[Cunhal: Die sechs grundlegenden Charakterzüge einer Kommunistischen Partei II]
II. Kapitel
Die derzeit im Gange befindliche imperialistische Offensive
hat das erklärte und angekündigte Ziel, auf der ganzen Welt die absolute Herrschaft des Kapitalismus als einziges, universelles und endgültiges System durchzusetzen.Dies ist der grundlegende Zweck der Theorie von der sogenannten –Globalisierung–.
Es handelt sich um die grösste Gefahr und um die unheilvollste Bedrohung, der die Menschheit im Laufe ihrer langen Geschichte jemals gegenüber stand.
Sicher haben sich einige Aspekte und Elemente der objektiven Entwicklung des Kapitalismus schon früher dessen Tendenz zum Griff nach der Welt bestätigt. Dies war der Fall bei der Internationalisierung der Produktionsprozesse, ebenso bei den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen, in der sozialen Information und Kommunikation, oder in der Schaffung von Zonen der wirtschaftlichen Integration.
Gewiss ist auch, dass der Imperialismus schon vordem, im Kampf um die –Aufteilung der Welt–, über die Waffen von Militärinterventionen und Kriegen verfügte.
Die –globale– Offensive ist hingegen eine andere Sache. Gestützt auf die USA als grundlegende und vorherrschende Macht, entfaltet sich die gegenwärtige Offensive an allen Fronten.
Waffen der ökonomischen Offensive sind:
- die Schaffung von gewaltigen Gruppen von internationalen Unternehmen;
- verschiedene Organe mit wachsender Vollmacht zum –legalen– Aufzwingen von Regeln und Politiken (FMI, WTO, Weltbank);
- die Besitzergreifung der Ressourcen und strategischen Sektoren schwächerer Länder;
- Kreditkürzungen;
- Fassung von wirtschaftspolitischen Beschlüssen durch überstaatliche Organe für Mitgliedstaaten von Zusammenschlüssen mit bundesstaatlichem Charakter;
- finanzielle Würgemassnahmen und wirtschaftliche Blockade zum Zweck der Niederzwingung von Ländern, welche sich der Offensive widersetzen.
Dieser Prozess spitzt viele der Widersprüche des Kapitalismus zu. Eines seiner Elemente ist die Ausbreitung selbst in entwickelten kapitalistischen Ländern, von Teilen der Gesellschaft, die in äusserer Armut leben, und in unterentwickelten Ländern der Hungertod, der millionenstarke Völker zum Aussterben bringt.
Gleichzeitig spitzt sich die Konkurrenz zu, und es entsteht die Möglichkeit schwerer Konflikte zwischen den gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Machtzentren, auch unter den reichsten und mächtigsten. Allerdings (- und darin liegt ein neuer, unterschiedlicher Zug – ) integrieren sie sich alle in die –globale– Offensive.
Bezeichnend für die grossen Entwürfe und Pläne ist das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI). Nach dessen Entwurf könnten die vereinigten grossen Potentaten von Wirtschaft und Finanz, mit der notwendigen militärischen Hilfe, ein Land nach dem anderen zur Einführung vorgeschriebenen Ausbeutungsformen oder zur Auslieferung vitaler Wirtschaftszweige zwingen, das Schicksal des investierten Kapitals bestimmen und Marionettenregierungen verpflichten, durch wirksame Unterdrückungsmassnahmen die eventuellen Kämpfe und Revolten der Werktätigen und der jeweiligen Völker zu zermalmen.
Das MAI ist eine Art Verfassungsentwurf des Imperialismus in seiner –globalen– wirtschaftlichen und politischen Offensive.
Bekanntlich hat das Projekt, das unter dem Schutz der USA, Grossbritanniens, Frankreichs und Deutschlands ausgearbeitet wurde, bei seiner Bekanntgabe eine derart breite Ablehnung und Empörung ausgelöst, dass es aus der unmittelbaren Beratung zurückgezogen werden musste. Aber tatsächlich wird der Entwurf aufbewahrt, um später wieder auf den Tisch zu kommen.
Daneben, und manchmal als direktes Mittel der Wirtschaftsoffensive (die eng mit der politischen und diplomatischen Aktivität gekoppelt ist), stützt sich die militärische Offensive auf das Mittel der dominierenden Überlegenheit der Bewaffnung, namentlich der USA und der NATO als autonome supranationale Macht, die aber effektiv auch durch die USA dominiert und kommandiert wird.
