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Bild: Karl Marx mit einem überlagerten «X». Foto: The Philosophical Salon

Die CIA und der Antikommunismus der Frankfurter Schule

Die kritische Theorie der Frankfurter Schule ist – neben der französischen Theorie – eine der heissesten Waren der globalen Theorieindustrie. Zusammen bilden sie die gemeinsame Quelle für so viele der richtungsweisenden Formen der theoretischen Kritik, die derzeit den akademischen Markt in der kapitalistischen Welt beherrschen, von der postkolonialen und dekolonialen Theorie bis hin zur Queer-Theorie, dem Afro-Pessimismus und darüber hinaus. Die politische Ausrichtung der Frankfurter Schule hat daher die globalisierte westliche Intelligenz entscheidend geprägt.

Von GABRIEL ROCKHILL, 27. Juni 2022

Die Grundlagen der globalen Theorieindustrie

Die Koryphäen der ersten Generation des Instituts für Sozialforschung – insbesondere Theodor Adorno und Max Horkheimer, die im Mittelpunkt dieses Aufsatzes stehen werden – sind herausragende Persönlichkeiten dessen, was als westlicher oder kultureller Marxismus bezeichnet wird. Für diejenigen, die mit Jürgen Habermas’ Neuausrichtung weg vom historischen Materialismus in der zweiten und dann dritten Generation der Frankfurter Schule vertraut sind, stellt dieses frühe Werk oft ein wahrhaft goldenes Zeitalter der kritischen Theorie dar, als diese noch – wenn auch vielleicht passiv oder pessimistisch – in gewisser Weise der radikalen Politik verpflichtet war. Wenn an dieser Annahme ein Körnchen Wahrheit dran ist, dann nur insofern, als die frühe Frankfurter Schule mit späteren Generationen verglichen wird, welche die Kritische Theorie zu einer radikal-liberalen – oder einfach nur unverhohlen liberalen – Ideologie umgestalteten.1 Dieser Vergleich legt die Messlatte jedoch viel zu niedrig an, wie immer, wenn man Politik auf akademische Politik reduziert. Schliesslich erlebte die erste Generation der Frankfurter Schule einige der katastrophalsten Zusammenstösse im globalen Klassenkampf des 20. Jahrhunderts, als ein regelrechter intellektueller Weltkrieg um den Sinn und die Bedeutung des Kommunismus geführt wurde.

Um zu vermeiden, dass wir uns von der Geschichte oder der Engstirnigkeit der westlichen Akademie täuschen lassen, ist es daher wichtig, die Arbeit des Instituts für Sozialforschung in Bezug auf den internationalen Klassenkampf neu zu kontextualisieren. Eines der wichtigsten Merkmale dieses Kontextes war der verzweifelte Versuch der herrschenden Kapitalistenklasse, ihrer Staatsmanager und Ideologen, die Linke – in den Worten des kalten Kriegers und CIA-Agenten Thomas Braden – als die «kompatible», d. h. nichtkommunistische Linke neu zu definieren.2 Wie Braden und andere Beteiligte ausführlich dargelegt haben, bestand eine wichtige Facette dieses Kampfes in der Verwendung von Stiftungsgeldern und Agentur-Tarngruppen wie dem Congress for Cultural Freedom (CCF), um den Antikommunismus zu fördern und Linke in Positionen gegen den real existierenden Sozialismus zu locken.

Horkheimer nahm an mindestens einem vom CCF organisierten Junket in Hamburg teil.3 Adorno veröffentlichte in der von der CIA finanzierten Zeitschrift «Der Monat», der grössten Zeitschrift ihrer Art in Europa und dem Vorbild für viele andere Publikationen der Agency. Seine Artikel erschienen auch in zwei weiteren CIA-Zeitschriften: Encounter und Tempo presente. Ausserdem beherbergte er in seinem Haus den CIA-Agenten, der wohl die führende Figur im deutschen antikommunistischen Kulturkampf war, korrespondierte und arbeitete mit ihm zusammen: Melvin Lasky.4 Lasky, Gründer und Chefredakteur von «Der Monat» sowie Mitglied des ursprünglichen Lenkungsausschusses des CCF der CIA, erklärte Adorno, dass er für jede Form der Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialforschung offen sei, einschliesslich der schnellstmöglichen Veröffentlichung ihrer Artikel und sonstiger Erklärungen in seinen Blättern.5 Adorno nahm das Angebot an und schickte ihm 1949 vier unveröffentlichte Manuskripte, darunter Horkheimers Eclipse of Reason.6

Horkheimers lebenslanger Mitarbeiter war somit eng mit den CCF-Netzwerken in Westdeutschland verbunden, und sein Name erscheint auf einem Dokument, wahrscheinlich aus den Jahren 1958/59, das Pläne für ein gesamtdeutsches Komitee des CCF skizziert.7 Mehr noch, selbst nachdem 1966 aufgedeckt wurde, dass diese internationale Propagandaorganisation eine CIA-Tarnorganisation war, wurde Adorno weiterhin «in die Expansionspläne des Pariser Hauptquartiers [des CCF] einbezogen», da es in dem von den USA überwachten Teil Deutschlands «business as usual» war8. Dies ist nur die Spitze des Eisbergs, wie wir sehen werden, und es ist nicht überraschend, da Adorno und Horkheimer innerhalb der Elitenetzwerke der antikommunistischen Linken zu globaler Prominenz aufstiegen.

Eine dialektische Analyse der theoretischen Produktion

Die folgende Analyse basiert auf einer dialektischen Darstellung der sozialen Totalität, die die subjektive theoretische Praxis dieser beiden Gründerväter der kritischen Theorie in die objektive Welt des internationalen Klassenkampfes einordnet. Sie akzeptiert nicht die willkürliche Trennlinie, die viele kleinbürgerliche Akademiker verzweifelt zwischen der intellektuellen Produktion und der breiteren sozioökonomischen Welt zu errichten versuchen, als ob das «Denken» von jemandem von seinem «Leben» sowie von dem materiellen System der theoretischen Produktion, Zirkulation und Rezeption, das ich hier als den intellektuellen Apparat bezeichnen werde, getrennt werden könnte – und sollte. Eine solche nicht-dialektische Annahme ist schliesslich kaum mehr als ein Symptom einer idealistischen Herangehensweise an die theoretische Arbeit, die davon ausgeht, dass es einen geistigen und konzeptionellen Bereich gibt, der völlig unabhängig von der materiellen Realität und der politischen Ökonomie des Wissens funktioniert.

Diese Annahme perpetuiert den intellektuellen Warenfetischismus, d. h. die Vergötterung der heiligen Produkte der Theorieindustrie, was uns daran hindert, sie in die allgemeinen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse und Klassenkämpfe einzuordnen. Zudem dient diese Annahme den Interessen derjenigen, die zu einem bestimmten Marktsegment innerhalb der globalen Theorieindustrie gehören oder gehören wollen, sei es zur «Kritischen Theorie der Frankfurter Schule» oder zu einem anderen Segment, denn sie schützt das Markenimage des Marktsegments selbst (das von den tatsächlichen sozialen Produktionsverhältnissen unbefleckt bleibt). Während der intellektuelle Warenfetischismus ein Hauptmerkmal des Konsums in der Theoriebranche ist, ist das Markenimage-Management das Kennzeichen der Produktion.

Für eine solche dialektische Analyse ist es wichtig anzuerkennen, dass Adorno und Horkheimer in der Tat ihr subjektives Handeln mobilisiert haben, um bedeutende Kritiken am Kapitalismus, der Konsumgesellschaft und der Kulturindustrie zu formulieren. Ich möchte dies keineswegs leugnen, sondern diese Kritik lediglich in die objektive soziale Welt einordnen, was bedeutet, dass man sich eine sehr einfache und praktische Frage stellen muss, die in akademischen Kreisen nur selten gestellt wird: Wenn man erkennt, dass der Kapitalismus negative Auswirkungen hat, was soll man dann dagegen tun? Je tiefer man in ihr Leben und ihre Arbeit eindringt und den absichtlichen Obskurantismus ihres Diskurses durchforstet, desto offensichtlicher wird ihre Antwort, und desto leichter lässt sich die primäre soziale Funktion ihres gemeinsamen intellektuellen Projekts verstehen.

Denn so kritisch sie dem Kapitalismus auch manchmal gegenüberstehen, so beteuern sie doch regelmässig, dass es keine Alternative gibt und dass letztlich nichts dagegen getan werden kann oder sollte.

Wie wir noch sehen werden, verblasst ihre Kritik am Kapitalismus im Vergleich zu ihrer kompromisslosen Verurteilung des Sozialismus. Ihre Art der kritischen Theorie führt letztlich zu einer Akzeptanz der kapitalistischen Ordnung, da der Sozialismus als weitaus schlimmer beurteilt wird. Nicht anders als die meisten anderen modischen Diskurse in der kapitalistischen Akademie, bieten sie eine kritische Theorie an, die wir ABS-Theorie nennen könnten: Anything But Socialism (alles ausser Sozialismus).

In dieser Hinsicht ist es nicht im Geringsten überraschend, dass Adorno und Horkheimer in der kapitalistischen Welt so breite Unterstützung und Förderung erfahren haben. Um die kompatible, nicht-kommunistische Linke gegenüber der Bedrohung durch den real existierenden Sozialismus zu stärken, gibt es keine bessere Taktik, als Gelehrte wie diese als einige der wichtigsten und sogar radikalsten marxistischen Denker des 20. Jahrhunderts zu verteidigen. «Marxismus» kann so als eine Art antikommunistische kritische Theorie neu definiert werden, die nicht direkt mit dem Klassenkampf von unten verbunden ist, sondern vielmehr alle Formen von «Herrschaft» frei kritisiert und sich letztlich auf die Seite der kapitalistischen Kontrollgesellschaften und gegen die angeblich «faschistischen» Schrecken der mächtigen sozialistischen Staaten stellt.

