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Im Dorf Dschawija in der Nähe von Hebron demoliert zionistische Willkür das Haus einer palästinensischen Familie. Mussa Qawasma/REUTERS

Die faschistische Regierung in Israel und die gefallenen Masken

Gazainfo 116, Teil 2

Wie kommentierst du den Antritt der neuen rechtsextremistischen israelischen Regierung? Als ganz gewöhnliche zionistische und rassistische Politik, wie sie ja auch schon unter der Arbeitspartei und dem Likud vorherrschte, oder als zusätzliche Verschärfung?

Die Lüge, die immer in den westlichen und zionistischen Medien verbreitet wird, dass Israel die demokratische Oase im sogenannten Nahen Osten sei, umgeben von Wilden, Korrupten und Tyrannen. Aber die Wahrheit ist: Von der Gründung des zionistischen Gebildes bis zum heutigen Tag setzt sich die Politik der zionistischen Bewegung fort. Auch unter der (sozialdemokratischen) Partei Mapai und Ben Gurion, als sie die Kibbuz- und Mashav-Bewegung gründeten, als sogenannte linke oder sozialistische Bewegung in Palästina unter der damaligen britischen Kolonialmacht. Von der Gründung Israels 1948 bis zur Jetztzeit gab es Vertreibungen, die Transferpolitik, Massaker, Enteignungen, die Siedlungspolitik, Verhaftungen, Militärgesetze, rassistische Massnahmen usw.

Die neue faschistische Regierung Israels, die vor einer Woche ihren Dienst angetreten hat, wird die sogenannte 4er-Bande genannt, sie besteht aus Faschisten, Verbrechern und Korrupten, unter der Führung von Benjamin Netanyahu, Itamar Ben-Gvir, Bezalel Smotrich und Arje Deri. Diese Regierung die mit insgesamt 64 Mandaten von 120 die Mehrheit in der Knesset erreicht hat, wird von 4 Parteien unterstützt: von der Likud-Partei (32 Mandate), von der Jüdisch-zionistischen Partei (14 Mandate), von der Schas-Partei (11 Mandate) und der Liste Yahadut Ya Tora (Vereinigtes Thora-Judentum) (7 Mandate). Diese Regierung spiegelt die Krise und das Dilemma, das der zionistische Staat erlebt, nach innen wie nach aussen. Man hat bemerkt, dass innerhalb von 2 Jahren insgesamt 4 Knessetwahlen stattgefunden haben, bei denen keiner die Mehrheit erreichte. Oder es gab auch Spaltungen innerhalb der Parteien, die inszeniert wurden, um die Regierung zu stürzen.

Momentan reden die zionistischen Medien über einen faschistischen Putsch in der israelischen Gesellschaft, der durch Netanyahu und die Viererbande die Gesellschaft zwischen einem rassistischen, faschistischen Lager und einem säkularen, liberalen Lager mit Yesh Adid (Zukunft) mit dem früheren Premierminister Yair Lapid, vom ehemaligen Regierungschef Gantz mit der Arbeiterpartei, Israel Beituna von Liebermann und der Neuen Rechten Partei von Naftali Bennett spaltet. Sie glauben, Netanyahu sei eine Geisel in den Händen dieser Siedler und faschistischen Kräfte wie Bezalel Smotrich von Arjeh Deri, damit sie ihn vor dem Knast bewahren. Aber wie lange diese Koalition noch existieren und weiterarbeiten kann, steht in den Sternen.

vor dem Bundeshaus

Gegen die neue mit offenen Faschisten wie Ben Gvir besetzte Regierung wirkt die zuvor regierenden Koalitionen von Netanyahu als geradezu «liberal». Wer hätte damals gedacht, dass es in Israel immer noch rechter geht? (Getty Images) © 1&1 Mail & Media/spot on news

