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Israelische Streitkräfte erschossen ihre eigenen Zivilisten. Das sagt eine Kibbuz-Überlebende.

Yasmin Porat, eine Überlebende des Blutvergiessens im Kibbuz Be’eri nahe der Grenze zu Gaza, sagt, dass viele israelische Zivilisten von israelischen Streitkräften getötet wurden (Screenshot beim Fernsehinterview).

ALI ABUNIMAH1 und DAVID SHEEN2 in The electronic Intifada

Die Plattform Elektronische Intifada ist jetzt in der Lage, das gesamte Interview mit Yasmin Porat, der Überlebenden des Kibbuz Be’eri, zu veröffentlichen. Im israelischen Staatsradio sagte sie, dass israelische Sicherheitskräfte «zweifellos» eine grosse Anzahl ihrer eigenen Zivilisten nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober getötet hätten.

In dem Interview in voller Länge erklärt Porat, dass die palästinensischen Kämpfer– von denen sie sagt, dass sie sie «menschlich» behandelt hatten – beabsichtigten, sie und die anderen israelischen Zivilisten «nach Gaza zu entführen. Nicht, uns zu ermorden.» Sie fügt hinzu: «Nachdem wir zwei Stunden mit den Entführern dort waren, kam die Polizei. Es fand eine Schiesserei statt, die von unserer Polizei begonnen wurde.» Das Interview mit englischen Untertiteln kann im Video weiter unten angehört werden. Eine vollständige Abschrift in deutscher Übersetzung ist am Ende der Seite zu finden.

Bemerkenswert ist auch, dass die Plattform Mondoweiss bereits am 22. Oktober – basierend auf Berichten israelischer Medien – eine Geschichte veröffentlichte, die darauf hinweist, dass nach der palästinensischen Offensive vom 7. Oktober israelische Streitkräfte für zivile und militärische Todesfälle an Israelis verantwortlich waren. Dazu gehört die schockierende Enthüllung, dass einige israelische Zivilisten bis zu zwei Tage am Leben waren, bevor sie von israelischen Streitkräften getötet wurden, zusammen mit palästinensischen Kämpfern, von denen sie festgehalten wurden.

Die israelische Zeitung Haaretz veröffentlichte am 20. Oktober ein Interview – nur in ihrer hebräischen Ausgabe – mit einem Mann namens Tuval, der im Kibbuz Be’eri lebte, aber am 7. Oktober abwesend war. Tuvals Partnerin wurde jedoch bei den Ereignissen getötet.

Haaretz berichtet: «Laut ihm [Tuval] hat die IDF [israelische Armee] erst am Montagabend und erst nachdem die Kommandeure vor Ort schwierige Entscheidungen getroffen hatten – einschliesslich des Beschusses von Häusern mit all ihren Bewohnern, um die Terroristen zusammen mit den Geiseln zu eliminieren – die Übernahme des Kibbuz abgeschlossen. Der Preis war schrecklich: Mindestens 112 Be’eri wurden getötet. Andere wurden entführt. Gestern, 11 Tage nach dem Massaker, wurden in einem der zerstörten Häuser die Leichen einer Mutter und ihres Sohnes entdeckt. Es wird vermutet, dass noch mehr Leichen in den Trümmern liegen.»

Dieses Zeugnis scheint darauf hinzudeuten, dass viele israelische Gefangene am Montag, 9. Oktober, noch am Leben waren, bemerkt Mondoweiss; also volle zwei Tage nach den Ereignissen vom Samstag, 7. Oktober. «Während man nachvollziehen könnte, wenn Gefangene der Palästinenser im hektischen Kreuzfeuer einer ersten israelischen Reaktion auf den Angriff am 7. Oktober getötet worden wären, ist es nach diesem Bericht wohl eher so, dass die Entscheidung, den Kibbuz und alle darin befindlichen Personen – ob Freund oder Feind – anzugreifen, mit einem klaren militärischen Kalkül getroffen wurde,» fügt Mondoweiss hinzu.

