«Nur kämpfend kommen wir voran» – die Chilenen haben es uns gezeigt.
Allende-Enkel über den Wahlerfolg, was dazu geführt hat, und geopolitische Perspektiven für den Subkontinent
In «The Grayzone» spricht der Investigativjournalist Ben Norton mit dem chilenischen Aktivisten und Politiker Pablo Sepúlveda Allende über die historischen Wahlen vom 15. und 16. Mai. Linke und unabhängige Kandidaten haben zwei Drittel der Sitze für einen Konvent gewonnen haben, der die Verfassung umschreiben soll, die noch aus der Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet stammt. Sepúlveda Allende, ein Enkel von Salvador Allende, spricht auch über Chiles enorme Kupferreserven, die zu den grössten der Welt gehören und nun verstärkt ins Visier von US-Konzernen geraten, nachdem Goldman Sachs Kupfer als «das neue Öl» bezeichnet hat.
BEN NORTON1: Hi, ich bin Ben Norton von «The Grayzone», und ich spreche mit einem Aktivisten, Arzt und Revolutionär aus Chile, Pablo Sepúlveda Allende. Er ist ein Enkel des legendären chilenischen Präsidenten Salvador Allende, und er ist ein Aktivist und engagiert sich in den sozialen Bewegungen in Chile. Er hat auch viel Zeit damit verbracht, in Venezuela zu leben. Als ich in Caracas war, habe ich hier bei «The Grayzone» ein Interview mit Pablo veröffentlicht.
Und heute werden wir über die Wahlen in Chile sprechen. Diesen Mai gab es Kommunalwahlen und verfassungsgebende Wahlen, um eine neue Verfassung zu schreiben, denn heute hat Chile noch eine Verfassung aus der Pinochet-Ära, die in der Zeit der Militärdiktatur, von Augusto Pinochet, geschrieben wurde.
Pablo Sepúlveda Allende.
Also Pablo, du warst ein Kandidat bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung. Bei diesen Wahlen hat die Linke einen historischen Sieg errungen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Linke, die Progressiven und die Unabhängigen zwei Drittel der Sitze im Verfassungskonvent gewonnen haben, um eine neue Verfassung zu schreiben. Was ist also die Bedeutung dieser Wahl, dieser Abstimmung und des Sieges der Linken in Chile? Vor allem, weil Chile auf der ganzen Welt, für diejenigen von uns, die Ausländer sind, mit Neoliberalismus und sehr rechter Politik assoziiert wird. Was ist also die Bedeutung dieses Wahlsieges?
PABLO SEPÚLVEDA ALLENDE: Ja danke, Ben, für die Gelegenheit, die Einladung zu diesem Gespräch.
Ja, Chile hat in den letzten Jahren ein sehr aktives soziales und politisches Umfeld gehabt. Ich denke, es gibt da zwei oder drei grosse Meilensteine: Erstens, die grosse Mobilisierung vom Oktober 2019, allgemein bekannt als der soziale Ausbruch, oder mehr wie ein Aufstand, eine unruhige Revolution, eine Volksrebellion gegen das neoliberale Modell. Alle historischen Forderungen wurden zusammengebracht, von historischen Kämpfen, und es wurde alles zu einer einzigen Forderung, die schnell zu einer Änderung der Verfassung der Diktatur wurde, der Verfassung von Pinochet, eine Forderung, die sehr alt war, aber nicht das günstige Momentum hatte, das der Oktober 2019 ihr gegeben hatte.
Und als Ergebnis mussten die Regierung und die politische Elite der dominierenden politischen Parteien in weniger als einem Monat eine Volksabstimmung ausrufen, um zu sehen, ob die Menschen eine neue Verfassung wollten oder nicht. Sie nannten es nicht eine verfassungsgebende Versammlung, was auf der Strasse gefordert wurde, sondern einen «Verfassungskonvent», der, ja, gewisse Grenzen hat; es ist keine souveräne Versammlung; sie kann die Freihandelsabkommen nicht beeinflussen; und alles, was dort geschrieben wird, muss die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln haben, was den Handlungsspielraum wirklich begrenzt.
