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Ernährungssouveränität: Tessiner Stimmvolk steht hinter den Kommunisten – fast Zweidrittel-Mehrheit!

An der Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 stimmte das Tessiner Volk mit satter Mehrheit einer Vorlage zu, die einen Artikel über Ernährungs­souveränität in die Kantons­verfassung einfügt. Initiiert wurde er von den Tessiner Kommunisten, die mit guter Vernetzungs­arbeit schon im Parlament eine Mehrheit her­stellen konnten wie nun auch im Volk. Ganz alt sieht die SVP als frühere Agrar­partei aus, die mit ihrer Ablehnung gezeigt hat, dass ihr die Bauern so lang wie breit sind. Ihr geht der Junk Food vor.

vor dem Bundeshaus

sinistra.ch. Vielleicht war es kein Plebiszit, aber 62,1% ist auf jeden Fall ein gutes Ergebnis: Mit dieser hohen Zustimmung haben die Bürger des Kantons Tessin am vergangenen 13. Juni beschlossen, das Prinzip der Ernährungs­souveränität in die Kantons­verfassung aufzunehmen, wie von der Kommu­nistischen Partei vorgeschlagen. Laut der Nyéléni-Deklaration von 2007 bedeutet Ernährungs­souveränität das Recht der Völker auf nahrhafte und kulturell angemessene Lebens­mittel, die auf nach­haltige und ökologische Weise pro­duziert werden, sowie das Recht, über ihr eigenes Ernährungs- und Produktions­system entscheiden zu können.

Es begann am 23. Kongress der Kommunistischen Partei

Das Ganze geht auf eine Diskussion im November 2016 zurück: Da tagt nämlich der 23. Kongress der Kommunistischen Partei. Nach den politischen Berichten und dem öffentlichen Teil der Versammlung gehen die Schweizer Kommunisten auf die Begründung einiger Entschliessungsanträge ein: Die Agrarwissenschafterin Lea Ferrari legt ein Dokument vor, das die Partei auffordert, sich die Forderung nach Ernährungssouveränität des Landes zu eigen zu machen. Das Konzept wird von den Delegierten einstimmig angenommen und verpflichtet insbesondere die Kommunistische Partei, «Initiativen zu unterstützen, die auf den Schutz der Ernährungssouveränität auf nationaler Ebene abzielen», aber der Kongress fordert auch, «dieses Prinzip auch in die Kantonsverfassung aufzunehmen», weil dies der «Republik und Kanton Tessin erlauben würde, konkret zugunsten einer nahen, vielfältigen und nachhaltigen Landwirtschaft zu handeln und den Grad der Selbstversorgung zu erhöhen». Insbesondere vertritt der KP-Kongress die Auffassung, «dass importierte Lebens- und Futtermittel den gleichen Anforderungen genügen müssen wie die einheimische Produktion, dass eine gerechte Preisbildung in den Agrar- und Lebensmittelketten gewährleistet sein muss, dass der Staat Organisationsformen unter den Landwirten begünstigen soll, um das Angebot an landwirtschaftlichen Produkten mit der Nachfrage der Verbraucher in Einklang zu bringen und den Direktverkauf, die Diversifizierung und die Umstellung der Produktion zu unterstützen».

Die Agronomin und Grossrätin Lea Ferrari, «Mutter» der erfolgreichen Initiative für Ernährungssouveränität

