausende Offiziere die der Gülenschen Terrororganisation angehören, haben tausende unwissende, einfache Soldaten benutzt, um den blutigsten Putsch in der Geschichte des Landes zu verwirklichen.

d. Das noch nicht einmal im Unabhängigkeitskrieg angegriffene Nationale Parlament wurde von den Putschisten bombardiert. 
Sowohl die Zentralbehörde der türkischen Polizei als auch die Zentrale des nationalen Nachrichtendienstes sowie viele andere staatliche Einrichtungen wurden von Kampfflugzeugen sowie Hubschraubern beschossen. 
Die Putschisten haben an vielen Stellen das demonstrierende und Widerstand leistende Volk beschossen und Panzer auf diese gefahren. 208 Polizisten und Demonstranten sind hierbei ums Leben gekommen, 1491 Menschen wurden verletzt. 
Einen solch detailliert geplanten Versuch der Machtübernahme als abgekartetes Spiel abzutun ist eine unseriöse Analyse dessen, was passiert ist.

2. «Mit 300 Soldaten und 5 bis 6 Kampfflugzeugen kann man doch nicht allen Ernstes putschen!»

Nach dem verhinderten Putschversuch wurden, neben 102 Generälen und Admirälen, über 6000 Soldaten und Offiziere festgenommen. 
Der Grund für das Fehlschlagen des Putschversuches ist nicht eine unterstellte schlechte Organisation dessen gewesen, sondern die Tatsache, dass die Streitkräfte, die im Kern der demokratischen Republik und den Idealen Atatürks verbunden sind, sich einer Machtübernahme entgegenstellten, sowie das Volk, dass sich widersetzte.

3. «Ein Putsch um diese Uhrzeit zeugt von Unseriosität und Dilettantismus!»


Der eigentlich Putsch war für den 16. Juli 2016, 03.00 Uhr morgens geplant. Dies ist aus der vorbereiteten Notiz zum Kriegsrecht, die aufgetaucht ist, zu vernehmen. 
So berichtet der pensionierte General und heutige stellvertretende Vorsitzende der Patriotischen Partei Ismail Hakki Pekin, dass einige hochrangige Offiziere auf einen Putschversuch (kurzfristig) verzichteten. Und als der Plan zu putschen in militärischen Kreisen bekannt wurde, wurde er gezwungenermaßen vorgezogen.


4. «Wie kann Staatspräsident Erdogan während eines Putschversuches, der doch ihn abzusetzen plante, im privaten Fernsehen sprechen?»

Um Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan festzunehmen oder umzubringen wurden 3 Hubschrauber und Spezialeinsatzkommandos der Blauen Barrette in das Hotel geschickt, in dem er sich befand. Bei dem Versuch, Erdogan in Gefangenschaft zu nehmen oder aus dem Weg zu räumen, wurden bei entstandenen Gefechten 2 Polizisten getötet. 
Außerdem hat der leitende General der 1. Armee, Ümit Dündar, die von den Putschisten geforderte Teilnahme am Staatsstreich abgelehnt und Staatspräsident Erdogan über den laufenden Putschversuch informiert.

Der eigentliche Putsch wurde an den türkischen Streitkräften verübt. Der Generalstabschef und die leitenden Generäle wurden als Geisel genommen, die Armee teilweise paralysiert. Trotz alledem hat der Kern des Militärs, der republikstreu ist und sich den Idealen Atatürks verpflichtet sieht, den Putsch vehement abgelehnt. Das Volk sowie die Polizei haben großen Widerstand geleistet, mit dem die Putschisten nicht gerechnet hatten.

5. «Was ist das für ein Putschversuch, bei dem zuerst die Brücken über dem Bosporus besetzt wurden?»


Die Besetzung der Brücken am Bosporus ist Teil der psychologischen Kriegsführung. Als ein Bauwerk, das aufgrund seiner Wichtigkeit nicht hätte zerstört werden können, wurden sie zuerst eingenommen und zuletzt rückten die Putschisten von den Brücken ab.

6. «Das auf den Straßen protestierende Volk waren nahezu nur in traditionell islamischer Kleidung gekleidete, augenscheinlich islamisch-konservative Menschen und bei weitem nicht das gemeine Volk.»