Yasmin Porat, 44-jährige Mutter von drei Kindern, hat den Angriff der Hamas auf Siedlungen in der Nähe der Gaza-Grenze am 7.  Oktober überlebt. Sie sagt, dass israelische Zivilisten «zweifellos» von ihren eigenen Sicherheitskräften getötet wurden, als diese heftige Feuergefechte mit palästinensischen Kämpfern im Kibbuz Be’eri führten und wahllos sowohl auf die Kämpfer als auch auf deren israelischen Gefangenen schossen. «Sie haben alle eliminiert, einschliesslich der Geiseln», sagte sie dem israelischen Radio. «Es gab sehr, sehr schweres Kreuzfeuer» und sogar Panzerbeschuss.

Gemäss Yasmin Porat sind sie und andere Zivilisten zuvor mehrere Stunden von den Palästinensern festgehalten, aber «menschlich» behandelt worden. Sie war aus dem nahe gelegenen Festival-Platz «Nova»-Rave geflohen.

Eine Aufzeichnung ihres Interviews aus der Radiosendung Haboker Hazeh («Heute Morgen»), die von Aryeh Golan auf dem staatlichen Sender Kan moderiert wurde, wurde in den sozialen Medien verbreitet.

Das Interview wurde von der Electronic Intifada übersetzt. Hier kann es mit englischen Untertiteln angehört werden, und eine Abschrift befindet sich am Ende dieses Artikels:

Bemerkenswerterweise ist das Interview nicht in der Online-Version von Haboker Hazeh, dem Sende-Gefäss, in dem es offenbar am 15. Oktober ausgestrahlt wurde, enthalten. Es könnte aufgrund seiner Brisanz durchaus zensiert worden sein.

Porat, die aus Kabri stammt, einer Siedlung nahe der libanesischen Grenze, hat zweifellos schreckliche Dinge erlebt und viele getötete Nichtkombattanten gesehen. Ihr eigener Partner, Tal Katz, ist unter den Toten. Ihr Bericht untergräbt jedoch Israels offizielle Geschichte des vorsätzlichen, mutwilligen Mordes durch die palästinensischen Kämpfer.

Obwohl sie nicht mehr auf der Kan-Website erscheint, können an der Echtheit der Aufnahme kaum Zweifel bestehen. Mindestens ein hebräischsprachiger Account veröffentlichte einen Teil des Interviews auf Twitter (jetzt offiziell «X») und beschuldigte Kan, als «Medien im Dienste der Hamas» zu fungieren»:

תקשורת בשירות החמאס:
ניצולה שמספרת שהמחבלים לא פגעו בה והרבה מאהובינו נהרגו ע“י חיילינו, מופצת כעת ברשתות החמאס:
“השדר הישראלי, אריה גולן, ראיין עדת ראייה שנכחה בקונצרט בהתנחלות בארי. ההתנגדות לא רצתה להרוג אותנו, אלא טיפלה בנו בצורה אתית והרגיעה את מצב הטרור שבו חיינו”
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- Jack Russell ? (@JackRussell2022) 15. Oktober 2023

Porat gab auch der israelischen Zeitung Maariv ein Interview. Die Maariv-Geschichte, die am 9. Oktober veröffentlicht wurde, erwähnt jedoch nicht ausdrücklich Zivilisten, die von israelischen Streitkräften getötet wurden. Und in einem halbstündigen Interview mit Israels Kanal 12 am Donnerstag spricht Porat von intensivem Gewehrfeuer nach dem Eintreffen der israelischen Streitkräfte. Porat selbst erhielt eine Kugel in den Oberschenkel.

«Menschlich» behandelt

Porat erzählt Kan nicht nur, dass Israelis bei dem schweren Gegenangriff der israelischen Sicherheitskräfte getötet wurden, sondern sie sagt auch, dass sie und andere gefangene Zivilisten von den palästinensischen Kämpfern gut behandelt wurden.

Porat war am «Nova»-Rave, als der Hamas-Angriff mit Raketen und motorisierten Gleitschirmen begann. Sie und ihr Partner Tal Katz flohen mit dem Auto in den nahe gelegenen Kibbuz Be’eri, wo später viele der Ereignisse stattfanden, die sie in ihren Medieninterviews beschreibt.