Der militärischen Offensive dienen:
- Ultimaten,
- Bombardierungen,
- bewaffnete Interventionen,
- Aufrüstung und Schürung von rebellischen Kräften gegen demokratische Regierungen,
- Interventionen zur Einsetzung von tyrannischen Regierungen und Marionettenregierungen,
- Aggressionen und Kriege gegen Länder, die sich der Beherrschung durch die USA und andere imperialistische Länder mutig widersetzen,
- Attentate von terroristischen Organisationen und
- militärische Aktionen des Staatsterrorismus.
Hinzu kommt die Ungeheuerlichkeit der Aufrichtung eines internationalen politischen Gerichtes unter dem Kommando des Imperialismus, um herausragende Verteidiger eines Landes oder eines Volkes zu richten und Strafurteile bis zu lebenslänglichem Zuchthaus zu fällen.
Dazu kommt die gigantische Verschmutzung der Atmosphäre, der Flüsse und Ozeane durch die höher entwickelten Länder und der Raub und die Zerstörung der natürlichen Ressourcen der zurückgebliebenen Länder. Sie hat die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts in ausgedehnten Regionen des Erdballs zur Folge.
Alle diese Aspekte der Offensive erreichen ein nie zuvor gekanntes Ausmass und bilden Bestandteile des Prozesses der weltweiten Integration der imperialistischen Kräfte in ihrer –globalen– Offensive.
Als Perspektive proklamiert der Imperialismus seine Offensive für unaufhaltsam und unumkehrbar und verkündet die Stabilität und die endgültige Stabilisierung des Systems. Auf dem ideologischen Gebiet kündigt er die Universalisierung des Denkens, das Ende der Ideologien und das –einheitliche Denken– an.
Aber die Offensive ist nicht unaufhaltsam und unumkehrbar. Und mit jenen Begriffen, die von der Propaganda verbreitet werden, erliegt der Imperialismus schliesslich dem Versuch zur Selbsttäuschung. Anders gesagt: beim erklärten, tollkühn anmassenden Ziel handelt es sich um die gegenwärtige Utopie des Kapitalismus.
Utopie einerseits, weil der Kapitalismus durch seine eigene Natur von Widersprüchen und Problemen zernagt wird, die er nicht überwinden kann. Utopie andrerseits, weil Kräfte existieren, die ihm in den Weg treten, Widerstand leisten und die bei ihrem weiteren Erstarken verhindern können, dass der Imperialismus sein Ziel erreicht.Diese Kräfte sind:
- Die Länder, in denen die Kommunisten an der Macht sind und welche am Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft festhalten, wenn auch auf sehr unterschiedlichen Wegen.
- Die Arbeiterbewegung und namentlich die Gewerkschaftsbewegung.
- Die kommunistischen Parteien und andere revolutionäre Parteien, die mit Vertrauen und Mut kämpfen.
- Die potentiellen Widerstandskräfte aus kapitalistischen Ländern, die gegenwärtig vom Imperialismus ausgebeutet werden, und die nationale Unabhängigkeit effektiv verlieren
- Junge nationale Befreiungsbewegungen
- Bewegungen zur Verteidigung der Umwelt und solche gegen die Macht und die Entscheide der reichsten Länder oder gegen die –Globalisierung– überhaupt.
Sie bilden zusammen die grundlegenden Kräfte, um die Weltherrschaft des Imperialismus zu verhindern. Die Einsicht hierein genügt noch nicht. Unerlässlich ist eine entsprechende Handlungsweise. Notwendig ist die Stärkung dieser Kräfte und der Kampf für ihre gleichzeitige und zusammenlaufende Wirksamkeit.
Darin besteht der einzige Weg,
um das Voranschreiten der Offensive des Imperialismus zu bremsen, zu erschweren und zu verhindern und die Vorbedingungen dafür zu schaffen, dass die Offensive schliesslich zum Scheitern gebracht, und eine Umschwung in der internationalen Lage herbeigeführt wird.Hier ist in Erinnerung zu rufen, dass der Imperialismus sich nicht auf den direkten Angriff an seinen verschiedenen Fronten beschränkt. Er versucht aktiv, die Widerstandskräfte zu spalten, sie von innen her zu unterminieren, sie zum Aufgeben des Kampfs, zur Selbstzerstörung und zum Selbstmord zu verleiten.
In einigen Fällen hat er das geschafft. In zahlreichen anderen Fällen lässt sich das Gegenteil feststellen: die Stärkung dieser Kräfte, ihre Neubelebung und die Steigerung ihres Einflusses und ihrer Initiative.
Es ist wichtig, dass man die Beispiele, welche diese Einschätzung bestätigen, überall verbreitet, hervorhebt und würdigt.