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Thesen für eine schweizerische Partei der Kommunisten


Nachstehend dokumentieren wir in deutscher Übersetzung die Thesen der Kommunistischen Partei des Tessins über den Aufbau einer gesamtschweizerischen Partei der Kommunisten. Die Resolution der Kantonalen Parteileitung vom April 2012 behält ihre volle Aktualität, auch wenn der Parteitag der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) von 2013 diesen Thesen (Umwandlung der Parteistruktur in konföderalem Sinn) nicht gefolgt ist. Ihre Richtigkeit hat sich seither bestätigt. Ihre Verbreitung in deutscher Sprache ist sogar noch wichtiger und dringlicher geworden: denn nach einer passiven nationalen Parteileitung, welche die PdAS praktisch zur Bedeutungslosigkeit heruntergewirtschaftet hat und die sich immer hartnäckig dagegen sträubte, von den ideologisch gefestigteren Sektionen zu lernen, ist nun eine solche nationale Leitung am Werk, die aktiv dazu übergeht, den Tessiner Kommunisten, ihrer ideologisch am besten gerüsteten Sektion, Hindernisse in den Weg zu legen, und im Tessin selbst Gegenstrukturen aufzubauen. Hauptzielscheibe der Angriffe ist der politische Sekretär Massimiliano Ay, unter dessen Leitung die Tessiner Kommunisten seit Jahren auf den verschiedensten Feldern sehr erfolgreich operieren. Es ist zu erwarten, dass die von der nationalen Parteileitung eröffneten Feindseligkeiten sich in den nächsten Monaten zuspitzen werden. In diesem Konflikt ist es wichtig, dass die Genossen die Stellungnahmen der Tessiner möglichst aus erster Hand vernehmen. (mh/25.10.2014)


Thesen für eine schweizerische Partei der Kommunisten

Resolution des Kantonalen Komitees der Tessiner Kommunistischen Partei vom 07. April 2012

1. GEGENWÄRTIGE SITUATION IN DER PARTEI DER ARBEIT DER SCHWEIZ (PdAS)

1.1. –Gegenwärtig erscheint die PdAS, die eine nationale Partei ist, wie ein ziemlich wirres Netz von Kantonalparteien mit politischen Linien, die sich tief voneinander unterscheiden. Im Ergebnis wird sie quasi eine leere (und überdies kostspielige!) Muschel, die ausserstande ist, der Zeit und der Stimmung der Bevölkerung entsprechende programmatische Linien und Aktionen zu erarbeiten, mit einer Parteileitung, die es nicht fertig bringt, die kantonalen Sektionen zu koordinieren, und die nicht fähig ist, Strategien zu kommunizieren und zu etablieren.–[1] Wir stehen nach wie zu dieser Einschätzung, und zudem hat sich die Lage in den letzten Monaten sogar verschlechtert, dadurch dass ein politischer Vorschlag der Parteileitung zur Abwendung des finanziellen Bankrotts der PdA fehlt, und durch die Einladung an den kantonalen Sekretär des Tessins, sein Amt wegen seiner Kritiken niederzulegen.

1.2. Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) ist keine kommunistische Partei. In ihren Reihen bestehen – auch soweit sie nicht als solche organisiert sind – unterschiedliche politische Strömungen. Nicht alle der letzteren sind vom Willen zur revolutionären Veränderung der schweizerischen Gesellschaft begeistert, und es gibt darunter auch solche, die ausgesprochen antikommunistische Thesen propagieren. Unter den Sektionen, die sich dagegen immerhin in der Optik der sozialen Veränderung verstehen, fehlt es nicht an starken opportunistischen Einflüssen.