Laut Porat suchten sie und Katz zunächst Zuflucht im Haus eines Paares namens Adi und Hadas Dagan. Nachdem die palästinensischen Kämpfer sie gefunden hatten, wurden sie alle in ein anderes Haus gebracht, in dem bereits acht Menschen gefangen gehalten wurden und eine Person tot war. Die Frau des Toten, so Porat, «erzählte, dass ihr Mann, als sie [die Hamas-Kämpfer] eindringen wollten, versuchte, sie daran zu hindern, indem er die Tür zudrückte. Sie schossen auf die Tür, und er wurde so getötet.»

«Sie haben uns nicht missbraucht. Sie haben uns sehr menschlich behandelt,» erklärte Porat einem überraschten Golan im Kan-Radiointerview. «Damit meine ich, dass sie für uns sorgten,» sagte sie. «Sie gaben uns hier und da etwas zu trinken. Wenn sie sahen, dass wir nervös sind, beruhigten sie uns. Es war sehr beängstigend, aber niemand behandelte uns gewalttätig. Zum Glück ist mir nichts derartiges passiert, was ich in den Medien vernommen habe.»

«Sie waren sehr menschlich zu uns,» sagte Porat auch in ihrem Interview mit Channel 12. Sie erinnerte sich, dass ein palästinensischer Kämpfer, der Hebräisch sprach, «zu mir sagte: ‹Schau mich gut an, wir werden dich nicht töten. Wir wollen dich nach Gaza bringen. Wir werden dich nicht töten. Also sei ruhig, du wirst nicht sterben.› Das hat er mir mit diesen Worten gesagt.» «Ich war ruhig, weil ich wusste, dass mir nichts passieren würde,» fügte sie hinzu. «Sie sagten uns, dass wir nicht sterben würden, dass sie uns nach Gaza bringen wollten und dass sie uns am nächsten Tag an die Grenze zurückbringen würden,» berichtete Porat gegenüber Maariv.

Im Interview mit Channel 12 führt Porat aus, dass die palästinensischen Kämpfer zwar alle Waffen geladen hatten, sie aber nie gesehen habe, wie sie Gefangene erschossen oder sie mit ihren Waffen bedrohten hätten. Sie versorgten die Gefangenen nicht nur mit Trinkwasser; Porat betonte auch, dass die Kämpfer sie nach draussen auf den Rasen gehen liessen, weil es heiss war, zumal der Strom abgeschaltet war.

Jung und ängstlich

Etwa acht Stunden nach Beginn des Angriffs der Palästinenser und etwa eine halbe Stunde nach Porats Anruf bei der Polizei seien israelische Streitkräfte eingetroffen und es sei zu Chaos gekommen, sagte Porat gegenüber Kan. «Lange waren keine [israelischen] Sicherheitskräfte wahrzunehmen», erinnerte sich Porat und bemerkte, dass ihr erster Anruf bei der israelischen Polizei unbeantwortet blieb. «Wir waren diejenigen, die im Einverständnis mit den Entführern die Polizei gerufen haben. Sie wollten, dass die Polizei kommt. Es war ja ihr Ziel, uns nach Gaza zu entführen.» «Es ist klar, dass Soldaten keine Geiseln töten. «Sie wissen, dass Soldaten keine Geiseln töten werden. Also wollten sie mit uns lebend herauskommen und die Polizei sollte es erlauben,» sagte Porat gegenüber Channel 12..

Obwohl die Zahl der israelischen Gefangenen nur ein Dutzend betrug, wurde Porat angewiesen, der israelischen Polizei mitzuteilen, dass 40 Israelis von den Hamas-Kämpfern festgehalten würden. Die Kämpfer selbst zählten nach Porats Schätzung zwischen 40 und 50 Männer, meist in den Zwanzigern. Sie waren jung und verängstigt, berichtete sie Channel 12.

Ein Kämpfer, den Porat als Kommandeur in den 30er Jahren beschrieb, bat darum, mit der Polizei sprechen zu können, und wurde dazu mit einem arabisch sprechenden israelischen Offizier zusammengebracht. Nach ihrem kurzen Gespräch warteten die etwa vier Dutzend palästinensischen Kämpfer und ihr Dutzend israelischer Gefangener auf die Ankunft der Armee, wobei ein Teil der Gruppe nach draussen in den Garten strömte, um sich von der Nachmittagshitze zu erholen.

