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Biodiversität: Auch Ökobauern distanzieren sich von den Grünen und der SP

Am 22. September wird die Schweizer Bevölkerung erneut über eine Initiative zur Landwirtschaft abstimmen, die mit etwas propagandistischem Flair «Biodiversitäts­Initiative» genannt wird. Ein grosser Teil der Linken unterstützt sie und folgt damit der Sozialdemokratischen Partei und den Grünen. Eine Ausnahme bildet die Kommunistische Partei, die sich gemäss ihrer Geschichte an der Unterstützung der Landwirte orientiert, ohne sich «grünen» Moden zu beugen.

Aber die Kommunisten sind nicht ganz allein auf der Linken: Selbst unter den progressiven Landwirten, die besonders sensibel auf die Frage der biologischen Vielfalt reagieren, fehlt es nicht an kritischen Stimmen, so dass die Bauerngewerkschaft Uniterre beschlossen hat, ihren Mitgliedern die Stimme freizugeben. Dies ist ein starkes politisches Signal, das die ökologisch orientierten Landwirte an die Adresse der SP und der Grünen senden, das aber, wie zu befürchten ist, ungehört bleiben wird. Denn die pro-europäische Führung beider Parteien ist entschlossen, die Schweizer Souveränität in all ihren Ausprägungen zu gefährden.

Selbst Landwirte sind besorgt über den Verlust der biologischen Vielfalt

Der Verlust der biologischen Vielfalt ist ein echtes Problem und stellt eine erhebliche Bedrohung für die Stabilität von Ökosystemen und Ernährungssystemen dar. Laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind 35 Prozent der bewerteten Arten ausgestorben oder bedroht, 12 Prozent potenziell bedroht. Zudem sind 48 Prozent der bewerteten Lebensräume bedroht und 13 Prozent werden in Zukunft bedroht sein. Die Situation ist also für fast die Hälfte aller in der Schweiz untersuchten einheimischen Arten kritisch, und die Folgen werden gravierend sein, wenn wir den Kurs dieser Entwicklung nicht ändern, denn die Artenvielfalt und ihre Genetik ist – in den Worten des BAFU – «unser Sicherheitsnetz und die Grundlage unserer Nahrungsmittelversorgung» und «beteiligt sich an der Klimaregulierung und reinigt Luft und Wasser».

Eine der Hauptursachen für den Zusammenbruch der Artenvielfalt, so die Bauerngewerkschaft Uniterre, sei «die Zerstörung der Lebensräume und Nahrungsreserven, die sie erhalten». Dazu trägt auch die Schwächung der wirtschaftlichen und agronomischen Strukturen der diversifizierten bäuerlichen Landwirtschaft bei, die auf einem Gleichgewicht zwischen Polykulturen und Viehzucht beruht. Der Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche beläuft sich pro Jahr auf etwa 800 Hektar, hauptsächlich, so Uniterre, «aufgrund der Ausdehnung von Städten und Wäldern».

Aber zu glauben, dass nur Ökologen, oft städtische Intellektuelle mit einem rein idealistischen Bezug zur Natur, über diese Entwicklungen besorgt sind, ist eine hochnäsige Haltung, der von Uniterre nicht zugestimmt wird. Der alternative Bauernverband erinnert daran, dass «die Landwirte tagtäglich mit der biologischen Vielfalt arbeiten, auf unserem Land, in unseren Böden, auf den Feldern, in den Obstgärten und Weinbergen mit allen Arten und Sorten von Kulturpflanzen, auf den Höfen mit den unterschiedlichsten Arten und Tierrassen. Das organische Leben, seine Entwicklung, alle Beziehungen zwischen den Arten und deren Fruchtbarkeit sind die Grundlage unserer täglichen Arbeit und tragen zur Ernährung unserer Gesellschaft bei. Wir kultivieren diese Kreisläufe der lebendigen biologischen Vielfalt».

Die Bauerngewerkschaft Uniterre macht sich Sorgen um die Zukunft der biologischen Vielfalt, spart aber nicht mit Kritik an der Initiative der Grünen und der SP.