Da der verblendete Antikommunismus in der kapitalistischen Kultur so weit verbreitet ist, mag diese versuchte Neudefinition des Marxismus für einige Leser nicht sofort als reaktionär und sozialchauvinistisch erkennbar sein (in dem Sinne, dass sie letztlich die bürgerliche Gesellschaft über jede Alternative stellt). Leider sind grosse Teile der Bevölkerung in der kapitalistischen Welt dazu erzogen worden, auf den real existierenden Sozialismus eher mit uninformierten Verleumdungen als mit gründlichen Analysen zu reagieren. Da die materielle Geschichte dieser Projekte mit all ihren Höhen und Tiefen – und nicht die mythologischen Horrorgeschichten, die propagandistisch um ein kommunistisches Schreckgespenst herum konstruiert werden – für das Verständnis der folgenden Argumente von wesentlicher Bedeutung ist, erlaube ich mir, den Leser auf die tiefgründige und reichhaltige Arbeit von strengen Historikern wie Annie Lacroix-Riz, Domenico Losurdo, Carlos Martinez, Michael Parenti, Albert Szymanski, Jacques Pauwels und Walter Rodney und anderen zu verweisen. Ich möchte den Leser auch ermutigen, sich die wichtigen quantitativen Vergleiche zwischen Kapitalismus und Sozialismus anzusehen, die von anspruchsvollen Analytikern wie Minqi Li, Vicente Navarro und dem Tricontinental: Institute for Social Research9 durchgeführt wurden. Solche Arbeiten sind der vorherrschenden Ideologie ein Gräuel, und das aus gutem Grund: Sie untersuchen die Beweise wissenschaftlich, anstatt sich auf altbackene Wendungen und uninformierte ideologische Reflexe zu verlassen. Diese Art von historischer und materialistischer Arbeit ist zudem weitgehend von den spekulativen Formen der kritischen Theorie überschattet worden, die von der globalen Theorieindustrie gefördert werden.

Intellektuelle im Zeitalter der Revolution und des globalen Klassenkampfes

Obwohl ihr frühes Leben von den weltgeschichtlichen Ereignissen der Russischen Revolution und der versuchten Revolution in Deutschland geprägt war, waren Adorno und Horkheimer Ästheten, die dem vermeintlichen Morast der Massenpolitik misstrauten. Ihr Interesse am Marxismus wurde durch diese Ereignisse zwar geweckt, war aber in erster Linie intellektueller Natur. Horkheimer beteiligte sich nach dem Ersten Weltkrieg geringfügig an den Aktivitäten rund um die Münchner Räterepublik, insbesondere durch die Unterstützung einiger Beteiligter nach deren brutalen Niederschlagung. Allerdings hielt er – und das gilt erst recht für Adorno – «weiterhin Abstand zu den brisanten politischen Ereignissen der Zeit und widmete sich vor allem seinen persönlichen Anliegen»10.

Ihre Klassenzugehörigkeit war in dieser Hinsicht alles andere als unbedeutend, denn sie verortete sie und ihre politischen Ansichten innerhalb der grösseren, objektiven Welt der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse. Beide Theoretiker der Frankfurter Schule stammten aus wohlhabenden Familien. Adornos Vater war ein «wohlhabender Weinhändler» und Horkheimers Vater ein «Millionär», der «mehrere Textilfabriken besass».11 Adorno «hatte keinerlei persönliche Bindungen an das politische Leben der Sozialisten» und behielt zeitlebens «eine tiefe Abneigung gegen die formale Mitgliedschaft in einer Parteiorganisation»12 bei, ebenso war Horkheimer «nie offenes Mitglied einer Arbeiterpartei»13: «Keiner von denen, die zum Horkheimer-Kreis gehörten, war politisch aktiv; keiner von ihnen hatte seine Wurzeln in der Arbeiterbewegung oder im Marxismus.»14

In den Worten von John Abromeit versuchte Horkheimer, die vermeintliche Unabhängigkeit der Theorie zu bewahren, und «lehnte die Position von Lenin, Lukács und den Bolschewiki ab, dass die kritische Theorie in der Arbeiterklasse oder genauer gesagt in den Arbeiterparteien ‹verwurzelt› sein müsse».15 Er ermutigte die kritischen Theoretiker, als intellektuelle Freischaffende zu agieren, anstatt ihre Forschungen im Proletariat zu verankern, was er als «totalitäre Propaganda»16 verunglimpfte, und Adornos Gesamtposition wurde, wie die von Herbert Marcuse, von Marie-Josée Levallée folgendermassen zusammengefasst: «Die bolschewistische Partei, die Lenin zur Avantgarde der Oktoberrevolution gemacht hatte, war eine zentralisierende und repressive Institution, die den Sowjetstaat nach ihrem Bild formen und die Diktatur des Proletariats in ihre eigene Diktatur verwandeln würde.»17

Als Horkheimer 1930 die Leitung des Instituts für Sozialforschung übernahm, war sein Wirken eher von spekulativen Überlegungen zu Kultur und Autorität als von rigorosen historisch-materialistischen Analysen von Kapitalismus, Klassenkampf und Imperialismus geprägt. In den Worten von Gillian Rose: «Anstatt die Wissenschaft zu politisieren», «akademisierte das Institut unter Horkheimer die Politik».18 Dies zeigte sich vielleicht nirgendwo deutlicher als in «der konstanten Politik des Instituts unter Horkheimers Leitung», die «weiterhin in der Enthaltsamkeit bestand, nicht nur von jeder Aktivität, die auch nur im Entferntesten politisch war, sondern auch von jeder kollektiven oder organisierten Anstrengung, die Situation in Deutschland bekannt zu machen oder Emigranten zu unterstützen.»19 Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus versuchte Adorno, sich in den Winterschlaf zu begeben, da er davon ausging, dass das Regime nur «die orthodoxen prosowjetischen Bolschewisten und Kommunisten, die politisch auf sich aufmerksam gemacht hatten», ins Visier nehmen würde (sie würden in der Tat als erste in die Konzentrationslager kommen).20 Er «enthielt sich jeglicher öffentlicher Kritik an den Nazis und ihrer ‹Grossmachtpolitik›»21.

Kritische Theorie im amerikanischen Stil

Diese Weigerung, sich offen an der progressiven Politik zu beteiligen, wurde noch verstärkt, als die Leiter des Instituts Anfang der 1930er Jahre in die Vereinigten Staaten übersiedelten. Die Frankfurter Schule passte sich «der dortigen bürgerlichen Ordnung an, indem sie ihre eigenen vergangenen und gegenwärtigen Arbeiten zensierte, um den örtlichen akademischen oder korporativen Empfindlichkeiten gerecht zu werden».22 Horkheimer liess Wörter wie Marxismus, Revolution und Kommunismus aus seinen Publikationen streichen, um die amerikanischen Sponsoren nicht zu beleidigen.23 Darüber hinaus war jede Art von politischer Aktivität streng verboten, wie Herbert Marcuse später erklärte.24 Horkheimer setzte seine Energie darauf, die Finanzierung des Instituts durch Unternehmen und den Staat zu sichern, und er engagierte sogar eine PR-Firma, um seine Arbeit in den USA zu fördern. Ein anderer Emigrant aus Deutschland, Bertolt Brecht, hatte also nicht ganz unrecht, wenn er die Frankfurter Wissenschaftler kritisch als – in den Worten von Stuart Jeffries – «Prostituierte in ihrem Streben nach Stiftungsunterstützung während ihres amerikanischen Exils, die ihre Fähigkeiten und Meinungen als Ware verkaufen, um die herrschende Ideologie der unterdrückerischen US-Gesellschaft zu unterstützen»25 bezeichnete. Sie waren in der Tat intellektuelle Freiberufler, die in ihrem Streben nach unternehmerischer und staatlicher Unterstützung für ihre Marke der marktgerechten kritischen Theorie von keiner Arbeiterorganisation eingeschränkt wurden.

Brechts enger Freund Walter Benjamin war zu dieser Zeit einer der wichtigsten marxistischen Gesprächspartner der Frankfurter Gelehrten. Er konnte sich ihnen in den Vereinigten Staaten nicht anschliessen, da er 1940 an der französisch-spanischen Grenze auf tragische Weise Selbstmord beging, in der Nacht, bevor er von den Nazis fast sicher festgenommen worden wäre. Laut Adorno hat er sich «umgebracht, nachdem er schon gerettet war», weil er «zum ständigen Mitglied des Instituts gemacht worden war und es wusste»26, weil er, so der berühmte Philosoph, «reichlich Geld» für seine Reise hatte und wusste, «dass er sich materiell völlig auf uns verlassen konnte».27 Diese Version der Geschichte, die Benjamins Selbstmord als eine unter den gegebenen Umständen unverständliche persönliche Entscheidung darstellt, war eine Übung in Verlogenheit zum Zwecke der persönlichen und institutionellen Entlastung, wie Ulrich Fries in einer kürzlich veröffentlichten detaillierten Analyse feststellt. Die führenden Köpfe der Frankfurter Schule waren nicht nur nicht bereit, Benjamin bei seiner Flucht vor den Nazis finanziell zu unterstützen, so Fries, sondern sie führten auch eine umfangreiche Vertuschungskampagne durch, um sich unauffällig als seine wohlwollenden Wohltäter darzustellen.

Vor seinem Selbstmord war Benjamin finanziell vom Institut abhängig und erhielt ein monatliches Stipendium. Die Frankfurter Gelehrten verachteten jedoch den Einfluss von Brecht und des revolutionären Marxismus auf sein Werk. Adorno hatte keine Skrupel, Brecht mit dem antikommunistischen Beinamen «Wilder» zu bezeichnen, als er Horkheimer erklärte, Benjamin müsse «endgültig» von seinem Einfluss befreit werden. [Es überrascht nicht], dass Benjamin befürchtete, sein Stipendium zu verlieren, unter anderem aufgrund von Adornos Kritik an seinem Werk und der Weigerung, 1938 einen Teil seiner Baudelaire-Studie zu veröffentlichen.29 Horkheimer sagte Benjamin etwa zur gleichen Zeit, als die faschistischen Kräfte um ihn herum immer näher rückten, ausdrücklich, dass er sich auf den Wegfall seiner einzigen Einnahmequelle seit 1934 vorbereiten solle. Er behauptete ausserdem, dass ihm «leider die Hände gebunden» seien, als er sich weigerte, Benjamins Reise in die Sicherheit zu finanzieren, indem er ein Dampferticket in die USA bezahlte, das weniger als 200 Dollar gekostet hätte.30 Dies geschah buchstäblich «einen Monat, nachdem er zusätzliche 50 000 Dollar auf ein Konto überwiesen hatte, das ihm exklusiv zur Verfügung stand», was «das zweite Mal innerhalb von acht Monaten» war, dass er sich zusätzliche 50 000 Dollar gesichert hatte (was 2022 etwas mehr als 1 Million Dollar entsprach).31 Im Juli 1939 erhielt Friedrich Pollock weitere 130 000 Dollar für das Institut von Felix Weil, dem wohlhabenden Sohn eines kapitalistischen Millionärs, dessen Gewinne aus einem Getreideunternehmen in Argentinien, Immobilienspekulationen und Fleischhandel die Frankfurter Schule finanzierten.