Ein Hagel von Kugeln, Mörsern und Panzergranaten

Israelische Streitkräfte kündigten ihr Erscheinen mit einem Gewehrhagel an und überraschten die Kämpfer und ihre israelischen Gefangenen. «Wir waren draussen und plötzlich gab es eine Salve von Kugeln auf uns von der [israelischen Einheit] YAMAM. «Wir rannten alle los, um Deckung zu finden,» sagte Porat zu Kanal 12.

Porat sagte, sie habe sich eine halbe Stunde nach Beginn des heftigen Feuergefechts, das aus «Dutzenden und Hunderten und Tausenden von Kugeln und Mörsern bestand, die durch die Luft flogen», den israelischen Soldaten ergeben. Einer der palästinensischen Kämpfer, ein Kommandant, wollte sich ergeben und benutzte sie dazu praktisch als menschliches Schutzschild.

«Er fing an, sich auszuziehen», erinnerte sich Porat gegenüpber Kans Aryeh Golan. «Er ruft mich an und beginnt mit mir das Haus zu verlassen, unter Beschuss. In diesem Moment schreie ich den [israelischen Kommandos] zu … «wenn sie mich hören können, aufhören zu schiessen!» «Und dann hörten sie mich auch und hörten auf zu schiessen», fügte sie hinzu. «Ich sah Leute aus dem Kibbuz auf dem Rasen. Draussen lagen fünf oder sechs Geiseln auf dem Boden. Wie Schafe auf der Schlachtbank, zwischen den Schüssen unserer Kommandos und denen der Terroristen.» «Sie wurden von den Terroristen erschossen?», fragt Golan, der Interviewer. «Nein, sie wurden durch das Kreuzfeuer getötet», antwortet Porat. «Verstehen Sie, es gab ein sehr heftiges Kreuzfeuer.»

Golan drängt: «Also wurden sie vielleicht von unseren Streitkräften erschossen?» «Zweifellos, antwortet die ehemalige Gefangene und fügt hinzu: «Sie haben alle getötet, auch die Geiseln, weil es ein sehr, sehr heftiges Kreuzfeuer war.» «Nach einem wahnsinnigen Kreuzfeuer wurden zwei Panzergranaten in das Haus geschossen. Es war ein kleines Kibbuzhaus, nichts Grosses,» erklärt Porat.

Porat und der Mann, der sie gefangen genommen hatte, überlebten beide. Der Palästinenser wurde von israelischen Streitkräften gefangen genommen. Aber laut Porat wurde fast jeder andere in der Siedlung getötet, verwundet oder vermisst und vermutlich nach Gaza gebracht.

Porat erzählte Kan, dass sie Dutzende von Freunden verloren habe, die beim Rave gewesen waren – Leute, die sie regelmässig auf Partys in Israels Trance-Szene getroffen hatte. «Ich bin wütend auf den Staat, ich bin wütend auf die Armee», sagte Porat zu Maariv. «10 Stunden lang wurde der Kibbuz im Stich gelassen.»

Je wirksamer die gemeinsamen amerikanisch-israelischen Bemühungen, die Hamas als schlimmer als den IS darzustellen, sind, um so leichter kann der sich entfaltende Völkermord Israels an der Zivilbevölkerung in Gaza gerechtfertigt werden. Ob das gelingt, hängt auch davon ab, ob die internationale Öffentlichkeit Zeugnisse wie die von Porat sieht oder hört.

Die israelische Führung wird ja bereits heftig dafür kritisiert wird, weil sie die Hamas-Offensive nicht vorhergesehen und verhindert hat. Da ist es nicht in ihrem Interesse, dass ihre verheerenden Misserfolge noch dadurch gesteigert werden, dass viele der umgekommenen Israelis möglicherweise bei einem katastrophalen israelischen Gegenangriff durch «friendly fire» getötet worden sind.

Hannibal-Direktive?