Trotzdem hat diese Regierung innerhalb von kurzer Zeit einschneidende Resolutionen verabschiedet, so wie sie es ihren Wählern versprochen hatte. D. h. sie fangen an mit der Landenteignung, so wie es ihr Motto war: Erez Israel vom Meer bis zum Fluss. Also ab dem Jordan, aufgebaut auf einem von Talmud und Tora entnommenen Mythos und Märchen, für die sie keine Beweise vorlegen können. Weder historisch noch durch Grabungen. Mehrere Archäologenteams haben Dutzende Jahre von Nord nach Süd und von Ost nach West des Landes Grabungen durchgeführt und keine Beweise für die Geschichte von jüdischen Vorfahren in Palästina gefunden, sondern sie haben nur kanaanäische, griechische, römische und islamische Spuren und Materialien entdeckt. Sowie Schlüssel, Geldmünzen, Schriften, aber keine Spuren einer jüdischen Vergangenheit. Deshalb versucht diese neue Regierung in die Offensive zu gehen. Was damals die früheren Regierungen unter der Arbeitspartei oder dem Likud oder den Koalitionsregierungen beider Parteien nicht geschafft haben, wollen sie durch Tatsachen auf dem Boden schaffen. D. h., sie versuchen, ihr Zielgebiet, also 70 Prozent der Westbank zu enteignen und das Jordantal, um dort neue Siedlungen zu errichten und dort die israelische Wohnkrise auf Kosten der Palästinenserinnen und Palästinenser zu lösen. Wie auch die Zionisierung von Jerusalem und Orten wie Hebron, Betlehem und Nablus, wo sie Lügen und Propaganda verbreiten. Etwa über Al-haram ash-Sharif (den “Tempelberg”) oder die Al Ibrahimi Moschee in Hebron, wo sie erzählen, dort lägen die Leichen von Abraham und seiner Frau Sara wie auch von Isaac und Jakob. Sie behaupten auch, in Betlehem liege das Grab von Rahel. Und sie behaupten, in Nablus liege das Grab von Youssef. Aufgrund dieses toratischen Mythos.

Auf der anderen Seite versuchen sie die Lüge, die den Palästinensern 30 Jahre lang verkauft wurde, zu Grabe zu tragen: die sogenannte Zweistaatenlösung, die durch das Osloer Abkommen festgeschrieben wurde, wo damals die US-Regierung wie auch die EU-Länder eine politische friedliche Lösung im Nahen Osten zusagten. In Wirklichkeit war das nur ein Versuch, das palästinensische Volk zu beruhigen und seine nationale Befreiungsbewegung zu liquidieren, um der israelischen Regierung unter Ytzhak Rabin, der durch einen israelischen Siedlerfaschisten erschossen wurde, zu helfen und Realitäten auf dem Boden zu schaffen. Besonders, da Israel damals durch die Intifada, den Krieg der Steine, in Bedrängnis war, da es Israel mit aller Gewalt nicht schaffte, diesen Aufstand zu stoppen. Das Oslo-Abkommen war also nur die Brücke, um der israelischen Regierung aus der Krise zu helfen, in der sie sich damals befand. Und natürlich, um die Intifada zu liquidieren. Auch damit die PLO als Stimme des Volkes ein Ende findet und jede revolutionäre Kraft für Palästina zum Schweigen gebracht wird. Gleichzeitig hat diese Regierung 139 Mio. Shekel, ungefähr 40 Mio. Dollars, beschlagnahmt, das waren Steuergelder, mit denen sie die Siedler entschädigen wollten, deren Angehörige vom Widerstand verletzt oder getötet worden waren. Auch hat sie hunderte Millionen Dollars, die an die Angehörigen von Märtyrern gezahlt werden müssen, beschlagnahmt mit dem Argument, den Terrorismus zu bekämpfen. Sie haben auch Menschenrechtsvereine und Kanzleien geschlossen, die gegen die israelischen Massnahmen und die Apartheid aktiv wurden, wie das Adalet- Center, und die Mitarbeiter unter dem Vorwurf verhaftet, dass sie den Terror, also den Widerstand, unterstützen würden. Oder es wurden Menschen verhaftet, die Gefangene in den Knästen besuchen oder darüber berichtet haben.

Die neue Regierung versucht jetzt in der Knesset eine Resolution durchzusetzen, dass die politischen Gefangenen, die einen Widerstand leisteten, bei dem Israelis getötet wurden, hingerichtet werden sollen. Es soll also die Todesstrafe gegen sie verhängt werden. Auch soll jeder Gefangene, der im 1948 annektierten Gebiet lebt und deshalb israelischer Staatsbürger ist, die Staatsbürgerschaft verlieren und nach seiner abgesessenen Strafe aus dem 1948 besetzten Gebiet in die palästinensischen Gebiete vertrieben werden.