Aber die ständige Mobilisierung und der soziale Druck haben diese Regeln ein wenig verändert. Als erstes wurde sie in eine repräsentative Versammlung umgewandelt, was sie am Anfang nicht war, da die Entscheidung von der politischen Elite getroffen wurde. Als nächstes haben sie Sitze für indigene Völker geschaffen. Sie sind nicht ausreichend, aber sie haben einige Sitze garantiert. Und als es zur Abstimmung kam, am 25. Oktober 2020, stimmten fast 80%, 78% um genau zu sein, einer neuen Verfassung zu.
Selbst mit diesen Regeln, von denen wir wissen, dass sie begrenzt sind, dass es keine verfassungsgebende Versammlung ist, souverän, mit unzureichender indigener Vertretung. Und schliesslich wurden an diesem Wochenende (15. und 16. Mai) die verfassungsgebenden Vertreter gewählt.
Es war auch eine grosse Überraschung für viele von uns, ehrlich gesagt, denn eine der Regeln, die geändert wurde, ist, dass die Unabhängigen teilnehmen konnten, indem sie Wahllisten bildeten. Das sieht das chilenische Wahlsystem sonst nicht vor und sollte eigentlich auch für diese Versammlung nicht gelten. Man wollte die Wahlregeln, die benutzt werden, um ein Parlament zu wählen, ein durchschnittliches Parlament, das durch politische Parteien gewählt wird, und wo die Unabhängigen keine Möglichkeit haben, es sei denn, eine Partei gibt ihnen einen Platz auf ihrer Liste.
Auch diese Regel wurde aufgrund des sozialen Drucks geändert, und es war möglich, Listen mit unabhängigen Kandidaten zu bilden, ohne eine Partei. Keine Partei zu haben bedeutet, keine Finanzierung zu haben. Der Staat gibt Millionen an die politischen Parteien, je grösser eine Partei ist, desto mehr Geld bekommt sie vom Staat, und es gibt nicht so eine Quote für die Wahlwerbung, die Fernsehwerbung für den Wahlkampf. Die Regeln legen eine Quote fest. Für uns Unabhängige hatten wir buchstäblich eine Sekunde, genau eine Sekunde, um etwas im Fernsehen im Wahlslot zu sagen.
Aber wie auch immer, der Punkt ist, dass trotz all dieser Unannehmlichkeiten, all dieser Regeln, all dieser vielen Schwierigkeiten, viele unabhängige Kandidaten, trotz aller gegenteiligen Vorhersagen, in der Lage waren, etwa 44 Sitze von den insgesamt 155 zu gewinnen.
Und die traditionellen politischen Parteien, die Chile in den letzten 30 Jahren in einer Zweiparteienkoalition zwischen der Rechten und der so genannten «linken Mitte» (in Anführungszeichen) regiert haben, ein Bündnis, das sich Concertación nennt und zu dem die Christdemokratische Partei, die Sozialistische Partei, die PPD (Partei für Demokratie) und die Radikale Partei gehören, haben bei diesen Wahlen die geringsten Ergebnisse erzielt. So sehr, dass die Christdemokratische Partei nur zwei Sitze bekam. Die Radikale Partei [bekam einen Sitz]. Und die Sozialistische Partei hat überlebt.
Aber was wichtig ist, ist, dass die sozialen Bewegungen und die unabhängigen Kandidaten viele Sitze gewonnen haben. Und die Allianz der linken Parteien, die als anti-neoliberale Parteien zu definieren sind, zu denen die Kommunistische Partei und die Breite Front gehören, haben auch viele Sitze gewonnen. Das schafft also einen gesellschaftspolitischen Pol in der Versammlung, der klar als anti-neoliberal definiert ist, und das öffnet wirklich die Möglichkeiten für Transformationen.
Es wurde nicht ganz die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht, denn es gibt unabhängige Kandidaten, die von der Rechten finanziert werden, oder von mächtigen Wirtschaftsinteressen, oder von Stiftungen, Stiftungen, die mächtige Wirtschaftsinteressen hinter sich haben, und wenn sie sich mit der Rechten verbünden, mit den Establishment-Parteien aus der alten «Concertación»-Allianz, dann machen sie immerhin ein Drittel aus, was Veränderungen blockieren könnte.