Saleh al-Arouri, ein hochrangiger Militärkommandant der Hamas, hat sich direkt mit Israels Behauptungen befasst, dass seine Kämpfer absichtlich so viele Zivilisten wie möglich töten wollten. Die israelische Propagandakampagne umfasste reisserische Gräuelgeschichten – für die keinerlei Beweise vorgelegt wurden –, dass Palästinenser Dutzende israelischer Babys enthauptet und Frauen vergewaltigt hätten. Al-Arouri sagte in einem Interview mit Al Jazeera am Donnerstag, dass Kämpfer der Streitkräfte seiner Organisation, der Qassam-Brigaden, strengen Regeln unterworfen seien, nach denen Zivilisten kein Schaden zugefügt werden darf.

Aber al-Arouri wies auch darauf hin, dass, nachdem die israelische Gaza-Division – die Armeeeinheit, die den Gazastreifen umgibt – viel schneller als erwartet zusammengebrochen war, die Menschen in Gaza in das Grenzgebiet eilten, nachdem sie erfahren hatten, dass die Grenze geöffnet worden war. Das hatte zu Chaos geführt. Er sagte, dies könnte andere bewaffnete Personen eingeschlossen haben, die nicht Teil von Qassam sind. Dies hat eventuell, wie Al-Arouri weiter erläuterte, dazu geführt haben, dass Qassam-Kämpfer mit Soldaten, Siedlungswächtern und bewaffneten Bewohnern aneinander geraten waren, was möglicherweise die Ursache für zivile Todesfälle sein könnte.

Al-Arouri wies auch auf die Möglichkeit hin, dass Israel die so genannte Hannibal-Direktive anwendet – ein Prinzip, das es den israelischen Streitkräften erlaubt, mit brutaler Gewalt einen gefangenen Soldaten zu töten, anstatt ihn gefangen zu nehmen. Damit soll verhindert werden, dass der Feind Gefangene hat, die bei Gefangenenaustauschverhandlungen eingebracht werden können.

In diesem Fall wäre die Richtlinie jedoch, falls sie von israelischen Streitkräften umgesetzt worden ist, zum Schaden eigener Zivilisten eingesetzt worden. Al-Arouri sagte gegenüber Al Jazeera: «Wir sind sicher, dass junge Männer [Kämpfer] zusammen mit den Gefangenen, die bei ihnen waren, bombardiert wurden.»

Porats Bericht unterstreicht unter anderem die Notwendigkeit einer unabhängigen Untersuchung, die Israel wahrscheinlich nie zulassen wird. Das aktuelle Propaganda-Narrativ ist für die Völkermörder in Tel Aviv einfach zu wertvoll.
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1 Ali Abunimah ist Geschäftsführer der Electronic Intifada.

2 David Sheen ist der Autor von Kahanism and American Politics: The Democratic Party’s Decades-Long Courtship of Racist Fanatics.

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Der Artikel ist im Original in The electronic Intifada erschienen, am 16. Oktober 2023, aktualisiert am 23. Oktober. Übersetzt von kommunisten.ch mit Hilfe von Yandex-Translator.


Transkript des Kan-Interviews mit Yasmin Porat

Aryeh Golan: Jetzt haben wir Yasmin vom Kibbuz Kabri bei uns. Schalom Yasmin.

Yasmin Porat: Shalom guten Morgen.

Aryeh Golan: Du warst auf dieser Naturparty, die sich in eine Metzgerparty verwandelte.

Yasmin Porat: Stimmt.

Aryeh Golan: Sie waren sogar zweieinhalb Stunden lang Geisel von Hamas-Terroristen.

Yasmin Porat: Stimmt. Nach der Party flohen mein Partner und ich nach – wir landeten in – wir sassen im Kibbuz Be’eri fest und suchten nach Deckung, als wir nicht merkten, dass Terroristen eingedrungen waren. Grundsätzlich suchten wir Schutz vor den Qassams [Raketen].

Aryeh Golan: Ja.