Die parlamentarische Initiative

Massimiliano Ay, damals noch einziger Abgeordneter der Kommunistischen Partei im Tessiner Grossen Rat, entschied, dass die Zeit reif sei, den Kongressbeschluss in ein parlamentarisches Gesetz umzuwandeln, indem er die Debatte nutzte, die damals ein ähnlicher Vorschlag (der später vom Volk abgelehnt wurde) auf Bundesebene ausgelöst hatte. Die Parlamentskommission stellte den Vorstoss allerdings in die Warteschleife, vielleicht in der Hoffnung, dass der Initiator den Antrag zurückziehen wird, wenn das Scheitern auf nationaler Ebene feststeht. Aber das war nicht der Fall! Die Kommunistische Partei hielt den Antrag aufrecht und bestand darauf, dass das Prinzip in die sozialen Ziele des Kantons aufgenommen wird, die in Art. 14 der Verfassung festgehalten sind. Es enthält unter anderem Verpflichtungen wie menschenwürdige Mindestlöhne, die Erhaltung der Natur für künftige Generationen und die notwendige wirtschaftliche Absicherung der Frauen vor und nach der Geburt. Dieser Artikel sollte nun ergänzt werden mit: «Der Kanton sorgt dafür, dass (…) die Achtung der Ernährungssouveränität gewährleistet ist, und zwar in Bezug auf: die Zugänglichkeit zu Nahrungsmitteln für eine abwechslungsreiche Ernährung, die nachhaltige Nutzung des Bodens und das Recht der Bürgerinnen und Bürger, über ihr eigenes Ernährungs- und Produktionssystem entscheiden zu können».

Eine breite parteiübergreifende Front zu Gunsten des Primären Sektors

2019 verdoppelte die Kommunistische Partei ihre Vertretung im Kantonsparlament: Der Einzug von Lea Ferrari in den Grossen Rat bedeutet den Beginn eines Vernetzungsprozesses zwischen den verschiedenen politischen Strömungen, die sich dem Vorschlag der Ernährungssouveränität aufgeschlossen zeigen könnten: Tatsächlich fanden sich unter den neu gewählten Abgeordneten Exponenten der bäuerlichen und ökologischen Welt, die für das Thema besonders sensibel sind. Sem Genini, Abgeordneter der Lega dei Ticinesi und Sekretär der Unione Contadini Ticinesi, Anna Biscossa, Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei und ehemalige Direktorin der Landwirtschaftsschule von Mezzana, sowie der christdemokratische Abgeordnete Giovanni Berardi, ein landwirtschaftlicher Unternehmer, gehören zu denen, die von Ferrari kontaktiert werden. Neben ihnen gibt es aber auch den Grünen Andrea Stephani, der später für die Erstellung des Kommissionsberichts zuständig sein wird. Dieser Bericht wird dann – obwohl von den Vertretern der Freisinnigen und der SVP nicht unterzeichnet – eine grosse Mehrheit im Plenum finden wird.

Genini, Biscossa und Ferrari bei der Pressekonferenz für das Ja zur Ernährungssouveränität.

Im Grossen Rat verteidigt die ehemalige Agrarpartei den Junk Food!

Die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Partei, die einst die Bauernschaft vertrat und sich Tessiner Agrarpartei genannt hatte, hat längst eine genetische Mutation durchgemacht: und so hat jene SVP, die einst in ihrem Statut den Schutz der «Arbeiter des Landes» verankert hatte, beschlossen, den bäuerlichen Patriotismus nicht nur durch einen bürgerlichen Nationalismus, sondern auch durch eine ultraliberale, dem Grosskapital gegenüber offene Wirtschaftspolitik zu ersetzen. Im Tessin wurde diese Dynamik noch akzentuiert, als die kleine neoliberale Partei «Area Liberale» der Abgeordneten Sergio Morisoli und Paolo Pamini der SVP beitrat. In der Parlamentsdebatte stimmte zwar eine Minderheit der SVP-Fraktion für die Ernährungssouveränität, aber die Mehrheit folgte Pamini, der den kommunistischen Antrag als «radikalen Chic» gebrandmarkt hat und die Rolle des «Junk Foods» lobte, weil er billig sei und den Armen das Überleben ermögliche!

Die Debatte im Land

vor dem Bundeshaus

Das Deutschschweizer Fernsehen kommentiert die Tessiner Abstimmung zur Ernährungssouveränität.