Aber all das hängt vom sozialen Druck ab, und das ist das Wichtigste. Es wird immer deutlicher, dass die Mobilisierung, der soziale Druck, der auf der Strasse, in den sozialen Medien, durch die öffentliche Meinung ausgeübt wird, manchmal viel mehr Fortschritt schaffen kann, als man auf institutioneller Ebene erreichen kann.
Das ist also ein Überblick. Und es ist eine grosse Überraschung, und zwar nicht, weil der rechte Flügel irrelevant gemacht wurde, sondern weil sie alle Wahlregeln zu ihren Gunsten hatten, was dazu führen würde, dass sie überrepräsentiert wären, ein Drittel der Sitze gewinnen würden, so dass nichts, was ihnen nicht gefällt, genehmigt werden könnte, aber dieses traditionelle zentristische Bündnis ist am Boden, und wir werden sehen, wohin es gehen wird.
Die Sozialistische Partei hat gerade angekündigt, dass sie möglicherweise Allianzen mit dem anti-neoliberalen Pol eingeht, statt ihres traditionellen Bündnisses der letzten 30 Jahre, das sie nach der Diktatur mit der Mitte und der Rechten eingegangen ist, um das neoliberale Modell aufrechtzuerhalten. Wir werden also sehen, wohin das führt.
Und das Zentrum löst sich auf. Die Mitte polarisiert sehr stark. Und die Politik der traditionellen Parteien ist polarisierend. Das ist die Art und Weise, wie die soziale Welt die politischen Kräfte stark auseinandertreibt.
BEN NORTON: Und Pablo, was ist die Bedeutung dieses Sieges dieser progressiven Kräfte, der anti-neoliberalen Kräfte, was ist die Bedeutung ihres Sieges in Bezug auf die Geopolitik, geopolitisch gesprochen? Denn im Juni dieses Jahres gibt es eine Wahl in Peru, und der linke Kandidat, Pedro Castillo, liegt laut Umfragen auf dem ersten Platz. Ausserdem gibt es im November eine Wahl hier in Nicaragua, und im selben Monat eine weitere in Chile. Wir sehen, dass der Staatsstreich in Bolivien gescheitert ist und die Partei Bewegung zum Sozialismus (MAS) wieder an der Macht ist.
Und welche Rolle spielt das Kupfer? Denn ich weiss, dass Chile viel Kupfer hat, und Kupfer ist eine sehr wichtige Ressource in der Weltwirtschaft, besonders für die Informationstechnologie. Wenn wir also wirklich einen Linksruck in Chile erleben, was bedeutet das geopolitisch gesehen?
PABLO SEPÚLVEDA ALLENDE: Nun, die geostrategische Bedeutung dieses Moments betrifft nicht nur Chile, sondern vor allem die Andenländer.
In Peru gibt es jetzt die Möglichkeit, dass ein linker Präsident an die Macht kommt (Pedro Castillo), der vom Land kommt, gut, er ist Lehrer, aber aus einer ländlichen Gegend, und er hat einen starken anti-neoliberalen, antikapitalistischen Diskurs. Und vergessen wir nicht, dass es zwischen Peru und Chile mehr als 60% der weltweiten Kupferreserven gibt. Das sind die beiden wichtigsten Kupferexportländer, das ausserdem als Subrohstoff exportiert wird, das heisst, nur als Erde, wie Felsen oder Steine, was auch andere Mineralien beinhalten kann, die nicht bezahlt werden. Und zwischen Argentinien, Bolivien und Chile befinden sich mehr als 80% des Lithiums der Welt.
In meinem Fall, bei meiner Kandidatur ist dies ein Thema – obwohl ich nicht gewählt wurde –, das wir priorisiert haben und das an Dynamik gewonnen hat, nämlich die Frage der Wiederverstaatlichung des Kupfers und des Lithiums, die sich derzeit in privaten Händen befinden, die Förderung und der Export.