Es fehlte nicht an Geld, sondern an politischem Willen. In der Tat stimmt Fries mit Rolf Wiggershaus überein, dass Horkheimers grausame Entscheidung, Benjamin im Stich zu lassen, Teil eines umfassenderen Musters war, nach dem die Direktoren «systematisch die Verwirklichung ihrer privaten Lebensziele über die Interessen aller anderen stellten», während sie den falschen Anschein eines «herausragenden Engagements für die Verfolgten des Naziregimes» propagierten.32 Wie um den letzten Nagel in Benjamins Sarg zu schlagen, wurde sein literarischer Nachlass später von seinen expliziteren marxistischen Elementen gesäubert, so Helmut Heissenbüttel: «In allem, was Adorno für Benjamins Werk tat, bleibt die marxistisch-materialistische Seite getilgt. […] Das Werk erscheint in einer Neuinterpretation, in der der überlebende streitbare Korrespondent seine Sichtweise durchsetzt.»33

Todd Cronan hat argumentiert, dass es um 1940 – dem Jahr, in dem Pollock «State Capitalism» schrieb – eine spürbare Verschiebung in der allgemeinen politischen Ausrichtung der Frankfurter Schule gab, als sie sich zunehmend von der Klassenanalyse abwandte und Rasse, Kultur und Identität bevorzugte. «Es scheint mir oft», schrieb Adorno in jenem Jahr an Horkheimer, «dass alles, was wir früher vom Standpunkt des Proletariats aus gesehen haben, sich heute mit erschreckender Wucht auf die Juden konzentriert.»34 Cronan zufolge eröffneten Adorno und Horkheimer «innerhalb des Marxismus die Möglichkeit, Klasse als eine Frage der Macht, der Herrschaft und nicht der Ökonomie zu sehen (die Juden waren keine Kategorie, die durch wirtschaftliche Ausbeutung definiert war). Mit anderen Worten: Die Frankfurter Theoretiker trugen dazu bei, die Voraussetzungen für eine allgemeinere Verschiebung weg von der historisch-materialistischen Analyse auf der Grundlage der politischen Ökonomie hin zu Kulturalismus und Identitätspolitik zu schaffen, die sich in der neoliberalen Ära verfestigen sollte.

In diesem Zusammenhang ist es sehr aufschlussreich, dass das Institut 1944/45 unter Pollocks Leitung eine umfangreiche Studie über den «Antisemitismus in der amerikanischen Arbeiterschaft» durchführte. Der Faschismus war mit umfangreicher finanzieller Unterstützung der herrschenden Kapitalistenklasse an die Macht gelangt und befand sich immer noch auf dem Kriegspfad in der Welt. Dennoch wurden die Frankfurter Wissenschaftler beauftragt, sich auf den angeblichen Antisemitismus der US-Arbeiter zu konzentrieren, statt auf die kapitalistischen Geldgeber des Faschismus oder die tatsächlichen Nazis, die einen Krieg gegen die Sowjets führten. Sie kamen zu der bemerkenswerten Schlussfolgerung, dass die «kommunistisch geführten» Gewerkschaften die schlimmsten von allen seien und somit «faschistische» Tendenzen aufwiesen: «Die Mitglieder dieser Gewerkschaften sind weniger kommunistisch als faschistisch gesinnt.»36 Die fragliche Studie wurde vom Jewish Labor Committee (JLC) in Auftrag gegeben. Einer der JLC-Führer, David Dubinsky, hatte zahlreiche Verbindungen zur Central Intelligence Agency und war zusammen mit CIA-Agenten wie Jay Lovestone und Irving Brown an der expansiven Kampagne des Unternehmens beteiligt, die organisierte Arbeiterschaft zu übernehmen und von Kommunisten zu säubern.37 Indem sie die kommunistischen Gewerkschaften als die antisemitischsten und sogar «faschistischsten» bezeichnete, scheint die Frankfurter Schule einen Teil der ideologischen Rechtfertigung für die Zerstörung der kommunistischen Arbeiterbewegung geliefert zu haben.

Manche mögen die Zusammenarbeit des Instituts für Sozialforschung mit den US-Behörden und die Selbstzensur aufgrund der antikommunistischen und manchmal philofaschistischen Haltung der US-Machtelite für gerechtfertigt halten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der feindlichen Ausländergesetze und Dekrete.38 Tatsächlich mobilisierte das Federal Bureau of Investigation auf der Grundlage eines detaillierten Überblicks über die Geschichte und die Aktivitäten des Instituts am 21. Januar 1944 zahlreiche Spitzel, um die Wissenschaftler etwa zehn Jahre lang auszuspionieren, weil es befürchtete, dass das Institut als kommunistische Front dienen könnte.39 Zu den Informanten gehörten enge Mitarbeiter des Instituts wie Karl Wittfogel, andere Berufskollegen und sogar Nachbarn. Das FBI fand jedoch nur wenige bis gar keine Hinweise auf verdächtiges Verhalten, und seine Beamten scheinen beruhigt gewesen zu sein, als einige ihrer Spitzel, die den Frankfurter Wissenschaftlern persönlich nahe standen, ihnen erklärten, dass die kritischen Theoretiker «glauben, dass es keinen Unterschied zwischen Hitler und Stalin gibt, was Zweck und Taktik angeht».40 Tatsächlich behaupteten sie dies in einigen ihrer Schriften, auch als sie sich in Westdeutschland niedergelassen hatten und nicht mehr direkt von der Überwachung durch das FBI und einer möglichen Verhaftung oder Deportation bedroht waren.

Den Osten verunglimpfen, den Westen – von dem man bezahlt wird – verteidigen

In den Jahren 1949 und 1950 verlegten die intellektuellen Frontmänner der Frankfurter Schule das Institut zurück nach Westdeutschland, einem der Epizentren des intellektuellen Weltkriegs gegen den Kommunismus. «In diesem Milieu», schreibt Perry Anderson, «in dem die KPD verboten werden sollte und die SPD formell jede Verbindung zum Marxismus aufgab, wurde die Entpolitisierung des Instituts vollendet.»41 Kein Geringerer als Jürgen Habermas – der Adorno und Horkheimer in den ersten Jahren gelegentlich links überflügelte – warf letzteren eine «opportunistische Konformität vor, die im Widerspruch zur kritischen Tradition stand». Tatsächlich hatte Horkheimer seine Zensur der Arbeit des Instituts fortgesetzt und sich geweigert, zwei Artikel von Habermas zu veröffentlichen, die die liberale Demokratie kritisierten und von «Revolution» sprachen, indem sie es wagten, die Möglichkeit einer Emanzipation von «den Fesseln der bürgerlichen Gesellschaft» anzudeuten.43 In seiner privaten Korrespondenz erklärte Horkheimer gegenüber Adorno freimütig, dass «es einfach nicht möglich ist, solche Eingeständnisse im Forschungsbericht eines Instituts zu haben, das von den öffentlichen Geldern dieser fesselnden Gesellschaft lebt».44 Dies scheint ein unverblümtes Eingeständnis zu sein, dass die wirtschaftliche Basis der Frankfurter Schule die treibende Kraft hinter ihrer Ideologie oder zumindest ihrem öffentlichen Diskurs war.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daran zu erinnern, dass fünf der acht Mitglieder des Horkheimer-Kreises als Analysten und Propagandisten für die US-Regierung und den nationalen Sicherheitsstaat gearbeitet hatten, der «ein ureigenes Interesse an der fortdauernden Loyalität der Frankfurter Schule hatte, weil eine Reihe ihrer Mitglieder an sensiblen Forschungsprojekten der Regierung arbeiteten».45 Horkheimer und Adorno gehörten zwar nicht dazu, da sie mehr Unterstützung vom Institut erhielten, aber der letztere der beiden war ursprünglich in die Vereinigten Staaten emigriert, um für Paul Lazarsfelds Office of Radio Research zu arbeiten, eines der «faktischen Hilfsprojekte der psychologischen Kriegsführungsprogramme der Regierung».46 Dieses Zentrum für Kommunikationsstudien erhielt einen beträchtlichen Zuschuss von 67 000 Dollar von der Rockefeller Foundation und arbeitete sehr eng mit dem nationalen Sicherheitsstaat der USA zusammen (Regierungsgelder machten über 75 Prozent seines Jahresbudgets aus). Die Rockefeller Foundation finanzierte auch Horkheimers erste Rückkehr nach Deutschland im April 1948, als er eine Gastprofessur an der Frankfurter Universität antrat.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Rockefellers eine der grössten Gangsterfamilien in der Geschichte des US-Kapitalismus sind, und sie nutzen ihre Stiftung als Steueroase, die es ihnen ermöglicht, einen Teil ihres gestohlenen Reichtums «zur Korrumpierung intellektueller Aktivitäten und der Kultur»47 zu mobilisieren. Nachdem er als Direktor des Office of Coordinator of Inter-American Affairs (einer Bundespropagandaagentur, deren Arbeit der des Office of Strategic Services und der CIA ähnelte) gedient hatte, wurde Nelson Rockefeller 1954 zum «‹Superkoordinator› für verdeckte Geheimdienstoperationen mit dem Titel Special Assistant to the President for Cold War Strategy». Er liess auch zu, dass der Rockefeller Fund als Kanal für CIA-Gelder genutzt wurde, ganz ähnlich wie zahlreiche andere kapitalistische Stiftungen, die seit langem Hand in Hand mit dem Unternehmen arbeiten (wie der Bericht des Church Committee und andere Quellen zeigen).

