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Zur Causa Alexander Nawalny: Cui bono?

Für die westlichen Mainstream-Medien ist ohne Zweifel klar, dass Alexander Nawalny vom russischen Geheimdienst FSB mit Nowitschok vergiftet worden ist, um einen einflussreichen Kritiker des «autoritären Putin-Regimes» zu beseitigen, und dass dies nicht ohne Wissen Putins oder wahrscheinlich sogar auf dessen Anordnung geschehen ist. STEFAN HOFER macht sich Gedanken dazu.

Die Dementis der russischen Behörden werden als gänzlich unglaubwürdig abgetan. Die Einwände der Russen gegen die Behauptungen aus dem Westen werden von den westlichen Medien grösstenteils gar nicht wiedergegeben, da der Fall ja ohnehin sonnenklar sei.

Bezüglich des Hergangs der Ereignisse sind folgende Fakten bekannt:

A. Nawalny ist in der sibirischen Stadt Tomsk an einer politischen Veranstaltung aufgetreten. Auf dem Rückflug von Tomsk nach Moskau ist er am 20. August 2020 im Flugzeug zusammengebrochen, worauf das Flugzeug ausserplanmässig in der Stadt Omsk gelandet ist, wo die vom Flugkapitän angeforderte Ambulanz mit dem Notarzt auf dem Flughafen wartete und Alexander Nawalny ins Spital brachte, wo er als Notfall aufgenommen, untersucht und behandelt wurde.

Die Nachricht von einer Vergiftung des Putin-kritischen Oppositionspolitikers Nawalny wurde unverzüglich in den westlichen Medien verbreitet, wobei von Anfang an die These in den Raum gestellt wurde, Nawalny sei offensichtlich Opfer eines Tötungsversuchs, hinter dem mit grösster Wahrscheinlichkeit der russische Geheimdienst stehe.

Unverzüglich forderten die Begleiter von Alexander Nawalny, dieser müsse zur Behandlung sofort nach Deutschland verbracht werden. Schon am folgenden Tag landete ein Spezialflugzeug aus Deutschland in Omsk, um Alexander Nawalny abzuholen, und am nächsten Tag wurde Alexander Nawalny zur medizinischen Behandlung nach Deutschland ausgeflogen. Die russischen Behörden bewilligten den Sonderflug.

Spezialisten der deutschen Bundeswehr haben dann Alexander Nawalny untersucht und dabei angeblich im Blut und im Urin Spuren des Nervengifts Nowitschok gefunden, das in Russland entwickelt worden ist.

Die internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen OPCW hat in der Folge auf Grund der Gegenstände und Angaben, die ihr von der deutschen Bundeswehr vorgelegt worden sind, diesen Befund bestätigt.

Umgehend forderte die deutsche Bundeskanzlerin Russland auf, den Fall abzuklären, obwohl für sie ja von Anfang an klar war, dass dafür nur Putin und sein Geheimdienst verantwortlich sein können.

Es gibt aber doch gewichtige und daher bedenkenswerte Gründe, die dagegen sprechen, dass der russische Geheimdienst und Putin hinter dieser Vergiftungsaktion stecken.