Wenn wir also mittelfristig, in diesem Jahrzehnt, ich hoffe, bis zur Hälfte des Jahrzehnts, eine Allianz zwischen Bolivien, Argentinien, Peru und Chile schaffen können, mit einer Politik, die bei der Bewirtschaftung und Industrialisierung dieser Ressourcen, dieser Naturgüter, zusammenarbeitet, könnte Südamerika zu einem Pol mit wichtigem globalen geopolitischen und wirtschaftlichen Gewicht werden.
Denn Kupfer und Lithium, die beiden gehen Hand in Hand. Lithium speichert Energie, und Kupfer überträgt Energie, es ist einer der wichtigsten Energieleiter, neben anderen Anwendungen. Und mit der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft – selbst wenn nur das Pariser Klimaabkommen erfüllt wird – würde das den weltweiten Bedarf an Kupfer um etwa 40% erhöhen. Und wir alle wissen, dass Elektroautos immer beliebter werden, die Lithium für erneuerbare Energien oder für nicht brennbare Energien verwenden. Und das wird den Einsatz von Kupfer und Lithium verdoppeln oder verdreifachen.
Das ist also ein sehr strategisches Thema. Und das war einer der Gründe, warum, als Bolivien sich industrialisieren und Lithiumbatterien herstellen wollte, ein Staatsstreich gegen Evo Morales gestartet wurde.
Ich denke also, dass es für Chile sehr wichtig ist, diesen grösseren Aspekt im Hinblick auf die regionale und globale Politik im Hintergrund im Auge zu behalten. Wir müssen eine Allianz zwischen den Ländern Südamerikas schaffen, um nationale Souveränität zu haben, eine Politik der Integration und des angemessenen Umgangs mit unseren gemeinsamen natürlichen Gütern und Ressourcen. Natürlich mit allen Richtlinien, die Umweltschäden so weit wie möglich zu minimieren und dabei die Länder und Gemeinden, die dort leben, wo diese Mineralien abgebaut werden, nicht zu vergessen.
Denn die bisherige Politik der transnationalen Konzerne war Plünderung, reiner Hyper-Extraktivismus, der tödlich für die Umwelt ist und keine Ressourcen im Land zurücklässt, oder nur sehr wenige im Vergleich zu dem, was er aus dem Land herausnimmt. Wenn wir also eine souveräne Kontrolle erreichen und sie wieder verstaatlichen können, und eine Politik haben, die mehr und mehr Wertschöpfung und regionale Investitionen in lokale Gemeinschaften sicherstellt, und wenn es darüber hinaus eine Politik mit den Nachbarländern gibt, dann denke ich, dass es ein grosses Potenzial für eine Transformation gibt. Denn dies ist das Öl der Zukunft, wie Goldman Sachs es nannte, dass Kupfer und Lithium das Öl der Zukunft sind, und es wird eine Frage der nationalen Sicherheit sein, Zugang zu diesen Ressourcen zu haben.
Goldman Sachs hat es gesagt, einer der Spezialisten dort hat kürzlich gesagt, dass dies eine Frage der nationalen Sicherheit ist, und dass der Kupferpreis im Jahr 2025 einen Punkt erreichen wird, den es noch nie gegeben hat. Im Moment ist der Preis bereits auf einem Allzeithoch, und er wird weiter steigen, wegen der globalen Nachfrage, wegen des Klimawandels und der langsamen, aber allmählichen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft, und wegen der Elektroautos, dem Boom bei Elektroautos.
BEN NORTON: Ja, und Entschuldigung, Pablo, aber Kupfer spielte eine wichtige Rolle beim Staatsstreich der CIA gegen Salvador Allende im Jahr 1973, richtig? Weil die Vereinigten Staaten und der Anaconda-Konzern das gesamte Kupfer Chiles kontrollieren wollten, richtig?