1.3. Die PdAS ist demnach eine eklektische Partei, unfähig in irgend einer Sache Einfluss zu nehmen: abgesehen von den Pressemitteilungen (die übrigens oft im Verzug zu den Ereignissen erscheinen und praktisch jeder politischer Analyse und Vorschlägen entbehren), existiert die nationale Partei nicht in den sozialen Bewegungen, sie existiert nicht in den Gewerkschafts- und Studentenbewegungen, sie existiert nicht in den gesellschaftllicehen Massenbewegungen. Ein Bankrott auf der ganzen Linie der Rolle der –Avantgarde–, welche die Kommunisten anstreben solllten. Und das Schlimmste ist, dass man nicht imstande ist, dies einzugestehen und nicht im mindesten versucht, diese Lage der Dinge zu verändern.

1.4. Nur einzelne Organisationen und Genossen innerhalb der PdAS versuchen alternativ vorzugehen, oft auf sehr isolierte Weise: die Kommunistische Partei des Kantons Tessin, die Jeunesse Romande in den Kantonen Genf und Neuenburg und die Kommunistische Jugend der Kantone Bern, Zürich und Luzern. Darüberhinaus kann man die Einzelmitglieder Parteimitglieder aufzählen, die versuchen, in den jeweiligen Sektionen in einer kommunistischen Optik zu arbeiten, wenn auch aus klar minoritären Positionen.

1.5. Wir sind der Auffassung, dass die PdAS gegenwärtig keine kommunistische Partei darstellt, sondern eher ein Netz von kantonalen Parteien einer allgemein kämpferischen Linken, in deren Mitte es vor allem darum geht, die Aktivisten der verschiedenen kantonalen Sektionen, die sich ausdrücklich auf den Marxismus und den Leninismus berufen, als Strömung zu vereinigen.–[2] Es geht nicht um einen Widerspruch zum Marxismus-Leninismus, ganz im Gegenteil. Die Kommunisten um Lenin operierten in der bolschewistischen Strömung gegen den menschewistischen Flügel der Russischen Sozial-Demokratischen Abeiterpartei, bis die Phase für einen revolutionären Prozess und für die Geburt einer kommunistischen Partei heranreifte, welche den Anforderungen der Klassenzusammmenstösse der Zeit gewachsen war.

2. DER ZUKUNFT EINER SCHWEIZERISCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEI ENTGEGEN

2.1. Wir sind daher gegen die Hypothese einer Abspaltung von der PdAS. Wir glauben, dass in dieser Phase – angesichts der realen Kräfteverhältnisse und der gegebenen Höhe des Klassenbewusstseins der schweizerischen Volksschichten – eine solche Option direkt zur Marginalisierung führen würde. Man muss daher versuchen, die in einigen Regionen noch fortbestehende minimale Massenbindung zu verwerten, den internen ideologischen und politischen Kampf fortzuführen, aber mit dem einzigen Ziel, die einzelnen Organisationen zu einigen, von denen wir oben gesprochen haben. (vgl. These 1.4.)

2.2. Wir sind der Meinung, dass die zukünftige kommunistische Partei entweder aus Zusammenschluss und/oder Fusion der Organisationen und einzelnen Genossen oder gar nicht entstehen wird. Und wir denken, dass diese Fusion erst nach einer Phase gemeinsamer Tätigkeit in den Bereichen der theoretischen Erarbeitung, der politischen Initative und des organisatorischen Aufbaus gelingen kann. Wir sind demzufolge der Auffassung, dass diese Phase sich im Rahmen einer Beziehung von konföderativem Typus abwickeln kann.[3] Wir anerkennen sehr wohl, dass eine solche konföderative Beziehung sich besonders im Bereich der Jugend als heutiger Avantgarde der zukünftigen revolutionären Partei entfalten wird, und begrüssen schon jetzt die Geburt eines nationalen Netzes der Kommunistischen Jugenden.