Bei all diesen Verbindungen zur herrschenden Kapitalistenklasse und zum US-Imperium ist es nicht verwunderlich, dass die US-Regierung den Umzug des Instituts zurück nach Westdeutschland 1950 mit einem sehr bedeutenden Zuschuss in Höhe von 435 000 DM (103 695 $, das entspricht 1 195 926 $ im Jahr 2022) unterstützte.49 Diese Mittel wurden von John McCloy, dem US-Hochkommissar für Deutschland, verwaltet. McCloy war ein zentrales Mitglied der US-Machtelite, der als Jurist und Banker für die grossen Ölkonzerne und die IG Farben gearbeitet hatte und der in grossem Umfang NS-Kriegsverbrecher begnadigt und deren Strafe umgewandelt hatte. Später wurde er nicht nur Vorsitzender der Chase Manhattan Bank, des Council of Foreign Relations und der Ford Foundation, sondern auch – ein Karriereschritt, der die enge Beziehung zwischen der herrschenden Kapitalistenklasse und dem nationalen Sicherheitsstaat verdeutlicht – Direktor der CIA. Zusätzlich zu den von McCloy bereitgestellten Mitteln erhielt das Institut auch Unterstützung von privaten Spendern, der Gesellschaft für Sozialforschung und der Stadt Frankfurt. Im Jahr 1954 schloss es sogar einen Forschungsvertrag mit dem Mannesmann-Konzern ab, der «ein Gründungsmitglied der Antibolschewistischen Liga gewesen war und die Nazipartei finanziert hatte»50. Während des Zweiten Weltkriegs setzte Mannesmann Zwangsarbeiter ein, und der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens war der Nazi Wilhelm Zangen, der Kriegswirtschaftsführer des Dritten Reichs.51 Der Nachkriegsvertrag der Frankfurter Schule mit diesem Unternehmen sah eine soziologische Studie über die Meinungen der Arbeiter vor, mit der impliziten Annahme, dass eine solche Studie dem Management helfen würde, sozialistische Organisierung zu verzögern oder zu verhindern.

Die vielleicht deutlichste Erklärung, warum kapitalistische Regierungen und die Korporatokratie das Institut für Sozialforschung unterstützen, findet sich in den Worten von Shepard Stone. Letzterer hatte einen Hintergrund im Journalismus und im militärischen Nachrichtendienst, bevor er als Direktor für internationale Angelegenheiten bei der Ford Foundation arbeitete, wo er eng mit der CIA bei der Finanzierung von Kulturprojekten in der ganzen Welt zusammenarbeitete (Stone wurde sogar Präsident der International Association for Cultural Freedom, wie der Congress for Cultural Freedom nach der Aufdeckung seiner CIA-Ursprünge umbenannt wurde). Als Stone in den 1940er Jahren Direktor für öffentliche Angelegenheiten des Hochkommissariats für das besetzte Deutschland war, schickte er ein persönliches Schreiben an das US-Aussenministerium, um es zu ermutigen, Adornos Reisepass zu verlängern: «Das Frankfurter Institut trägt dazu bei, deutsche Führungskräfte auszubilden, die etwas von demokratischen Techniken verstehen werden. Ich glaube, dass es für unsere allgemeinen demokratischen Ziele in Deutschland wichtig ist, dass Männer wie Professor Adorno die Möglichkeit haben, in diesem Land zu arbeiten.»52 Das Institut leistete also die Art von ideologischer Arbeit, die der US-Staat und die herrschende kapitalistische Klasse unterstützen wollten – und auch unterstützten.

Indem er das Diktat der ideologischen Konformität mit der «fesselnden Gesellschaft», die das Institut finanzierte, erfüllte und sogar übertraf, brachte Horkheimer offen seine uneingeschränkte Unterstützung für die antikommunistische Marionettenregierung der USA in Westdeutschland zum Ausdruck, deren Geheimdienste mit ehemaligen Nazis besetzt waren, sowie für ihr imperiales Projekt in Vietnam (das er für notwendig hielt, um die Chinesen aufzuhalten).53 In einer Rede in einem der Amerika-Häuser in Deutschland, die Propaganda-Aussenposten im antikommunistischen Kulturkampf waren, erklärte er im Mai 1967 feierlich: «Wenn es in Amerika notwendig ist, einen Krieg zu führen, – und jetzt hören Sie mir zu […], dann geht es nicht so sehr um die Verteidigung des Vaterlandes, sondern es geht im Wesentlichen um die Verteidigung der Verfassung, die Verteidigung der Rechte des Menschen.»54 Der Hohepriester der kritischen Theorie beschreibt hier ein Land, das als Siedlerkolonie gegründet wurde, deren völkermörderische Eliminierung der einheimischen Bevölkerung nahtlos in ein imperialistisches Expansionsprojekt überging, das – wie MLK Jr. im April 1967 argumentierte – wohl die blutigsten Spuren in der Geschichte der modernen Welt hinterlassen hat (einschliesslich etwa 37 Militär- und CIA-Interventionen zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und 1967, als Horkheimer diese schändliche Behauptung über eine US-Propagandaplattform verbreitete).55

Obwohl Adorno oft eine kleinbürgerliche Politik der komplizenhaften Passivität praktizierte und öffentliche Äusserungen zu wichtigen politischen Ereignissen vermied, waren die wenigen Äusserungen, die er machte, auffallend reaktionär. So verfasste er 1956 gemeinsam mit Horkheimer einen Artikel zur Verteidigung der imperialistischen Invasion Ägyptens durch Israel, Grossbritannien und Frankreich, die darauf abzielte, den Suezkanal zu erobern und Nasser zu stürzen (eine Aktion, die von den Vereinten Nationen verurteilt wurde). Sie bezeichneten Nasser, einen der herausragenden antikolonialen Führer der blockfreien Bewegung, als «faschistischen Häuptling […], der mit Moskau konspiriert», und riefen aus: «Niemand wagt es, darauf hinzuweisen, dass diese arabischen Räuberstaaten seit Jahren nach einer Gelegenheit Ausschau halten, über Israel herzufallen und die Juden abzuschlachten, die dort Zuflucht gefunden haben.»56 Nach dieser pseudodialektischen Umkehrung sind die arabischen Staaten die «Räuber», nicht die Siedlerkolonie, die mit den imperialistischen Kernländern zusammenarbeitet, um die Selbstbestimmung der Araber zu verletzen. Wir täten gut daran, uns an Lenins pointierte Zurückweisung solcher Spitzfindigkeiten zu erinnern, die für einen Grossteil dessen, was in der globalen Theorieindustrie als «Dialektik» gilt, charakteristisch sind: «Nicht selten hat die Dialektik […] als Brücke zur Sophisterei gedient. Aber wir bleiben Dialektiker, und wir bekämpfen die Sophisterei nicht, indem wir die Möglichkeit aller Transformationen im Allgemeinen leugnen, sondern indem wir das gegebene Phänomen in seiner konkreten Umgebung und Entwicklung analysieren.»57 Eine solche konkrete, materialistische Analyse ist genau das, was den idealistischen Umkehrungen à la Adorno und Horkheimer fehlt.

Die Frontmänner der Frankfurter Schule veröffentlichten im selben Jahr einen ihrer offenkundigsten politischen Texte. Anstatt die globale Bewegung für antikoloniale Befreiung und den Aufbau einer sozialistischen Welt zu unterstützen, feiern sie – mit nur wenigen Ausnahmen – die Überlegenheit des Westens, während sie die Sowjetunion und China wiederholt verunglimpfen. Sie berufen sich auf rassistische Beschreibungen der «Barbaren» im Osten, die sie mit dem offenkundig entmenschlichenden Vokabular von «Bestien» und «Horden» beschreiben, und verkünden unverblümt, dass sie «Faschisten» sind, die sich für die «Sklaverei»58 entschieden haben.

«Alles, was die Russen schreiben, gleitet in Ideologie ab, in krudes, dummes Geschwätz», behauptet Adorno in diesem Text dreist, als hätte er alles gelesen, was sie geschrieben haben, obwohl er, wie üblich, keine einzige Quelle angibt (und meines Wissens nicht einmal Russisch gelesen hat).60 Er behauptet, dass es in ihrem Denken «ein Element der Rebarbarisierung» gibt, das auch bei Marx und Engels zu finden sei, und er erklärt unverblümt, dass es «verdinglichter ist als im fortgeschrittensten bürgerlichen Denken».61 Als ob dies nicht schon genug unaufrichtige Effekthascherei wäre, besitzt Adorno die Chuzpe, dieses Schreibprojekt mit Horkheimer als «streng leninistisches Manifest»62 zu bezeichnen, und das in einer Diskussion, in der sie beteuern, dass sie «niemanden zum Handeln auffordern», und Adorno ausdrücklich das bürgerliche Denken und das, was er als «am weitesten fortgeschrittene Kultur» bezeichnet, über die angebliche Barbarei des sozialistischen Denkens erhebt.63 In diesem Zusammenhang verdoppelte Horkheimer ihren Sozialchauvinismus, indem er in einer welthistorischen Schlussfolgerung, die keine Widerrede seines «leninistischen» Mitarbeiters provozierte, feststellte: «Ich glaube, dass Europa und Amerika wahrscheinlich die besten Zivilisationen sind, die die Geschichte bis jetzt hervorgebracht hat, was Wohlstand und Gerechtigkeit betrifft. Es kommt jetzt darauf an, diese Errungenschaften zu bewahren.»64 Das war 1956, als die USA noch weitgehend rassengetrennt waren, sich an antikommunistischen Hexenjagden und Destabilisierungskampagnen in der ganzen Welt beteiligten und erst kürzlich ihre imperiale Reichweite durch den Sturz demokratisch gewählter Regierungen im Iran (1953) und in Guatemala (1954) erweitert hatten, während die europäischen Mächte gewaltsame Kämpfe führten, um ihre Kolonien zu halten oder sie in Neokolonien umzuwandeln.

