Die junge Bürgermeisterin von Santiago ist Kommunistin… (siehe auch Seitenspalte nebenan) | Bild: Histoire et société
In Chile verliert die Rechte die Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung. KP erzielt historisches Ergebnis!
Bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung in Chile vom 16. Mai wurde die Rechte besiegt. Obwohl sie mit 37 Wahlmännern am meisten Sitze erzielt hat, erhielt sie nicht das erhoffte Drittel der Sitze, das ihr ein Vetorecht gegeben hätte. Hingegen hat die Linke in der Versammlung diese Sperrminorität errungen. Bei gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen, hob in der Hauptstadt eine junge Kommunistin den Amtsinhaber der Rechten aus dem Sattel. In Recoleta, einer andern Gemeinde des Grossraums Santiago, wurde der bisherige KP-Bürgermeister glänzend wiedergewählt.
von Stefano Araujo1
sinistra. Am vergangenen Wochenende waren die chilenischen Bürger zu den Urnen gerufen, um die neue Verfassungsgebende Versammlung, die regionalen Gouverneure und einige Gemeindevorsteher zu wählen. Das allgemeine Ergebnis? Ein Sieg für die Linke, eine Niederlage auf allen Ebenen für die neoliberale Rechte.
Die neue verfassungsgebende Versammlung hat eine progressive Mehrheit
Aber gehen wir der Reihe nach. Auf nationaler Ebene wurde über die Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung (Convención Constituyente) abgestimmt, die die Aufgabe haben wird, die neue Verfassung auszuarbeiten. Die aktuelle ist noch die antidemokratische, die aus den 80er Jahren stammt, als Augusto Pinochet und seine faschistische Militärjunta herrschten. Die Wahlen an diesem Wochenende sind das Ergebnis der sozialen Proteste der letzten Jahre gegen die aktuelle Verfassung, die in ihrer Doktrin ausgesprochen neoliberal ist.
Nun, die Wahl für die Verfassung war ein Triumph für die Linke und eine vernichtende Niederlage für die Regierungsrechte, angeführt vom derzeitigen Präsidenten der Republik Sebastien Piñera. Das Bündnis Apruebo Dignidad zwischen der Kommunistischen Partei Chiles (PCCh) und der Frente Amplio (eine Koalition der radikalen Linken), gewann 28 Sitze. Sie überrundeten damit die in der Lista del Apruebo zusammengefassten sozialdemokratsich-christlichdemokratische Mitte-Links-Formation, die 25 Sitze gewann. Die rechte Vamos Por Chile blieb bei 37 Sitzen stehen, also weit entfernt von den erhofften 52 (ein Drittel der Gesamtzahl), die für ein Veto gegen die neuen Verfassungsartikel nötig sind. Ein gutes Ergebnis gab es auch für die bürgerlichen Listen und Unabhängigen, die 35 Abgeordnete hinzugewannen. Erwähnenswert ist ausserdem die Wahl von 17 Abgeordneten, die lokale indigene Gemeinschaften vertreten. Da auch die meisten der unabhängigen Gewählten der Linken zuzuzählen sind, werden sie gemeinsam mit den Abgeordneten von Apruebo Dignidad in der Versammlung Vetokraft haben.
Sieg auch in den Gemeinden: Santiago hat eine kommunistische Bürgermeisterin!
Der gleiche Trend ist sowohl bei den Regional- als auch bei den Kommunalwahlen zu beobachten. Auch hier ist der mit Piñeras Präsidentschaft verbundene rechte Flügel eingebrochen, während sowohl die radikale als auch die linke Mitte gewachsen sind. Doch damit nicht genug: Zum ersten Mal in der Geschichte war eine kommunistische Kandidatur für das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Santiago erfolgreich. Neue Bürgermeisterin ist die junge, 30-jährige Irací Hassler, eine Wirtschaftswissenschafterin und ehemalige Anführerin der nationalen Studentenbewegung. Im Jahr 2011 war sie die Protagonistin der Proteste chilenischer Studenten gegen die Ökonomisierung der Bildung. Mit 39% der Stimmen, gegen die 35%, die der rechte Herausforderer Felipe Alessandri erhielt, gelang Hassler etwas, das die chilenischen Kommunisten nie zuvor erreicht hatten. In einem Interview kurz nach der Veröffentlichung der Ergebnisse erinnerte das neue Stadtoberhaupt von Santiago mit schweizerischen Wurzeln daran, dass dieses Ergebnis nicht nur die Frucht ihrer individuellen Kandidatur war, sondern auch der konstanten und kontinuierlichen Arbeit der chilenischen Kommunisten im ganzen Land.
Die Kommunistin Iraci Hassler (31 Jahre alt) ist die neue Bürgermeisterin der chilenischen Hauptstadt.
Kommunisten haben Erfolg bei Protesten gegen Piñera
Es sei daran erinnert, dass die KP zusammen mit den Genossen der Frente Amplio der Protagonist der Mobilisierung der letzten Jahre gegen die Piñera-Regierung, ihre neoliberale politisch-ökonomische Agenda und die von ihr verteidigte pinochetistische Verfassung gewesen ist. Dank der Führung der Avantgarde der oppositionellen sozialen Bewegungen, dank einer bemerkenswerten territorialen Verwurzelung, hat die radikale Linke das Herz und die Stimme des chilenischen Volkes gewonnen, das des neoliberalen Regimes überdrüssig ist &ndash von der Diktatur Augusto Pinochets auferlegt und dann von den Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Regierungen fortgeführt. Das Ergebnis vom Sonntag gibt Schwung für die Präsidentschaftswahlen im nächsten November. Die chilenische KP hat dabei gute Aussichten. Der beliebte Bürgermeister von Recoleta, Daniel Jadue, wurde mit 64% der Stimmen glänzend im Amte bestätigt und ist in den ersten Umfragen für die Wahlen im Herbst gut positioniert. Vielleicht ist es noch zu früh, um von einem historischen Wendepunkt für Chile zu sprechen, aber dieses Ergebnis verheisst sicherlich Gutes für die Zukunft! Für die chilenische KP sind dies jedenfalls historische Ergebnisse, mit Abstand die besten seit dem Ende der Diktatur.
1 Stefano Araujo, geboren 1993, hat einen Master-Abschluss der Universität Genf in Politikwissenschaften. Derzeit arbeitet er als Assistent am Global Studies Institute der gleichen Universität. Er ist Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (Schweiz).
___
Der Text wurde am 19. Mai 2021 in sinistra.ch erstmals veröffentlicht.
→ Mehr über Santiagos neue Bürgermeisterin Irací Hasler in der Seitenspalte