  1. Bei solchen Ereignissen muss man immer auch die Frage stellen: Cui bono? Wem nützt es? Wer kann ein Interesse daran haben?
    Putin und die russische Regierung können sicher nicht profitieren von der voraussehbaren anti-russischem Kampagne, welche dieses Ereignis zur Folge hatte. Man hat Putin schon viele negative Eigenschaften attestiert, doch, dass er dumm sei, hat noch kein ernstzunehmender Kopf behauptet.
    Nawalny wird zwar von den westlichen Medien zu einem grossen Oppositionspolitiker aufgeblasen, in Russland aber ist sein Einfluss gering. Abgesehen von den Städten Moskau und Petersburg hat er im Land nur relativ wenig Anhänger. Er ist der Mann des Westens, aber eine Gefahr für die derzeitige Regierung stellen er und seine Anhänger nicht dar, zumal neben der Putin-Partei Einiges Russland die Kommunistische Partei die grösste Oppositionspartei ist.
    Ein solcher Anschlag wäre nicht nur kriminell, sondern aus der Sicht Putins eine politische Dummheit par excellence. In diesem Zusammenhang ist auch nicht uninteressant, dass Nawalny zwar einen Zusammenbruch erlitten hat und ins Koma versetzt worden ist, aber offensichtlich ohne bleibende Schäden wieder auferstanden ist. Nowitschok ist jedoch ein Nervengift, dass schon in ganz geringen Dosen tödlich wirkt. Ein russischer Wissenschaftler, der an der Entwicklung von Nowitschok als chemischen Kampfstoff beteiligt war, lebt heute in den USA. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass man auch in den USA Nowitschok kennt und auch herstellen kann.
  2. Zuerst wurde behauptet, Alexander Nawalny sei auf dem Flughafen in Tomsk mit einem Tee, den er vor dem Abflug an der Bar getrunken hat, vergiftet worden. Der ihn beobachtende Geheimdienst hat offenbar schon vorher gewusst, dass Nawalny dann auf dem Flughafen an der Bar einen Tee trinken wird und die Vergiftung vorbereiten können. Als diese Version offensichtlich unhaltbar wurde, hat man umgestellt auf die Version, Nawalny habe vor dem Abflug im Hotel ein Mineralwasser getrunken, das vergiftet war. Wochen nach dem Flug wurde von seinen Mitarbeitern eine Mineralwasserflasche an der Spuren von Nowitschok gefunden wurden, aus dem Hut gezaubert. Die Mitarbeiter haben diese Mineralwasserflasche angeblich im Hotelzimmer sichergestellt, wahrscheinlich weil sie damals schon den Verdacht hegten, der russische Geheimdienst könnte aufs Geratewohl in der Minibar ein vergiftetes Mineralwasser platziert haben. Handelt so ein professionell arbeitender Geheimdienst in Erfüllung eines Auftrags des Staatspräsidenten?
  3. Die russischen Behörden haben ermöglicht, dass Nawalny nach der notfallmässigen Einlieferung in ein Krankenhaus in Omsk mit einem von Deutschland nach Omsk geschickten Sonderflugzeug nach Berlin ausgeflogen werden konnte. Wenn sie etwas zu verbergen gehabt hätten, hätten sie die Erlaubnis für einen solchen Sonderflug problemlos verweigern können.
  4. Nowitschok ist ein Gift, das sich nicht eignet zur Vergiftung einer individuell bestimmten Person, weil es schwer zu dosieren ist und schon in kleinsten Mengen eine grosse Streuwirkung hat. Bekanntlich hat aber keine der Nawalny ständig umgebenden Begleitpersonen Vergiftungserscheinungen gezeigt.
  5. Die deutschen Behörden haben zwar die russischen Behörden ultimativ aufgefordert, den Fall aufzuklären, aber weder die deutsche Bundeswehr noch die beigezogene OPCW waren bereit, ihre als geheim bezeichneten Untersuchungsberichte und Unterlagen den russischen Behörden, die nur über die Krankengeschichte des Spitals in Omsk verfügen, vorzulegen.

In Anbetracht der angeführten Fakten, die geeignet sind, ernste Zweifel zu begründen an der Behauptung, der russische Geheimdienst habe im Auftrag Putins Nawalny als gefährlichen Oppositionspolitiker umbringen wollen, ist es zumindest nicht abwegig, die Frage zu stellen, ob nicht vielleicht die CIA mit Unterstützung ihrer Partnerdienste in Deutschland diese Affäre inszeniert haben könnte. Die Antwort auf die Frage – Wem nützt es? – spricht dafür. Die Kräfte in den USA, die eine Zusammenarbeit mit Russland sabotieren möchten und ihre auch in Deutschland einflussreichen Verbündeten haben sofort eine gut orchestrierte Propaganda-Kampagne in Gang gesetzt und neue Sanktionen gegen Russland gefordert. Aus den USA folgte auf dem Fuss die Forderung, der Bau der Gaspipeline North Stream 2 dürfe nicht zu Ende geführt werden.

