In Graz sind die Kommunisten stärkste Partei geworden
Mit 28,8 Stimmenprozent ist die Kommunistische Partei in Graz mit Abstand stärkste Partei geworden. Die kommunistische Spitzenkandidatin Elke Kahr dürfte nun Bürgermeisterin von Österreichs zweitgrösster Stadt werden. Die Grazer KPÖ hat mit dem Stimmenzuwachs von 8,5 Prozent auf allen Ebenen – Exekutive, Parlament und Bezirksräte – ihre Mandate kräftig vermehrt. Der Erfolg ist das Resultat jahrelanger intensiver Basisarbeit.
Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) belegt nun in der steirischen Landeshauptstadt neu 3 (+1) der im Proporz bestellten 7 Sitze des Stadtsenats und 15 von 48 Parlamentssitzen. Auf Ebene der Stadtbezirke stellt die KP 60 der 184 Bezirksräte; 9 der 17 Stadtbezirke haben eine relative KP-Mehrheit. Die Partei wird nun also auch in Quartierangelegenheiten zusätzlichen Einfluss haben.
Elke Kahr, Vorsitzende der KPÖ Graz, gehört seit 2005 dem Stadtsenat an, zuerst zuständig für das Wohnungswesen und seit 2017 für das Verkehrswesen. (Bildnachweis)
Mit ihrem Vormarsch hat die KP die konservative ÖVP des bisherigen langjährigen Bürgermeisters Nagl deklassiert. Dessen Liste kam nur noch auf 25 Prozent. Wird der Usus respektiert, wonach das Bürgermeisteramt der stärksten Partei zusteht, könnte der nach Wien zweitgrössten österreichischen Stadt (fast 300 000 Einwohner) schon bald eine Kommunistin vorstehen. Die KPÖ-Spitzenkandidatin Elke Kahr, die derzeit als Stadträtin das Verkehrsressort führt, braucht für die Kür zum Stadtoberhaupt allerdings eine Mehrheit der Stimmen im Parlament. Die bisherige Koalition aus ÖVP und FPÖ hat ihre Mehrheit verloren, wogegen sich zusammen mit den Grünen und den Sozialdemokraten eine neue Mehrheit ergibt. Die Grünen haben allerdings bereits die Bedingung gestellt, dass dazu eine feste Koalition eingegangen werden müsste. Elke Kahr schwebt dagegen ein neuer Regierungsstil mit einer transparenten offenen Zusammenarbeit vor, in der es keinen Platz mehr geben soll für den bisher gängigen Postenschacher unter Mehrheitsparteien.
Die kommunistischen Stadträte waren in der Vergangenheit immer mal wieder Opfer von Ränkespielen. So wurde Elke Kahr am Beginn der zu Ende gegangenen Legislatur das Wohnressort entzogen, in dem die KP 19 Jahre lang eine erfolgreiche Politik gemacht hatte: Die Renovation aller kommunalen Wohnungen wurde durchgesetzt, die Mieten auf ein Drittel des Einkommens begrenzt, neue preisgünstige Wohnungen gebaut und die Privatisierung von Wohnraum verhindert. Viele dieser Massnahmen konnten dank der gross angelegten Mobilisierung Tausender von Mietern und dem Sammeln von Unterschriften erreicht werden.
Robert Krotzer ist seit 2017 der zweite KPÖ-Stadtrat in Graz und steht dem Gesundheitswesen vor.
Nach den für die KPÖ mit 21 Stimmenprozent schon erfolgreichen Wahlen von 2017 hatte die bürgerliche Koalition der Genossin Kahr das Wohnungsressort weggenommen und ihr das Verkehrswesen zugeteilt, in der Hoffnung, dass die Kommunisten so den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren würden. Die Partei kümmerte sich jedoch weiter um alle Belange der Mieterschaft. Tausende von Menschen kommen jedes Jahr ins Rathaus, um sich in den Büros der Kommunistischen Partei beraten zu lassen. Der FPÖ-Vertreter, dem von den Bürgerlichen das Wohnungswesen zugeteilt wurde, konnte es aufgrund des ausserparlamentarischen Drucks der KPÖ nicht wagen, soziale Errungenschaften aus der Zeit der KP-Verwaltung des Ressorts wieder rückgängig zu machen. Elke Kahr dagegen konnte im Verkehrswesen neue Akzente setzen, zum Beispiel im öffentlichen Verkehr oder beim Bau eines vorbildhaften Radwegnetzes. Soeben konnte die kommunistische Stadträtin eine Delegation des Zürcher Stadtrates empfangen, die vom hohen Radverkehrsanteil in der Stadt Graz beeindruckt war.