Durch diese neuen Massnahmen, Gesetze und Resolutionen zeigt diese Regierung, dass sie in eine Richtung geht, die einen rein jüdisch-zionistischen, angeblich demokratischen Staat im ihrer Behauptung nach heiligen Land schaffen soll, der vom Meer bis zum Fluss reicht, mit Jerusalem als ungeteilter Hauptstadt unter israelischer Herrschaft und Souveränität. Und dass die Palästinenser, die Ureinwohner in diesem Land, nur mehr als Sklaven in bestimmten Gebieten, so wie in Reservaten wohnen, wo sie wegen der Siedlungen in isolierten voneinander getrennten Inseln unter israelischer Herrschaft leben müssen. Sie sollen keine politischen Rechte haben und keine Zukunft in Freiheit und Unabhängigkeit erleben, für immer und ewig. Und diese Reservate sollen nur ein Markt für israelische Produkte sein und billige Arbeitskräfte für israelische Firmen und Fabriken zur Verfügung stellen. Und alle Ressourcen aus diesen Gebieten gehen an die Israelis.

Wenn heute die israelische Opposition protestiert und über diese neue Regierung sagt, dass sie eine faschistische und putschende Regierung sei, dann nicht, weil diese Regierung die Zukunftsträume der Palästinenser und ihre Rechte klaut; sondern weil sie mit ihren Resolutionen und Massnahmen auch die Israelis trifft: in Fragen von Bildung, Soziales und Gesundheit oder bei religiösen Angelegenheiten oder der Einberufung zur Armee und einen Bürgerkieg zwischen den religiös-faschistischen Siedlerparteien einerseits und den sogenannten liberal-säkularen zionistischen Parteien und Kräften auf der anderen Seite. Das könnte Israel an seinen inneren Widersprüchen zugrunde gehen lassen. Deshalb versucht die US-Regierung selbst, Israel aus diesem Dilemma zu erretten und schickt in den nächsten Tagen Aussenminister Blinken nach Israel. Es fällt auf, dass die US-Regierung und das Aussenministerium wie auch manche europäische Regierung Israel kritisierte, als BenGvir und die faschistischen Siedler die Al-Aqsa-Moschee gestürmt haben. Kritik gab es auch für die Beschlagnahmungen der Gelder der Autonomiebehörde, denn damit haben sie die Palästinenser in eine neue Phase gebracht. Alle rechnen damit, dass die Westbank und der Gazastreifen auf einem Pulverfass stehen, das jeden Moment explodieren könnte. Und dann könnte eine neue dritte Intifada ausbrechen. Und niemand weiss, wie weit sie gehen könnte.

Aus diesem Grund befindet sich auch die palästinensische Behörde in einem Dilemma, durch das Warten und Hoffen auf eine politische Lösung oder eine neue Friedenskonferenz, was sich als völlige Illusion herausgestellt hat, besonders nach diesen Massnahmen der neuen israelischen Regierung. Es ist enger für die palästinensische Behörde geworden, besonders weil die palästinensischen Fraktionen und die Opposition gegen Abbas und seine Bande stärker geworden sind. Seine politische Linie ist in eine Sackgasse geraten, er hat nichts für Palästina erreicht, während die Israelis mit ihren Verbrechen Realitäten auf dem Boden geschaffen und mit weiteren Landenteignungen, Verhaftungen, Häuserdemolierungen und der Zionisierung ihre Politik fortgesetzt haben. Ihr Ziel ist schon seit dem Oslo-Abkommen klar. Seither hat sich die Zahl der Siedlungen in der Westbank verzehnfacht, die Zahl der Siedlerkolonialisten ist von 100 000 auf fast 750 000 Siedlerinnen und Siedler angestiegen. 60 Prozent der Westbank, die so genannten C-Gebiete, stehen bis heute unter der Herrschaft der israelischen Sicherheits- und Verwaltungsbehörde. Und alle Ressourcen wurden nur von den Israelis benutzt und bewirtschaftet. Der Verlust für die palästinensische Behörde beträgt dadurch etwa 3 Milliarden US-Dollar jährlich. Das ist das 3- bis 4fache von dem, was die Behörde von den USA, den EU-Ländern und den arabischen Ländern wie der restlichen Welt als Spenden und Hilfe bekommt. Deshalb verlangen die palästinensischen Organisationen und Kräfte von Abbas und seiner Clique, die Resolutionen des Zentralkomitees der PLO, die schon vor Jahren verabschiedet wurden, endlich durchzusetzen. Darin wird gefordert:

  1. Die Anerkennung Israels zurückzuziehen oder zumindest einzufrieren, bis Israel einen unabhängigen, freien palästinensischen Staat in den Grenzen vom 4. Juni 1967 anerkennt.
  2. Stopp der Sicherheitskooperation zwischen den palästinensischen und den israelischen Sicherheitskräfte und Armeen.
  3. Die Erklärungen des Oslo-Abkommens sollen für nichtig erklärt werden. #Palästina soll sich als unabhängiger Staat unter israelischer Besatzung erklären, eine neue palästinensische Verfassung verabschieden und eine neue Regierung ernennen.

Und sie verlangt den Aufruf zu einer neuen Intifada in Westbank, Jerusalem und dem Gazastreifen – gegen die israelische Besatzungsmacht, die USA und ihre imperialistische Bande wie der EU und anderen, um von ihnen die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen einzufordern. Das ist besonders deshalb von elementarer Bedeutung, weil diese Länder das Apartheidsystem der israelischen Besatzungsmacht von der Gründung bis zum heutigen Tage politisch, diplomatisch, wirtschaftlich, militärisch, kulturell, finanziell und mit Personal unterstützt und getragen haben. Und sie denken bis heute, das zionistische Gebilde ist ihr imperialistisches Projekt und ihr militärischer Stützpunkt im sogenannten Nahen Osten, um imperialistischen Interessen in dieser Region zu dienen. Diesen Ländern mit ihrer Heuchelei und ihren propagierten Lügen über Menschenrechte, das Völkerrecht und die Demokratie sind die Masken runtergefallen. Besonders, weil diese Länder im UNO-Sicherheitsrat oder der UNO-Generalversammlung oder allen internationalen Institutionen gegen jegliche Resolutionen oder Entwürfe für die palästinensischen Rechte und ihr Selbstbestimmungsrecht abgestimmt haben. Oder jegliche Resolution gegen die israelischen Verbrechen oder seine Kriege oder die Kritik an der Blockade gegen den Gazastreifen und ihre Siedlungspolitik vereitelt haben oder sogar ihr Veto im UN-Sicherheitsrat dagegen ablegten.

Kannst du abschliessend noch ein paar Sätze zu Karim Younes sagen, der vor wenigen Tagen nach 40 Jahren aus dem Knast entlassen wurde?

Karim Younes wurde 1956 geboren, im Dorf Ara in Galiläa. Mittlerweile ist er 66 bis 67 Jahre alt geworden. Er und sein Cousin wurden 1983 verhaftet. Es wurde ihnen vorgeworfen, dass sie einen israelischen Soldat ermordet hätten. Und dafür wurde er zum Tode verurteilt. Daraufhin wurde die Strafe auf lebenslang abgemildert, auf 40 Jahre. Im Laufe dieser 40 Jahre wurde er in mehrere Knäste verlegt. Er war lange allein, in Isolationshaft und befand sich in vielen schlimmen Situationen. Er durfte lange keine Besuche von seinen Verwandten oder seinen Eltern empfangen und blieb ohne Kontakte zur Aussenwelt. Trotzdem hat er sein Studium beendet. Als er verhaftet wurde, studierte er im 8. Semester an der Hebron-Universität, aber er konnte sein Studium wegen der Festnahme nicht abschliessen. Er hat dann im Knast sein Bachelor-Diplom in Politikwissenschaft an der Al-Quds-Universität erworben. Danach hat er seinen Magistertitel an der Internationalen Uni in Public Relations bekommen.

Karim Younes (english.almaydeen.net)

Während seiner Knastzeit starb sein Vater, seine Mama ist 7 Monate vor seiner Freilassung gestorben. Kein palästinensischer Gefangener war länger im Knast als er. Aber er hat seinen Widerstand fortgesetzt und liess sich nicht brechen. Auch wurde er beim letzten Al-Fatah-Kongress zum Mitglied des Zentralkomitees gewählt, als Vertreter der Gefangenen, so wie sein Leidensgenosse Marwan Barghouti.