Alexander Nawalny ist bekanntlich dauernd mit sogenannten Mitarbeitern umgeben, von denen mit Sicherheit einige mit westlichen Diensten in Verbindung stehen. Dafür spricht auch, dass Nawalny nicht umgebracht worden ist und von der Vergiftung ohne bleibende Schäden genesen ist. Er kann somit zur weiteren Verwendung nach Russland zurückgeschickt werden.

Dieser Vermutung wird nun der bewährte Einwand entgegengehalten, es handle sich um eine Verschwörungstheorie, die nicht wirklich ernst genommen werden könne. Aber solche Verschwörungen hat es in der Vergangenheit nachgewiesenermassen gegeben.

Es ist heute kein Geheimnis mehr, dass im Jahr 1978 Aldo Moro der Präsident der Christdemokratischen Partei Italiens durch eine Aktion der CIA und des italienischen Geheimdienstes ermordet worden ist, weil er die Kommunistische Partei an der Regierung beteiligen wollte. Perfiderweise wurden dafür die linksextremen Roten Brigaden, die terroristische Methoden nicht grundsätzlich ablehnten und die KPI als reformistische Partei bekämpften, infiltriert und instrumentalisiert, damit nach erfolgreich durchgeführter Aktion die Ermordung als Tat einer linksextremistischen Organisation dargestellt werden konnte.

Im Jahr 1970 haben chilenische Soldaten im Zusammenwirken mit der CIA den Chef der chilenischen Armee General René Schneider ermordet. In der Neuen Zürcher Zeitung vom 14. November 2020 kann man dazu lesen:

«Im Zentrum des geheimen Plans stand die Entführung von General Schneider, die gleich mehrere Ziele verfolgte. Der mächtigste Gegner einer Militärintervention sollte neutralisiert und anschliessend durch einen Befürworter eines Coups ersetzt werden. Die Allende-Anhänger sollten als angebliche Verantwortliche angeschwärzt werden, und die Tat sollte das notwendige Klima des Aufruhrs schaffen, das eine Machtübernahme des Militärs begründen würde. Am 15. Oktober traf sich der oberste Verantwortliche für verdeckte Operationen bei der CIA, Thomas Karamessines, mit Henry Kissinger und dessen Assistenten Alexander Haig, um sie hinsichtlich der Coup-Pläne auf den neuesten Stand zu bringen. Am folgenden Tag übermittelte das CIA-Hauptquartier seinen Leuten in Chile die Resultate der Sitzung und bestätigte, dass es „seine feste und anhaltende Politik war, Allende durch einen Putsch zu stürzen”, wenn möglich vor der Wahl im Kongress vom 24. Oktober. Nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen General Schneider zu entführen, wurde er am Morgen des 22. Oktober in seinem Dienstwagen durch einen Jeep gestoppt und sein Auto durch ein bewaffnetes Kommando von Soldaten umstellt. Als ein Angreifer das Heckfenster mit einem Vorschlaghammer zerstörte, griff Schneider zu seiner Dienstpistole und wurde in der Folge aus nächster Nähe angeschossen. Tödlich verletzt starb er drei Tage später.»

Diese Fälle sind der Regierung der Bundesrepublik Deutschland natürlich bekannt, aber von einem Protest oder auch nur einer Äusserung des Missfallens seitens der Regierung der BRD ist nichts bekannt. Die dauernd beschworene transatlantische Allianz «mit unseren amerikanischen Freunden» vermögen derartige Ereignisse nicht zu erschüttern.

Solche von der CIA organisierte Verschwörungen hat es tatsächlich gegeben, wobei auch noch weitere Beispiele angeführt werden könnten. Wer schon damals bezüglich dieser Ereignisse erklärte, hinter diesen Morden stecke wahrscheinlich die CIA, wurde als Verbreiter von Verschwörungstheorien, der nicht ernst genommen werden kann, abgekanzelt. Der Vorwurf der Verbreitung von angeblich absurden Verschwörungstheorien ist ein seit Jahren bewährtes Totschlagsargument.

Basel, 17. Dezember 2020/Ho/sr

→ siehe nebenan auch das Post Scriptum zu diesem Artikel