Es leisteten Millionen Menschen in allen Landesteilen und verschiedenster Parteizugehörigkeit, lediglich mit der türkischen Fahne in der Hand und ohne andere religiöse oder politische Banner, auf den Straßen Widerstand gegen die auf sie feuernden Putschisten. Es handelt sich hierbei um die Verteidung der demokratischen Grundordnung gegen einen Staatsstreich; bei diesem kommt es weniger darauf an, mit wem man der Grundordnung wegen Widerstand leistet, als auf das Ziel, den Putsch zu verhindern. Zudem waren die als islamisch-konservativ, bisweilen fundamentalistisch bezeichneten Personen nur ein kleiner Teil der auf den Straßen demonstrierenden Menschen. 


7. «Ein völlig unschuldiger, einfacher Soldat wurde enthauptet!»


Die Aufnahmen spiegeln nicht das Richtige wider. Die Gerichtsmedizin Istanbul gab an, dass an keiner der Leichen der Kopf abgetrennt gewesen ist. Der in den sozialen Medien als Burak Salivermez «identifizierte» angeblich enthauptete Soldat, hat seinen Wehrdienst 2014 vollendet und ist auch heute noch am Leben. Ein anderes Foto, das einen Soldaten zeigt, an dessen Hals ein Messer gehalten wird, stammt ursprünglich aus Syrien.


8. «Jene, die gegen den Putsch sind, sind Erdogans Gefolgsleute und seine Anhänger.»


Ziel des Putsches war es, den von den Streitkräften am 24. Juli 2015 begonnenen Kampf gegen die PKK und ihre Organisationen in den Bergen und vornehmlich Städten, ein Ende zu bereiten. Die USA, die neben der PYD in Syrien auch die PKK als ihre in diesem Gebiet operierenden «Landstreitkräfte» bezeichnet und sieht, ist gegen den von der Türkei gestarteten Kampf gegen die PKK gewesen und auch gegen den Versuch des Landes, sich den regionalen Mächten und Mitspielern, die in ihren außenpolitischen Belangen anti-amerikanisch ausgerichtet sind, nach zum Teil mehreren Jahren der ausgekühlten und distanzierten Beziehungen, anzunähern, und neue Bündnisse zu suchen, wie z. B. mit Russland, dem Iran, Irak und schlussendlich auch Syrien. 
Als NATO-Mitglied und Teil des atlantischen Systems ist eine solcher außenpolitischer Kurswechsel, der langfristig ernstzunehmende Konsequenzen bis hin zum Fehlschlagen mancher Ambitionen der USA hätte führen können, für die USA nicht hinnehmbar gewesen. Mit dem Eingreifen von Offizieren, die der Gülenschen Terrororganisation verbunden sind und enge Beziehungen zu den USA aufweisen, sollte dieser sich anbahnende Kurswechsel verhindert und Erdogan sowie die aktuell Regierenden aus den Ämtern gejagt werden.
Wäre der Putschversuch erfolgreich gewesen, so wäre im nächsten Schritt der Kampf, der der separatistischen Terrororganistation PKK angesagt worden ist, abgebrochen worden. Die türkischen Streitkräfte hätten eine Umstrukturierung erfahren und wären von nun an zur Durchsetzung der US-amerikanischen Interessen im Zuge des Planes zur Neuordnung des Großraums Mittlerer Osten (Greater Middle Eastern Project) eingesetzt worden. Dies würde auch dem von eurasischen Kräften im östlichen Mittelmeerraum und Zentralasien, sowie Russland und China geforderten Kooperation für engere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit gefährden und die Türkei als Lanze gegen das eurasische Bündnis etablieren. 


9. «Weshalb haben die Soldaten und Offiziere nicht von Anfang an versucht den Putschversuch zu verhindern?»

Die türkischen Streitkräfte haben diesen Putsch nicht vorbereitet und versucht auszuführen; es waren innerhalb der Streitkräfte sich seit mindestens 3 Jahrzehnten organisierende Mitglieder der Gülenschen Bewegung. Innerhalb der Spezialeinsatzkräfte und Luftstreitkräfte gab es allerdings durchaus Gegenwehr. In Malatya Erhac wurden Pisten mit Bomben derart demoliert, dass keine weiteren F16-Flugzeuge seitens der Putschisten starten konnten. Hubschrauber die auf Staatsgebäude und die Menschen schossen, wurden seitens staatstreuer Kampfflugzeuge abgeschossen.

Jugend-Union der Türkei – Türkiye Gençlik Birliği (TGB)
Sekretariat Berlin


Siehe auch:


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