Aus der Geschichte des Alexandrow-Ensembles
Beim Absturz des russischen Militärflugzeuges Tu-154 über dem Schwarzen Meer am 25. Dezember sind vermutlich auch 64 Mitglieder des Alexandrow-Ensembles, des legendären Chors der Roten Armee, ums Leben gekommen. An Bord der Maschine war auch dessen Dirigent, Generalleutnant Waleri Chalilow. Sie waren unterwegs nach Latakia (Syrien), um dort ein Konzert zu geben. Mit den betroffenen Familien und Freunden trauern Musikinteressierte aus aller Welt aus Anlass dieses ungeheuren Verlustes für die russische und sowjetische Musik.
Wir erinnern bei dieser Gelegenheit an die Geschichte des Chors.
- A.W. Alexandrow (1883-1946)
Alexander Wassiljewitsch Alexandrow (1883-1946) hatte am Konservatorium von St. Petersburg sakrale Musik studiert und wurde 1922 Lehrer für Musiktheorie am Konservatorium in Moskau. 1928 gründete er das Gesangs- und Tanz-Ensemble der Roten Armee unter dem Namen “Alexandrow-Ensemble”. Es bestand zunächst aus 12 Soldaten. Als Komponist bearbeitete Alexandrow auch Volkslieder und vertonte einige der bekanntesten sowjetischen Lieder, darunter “Der heilige Krieg” und die “Hymne der Sowjetunion”.
Die Produktion und Aufführung von Liedern nahm in der russischen Arbeiterbewegung von jeher eine grosse Bedeutung ein. Das Lied wurde eine Waffe der Revolution, des sozialistischen Aufbaus und des patriotischen Kampfes. Seinen grössten Aufschwung erlebte es im Grossen Vaterländischen Krieg 1941-45, unter wesentlicher Beteiligung des Soldatenchors von Alexandrow, der während des Krieges etwa 1500 Auftritte hatte.
“Der heilige Krieg”
Das Lied “Der heilige Krieg” (russ.: Священная война) schrieb Wassili Lebedew Kumatsch unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941. Gleich in den ersten Stunden nach Kriegsbeginn legte ein politischer Offizier der Roten Armee dieses Gedicht, das in diesen Tagen auch in der Prawda und in der Armeezeitung “Roter Stern” erschien, dem Chorleiter Alexandrow vor und drängte ihn zu einer Vertonung. Wie Jewgeni Alexandrow, ein Enkel des Musikers, berichtet, habe Grossvater seinen Tee stehen lassen und sich sogleich ans Klavier gesetzt. Und noch am gleichen Abend sei es mit den Proben los gegangen. Am folgenden Tat, dem 26. Juni 1941, erlebte das Werk seine Uraufführung auf dem Belorussischen Bahnhof in Moskau bei der Verabschiedung von Freiwilligen an die Front. Der Eindruck des Liedes auf die Zuhörer war gewaltig. Zuerst herrschte Grabesstille. Und dann folgte donnernder Applaus und der Chor musste das Lied wieder und wieder singen. Das ganze Konzert bestand aus diesem einzigen Lied. Die Soldaten wollten es sich einprägen und sangen es auf dem Weg an die Front.
Die Hymne der Sowjetunion
Unmittelbar nach der Revolution wurde die “Internationale” zur Hymne Sowjetrusslands und blieb es auch in der 1922 gegründeten Sowjetunion. Auf Anfang 1944 wurde sie durch das Lied “Hymne der Sowjetunion” von Sergei Michalkow und Gabriel El-Registan, mit der Musik von Alexandrow abgelöst. Seine Komposition wird heute der Nationalhymne der Russischen Föderation unterlegt.
Die Aufführung der sowjetischen Hymne und kommunistischer Lieder ist heute in verschiedenen Staaten Osteuropas durch staatliche Verbote und Repressionsmassnahmen eingeschränkt.
Legendäre Auftritte nach Kriegsende
Nach dem Krieg trat das Ensemble unter anderem in Deutschland auf. Alexandrow selbst starb 1946 in Berlin. Legendär wurden die Friedenskonzerte des Ensembles zusammen mit dem Tenor Viktor Iwanowitsch Nikitin auf der Deutschland-Tournee von 1948, wo auch deutsche Volkslieder wie “Im schönsten Wiesengrunde” und “Heideröslein” vorgetragen wurden.
Das Alexandrow-Ensemble trug wesentlich dazu bei, das reichhaltige Liedgut aus der Zeit der Revolution, des sozialistischen Aufbaus und des Zweiten Weltkriegs und russische Volkslieder weltweit bekannt zu machen. Der Chor hatte fast die ganze Welt bereist und trat in mehr als 70 Ländern in Europa, Asien, Afrika, Nord- und Südamerika auf.
Der Chor der Roten Armee zum Hören und Sehen
Hier eine kleine Auswahl von Audio- und Videodokumenten des Alexandrow-Ensembles mit historischen Aufnahmen und zeitgenössischen Interpretationen von bekannten und weniger bekannten Titeln:
- Налетели на Царицын враны (1936)
- Замучен тяжёлой неволей – Im Kerker zu Tode gemartert (2001)
- Песня о 5-й дивизии / Song of 5th division (1936)
- Полюшко поле – Poljuschko pole (Paris 1937)
- Священная война – Der heilige Krieg (1942)
- Несокрушимая и легендарная – Unbesiegbar und legendär (1943)
- ALEXANDROW-ENSEMBLE in BERLIN 1948 (Ausschnitt von ca. 16 Minuten)
- Heideröslein (Dresden 1948, Solist: Nikitin)
- Im schönsten Wiesengrunde (Berlin 1948, Solist: Nikitin)
- Калинка – Kalinka (Berlin 1948, Solist: Nikitin)
- Соловьи – Solovii (1950, Solist: Georgi Winogradow)
- По долинам и по взгорьям – Amur-Partisanen (Paris 2003)
- Очи чёрные – Schwarze Augen (Paris 2003)
- Катюшa – Katiuscha (2014)
- Смуглянка-молдаванка – Smuglianka Moldowanka (1945)
- Гимн Советского Союза – Hymne der Sowjetunion (1944)
- ALEXANDROW-ENSEMBLE in BELARUS 2014 (ca. 5/4 Stunden)
(mh/27.12.2016)