Yasmin Porat: Wir klopften an die Tür eines wirklich süssen Paares, der Dagans, Hadas und Adi, und sie nahmen uns mit in ihren verstärkten Sicherheitsraum. Wir waren zwischen sechs und acht Stunden mit ihnen im verstärkten Sicherheitsraum. Unter grosser Angst, weil wir wussten, dass etwa 100 Terroristen in den Kibbuz eingedrungen sind. Und die Schüsse waren aus allen Richtungen zu hören. Bis wir zu der Phase kamen, in der uns dieses Paar mitteilt, dass die Terroristen direkt im Haus nebenan sind. Und es scheint, dass sie uns erreichen werden. Und tatsächlich zerbricht keine fünf Minuten später das ganze Haus in Stücke. Und für eine Stunde schaffen wir es, sie daran zu hindern, in unseren verstärkten Sicherheitsraum einzudringen. Und eine Stunde lang schlagen ungefähr 10 Terroristen auf den verstärkten Sicherheitsraum ein. Schreie auf Arabisch. Es war eine sehr angespannte Stunde. Und wir verspürten grosse unbeschreibliche Angst. Nach einer Stunde gelang es ihnen einzubrechen und sie brachten uns vier in ein nahegelegenes Haus, in dem sich bereits acht weitere Geiseln befanden. Wir schlossen uns diesen acht an und wir waren ungefähr 12 Geiseln mit 40 Terroristen, die uns bewachten. Ich halte die Geschichte kurz.

Aryeh Golan: Haben sie dich missbraucht?

Yasmin Porat: Sie haben uns nicht missbraucht. Sie haben uns sehr menschlich behandelt, das heisst …

Aryeh Golan: Menschlich? Echt?

Yasmin Porat: Ja, damit meine ich, dass sie uns bewachen. Sie geben uns hier und da etwas zu trinken. Wenn sie sehen, dass wir nervös sind, beruhigen sie uns. Es war sehr beängstigend, aber niemand behandelte uns gewalttätig. Zum Glück ist mir nichts passiert, wie ich es in den Medien gehört habe.

Aryeh Golan: Schreckliche, schreckliche Dinge sind passiert.

Yasmin Porat: Stimmt. Aber nach zwei Stunden, kurz, war zuerst keine [israelische] Sicherheitskräfte bei uns. Wir waren diejenigen, die zusammen mit den Entführern die Polizei gerufen haben, weil die Entführer wollten, dass die Polizei eintrifft. Weil es ihr Ziel war, uns nach Gaza zu entführen. Uns nicht zu ermorden.

Aryeh Golan: Mm, hm.

Yasmin Porat: Und nachdem wir zwei Stunden mit den Entführern dort waren, kommt die Polizei. Es findet eine Schiesserei statt, die unsere Polizei begonnen hat. Ein sehr, sehr schwieriger Schusswechsel, gemessen an der Menge der Munition, die dorthin geflogen ist. Und am Ende … nein, während [der Schlacht] beschliesst einer der Terroristen, sich zu ergeben, der Terrorist, mit dem ich eine Verbindung hergestellt habe. Im Laufe dieser zwei Stunden habe ich mich mit einigen der Entführer in Verbindung gesetzt, mit denen, die die Geiseln bewachten.

Aryeh Golan: Ja

Yasmin Porat: Und er beschliesst, mich als menschlichen Schutzschild zu benutzen. Er beschliesst, sich zu ergeben. Ich bin mir dessen in diesen Momenten nicht bewusst, es ist im Nachhinein. Er beginnt sich auszuziehen, er nimmt – er ruft nach mir und er beginnt mit mir das Haus zu verlassen, unter Beschuss. Damals rief ich den YAMAM [israelischen Kommandos] zu, als wir schon waren – wenn sie mich hören können, aufhören zu schiessen.

Arye Golan: Ja

Yasmin Porat: Und dann hören sie mich und hören auf zu schiessen. Ich sehe auf dem Rasen, im Garten die Leute aus dem Kibbuz. Draussen liegen fünf oder sechs Geiseln auf dem Boden, genau wie Schafe zum Schlachten, zwischen den Schüssen auf unsere [Kämpfer] und die Terroristen.

Aryeh Golan: Die Terroristen haben sie erschossen?

Yasmin Porat: Nein, sie wurden durch das Kreuzfeuer getötet. Verstehe, dass es sehr, sehr heftiges Kreuzfeuer gab.

Aryeh Golan: Also haben unsere Streitkräfte sie vielleicht erschossen?

Yasmin Porat: Zweifellos.

Aryeh Golan: Als sie versuchten, die Entführer zu eliminieren, Hamas?