PABLO SEPÚLVEDA ALLENDE: Ja, genau. Das Kupfer wurde privatisiert. Allende verstaatlichte es während seiner Regierung, er verstaatlichte es vollständig. Allende bezeichnete es als «die zweite Unabhängigkeit», den wichtigsten Akt nach der nationalen Unabhängigkeit (vom spanischen Kolonialismus), dass er die Reform unterzeichnete, die das Kupfer verstaatlichte.
Und die (Pinochet-)Diktatur änderte die Verfassung und die Regeln, und danach begannen die neoliberalen Regierungen, es Stück für Stück zu privatisieren, und jetzt sind 70% des chilenischen Kupfers privatisiert, und nur 30% sind im Besitz der staatlichen Kupfergesellschaft, Codelco.
Nur als Beispiel, das war in der Tat die grosse Vereinbarung, die getroffen wurde, um zur Demokratie zurückzukehren: das Kupfer zu privatisieren, und das nicht anzutasten. Das war eine stillschweigende Vereinbarung, alles weiter zu privatisieren, auch das Kupfer mehr und mehr, und weiter mit dem neoliberalen Modell zu regieren. Und die Wirtschaftspolitik war immer neoliberal, auch die der Sozialistischen Partei, mit Präsidentin Bachelet, oder Präsident Ricardo Lagos, der auch von der Sozialistischen Partei kam, obwohl er zur Partei für Demokratie überging.
Sie haben immer dem Kongress zugestimmt, und als sie in der Präsidentschaft waren, auch mit Präsident Eduardo Frei, von der Partei der Christdemokratie, und Präsident Patricio Aylwin, das war alles eine Politik der Privatisierung der öffentlichen Dienste und der Kürzung der öffentlichen Ausgaben, und die Wirtschaftspolitik des Washington Consensus, all das.
Und jetzt in Chile ist das Lithium in den Händen des Schwiegersohns von Pinochet, durch eine staatliche Firma, die öffentlich war, dann privatisiert wurde und ihm gegeben wurde, im Grunde kostenlos, an seinen Schwiegersohn, der mit einer von Pinochets Töchtern verheiratet war. Und das ist heute die Hauptfirma, die Chiles Lithium verwaltet.
Und: das Kupfer und Lithium wird ohne jegliche Verarbeitung exportiert. Früher wurde das Kupfer vor dem Export stärker verarbeitet.
BEN NORTON: Kannst Du über die Unterschiede zwischen den Parteien der sogenannten Linken sprechen? Denn Sie haben erwähnt, dass es eine Geschichte von Allianzen zwischen der sogenannten Sozialistischen Partei und zentristischen und rechten Parteien gibt.
Es ist also ein bisschen verwirrend, denn Salvador Allende, Ihr Grossvater, kam von der Sozialistischen Partei, ich meine, der Sozialistischen Partei der 1970er Jahre, die sehr verschieden von der heutigen war.
Aber die Sozialistische Partei hat auch eine andere Präsidentin in der Geschichte von Chile: Michelle Bachelet. Und wir wissen, dass sie heute bei den Vereinten Nationen arbeitet, wo sie sich in die Innenpolitik Venezuelas einmischt, gegen die Chavista-Regierung, und sehr parteiische Berichte veröffentlicht. Und es gibt Videos von Michelle Bachelet, wie sie in den Vereinigten Staaten Auszeichnungen von Hillary Clinton erhält.
Also die Sozialistische Partei Chiles, es gibt eine Menge Leute, die diesen Namen hören und denken, dass es eine sozialistische Partei ist. Kannst Du über die Unterschiede zwischen den linken Parteien in Chile sprechen?
PABLO SEPÚLVEDA ALLENDE: Ja, nach dem Ende der (Pinochet-)Diktatur wurde im Geheimen eine Vereinbarung getroffen (die Concertación), das ist jetzt bekannt geworden.
Als die Diktatur endete, gab es eine Art Bündnis zwischen den Parteien, die historisch bestimmte Teile der alten Linken repräsentiert hatten, wie die Sozialistische Partei von Allende. Eine andere, die in diesem Moment neu gegründet wurde, die es vor dem Putsch nicht gegeben hatte, nannte sich Partei für Demokratie, die (Ex-Präsident) Ricardo Lagos hatte, und die zu dieser Zeit viel Macht hatte. Es gibt auch die Partei der Christdemokratie, die immer zentristisch war. Die Mitte ist in der Geschichte manchmal nach links gegangen, oder Mitte-Links, und manchmal nach rechts. Es ist wie ein Pendel gewesen.