2.3. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, den Aufbau der Partei auf eine ideologische Selektion zu begründen, sondern müssen umgekehrt unsere Energien auf die dialektische Überwindung der ideologischen Zäune verwenden,[4] die in der Vergangenheit Spaltungen in der internationalen kommunistischen Bewegung hervorgerufen haben und heute, auch als Folge der Beendigung der Erfahrung des realen Sozialismus in Europa und der tiefgreifenden Veränderungen in China, keinen sektiererischen Hegemonismus mehr rechtfertigen können. Die unterschiedlichen Meinungen über den Beitrag der verschiedenen historischen Führer der kommunistischen Bewegung und über die damit verbundenen Optionen und Interpretationen des Marxismus-Leninismus sind wissenschaftlich und mit dem Ziel der Synthese zu debattieren. Dies weil when parties have different ideological opinions concerning various questions, they can gradually surmount them in a process of common practical struggle against the international bourgeoisie, that strengthens confidence in the noblest ideals of humanity and eliminates all forms of opportunism, liberalism and dogmatism.[5]

2.4. Die kommunistische Partei ist die Partei derer, die für die Emanzipation der unterdrückten Klassen und für den Sozialismus kämpfen, die Partei, die die geschichtlichen Interessen des Proletariats den eigenen historischen oder ideologischen Bezügen voranstellt. Die Kommunisten müssen die gesamten Erfahrungen des Kommunismus des 20. Jahrhunderts in ihrer Widersprüchlichkeit, das heisst in ihrer dialektischen Gesamtheit, für sich beanspruchen. Nur das revolutionäre Proletariat hat zu beurteilen, ob eine ideologische Vorgabe mehr oder weniger Gefolgschaft verdient, und wir sind sicher, dass dieses Urteil sich niemals a priori, sondern erst auf der Grundlage der konkreten Erfahrung bildet, dass heisst aufgrund der Analyse dessen, was eine Strömung besser zu sagen/machen vermag als eine andere.–[6] Der Aufbau der schweizerischen Partei der Kommunisten wird nur durch Teilnahme am sozialen Kampf erfolgen, der die der jeweiligen historischen Phase am besten entsprechenden organisatorischen Formen und politischen Prioritäten bestimmen wird. Es ist klarzustellen, dass all dies nicht bedeutet, dass uns die historischen Bezugnahmen und ideologischen Debatten nicht interessieren würden. Im Gegenteil: wir wollen diese produktiv nutzbar machen für einen Sprung nach vorne, wobei wir auch von den Grenzen der historischen Erfahrungen lernen, aber ohne diese gewichtigen sozialen Erfahrungen zu leugnen.

2.5. Wir erkennen uns wieder in der folgenden Erklärung des Internationalen Kommunistischen Seminars, welche den Bezug auf den Marxismus-Leninismus hochhält; und zwar auf einen solchen, der der Wirklichkeit der (von Natur her widersprüchlichen) Massenbewegungen und den eindämmenden Bedingungen der geschichtlichen Phase angepasst ist: _ echte Kommunisten integrieren die marxistisch-leninistischen Ideen mit den Protestbewegungen der Volksmassen gegen die etablierte Ordnung. Wie verwirrt und widersprüchlich diese Bewegungen auch sein mögen, es liegt an den Kommunisten, ihnen das Licht des Marxismus-Leninismus in der geeigneten Weise zu bringen._[7]

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Noten:

1 These C.5 des XXI. Kantonalen Parteitags der Kommunistischen Partei des Tessins (27. November 2011.

2 Ebenda.

3 Laboratorio Marxista, – Seminare per raccogliere: contributo al dibattito per la ricostruzione del partito comunista», Antiper (www.antiper.org), August 2000, S. 55.

4 Ebenda S. 56.

5 Erklärung des Internationalen Kommunistischen Seminars vom 4. Mai 1999 (www.icsbrussels.org).

6 Laboratorio Marxista, – Seminare per raccogliere…– (www.antiper.org), August 2000, S. 56.

7 Erklärung des Internationalen Kommunistischen Seminars vom 4. Mai 2003 (www.icsbrussels.org).


Siehe auch:

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