Yasmin Porat: Sie haben alle eliminiert, einschliesslich der Geiseln. Weil es sehr, sehr heftiges Kreuzfeuer gab. Ich wurde ungefähr um 5:30 Uhr befreit. Die Kämpfe endeten offenbar um 8:30 Uhr. Nach wahnsinnigem Kreuzfeuer wurden zwei Panzergranaten ins Haus geschossen. Es ist ein kleines Kibbuzhaus, nichts Grosses. Du hast es in den Nachrichten gesehen.

Aryeh Golan: Ja

Yasmin Porat: Kein grosser Ort. Und in diesem Moment wurden alle getötet. Es war ruhig, bis auf einen Überlebenden, der aus dem Garten kam, Hadas.

Aryeh Golan: Wie wurden sie alle getötet?

Yasmin Porat: Aus dem Kreuzfeuer.

Aryeh Golan: Kreuzfeuer, also könnte es auch von unseren Streitkräften kommen?

Yasmin Porat: Zweifellos.

Aryeh Golan: Wirklich?

Yasmin Porat: Das glaube ich.

Aryeh Golan: Oh, das hört sich so schlimm an.

Yasmin Porat: Ja. Und alle starben.

Aryeh Golan: Und Sie, dank diesem Terroristen, der beschlossen hat, sich selbst aufzugeben …

Yasmin Porat: Genau.

Aryeh Golan: Und du hast überlebt und der ganze Rest wurde dort getötet.

Yasmin Porat: Bis auf eine andere Frau, die überlebte, fanden sie sie später [weg]. Die Person, die sich mit dem Ereignis befasste, überprüfte sie oder so. Sie fanden sie, als sie ihren Kopf hob, zwischen all den Leichen. Und dann einfach …

Aryeh Golan: Und Ihr Partner, wer war bei Ihnen?

Yasmin Porat: Getötet.

Aryeh Golan: Er wurde auch getötet?

Yasmin Porat: Ja. Alle wurden dort getötet. Einfach schrecklich.

Aryeh Golan: Sind Sie nach Kabri zurückgekehrt?

Yasmin Porat: Ich bin nach Kabri zurückgekehrt und dann begann dort das Chaos.

Aryeh Golan: Im Norden?

Yasmin Porat: Ja. Also bin ich jetzt ein Gast. Ich werde auf schöne Weise im Kibbuz Ein Harod aufgenommen. Und ich bin erst mal hier.

Aryeh Golan: Du bist jetzt im Tal [Jesreel]. In Ordnung, Yasmin, du hast eine schreckliche Erfahrung gemacht.

Yasmin Porat: Stimmt.

Aryeh Golan: Du hast deinen Partner verloren, du hast gesehen, wie Menschen neben dir getötet wurden.

Yasmin Porat: Und ich …

Aryeh Golan: [UNTERBRICHT] Was ist mit diesem Terroristen passiert, der sich selbst aufgegeben hat?

Yasmin Porat: Er ist immer noch verhaftet, und er wurde nur zum Verhör gerufen, um zu helfen … Weisst du, er wird über den Angeklagten verhört. Und leider wurden Dutzende meiner Freunde getötet, weil …

Aryeh Golan: [UNTERBRICHT] Dutzende von Freunden?

Yasmin Porat: Ja, weil es eine Gemeinschaft ist, die Trance-Szene, wir gehen auf die gleichen Partys. Das bedeutet, dass ich neben meinem Partner Dutzende und Hunderte von Freunden kannte und jeden Tag erfahre, dass mindestens 10 meiner Freunde gestorben sind. Ich weiss also nicht einmal, wie ich diese Situation verdauen soll.

Aryeh Golan: Es ist sehr schwer zu verdauen, weil das noch nie zuvor passiert ist.

Yasmin Porat: Stimmt, genau das.

Aryeh Golan: Alles Gute für dich, Yasmin.

Yasmin Porat: Vielen Dank.

Aryeh Golan: Halt es zusammen.

Yasmin Porat: Danke, danke.

Aryeh Golan: Nach allem, was du durchgemacht hast.

Yasmin Porat: Vielen Dank. Tschüss, Tschüss.

Aryeh Golan: Tschüss. 5:53.