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Gemeindesozialismus in der Schweiz: Das legendäre rote Biel

Luca Frei

von Luca Frei1

Bei den Gemeindewahlen 1921 in Biel erlangte die Sozialdemokratische Partei (SP) eine relative Mehrheit, knall an der absoluten, indem sie 29 von 60 Sitzen im Gemeinderat bekleidete und ihre Präsenz in der Exekutive um zwei Sitze erhöhte. Der Sozialdemokrat Guido Müller, ein ehemaliger Eisenbahner, wurde zum Stadtpräsident ernannt. In einem von grossen Widersprüchen geprägten Umfeld, das auch durch die Kompromisse der Sozialdemokraten mit der Bourgeoisie gekennzeichnet war, setzte die Sozialdemokratische Partei eine Reihe von Reformen um (vor allem zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Förderung von erschwinglichem Wohnraum für die Arbeiterklasse) und leitete damit die zwanzigjährige Periode ein, in der die Stadt als «Das rote Biel» bekannt wurde.

Guido Müller

Der sozialdemokratische Stadtpräsident Guido Müller.

Genau diese 20 Jahre sind derzeit Gegenstand einer kleinen Ausstellung im Neuen Museum Biel, wo ein ganzer Raum vorübergehend dem 100-Jahr-Jubiläum des Roten Biel gewidmet ist. Es ist eine kleine Ausstellung, arm an Objekten, aber sehr reich an Informationen und Fotos aus der Zeit, und daher einen Besuch wert. Die Hauptthemen dieser Ausstellung sind der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, der Kampf gegen die Wohnungs- und Hygienekrise und die Rolle der Frauen in Biel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Arbeitslosigkeit: die Antwort der Stadt auf die soziale Krise der Nachkriegszeit

Nach dem Ersten Weltkrieg und den daraus resultierenden sozioökonomischen Problemen erreichte die Arbeitslosigkeit in Biel ein sehr hohes Niveau. Dies war Teil einer allgemeinen sozialen Unruhe, die sich bereits im Generalstreik von 1918 manifestiert hatte, der von der Schweizer Bourgeoisie mit Hilfe der Schweizer Armee gewaltsam unterdrückt wurde. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit bemühte sich die Sozialdemokratische Partei 1921 zunächst um soziale Unterstützung für Arbeitslose, um die Beschäftigung von Männern auf Baustellen und um die Ansiedlung von Unternehmen in der Stadt. Durch diese Massnahmen konnte die Arbeitslosigkeit bis 1924 praktisch auf Null gesenkt und bis 1931 dauerhaft niedrig gehalten werden, bis sie aufgrund der von der internationalen Bourgeoisie verursachten Wirtschaftskrise wieder anstieg. Trotz dieser Erfolge waren nicht alle Arbeiter mit den Arbeitsbedingungen zufrieden, und selbst während der sozialdemokratischen Verwaltung der Stadt kam es zu Streiks, wie z. B. im städtischen Gaswerk am 7. Juni 1926. Müller bezeichnete die streikenden Arbeiter als «egoistisch».

In den 1920er Jahren war die Arbeitslosigkeit in Biel praktisch gleich null.

Die Wohnungskrise: von der Wohnungsnot zum sozialen Wohnungsbau

Zu Beginn der 1920er Jahre litt Biel unter einer schweren Wohnungskrise. Während des Ersten Weltkriegs kam der Bau neuer Häuser fast völlig zum Erliegen, was zu einem Mangel an Wohnungen führte. Darüber hinaus stiegen die Mietkosten weiter drastisch an. Dies führte dazu, dass die Arbeiterklasse in ärmlichen Verhältnissen und unter schlechten hygienischen Bedingungen lebte (was die Ausbreitung von Krankheiten wie Tuberkulose begünstigte), und weit über 40 Familien hatten kein Dach über dem Kopf. Um dieses Problem zu lösen, befürwortete die Sozialdemokratische Partei den Bau von Genossenschaftswohnungen, die für die Arbeiterklasse bestimmt waren. Etwa hundert Arbeiterwohnungen wurden nach einem detaillierten Plan gebaut, um die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse zu verbessern.

Als Reaktion auf die Wohnungskrise wurden in Biel zahlreiche Wohnbaugenossenschaften gegründet.

Frauen in Biel: Kampf für kostenlose Milchverteilung

Die Bielerinnen führten einen harten Kampf um die Milchabgabe.