Enttäuscht protestierte die kommunistische Parteiführung gegen die RSI-Leitung: Nicht nur, dass der öffentlich-rechtliche Fernsehsender der Verfassungsänderung keine Debatte widmet, auch bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses wird das Ganze über Bord geworfen: Weder der Initiator noch der Berichterstatter der Kommission werden zur Stellungnahme gehört. Lea Ferrari wird nach Drängen für ein paar Sekunden im Radio interviewt. Noch nie zuvor wurde eine Verfassungsänderung von den staatlichen (und privaten) Medien brüskiert …, da aber der Vorschlag keine Antipolitik schürte und kein Geschrei versprach, hatte er es offensichtlich nicht verdient, gesendet zu werden. Und das ist ein weiterer Punkt, der die propositionale und konkrete Handlungsweise der Kommunistischen Partei von den auf Diskreditierung des Staates abzielenden Schüssen der trotzkistischen Bewegung für den Sozialismus (MPS) unterscheidet. In der Deutschschweiz sorgt die Tatsache, dass eine kommunistische Partei gewinnt, bereits für Gesprächsstoff: Die Bauernzeitung Schweizer Bauer titelt «Tessin schützt Ackerland stärker», das Portal Nau.ch weist darauf hin, dass das parteiübergreifende Komitee unter Führung der Kommunistischen Partei «den Selbstversorgungsgrad des Kantons erhöhen» will. Schliesslich glaubt das Deutschschweizer Fernsehen SRF, dass die Tessiner auch deshalb der CoVid-19-Vorlage zugestimmt haben, weil «die Krise vielen Tessinern klar gemacht hat, dass es sinnvoll ist, weniger abhängig von ausländischen Produzenten zu sein».

Im Ausland spricht man über die ersten Früchte des Tessins

Roberto Galtieri, seit Jahren Funktionär der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken im EU-Parlament und ehemaliger Sekretär des Partito dei Comunisti Italiani, betreibt nun mit Pietro Lunetto ein Webradio für die italienische Emigration in Europa und wollte den Promotor der parlamentarischen Initiative Massimiliano Ay interviewen. Auch Dario Dongo, Direktor des Portals Great Italian Food Trade, hob das Tessiner Votum hervor und erklärte auf seiner Website: «Das Tessin wird damit zum ersten Kanton – und in der Tat zur ersten Demokratie auf dem Alten Kontinent -, der den Menschenrechten, von denen das Leben abhängt, präzise Aufmerksamkeit schenkt. Auf den Spuren der internationalen Bauernbewegung La Via Campesina, auf dem FAO-Welternährungsgipfel in Rom 1996».

Die Kommunisten «stehlen» der nationalistischen Rechten die Souveränität!

Nach einem ersten «besorgten» Posting hat sich der neoliberale Abgeordnete Sergio Morisoli auf Facebook wie folgt geäussert: «Die Mehrheit des Tessins hat kommunistisch gestimmt […] für eine von Bürokraten zentralisierte Planung der landwirtschaftlichen Produktion und für eine vom Kanton geplante Auswahl von Produkten zum Essen». Es wird sogar angedeutet, dass «privates Land weggenommen wird». Natürlich ist all das in der aktuellen Schweizer Verfassungsordnung nicht denkbar, aber es ist Teil des kruden Antikommunismus, der wächst, seit es der Kommunistischen Partei vor allem in der italienischen Schweiz gelingt, sowohl junge Menschen zu überzeugen als auch ihre Beziehungen zu China zu verbessern.

Morisoli «beglückwünscht» die Kommunisten – nicht überraschend – dafür, dass sie «das Modewort ‹Souveränität› auf geschickte und effektive Weise benutzt haben». Souveränität ist in der Tat ein Schlüsselwort in der Strategie der Kommunistischen Partei, das sie der falsch-patriotischen extremen Rechten wegnehmen will. Der Autor der Verfassungsänderung stellt seinerseits in einem Interview mit der liberal-europäistischen Zeitung «LaRegione» klar: «Wir denken über eine bessere finanzielle Unterstützung der Bergbauernhöfe oder über Formen von Vorteilen für die lokale Produktion im Vergleich zu importierten Produkten nach». Massimiliano Ay hat zusätzlich zur Unterstützung der Null-Kilometer auf die Bedeutung der Erhöhung der Anbauflächen hingewiesen. Kurz gesagt, wir befinden uns in einer neuen historischen Phase, die vor den Sozialismus die Unabhängigkeit der Staaten in den Mittelpunkt stellt, und dies auch unter dem Gesichtspunkt der Versorgung.
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Veröffentlicht am 20. Juni 2021 in sinistra.ch. Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)