«Faschismus und Kommunismus sind das Gleiche»

Eine der konsequentesten politischen Behauptungen, die Adorno und Horkheimer aufgestellt haben, ist die, dass es eine «totalitäre» Gleichwertigkeit zwischen Faschismus und Kommunismus gibt, wenn sich der letztere in sozialistischen Staatsbildungsprojekten, antikolonialen Bewegungen der «Dritten Welt» oder sogar in Mobilisierungen der Neuen Linken in der westlichen Welt manifestiert. In allen drei Fällen machen diejenigen, die glauben, aus der «fesselnden Gesellschaft» auszubrechen, die Dinge nur noch schlimmer. Die offenkundige Tatsache, dass die westlichen kapitalistischen Länder kein nennenswertes Bollwerk gegen den Faschismus darstellten, der in der kapitalistischen Welt entstand, und dass es gerade die Sowjetunion war, die ihn schliesslich besiegte, scheint sie nicht dazu veranlasst zu haben, über die Tragfähigkeit dieser verblendeten und vereinfachenden These nachzudenken (ganz zu schweigen von der Bedeutung des Sozialismus für die antikolonialen Bewegungen und die Aufstände der 1960er Jahre). In der Tat scheint Adorno bei all seinen moralischen Betrachtungen über die Schrecken von Auschwitz vergessen zu haben, wer das berüchtigte Konzentrationslager tatsächlich befreit hat (die Rote Armee).

Horkheimer hatte seine Version der Hufeisentheorie mit besonderer Klarheit in einer 1942 in begrenzter Auflage erschienenen Broschüre formuliert, die mit der äsopischen Sprache vieler anderer Veröffentlichungen des Instituts brach. Indem er Friedrich Engels direkt des Utopismus bezichtigte, behauptete er, dass die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu einer Zunahme der Repression und schliesslich zu einem autoritären Staat geführt habe. «Die Bourgeoisie hat früher die Regierung durch ihr Eigentum in Schach gehalten», so der Millionärssohn, während der Sozialismus in den neuen Gesellschaften einfach «nicht funktionierte», ausser um den falschen Glauben zu erzeugen, dass man – durch die Partei, den verehrten Führer oder den vermeintlichen Lauf der Geschichte – «im Namen von etwas Grösserem als sich selbst» handle.65 Horkheimers Position in diesem Stück stimmt perfekt mit dem Anarcho-Antikommunismus überein, der eine sehr weit verbreitete Ideologie innerhalb der westlichen Linken ist: Eine «klassenlose Demokratie» soll spontan aus dem Volk durch «freie Vereinbarung» entstehen, ohne den angeblich schädlichen Einfluss von Parteien oder Staaten. Wie Domenico Losurdo aufschlussreich dargelegt hat, wütete die Kriegsmaschinerie der Nazis in den frühen 1940er Jahren in der UdSSR, und Horkheimers Aufforderung an die Sozialisten, den Staat und die Parteizentralisierung aufzugeben, lief daher auf nichts Geringeres als die Forderung hinaus, vor dem völkermörderischen Amoklauf der Nazis zu kapitulieren66.

Während es am Ende von Horkheimers Pamphlet von 1942 vage Andeutungen gibt, dass es im Sozialismus etwas Erstrebenswertes geben könnte, bringen spätere Texte ihre unmissverständliche Ablehnung desselben voll zur Geltung. Als Adorno und Horkheimer beispielsweise eine öffentliche Stellungnahme zu ihrem Verhältnis zur Sowjetunion in Erwägung zogen, schickte ersterer den folgenden Entwurf eines geplanten gemeinsamen Werks an letzteren: «Unsere Philosophie steht als dialektische Kritik der gesellschaftlichen Gesamttendenz des Zeitalters in schärfstem Gegensatz zu der Politik und Doktrin, die von der Sowjetunion ausgeht. Wir können in der Praxis der als Volksdemokratien getarnten Militärdiktaturen nichts anderes sehen als eine neue Form der Unterdrückung.»67 Angesichts des überwältigenden Mangels an materialistischer Analyse des real existierenden Sozialismus seitens Adorno und Horkheimer ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass selbst die CIA anerkannte, dass die Sowjetunion keine Diktatur war. In einem Bericht vom 2. März 1955 stellte die Agentur klar: «Selbst zu Stalins Zeiten gab es eine kollektive Führung. Die westliche Vorstellung von einem Diktator innerhalb des kommunistischen Systems ist übertrieben. Die Missverständnisse zu diesem Thema beruhen auf dem mangelnden Verständnis der wirklichen Natur und Organisation der kommunistischen Machtstruktur.»68

1959 veröffentlichte Adorno einen Text mit dem Titel «Der Sinn der Vergangenheitsbewältigung», in dem er die «beschämende Wahrheit» der «philiströsen Weisheit», auf die er sich in diesem früheren Entwurf bezog, wieder aufbereitete, nämlich dass – in völliger Übereinstimmung mit der vorherrschenden Ideologie des Kalten Krieges im Westen – Faschismus und Kommunismus dasselbe seien, weil sie zwei Formen des «Totalitarismus» seien. Adorno lehnte den Standpunkt der «politisch-ökonomischen Ideologie», der diese beiden sich bekriegenden Lager offensichtlich unterscheidet, offen ab und behauptete, einen privilegierten Zugang zu einer tieferen sozialpsychologischen Dynamik zu haben, die sie eint.69 Als «autoritäre Persönlichkeiten», so behauptete er ex cathedra, besässen Faschisten und Kommunisten «schwache Egos» und kompensierten dies, indem sie sich mit der «real existierenden Macht» und den «grossen Kollektiven» identifizierten.70 Der Begriff der «autoritären Persönlichkeit» ist also ein trügerischer Trick, der darauf abzielt, Gegensätze durch psychologisierende Pseudodialektik zu synthetisieren. Ausserdem stellt sich die Frage, warum die Psychologie und bestimmte Denkweisen, zumindest hier, für die historische Erklärung zentraler zu sein scheinen als die materiellen Kräfte und der Klassenkampf.

Trotz dieses Versuchs, Faschisten und Kommunisten psychologisch zu identifizieren, schlug Adorno im selben Text vor, den Angriff der Nazis auf die Sowjetunion nachträglich zu rechtfertigen, weil die Bolschewiki – wie auch Hitler selbst gesagt hatte – eine Bedrohung für die westliche Zivilisation darstellten. «Die Gefahr, dass der Osten die Ausläufer Westeuropas verschlingt, ist offensichtlich», behauptete Adorno, «und wer sich ihr nicht widersetzt, macht sich buchstäblich schuldig, Chamberlains Appeasement zu wiederholen».71 Die Analogie ist aufschlussreich, denn in diesem Fall würde es bedeuten, dass man die «faschistischen» Kommunisten beschwichtigt, wenn man nicht direkt gegen sie kämpft. Mit anderen Worten, so undurchsichtig und verworren seine Phraseologie auch sein mag, scheint dies ein klarer Aufruf zum militärischen Widerstand gegen die Ausbreitung des Kommunismus zu sein (was vollkommen mit Horkheimers Unterstützung für den imperialistischen Krieg der USA in Vietnam übereinstimmt).

Adornos heftige Ablehnung des real existierenden Sozialismus kam auch in seinem Gespräch mit Alfred Sohn-Rethel zum Ausdruck. Dieser fragte ihn, ob die Negative Dialektik etwas über die Veränderung der Welt zu sagen habe und ob die chinesische Kulturrevolution Teil der von ihm verurteilten «affirmativen Tradition» sei. Adorno antwortete, er lehne den «moralischen Druck» des «offiziellen Marxismus» ab, die Philosophie in die Praxis umzusetzen:72 «Nichts als Verzweiflung kann uns retten», behauptete er mit dem ihm eigenen Hang zu kleinbürgerlicher Melancholie.73 Er fügte hinzu, dass die Ereignisse im kommunistischen China kein Grund zur Hoffnung seien, und erklärte mit einprägsamer Beharrlichkeit, dass sein ganzes Denken sich entschieden gegen diese Form des Sozialismus – und vermutlich auch gegen andere – gerichtet habe: «Ich müsste alles leugnen, was ich mein ganzes Leben lang gedacht habe, wenn ich zugeben würde, dass ich bei seinem Anblick etwas anderes als Entsetzen empfinde.»74 Adornos offenes Schwelgen in Verzweiflung und gleichzeitige Abscheu vor dem real existierenden Sozialismus sind nicht einfach idiosynkratische, persönliche Reaktionen, sondern Affekte, die aus einer Klassenposition heraus entstehen. «Die Vertreter der modernen Arbeiterbewegung», schrieb Lenin 1910, «finden, dass sie viel zu protestieren, aber nichts zu beklagen haben.»75 In einer Beschreibung, die Adornos kleinbürgerliche Düsternis vorwegnahm, erklärte der Führer der ersten erfolgreichen sozialistischen Revolution der Welt dann, dass «die Verzweiflung typisch für diejenigen ist, die die Ursachen des Übels nicht begreifen, keinen Ausweg sehen und zum Kampf unfähig sind»76.

Auch in seiner Kritik am antiimperialistischen und antikapitalistischen studentischen Aktivismus der 1960er Jahre verfolgte Adorno diese Denk- oder vielmehr Gefühlsrichtung. Er stimmte mit Habermas überein – der selbst Mitglied der Hitlerjugend gewesen war und vier Jahre lang bei dem «Nazi-Philosophen» (seine Bezeichnung für Heidegger) studiert hatte –, dass dieser Aktivismus einem «linken Faschismus» gleichkomme. Er verteidigte Westdeutschland als eine funktionierende Demokratie und nicht als «faschistischen» Staat, wie einige der Studenten behaupteten.77 Gleichzeitig stritt er sich mit Marcuse über dessen seiner Meinung nach fehlgeleitete Unterstützung für die Studenten und die Antikriegsbewegung, wobei er ausdrücklich behauptete, dass die Antwort auf die Frage «Was ist zu tun?» für gute Dialektiker «überhaupt nichts!» laute: «Das Ziel der wirklichen Praxis wäre ihre eigene Abschaffung.»78 Damit verkehrte er durch dialektische Spitzfindigkeiten eine der zentralen Lehren des Marxismus, nämlich das Primat der Praxis. In diesem Zusammenhang, in dem er Marx auf den Kopf stellte, wiederholte er einmal mehr das ideologische Mantra der kapitalistischen Welt: «Faschismus und Kommunismus sind dasselbe.»79 Auch wenn er diesen Slogan als «kleinbürgerliche Binsenweisheit» bezeichnete und damit offenbar seinen ideologischen Status anerkannte, machte er sich ihn ungeniert zu eigen.80

Idealismus ist das Markenzeichen von Adornos und Horkheimers Überlegungen zum real existierenden Sozialismus und, allgemeiner, zu progressiven sozialen Bewegungen. Anstatt die Projekte, die sie verunglimpfen, mit der Strenge und Ernsthaftigkeit zu untersuchen, mit der sie sich manchmal anderen Themen nähern, verlassen sie sich auf pauschale Behauptungen und antikommunistische Schreckgespenster ohne konkrete Analyse (obwohl sie sich gelegentlich auf einzelne antikommunistische Publikationen beziehen, wie die des fanatischen kalten Kriegers Arthur Koestler, die von imperialistischen Staaten und ihren Geheimdiensten reichlich finanziert und unterstützt wurden)81. Ihre Schriften zu diesem Thema sind nicht nur bemerkenswert frei von Verweisen auf eine gründliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern sie tun auch so, als sei eine solche ernsthafte Auseinandersetzung gar nicht nötig. Diese Texte verneigen sich vor der herrschenden Ideologie und betonen standhaft die antistalinistische Glaubwürdigkeit ihrer Autoren, ohne sich mit den Details, Nuancen oder Komplexitäten zu befassen.