Obwohl die Frauen noch nicht das Wahlrecht besassen (eine Forderung, die auch im Aktionsplan der Bieler SP von 1919 enthalten war), waren sie in der politischen Welt sehr aktiv, wenn auch nicht in den Institutionen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für ihre Aktivitäten ist der so genannte «Milchkrieg», der zwischen 1930 und 1931 stattfand. In diesen Jahren forderte eine Gruppe von Konsumentinnen unter der Leitung von Hedi Hug-Rüegger und Alice Boder-Lauper, dass die Milch wieder kostenlos nach Hause geliefert werden sollte, wie dies in mehreren anderen Städten bereits der Fall war. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieser Dienst nur teilweise wieder eingeführt und kam nur den wohlhabenderen Quartieren zugute. Nach einem erfolglosen Gesprächsversuch demonstrierten 800 Frauen auf den Strassen der Stadt und beschlossen, die Zahlung der durch den Kauf von Milch entstandenen Schulden zu boykottieren. 1931 gründeten die protestierenden Verbraucherinnen eine eigene Molkerei, die ihnen die Milch nach Hause lieferte, die sie angesichts des Boykotts der lokalen Erzeuger allerdings aus Luzern und Freiburg beziehen mussten. Dieser Milchkrieg endete erst mit der Einführung der kostenlosen Hauslieferung von Milch per Bundesbeschluss, was zeigt, dass der organisierte Kampf Früchte trägt.

Die Kommunistische Partei der Schweiz in Biel – eine bedeutende Präsenz

Paul Fell war ein Exponent der PdA in Biel.

Auch wenn die Ausstellung im Neuen Museum diese Tatsache ausklammert (was angesichts des antikommunistischen Klimas in der Schweiz leider nicht allzu überraschend ist), obwohl sie dem «roten Biel» gewidmet ist, so ist das Attribut doch auch der Präsenz der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS) zu verdanken. Abgesehen von einer Periode von einigen Jahren war sie keineswegs unbedeutend auf dem Terrain. Bei den Wahlen von 1921 ermöglichten die gewählten Kommunisten eine relative Mehrheit der Linken (die Sozialdemokraten hatten «nur» 29 von 60 Sitzen errungen). Nach einer Periode der Abwesenheit kehrten die Kommunisten 1932 in die Legislative zurück, als die wirtschaftliche und soziale Krise besonders heftig war. 1936 erhielt die Kommunistische Partei 6% der Stimmen (was die Wahl von drei kommunistischen Ratsmitgliedern ermöglichte) und 1944, als die Partei nach dem von der Sozialdemokratie mit der Schweizer Bourgeoisie eingegangenen «Burgfrieden» als Partei der Arbeit (PdA) neu entstand, wurden sogar 9 Kommunisten in den 60 Sitze zählenden Rat gewählt. Herausragende Figur in der Bieler PdA war Paul Fell. 1944 aus der SP ausgeschlossen, wurde er Mitgründer der PdA und war für sie Berner Grossrat. Von Beruf Lehrer, war er von 1944 bis 1947 Redaktor der Parteizeitung «Vorwärts».

Interessant ist auch die Haltung der KPS (und später der PdA) gegenüber der sozialdemokratischen Verwaltung der Stadt. Waren die Kommunisten anfangs strikt in Opposition zu den sozialdemokratisch regierten Gemeinden in der Schweiz, so änderte sich diese Haltung mit der Volksfrontpolitik. Die Kommunisten begannen mit den Sozialdemokraten zusammen zu arbeiten, auch wenn sie die reformistische Politik der Sozialdemokraten und die unsozialen Massnahmen, die zuweilen von ihren Vertretern ergriffen wurden, kritisierten. Dieser Ansatz ist also vergleichbar mit der proaktiven Opposition, die in den letzten Jahren von der Kommunistischen Partei im Tessin sowohl in den kommunalen Institutionen als auch auf kantonaler Ebene praktiziert wird.
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1 Luca Frei, geboren 1998, wurde im März 2020 zum Koordinator der Kommunistischen Jugend Schweiz gewählt. Nach dem Abitur begann er ein Universitätsstudium der Geschichte und ist in der Unabhängigen Studenten- und Lehrlingsvereinigung (SISA) aktiv.
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Dieser Artikel ist erstmals am 27. März 2022 in sinistra.ch erschienen.