Aber nach dem Ende der Diktatur gab es eine Vereinbarung zwischen den rechten Parteien, das Modell und die Verfassung von Pinochet beizubehalten, mit einer Reihe von Forderungen, bestimmte Bereiche nicht anzutasten, wie eben die privatisierten Staatsbetriebe.
Tatsächlich regierten die Regierungen des als Concertación bekannten Bündnisses aus Sozialistischer Partei, Christdemokratie und der Partei für Demokratie, die sich selbst als «Mitte-Links» bezeichnet, mit dem neoliberalen Modell weiter, das seine strukturellen Grundlagen in Pinochets Verfassung von 1980 hat.
Und tatsächlich setzten sie die Privatisierung der öffentlichen Dienste, der staatlichen Unternehmen und des Kupfers, der Hauptquelle des chilenischen Reichtums, fort. Die Sozialistische Partei hatte also eine Politik gemacht, die nicht einmal sozialdemokratisch war, sie war eindeutig neoliberal.
Der einzige Unterschied zwischen der Rechten und «Mitte-Links»: Das Mitte-Links täuscht, denn sie ist eigentlich nicht wirtschaftlich links, sondern nur in kulturellen Fragen wie Scheidungsrecht und Abtreibung, wie Legalisierung von Marihuana und Gleichberechtigung der Ehe – Dinge, die, ja, verteidigt werden sollten, aber sie sind eher bürgerliche Freiheiten, sie sind nicht wirtschaftlich. Es sind kulturelle Fragen, und natürlich sind sie wichtig, aber das ist der einzige Unterschied.
Die Rechte war also bis vor kurzem gegen die Scheidung. Ich glaube, Chile war das einzige westliche Land, das die Scheidung bis [2004] nicht legalisiert hat. Und die Abtreibung wurde unter bestimmten Bedingungen während der zweiten Regierung von Bachelet legalisiert. Ebenso die Gleichberechtigung der Ehe.
Das sind also eher kulturelle Themen, die keine wirtschaftspolitischen Fragen berühren. In der Wirtschaft gibt es keinen Unterschied. Oder sehr wenig. Jetzt unterstützt die Mitte zwar die Besteuerung der Superreichen, aber das ist eine Reaktion auf die soziale Mobilisierung.
Und mit der Sozialistischen Partei, oder zumindest der Führung – denn die Mitglieder der Basis der Partei glauben wirklich noch an das Ziel eines tiefgreifenden Wandels –, aber die Führung, die die Partei in den letzten Jahren geleitet hat, hat sich in Wirtschaftsfragen mit dem rechten Flügel zusammengetan was nationale und transnationale Konzerninteressen betrifft. Es ist ein bisschen ähnlich wie bei der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE). Und in der Tat ist der Übergang zur Demokratie in Chile dem Übergang in Spanien (von der Franco-Diktatur) sehr ähnlich, also stehen die chilenische Sozialistische Partei und die spanische Sozialistische Arbeiterpartei wie Kopien zueinander.
Und die Kommunistische Partei Chiles, nun, sie hat immer innerhalb der Institutionen weitergearbeitet, auch nach der Wiederherstellung der Demokratie, aber immer mit einem kritischen Blick, immer all das anprangernd, sich immer als anti-neoliberal definierend, immer eine viel würdigere Position einnehmend, und viel mehr gegen das Establishment. Und jetzt, nach dem sozialen Aufstand (von 2019), ist sie die einzige Partei, die weiter gewachsen ist. Alle anderen Parteien sind geschrumpft, ausser der Kommunistischen Partei, nun ja, und der Breiten Front, die kürzlich im Bündnis mit ihr wiederbelebt wurde und die Kraft zurückgewonnen hat, die sie anfangs hatte, sie später während des sozialen Aufstandes 2019 aber verloren hat.