Man muss sich also fragen, ob die Studenten nicht Recht hatten, als sie Ende der 1960er Jahre Flugblätter in Umlauf brachten, in denen sie behaupteten, diese Frankfurter Gelehrten seien «linke Idioten des autoritären Staates», die «in der Theorie kritisch, in der Praxis konformistisch» seien. Hans-Jürgen Krahl, einer der Doktoranden Theodor Adornos, ging sogar so weit, seinen Mentor und die anderen Frankfurter Professoren öffentlich als «scheisskritische Theoretiker» zu beschimpfen,83 und äusserte diese lapidare Kritik an den standhaften Verteidigern der ABS-Theorie, als er auf Geheiss Adornos wegen einer Universitätsbesetzung im Zusammenhang mit seinem Engagement im Sozialistischen Deutschen Studentenbund verhaftet wurde. Die Tatsache, dass der Autor der Negativen Dialektik die Polizei gerufen hat, um seine eigenen Studenten verhaften zu lassen, ist ein Standardbezugspunkt unter seinen politischen Kritikern. Wie wir gesehen haben, ist dies jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Es handelt sich keineswegs um eine bizarre Anomalie, sondern steht im Einklang mit seiner Politik, seiner sozialen Funktion innerhalb des intellektuellen Apparats, seiner Klassenzugehörigkeit und seiner allgemeinen Orientierung im globalen Klassenkampf.

Die «Tuis» des westlichen «Marxismus»

Brecht schlug den Neologismus «Tuis» vor, um Intellektuelle zu bezeichnen, die als Subjekte einer kommodifizierten Kultur alles verkehrt machen (daher Tellekt-uellen-in). Seine Ideen für einen Tui-Roman hatte er in den 1930er Jahren mit Benjamin geteilt, und er schrieb später ein Theaterstück, das aus seinen früheren Notizen hervorging, mit dem Titel Turandot oder Der Kongress der Weisswäscher. Da er nach dem Zweiten Weltkrieg in die Deutsche Demokratische Republik zurückgekehrt war, um am Aufbau des sozialistischen Staates mitzuwirken, im Gegensatz zu den Frankfurter Wissenschaftlern, die sich mit finanzieller Unterstützung der kapitalistischen herrschenden Klasse in Westdeutschland niedergelassen hatten, wurde Turandot zum Teil als satirische Kritik an diesen westlichen «Marxisten» geschrieben.

In dem Stück werden die Tuis als professionelle Schönfärber dargestellt, die ein stattliches Gehalt dafür erhalten, dass sie die Dinge so erscheinen lassen, als wären sie das Gegenteil von dem, was sie sind. «Das ganze Land wird von Ungerechtigkeit regiert», stellt Sen in Turandot fest, bevor er eine knappe Zusammenfassung der ABS-Theorie liefert: «und in der Tui-Akademie lernt man nur, warum es so sein muss.»84 Die Tui-Ausbildung lehrt uns, wie die Arbeit des Instituts für Sozialforschung, dass es keine Alternative zur herrschenden Ordnung gibt, und schliesst damit die Möglichkeit einer Systemänderung aus. In einer der eindrucksvollsten Szenen werden die Tuis gezeigt, wie sie sich auf den Kongress der Weisswäscher vorbereiten. Nu Shan, einer der Lehrer der Akademie, bedient ein Flaschenzugsystem, mit dem ein Brotkorb vor dem Gesicht des Redners angehoben oder abgesenkt werden kann. Als er einen jungen Mann namens Shi Me zum Tui ausbildet, sagt er ihm, er solle über das Thema «Warum die Position von Kai Ho falsch ist» sprechen (Kai Ho ist ein Revolutionär, der Mao Zedong ähnelt). Nu Shan erklärt, dass er den Brotkorb über seinen Kopf heben wird, wenn Shi Me etwas Falsches sagt, und ihn vor seinem Gesicht senken wird, wenn es richtig ist. Nach vielem Heben und Senken in Bezug auf Shi Mes Fähigkeit, sich der herrschenden Ideologie anzupassen, steigern sich seine Argumente bis hin zu schrillen antikommunistischen Verleumdungen, die keiner rationalen Argumentation bedürfen: «Kai Ho ist überhaupt kein Philosoph, sondern nur ein Grossmaul – der Korb sinkt – ein Unruhestifter, ein machtgieriger Taugenichts, ein verantwortungsloser Spieler, ein Schmutzfink, ein Vergewaltiger, ein Ungläubiger, ein Bandit und ein Verbrecher. Der Korb schwebt direkt vor dem Mund des Redners. Ein Tyrann!»85 Diese Szene zeigt in einem Mikrokosmos das Verhältnis zwischen professionellen Intellektuellen und ihren Geldgebern innerhalb von Klassengesellschaften: Erstere verdienen ihre Brötchen als akademische Freiberufler, indem sie die für letztere bestmögliche Ideologie liefern. Das ist ein Denkanstoss.

Was die Frankfurter Schule den Brotgebern der «Fesselungsgesellschaft» zu bieten hatte, war nicht unbedeutend. Mit pseudodialektischen Spitzfindigkeiten verteidigte sie in akademischer Hochsprache die Linie des Aussenministeriums, dass der Kommunismus nicht vom Faschismus zu unterscheiden sei, obwohl 27 Millionen Sowjets ihr Leben geopfert hatten, um die Kriegsmaschinerie der Nazis im Zweiten Weltkrieg zu besiegen (um nur eine der krassesten Formen des Gegensatzes zwischen Kommunismus und Faschismus zu nennen, obwohl es natürlich noch viele andere gibt, da sie Todfeinde sind). Indem sie den Klassenkampf zugunsten einer idealistischen kritischen Theorie verdrängten, die von den praktischen politischen Auseinandersetzungen abgekoppelt ist, verschoben sie die Grundlagen der Analyse weg vom historischen Materialismus hin zu einer allgemeinen theoretischen Kritik von Herrschaft, Macht und Identitätsdenken.

Adorno und Horkheimer spielten also letztlich die Rolle von radikalen Rekuperatoren. Indem sie den Anschein von Radikalität kultivierten, rekuperierten sie die eigentliche Tätigkeit der Kritik innerhalb einer pro-westlichen, antikommunistischen Ideologie. Wie andere Mitglieder der kleinbürgerlichen Intelligenz in Europa und den Vereinigten Staaten, die die Grundlage des westlichen Marxismus bildeten, brachten sie öffentlich ihre sozialchauvinistische Abscheu vor den, wie sie es nannten, wilden Barbaren im Osten zum Ausdruck, die es wagten, die Waffe der marxistischen Theorie à la Lenin in die Hand zu nehmen und damit nach dem Prinzip zu handeln, dass sie sich selbst regieren könnten. Von der relativen Bequemlichkeit ihrer kapitalistisch finanzierten professoralen Zitadelle im Westen aus verteidigten sie die Überlegenheit der euro-amerikanischen Welt, von der sie gefördert wurden, gegen das, was sie als das Nivellierungsprojekt der bolschewisierten Barbaren in der unzivilisierten Peripherie bezeichneten.

Darüber hinaus ist ihre verallgemeinerte Herrschaftskritik Teil einer umfassenderen Anti-Parteien- und Anti-Staats-Ideologie, die die Linke letztlich der Instrumente einer disziplinierten Organisation beraubt, die notwendig sind, um erfolgreiche Kämpfe gegen den gut finanzierten politischen, militärischen und kulturellen Apparat der herrschenden Kapitalistenklasse zu führen. Dies entspricht genau ihrer allgemeinen Politik der Niederlage, die Adorno mit seiner antimarxistischen Verteidigung der Untätigkeit als höchste Form der Praxis ausdrücklich befürwortet. Die Leiter der Tui-Akademie in Frankfurt, die von der herrschenden Kapitalistenklasse und den imperialistischen Staaten, einschliesslich des nationalen Sicherheitsstaates der USA, reichlich finanziert und unterstützt wurden, waren somit letztlich globale Wortführer einer antikommunistischen Politik der kapitalistischen Anpassung. Sie rieben sich die Hände über die Unzulänglichkeiten der Konsumgesellschaft, die sie manchmal in bemerkenswerter Ausführlichkeit beschrieben, weigerten sich jedoch, etwas Praktisches dagegen zu unternehmen, weil sie von der Grundannahme ausgingen, dass das sozialistische Heilmittel für solche Missstände viel schlimmer ist als die Krankheit selbst.
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Anmerkungen:

1 Siehe meine Analyse von Jürgen Habermas, Axel Honneth und Nancy Fraser in «Kritische und revolutionäre Theorie».

2 Siehe z.B. Thomas W. Braden, «I’m Glad the CIA Is ‘Immoral’», Saturday Evening Post (20. Mai 1967). Nach der Tatsache zu urteilen, dass W.W. Rostow Bradens Artikel vor seiner Veröffentlichung über den CIA-Direktor Richard Helms mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten geteilt hat, handelt es sich höchstwahrscheinlich um das, was die Agentur eine «begrenzte Zusammenkunft» nennt. Wie der ehemalige Assistent des stellvertretenden CIA-Direktors, Victor Marchetti, erklärte, ist ein «Limited Hangout» eine Taktik der Öffentlichkeitsarbeit, die von Geheimdienstmitarbeitern angewendet wird: «Wenn der Schleier der Geheimhaltung zerfetzt wird und sie sich nicht mehr auf eine gefälschte Tarngeschichte verlassen können, um die Öffentlichkeit falsch zu informieren, greifen sie darauf zurück, einen Teil der Wahrheit zuzugeben – manchmal sogar freiwillig –, während sie es immer noch schaffen, die entscheidenden und schädlichen Fakten in dem Fall zurückzuhalten. Die Öffentlichkeit ist jedoch in der Regel so fasziniert von den neuen Informationen, dass sie nie daran denkt, die Angelegenheit weiter zu verfolgen» («CIA to Admit Hunt Involvement in Kennedy Slaying», The Spotlight, 14. August 1978: https://archive.org/details/marchetti-victor-cia-to-admit-hunt-involvement-in-kennedy-slaying-the-spotlight-aug.-14-1978/mode/2up).