Den Leuten zuhören und für sie da sein – das ist die Devise der Grazer Kommunisten und das offene Geheimnis ihres Erfolges
Die starke Stellung der Kommunisten in Graz und in andern Städten der Steiermark ist das Resultat beharrlicher und unermüdlicher Basisarbeit sowie glaubwürdigen Einsatzes für die Benachteiligten. Die Partei ist mit Infoständen und Aktionen stark auf der Strasse präsent. Ein Beispiel: Nach der Entscheidung der Rechtskoalition für die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2026 in Graz hatte die KPÖ eine Unterschriftensammlung für eine Volksabstimmung gestartet, die von fast 12 000 Menschen an den Infoständen unterstützt wurde. Aufgrund des monatelangen Drucks und der Angst vor einem negativen Ausgang des Referendums wurde die Bewerbung schliesslich vom Österreichischen Olympischen Komitee zurückgezogen. Viele Menschen, vor allem aus der Arbeiterklasse, die befürchteten, dass das von den Eliten gepushte Olympiaprojekt für sie zu Preiserhöhungen und Zwangsräumungen führen würde, hatten damit einmal mehr erfahren, dass die Kommunistische Partei all diejenigen vertritt, die keine finanzkräftige Lobby haben.
Ernest Kaltenegger, KPÖ-Stadrat in Graz von 1998 bis 2005, nachher Landtagsabgeordneter (Bild: Georg Fuchs)
Geprägt wurde diese bürgernahe Politik lange Zeit von der legendären Person Ernest Kalteneggers. Als kommunistischer Stadtrat widersetzte er sich der Privatisierung kommunaler Betriebe und Wohnungen durch die Sozialdemokraten, welche die Stadt seit Kriegsende ununterbrochen regierten. Das führte bei den Wahlen im Jahr 2003 dazu, dass das betroffene städtische Personal sowie Mieter von Wohnungen, die von der Entkommunalisierung bedroht waren – in der Regel bisher überwiegend SPÖ-Wähler – in Scharen zur KPÖ überliefen und dieser zu einem Stimmenanstieg von 8 auf 20 Prozent verhalfen. Ernest Kaltenegger war es auch, der etwas eingeführt hat, was bis heute bei den Grazer Kommunisten Pflicht ist: Mandatsträger beziehen von ihrem Gehalt nur so viel, wie sie vorher in ihrem angestammten Beruf verdient hatten und schiessen den Rest in einen Solidarfonds ein. Mit diesen Mitteln werden Grazerinnen und Grazer in Notlagen unbürokratisch und rasch unterstützt. Alljährlich gibt es einen «Tag der offenen Konten», an dem die kommunistischen Mandatsträger auf Heller und Pfennig Rechenschaft ablegen über die Verwendung dieser Gelder. Vom TV-Sender oe24 konkret danach befragt, erklärte Genossin Kahr, dass sie von ihrem monatlichen Nettogehalt als Stadträtin von 6100 Euro jeweils den Betrag von 1950 Euro für sich behalte und den Rest an den Fonds überweise.
Die steirische KPÖ ist formell Teil der Bundes-KPÖ, steht zu dieser in gewissen Fragen jedoch in Opposition. Sie macht zum Beispiel deren eurokommunistischen Kurs nicht mit und befürwortet einen Austritt des Landes aus der EU als einer Konstruktion der Banken und Konzerne. «Wir gehen bei der Beurteilung der EU vor allem von den Interessen der arbeitenden Menschen aus», heisst es in einer Stellungnahme der KPÖ Steiermark. Und diese Interessen kämen bei den Privatisierungen und Deregulierungen unter die Räder. Auf Grundlage der geltenden EU-Verträge sei eine demokratische, soziale und ökologische Entwicklung der EU kaum vorstellbar. Für die KPÖ ist zudem die Gefahr virulent, dass die EU zu einer militärischen Supermacht ausgebaut wird, was mit der Neutralität Österreichs nicht zu vereinbaren ist.