Aber jetzt gewinnen sie wieder an Kraft, jetzt deutlicher mit der Linken ausgerichtet, denn vorher hatten sie gezögert und sich zu einem Bündnis mit der linken Mitte oder mit der traditionellen Politik hingezogen gefühlt.
Und so gibt es in der Sozialistischen Partei in diesen Tagen eine heftige interne Debatte darüber, ob sie das historische Bündnis, das sie in den letzten 30 Jahren mit den rechtsgerichteten politischen und wirtschaftlichen Eliten geschlossen hat, aufkündigen oder ob sie sich dem linken, anti-neoliberalen Pol zuwenden wird, zu dem auch die Breite Front und die Kommunistische Partei gehören.
Tatsächlich waren die Sozialistische Partei und die Kommunistische Partei historisch gesehen Verbündete, und es war dank dieser Allianz, dass Salvador Allende in den 1970er Jahren die Präsidentschaft gewann. Aber als die Demokratie wiederhergestellt wurde, brach die Sozialistische Partei dieses Bündnis und verbündete sich mit den christlich-demokratischen Kräften und bildete das, was wir die Partei der neoliberalen Ordnung nennen, die wie eine einzige Partei ist, mit einem monolithischen Gesicht, nämlich das Bündnis der Concertación und der rechte Flügel.
Aber das begann im Oktober 2019 sich aufzulösen, und (die Wahl) an diesem Wochenende (15. und 16. Mai) war praktisch der Tod, Es war der Tod von Pinochets Verfassung, mit diesem Wahlsieg, gegen alle Widrigkeiten. Gegen alle gegenteiligen Vorhersagen. Und gegen alle Bedingungen, die gegen sie sprachen.
Tatsächlich wurden die reichsten Kandidaten, die von mächtigen wirtschaftlichen Interessen finanziert wurden, von Multimillionären, die eine Menge Geld in rechte und zentristische Kandidaten steckten, um zu versuchen, dort Sitze zu bekommen, nicht gewählt. Das ist etwas, was in den Vereinigten Staaten oft passiert, richtig? Der Kandidat mit dem meisten Geld gewinnt. Und so war es auch hier. Aber nicht bei dieser Wahl. Und das ist eine grosse Lektion. Sehr reiche Millionärskandidaten wurden nicht gewählt.
Und sehr arme Kandidaten, aber mit einer sehr klugen Kommunikationsstrategie, was die Liste des Volkes hauptsächlich tat, waren sie in der Lage, sich in die Versammlung zu bringen, obwohl sie 100 Mal weniger Ressourcen hatten als die gut finanzierten Kandidaten des Establishments.
BEN NORTON: Nun, ich danke dir. Wir sprechen jetzt mit Pablo Sepúlveda Allende. Er ist ein chilenischer Aktivist, der bei der Wahl kandidiert hat, und er ist auch ein Enkel des Ex-Präsidenten Salvador Allende.
Für die Zuhörer, wenn Sie mehr von Pablo sehen wollen, hier bei The Grayzone haben wir ein Interview mit ihm in Venezuela veröffentlicht, in dem er über seine Erfahrungen in Venezuela spricht, als Arzt und als Aktivist dort, und über die Bedeutung der Solidarität mit der Bolivarischen Revolution und dem Antiimperialismus.
Pablo, vielen Dank für das Gespräch, und wir werden in Kontakt bleiben, vor allem im Hinblick auf die Wahlen, die im November in Chile anstehen.
PABLO SEPÚLVEDA ALLENDE: Danke.
1 Ben Norton ist ein Journalist, Schriftsteller und Filmemacher. Er ist stellvertretender Herausgeber von The Grayzone und Produzent des Podcasts Moderate Rebels, den er gemeinsam mit dem Herausgeber Max Blumenthal moderiert. Seine Website ist BenNorton.com und er twittert unter @BenjaminNorton.
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Das Gespräch wurde am 20. Mai 2021 geführt. Übersetzt aus The Grayzone mit Hilfe von www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)