3 Siehe Gabriel Rockhill, Radical History & the Politics of Art (New York: Columbia University Press, 2014), 207-8 und Giles Scott-Smith, «The Congress for Cultural Freedom, the End of Ideology, and the Milan Conference of 1955: ‘Defining the Parameters of Discourse’,» Journal of Contemporary History, Vol. 37 No. 3 (2002): 437-455. Die Pariser Niederlassung des Instituts für Sozialforschung arbeitete eng mit Raymond Aron zusammen, der dafür zuständig war, zu prüfen, welche Arbeiten für ein französisches Publikum geeignet waren (siehe Theodor Adorno und Max Horkheimer, Correspondance: 1927-1969, Bd. I, Hg. Christoph Gödde und Henri Lonitz, trans. Didier Renault (Paris: Klincksieck: 2016), 146. Ich zitiere diese französische Ausgabe hier und an anderer Stelle, weil der vollständige Briefwechsel von Adorno und Horkheimer meines Wissens nicht auf Englisch verfügbar ist). In der Nachkriegszeit wurde Aron zur philosophischen Galionsfigur des CCF und zu einem unermüdlichen antikommunistischen Ideologen, dessen öffentliche Sichtbarkeit durch die Unterstützung der CIA immens gesteigert wurde.

4 Mit operativ» meine ich, dass Lasky bei seinen ausgedehnten antikommunistischen Propagandabemühungen eng mit der CIA – wie auch mit anderen US-Regierungsstellen – zusammenarbeitete, nicht, dass er selbst ein CIA-«Sachbearbeiter» war (was meines Wissens nicht bestätigt wurde). Laskys Zusammenarbeit mit der CIA und anderen Agenturen ist durch zahlreiche interne Dokumente sowie durch die Arbeit von Forschern wie Frances Stonor Saunders, Michael Hochgeschwender, Hugh Wilford und Peter Coleman nachgewiesen worden. Ein Teil von Laskys Korrespondenz mit Adorno ist in Theodor Adorno und Max Horkheimer, Correspondance: 1927-1969, Vol. I-IV, eds. Christoph Gödde und Henri Lonitz, trans. Didier Renault (Paris: Klincksieck: 2016).

5 Siehe Adorno und Horkheimer, Korrespondenz, Bd. III, 291.

6 Vgl. Adorno und Max Horkheimer, Korrespondenz, Bd. III, 348.

7 Vgl. Michael Hochgeschwender, Freiheit in der Offensive? Der Congress for Cultural Freedom und die Deutschen (München: R. Oldenbourg Verlag, 1998), 488.

8 Hochgeschwender, Freiheit in der Offensive?, 563.

9 Siehe z. B. Minqi Li, «The 21st Century: Is There an Alternative (to Socialism)?» Science & Society 77:1 (Januar 2013): 10-43; Vicente Navarro, «Has Socialism Failed? An Analysis of Health Indicators under Capitalism and Socialism», Wissenschaft & Gesellschaft 57:1 (Frühjahr 1993): 6-30. Tricontinental hat zahlreiche eingehende Analysen des real existierenden Sozialismus und seines Vergleichs mit dem real existierenden Kapitalismus vorgelegt: https://thetricontinental.org/.

10 John Abromeit, Max Horkheimer and the Foundations of the Frankfurt School (Cambridge, UK: Cambridge University Press, 2011), 42.

11 Thomas Wheatland, The Frankfurt School in Exile (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2009), 24; Ingar Solty, «Max Horkheimer, a Teacher without a Class», Jacobin (15. Februar 2020): https://www.jacobinmag.com/2020/02/max-horkheimer-frankfurt-school-adorno-working-class-marxism; Wheatland, The Frankfurt School in Exile, 13.

12 Perry Anderson, Considerations on Western Marxism (London: Verso, 1989), 33; Steven Müller-Doohm, Adorno: A Biography, trans. Rodney Livingstone (Cambridge: Polity Press, 2005), 94.

13 Anderson, Überlegungen zum westlichen Marxismus, 33.

14 Rolf Wiggershaus, Die Frankfurter Schule: Ihre Geschichte, Theorien und politische Bedeutung, trans. Michael Robertson (Cambridge, Massachusetts: The MIT Press, 1995), 104.

15 Abromeit, Max Horkheimer, 150. Jegliche spärliche und vorsichtige Hoffnung, die Horkheimer in die Sowjetunion gesetzt hatte, löste sich in den frühen 1930er Jahren auf, und «nach 1950 begann Horkheimer, die liberal-demokratischen politischen Traditionen des Westens in einer Weise zu verteidigen, die […] einseitig war» (Abromeit, Max Horkheimer, 15, siehe auch 181).

16 «Kritische Theorie», so Horkheimer, «ist weder ‹tief verwurzelt› wie die totalitäre Propaganda noch ‹abgehoben› wie die liberalistische Intelligenz» (Max Horkheimer, Kritische Theorie: Ausgewählte Aufsätze, trans. Matthew J. O’Connell u.a. (New York: Continuum, 2002), 223-4).

17 Marie-Josée Levallée, «Der Oktober und die Aussichten der Revolution: The Views of Arendt, Adorno, and Marcuse,» The Russian Revolution as Ideal and Practice: Failures, Legacies, and the Future of Revolution, eds. Thomas Telios et al. (Cham, Schweiz: Palgrave Macmillan, 2020), 173.

18 Gillian Rose, The Melancholy Science: An Introduction to the Thought of Theodor W. Adorno (New York: Columbia University Press, 1978), 2.

19 Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, 133. Siehe auch Solty, «Max Horkheimer, a Teacher without a Class» und Rose, The Melancholy Science, 2.

20 Müller-Doohm, Adorno, 181.

21 Müller-Doohm, Adorno, 181. «Auch in seinen privaten Briefen», schreibt Müller-Doohm, «finden sich bis weit in die Mitte der 1930er Jahre hinein nur recht allgemeine, pessimistische Stimmungsbilder und keine eindeutigen Aussagen zur politischen Situation» (181).

22 Anderson, Überlegungen zum westlichen Marxismus, 33. Thomas Wheatland erklärt, dass der Horkheimer-Kreis in New York es vorzog, «über die grossen politischen Fragen des Tages zu schweigen und […] seinen Marxismus fast vollständig zu verbergen. […] Horkheimer war nicht gewillt, die möglichen Auswirkungen eines politischen Aktivismus oder gar einer politischen Auseinandersetzung mit den grossen Themen der Zeit zu riskieren» (The Frankfurt School in Exile (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2009), 99).

23 Siehe Stuart Jeffries, Grand Hotel Abyss: The Lives of the Frankfurt School (London: Verso, 2017), 72 und 197.

24 Siehe Wheatland, The Frankfurt School in Exile, 72 (siehe auch 141).

25 Jeffries, Grand Hotel Abyss, 136. Brecht behauptete, dass «die Frankfurter Schule einen bürgerlichen Taschenspielertrick beging, indem sie sich als marxistisches Institut ausgab, gleichzeitig aber darauf bestand, dass die Revolution nicht mehr vom Aufstand der Arbeiterklasse abhängen könne, und sich weigerte, am Umsturz des Kapitalismus teilzunehmen» (Jeffries, Grand Hotel Abyss, 77).

26 Zitiert in Ulrich Fries, «Ende der Legende: Hintergründe zu Walter Benjamins Tod», The Germanic Review: Literatur, Kultur, Theorie 96:4 (2021), 421, 422. Ich möchte Helmut-Harry Loewen meinen aufrichtigen Dank aussprechen, der mich auf diesen wichtigen Artikel aufmerksam gemacht und mir seine Teilübersetzung zur Verfügung gestellt hat.

27 Zitiert in Fries, «Ende der Legende», 422, 422.

28 Siehe den Brief Adornos an Horkheimer vom 26. Januar 1936, veröffentlicht in Adorno und Horkheimer, Correspondance, Bd. I, 110.

29 Siehe den Briefwechsel zwischen den beiden in Ronald Taylor, Hrsg., Aesthetics and Politics (London: Verso, 1977), 100-141.

30 Zitiert in Fries, «Ende der Legende», 409.

31 Fries, «Ende der Legende», 409, 424.

32 Fries, «Ende der Legende», 414.

33 Zitiert in Fries, «Ende der Legende», 410.

34 Zitiert in Jack Jacobs, The Frankfurt School, Jewish Lives, and Antisemitism (Cambridge UK, Cambridge University Press, 2014), 59-60.

35 Todd Cronan, Red Aesthetics: Rodchenko, Brecht, Eisenstein (Lanham, Maryland: Rowman & Littlefield Publishers, 2021), 132.

36 Zitiert in Cronan, Red Aesthetics, 151.

37 Zur Führung der JLC siehe Catherine Collomp, «‘Anti-Semitism among American Labor’: A Study by the Refugee Scholars of the Frankfurt School of Sociology at the End of World War II», Labor History 52:4 (November 2011): 417-439. Zu Dubinskys Arbeit mit der CIA siehe die Dokumente, die im FOIA Electronic Reading Room der CIA (https://www.cia.gov/readingroom/home) verfügbar sind, sowie Hugh Wilford, The Mighty Wurlitzer: How the CIA Played America (Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 2008) und Frances Stonor Saunders, The Cultural Cold War: The CIA and the World of Arts and Letters (New York: The New Press, 1999).

38 Siehe David Jenemann, Adorno in America (Minneapolis: University of Minnesota Press, 2007), 181-2.

39 Siehe Adornos FBI-Akte: https://vault.fbi.gov/theodor-adorno/theodor-adorno-part-01-of-01/view

40 Siehe Adornos FBI-Akte: https://vault.fbi.gov/theodor-adorno/theodor-adorno-part-01-of-01/view

41 Anderson, Überlegungen zum westlichen Marxismus, 34.

42 Jeffries, Grand Hotel Abyss, 297. Habermas war, wie wir uns erinnern sollten, selbst Mitglied der Hitlerjugend und unterstützte später den Krieg am Persischen Golf und die NATO-Intervention in Jugoslawien.

43 Siehe Horkheimers Hetzrede gegen Habermas und den Marxismus in seinem Brief an Adorno vom 27. September 1958 in Adorno und Horkheimer, Correspondance, Bd. IV, 386-399.

44 Zitiert in Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, 554.

45 Jenemann, Adorno in Amerika, 182.

46 Christopher Simpson, Science of Coercion: Communication Research and Psychological Warfare 1945-1960 (Oxford: Oxford University Press, 1996), 4.

47 Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, 397.

48 John Loftus, America’s Nazi Secret (Walterville, OR: Trine Day, LLC, 2011), 228.

49 Siehe Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, 434.

50 Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, 479.

51 Siehe Robert S. Wistrich, Who’s Who in Nazi Germany (New York: Routledge, 2001), 281.

52 Zitiert in Jenemann, Adorno in America, 184. Adorno selbst sagte dies in seiner eidesstattlichen Erklärung: «Das Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt [sic] wurde mit der Unterstützung von HICOG gegründet und grösstenteils mit amerikanischen Mitteln unterstützt. Das Ziel dieser Institution ist es, eine Integration amerikanischer und deutscher Forschungsmethoden zu entwickeln und bei der Ausbildung deutscher Studenten im Geiste der amerikanischen Demokratie zu helfen» (Jenemann, Adorno in America, 184).

53 Wiggershaus zufolge: «Horkheimer gehörte weder wie Paul Tillich zu den Verteidigern des Sozialismus noch wie Hugo Sinzheimer oder Hermann Heller zu den engagierten Demokraten und erklärten Gegnern des Nationalsozialismus» (Die Frankfurter Schule, 112). Zu Adenauer siehe Rockhill, «Critical and Revolutionary Theory», sowie Philip Agee und Louis Wolf, Dirty Work: The CIA in Western Europe (New York: Dorset Press, 1978).

54 Zitiert in Wolfgang Kraushaar, Hrsg., Frankfurter Schule und Studentenbewegung: Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail 1946-1995, Bd. I: Chronik (Hamburg: Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlags KG, 1998), 252-3.

55 Siehe William Blum, Killing Hope: US Military and CIA Interventions since World War II (London: Zed Books, 2014).

56 Zitiert in Jeffries, Grand Hotel Abyss, 297.

57 V.I. Lenin, Gesammelte Werke, Bd. 22 (Moskau: Progress Publishers, 1966), 309.

58 Die Rassifizierung von Kommunisten war ein wichtiger Bestandteil der antikommunistischen Ideologie, wie Domenico Losurdo in War and Revolution, trans. Gregory Elliott (London: Verso, 2015).

59 Theodor Adorno und Max Horkheimer, «Towards a New Manifesto?» New Left Review 65 (September-Oktober 2019), 49.

60 Adorno und Horkheimer, «Towards a New Manifesto?» 59.

61 Adorno und Horkheimer, «Towards a New Manifesto?» 59.

62 Adorno und Horkheimer, «Auf dem Weg zu einem neuen Manifest?» 57.

63 Adorno und Horkheimer, «Auf dem Weg zu einem neuen Manifest?» 57, 59.

64 Adorno und Horkheimer, «Auf dem Weg zu einem neuen Manifest?» 41. Horkheimer äusserte bei zahlreichen Gelegenheiten ähnliche pro-kapitalistische und antikommunistische Ansichten. So behauptete er in einem langen Brief an Adorno vom 27. September 1958, dass «Revolution in Wirklichkeit der Übergang zum Terror» bedeute und dass es gelte, «den Rest der bürgerlichen Zivilisation zu verteidigen, in dem die Idee der individuellen Freiheit und der authentischen Gesellschaft noch ihren Platz hat» (Adorno und Horkheimer, Korrespondenz: 1927-1969, Bd. IV, 395). Im Jahr 1968, um ein weiteres Beispiel zu nennen, bezeichnete er seine Position ganz ausdrücklich als konterrevolutionär: «Ein offenes Bekenntnis, dass selbst eine zweifelhafte Demokratie, trotz all ihrer Mängel, immer besser ist als die Diktatur, die eine Revolution heute unweigerlich zur Folge hätte, scheint mir um der Wahrheit willen notwendig» (Horkheimer, Kritische Theorie, viii). Nach dem Hinweis auf Horkheimers Verurteilung der «wilden Barbarei des Ostens» schreibt Stefan Müller-Doohm in seiner 700-seitigen Adorno-Biographie, dass «Adorno und Horkheimer in ihrer Einschätzung des so genannten Ostblocks, d.h. der Sowjetunion, aber auch des kommunistischen China, übereinstimmten» (415). In Bezug auf den Kolonialismus schrieb Horkheimer an Adorno, dass «der europäische Traum von der permanenten Überlegenheit im Kolonialzeitalter» zwar «abscheulich» sei, aber dennoch «seine guten Seiten» habe (Adorno und Horkheimer, Korrespondenz, Bd. IV, 466).

65 Max Horkheimer, «Der autoritäre Staat», Telos 15 (Frühjahr 1973): 16.

66 Siehe Domenico Losurdo, El Marxismo occidental: Cómo nació, cómo murió y cómo puede resucitar, trans. Alejandro García Mayo (Madrid: Editorial Trotta, 2019). Dieses Buch, das ursprünglich auf Italienisch geschrieben wurde, wird von Steven Colatrella für 1804 Books ins Englische übersetzt.

67 Max Horkheimer, Gesammelte Schriften, eds. Alfred Schmidt und Gunzelin Schmid Noerr, Bd. 18 (Frankfurt am Main: S. Fischer, 1985), 73. Siehe auch Müller-Doohm, Adorno, 334. Adorno ging sogar so weit, die Position des militanten Antikommunisten und CIA-Kollaborateurs Arthur Koestler ausdrücklich zu unterstützen, indem er schrieb, dass «der Kommunismus eine ‘rechte Partei’ geworden ist (was Koestler hervorhob) und […] sich vollständig mit dem russischen Imperialismus identifiziert hat» (Adorno und Horkheimer, Korrespondenz, Bd. IV, 655).

68 Siehe dieses Dokument im FOIA Electronic Reading Room der CIA: https://www.cia.gov/readingroom/document/cia-rdp80-00810a006000360009-0 Ich möchte Colin Bodayle meinen Dank dafür aussprechen, dass er mich auf dieses Dokument aufmerksam gemacht hat.

69 Theodor Adorno, Kritische Modelle: Interventionen und Schlagworte, trans. Henry W. Pickford (New York: Columbia University Press, 2005), 94.

70 Adorno, Kritische Modelle, 94.

71 Adorno, Kritische Modelle, 94.

72 Müller-Doohm, Adorno, 438.

73 Müller-Doohm, Adorno, 438.

74 Müller-Doohm, Adorno, 438.

75 W.I. Lenin, Gesammelte Werke, Bd. 16 (Moskau: Progress Publishers, 1977), 332.

76 Lenin, Gesammelte Werke, Bd. 16, 332.

77 Wie ich in «Kritische und revolutionäre Theorie» dargelegt habe, war diese Einschätzung seitens der Studenten völlig gerechtfertigt.

78 Adorno, Kritische Modelle, 267. Adornos falsches dialektisches Lob der Untätigkeit als beste Form des Handelns wird in seiner Korrespondenz mit Marcuse über die Studentenproteste bekräftigt: «Wir haben zu unserer Zeit, Sie nicht weniger als ich, eine viel schrecklichere Situation ausgehalten – die des Judenmords –, ohne zur Praxis überzugehen; einfach weil sie uns versperrt war. […] Um es unverblümt zu sagen: Ich glaube, Sie machen sich etwas vor, wenn Sie nicht in der Lage sind, sich an den studentischen Stunts zu beteiligen, wegen dem, was in Vietnam oder Biafra geschieht. Wenn das wirklich eure Reaktion ist, dann solltet ihr nicht nur gegen das Grauen der Napalmbomben protestieren, sondern auch gegen die unsäglichen Folterungen nach chinesischem Vorbild, die der Vietcong permanent durchführt» (Adorno und Marcuse, «Correspondence on the German Student Movement», New Left Review 233 (Januar-Februar 1999), 127). Ähnlich äussert er sich auch an anderer Stelle, etwa in seinem Text «Resignation» von 1969, in dem er das «utopische Moment des Denkens» gegenüber jeder Form des Handelns zelebriert: «Der kompromisslos kritische Denker, der weder sein Bewusstsein überschreibt noch sich zum Handeln terrorisieren lässt, ist in Wahrheit derjenige, der nicht aufgibt. […] Das Denken ist eigentlich die Kraft des Widerstands» (Adorno, Kritische Modelle, 293).

79 Adorno, Kritische Modelle, 268.

80 Adorno, Kritische Modelle, 268.

81 Koestler war eine wichtige Figur in den Netzwerken des CIA-Kongresses für kulturelle Freiheit und der Abteilung für Informationsforschung des MI6.

82 Zitiert in Esther Leslie, «Introduction to Adorno/Marcuse Correspondence on the German Student Movement», New Left Review 233 (Januar-Februar 1999), 119 und Kraushaar, Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 1, 374.

83 Kraushaar, Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Bd. 1, 398. Krahl war der einzige Aktivist, der in derselben Nacht nicht aus dem Gefängnis entlassen wurde, und Adorno beschloss, gegen ihn Anklage zu erheben, wie er es 1964 gegen die Studentengruppe Subversive Aktion getan hatte, trotz des Drucks, die Anklage fallen zu lassen.

84 Bertolt Brecht, Gesammelte Dramen: Six, eds. John Willett und Ralph Manheim (London: Random House, 1998), 189.

85 Brecht, Gesammelte Stücke: Six, 145.
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Der Text ist erstmals am 27. Juni 2022 erschienen in The Philosophical Salon. Übersetzt mit Hilfe von www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)