Um die biologische Vielfalt zu verteidigen, muss man in erster Linie diejenigen verteidigen, die das Land bearbeiten

Das vom kapitalistischen System erzwungene Streben nach maximaler Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft und der Preisdruck seien «ein Motor für die Zerstörung diversifizierter Strukturen und eine zunehmende Entkopplung zwischen der Nahrungsmittelproduktion und der Erhaltung der landwirtschaftlichen Artenvielfalt», erklärt Uniterre und nennt als Beispiel die Aufgabe der extensiven Beweidung im Tiefland. Sie prangert ferner das Streben nach kurzfristigen Gewinnen durch die Ausweitung, Spezialisierung und räumliche wie zeitliche Homogenisierung landwirtschaftlicher Praktiken (Heuernte oder gleichzeitige Ernte im gesamten Mittelland) an. Die von der SP und den Grünen unterstützte Initiative «scheint diese wirtschaftlichen und handelspolitischen Systemüberlegungen nicht berücksichtigt zu haben. Ein solcher Vorschlag verlagert das Problem der industriellen Agrarwirtschaft, indem er den Selbstversorgungsgrad zugunsten von mehr Transport und Importen senkt. Mit anderen Worten: Er verlagert die durch unser Produktions- und Verbrauchssystem verursachten Probleme der biologischen Vielfalt ins Ausland». Kurzum, es handelt sich um einen trügerischen Vorschlag, der darauf abzielt, die Schweiz mit schönen «grünen» Worten, die gerade in Mode sind, stärker in die Europäische Union einzubinden (wie es das Grosskapital fordert), auch in landwirtschaftlicher Hinsicht. Und er schwächt die Ernährungssouveränität unseres Landes.

Die landwirtschaftliche Produktion ist direkt mit unserer Ernährungssouveränität verbunden

Zwischen 1985 und 2023 ist der Gesamtwert der landwirtschaftlichen Produktion um 16 Prozent von 14,2 Milliarden auf 11,9 Milliarden Franken gesunken. Diese Summe entspricht heute weniger als 1 Prozent der Bruttowertschöpfung der gesamten Wirtschaft, während 1950 der Anteil der landwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung noch 11 Prozent betragen hatte. Der Anteil des Haushaltsbudgets, der für Lebensmittel aufgewendet wird, liegt bei 10 Prozent, einschliesslich Verpflegung und alkoholische Getränke.

Die Kommunistische Partei lehnt die Biodiversitäts­initiative als extrem und bauernfeindlich ab.

Um aus dieser Zerstörungsspirale der bäuerlichen Landwirtschaft auszubrechen, muss die Nachfrage nach bäuerlicher Produktion gestärkt werden. Öffentliche Beschaffung und Marktregulierung sind die geeignetsten Mittel dazu. Der Schweizer Bauernverband in Brugg ist der Meinung, dass «Labels in den Händen von Grossverteilern es uns nicht erlauben, über Nischenvermarktungsstrategien hinauszugehen. Im Jahr 2023 wird der Marktanteil von Bioprodukten daher 11,2 Prozent betragen. Konservierende Landwirtschaft oder gemischte Kreislaufsysteme aus Ackerbau und Viehzucht geniessen keine besondere Anerkennung auf dem Markt.» Alle diese Aspekte werden von den Befürwortern der Biodiversitätsinitiative nicht berücksichtigt. Uniterre kritisiert, dass es keine ganzheitliche Sicht auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft und die biologische Vielfalt gibt. Aus diesem Grund hat Uniterre beschlossen, sich nicht auf die Seite der Initianten zu stellen und, wie es heisst, «die Stimme frei zu geben».

Die Kommunistische Partei hingegen scheint entschlossen, die Initiative direkt abzulehnen: Der politische Sekretär Maximilian Ay bekräftigt: «Ernährungssouveränität und die Verbesserung der nationalen Selbstversorgung sind unsere Prioritäten in der Landwirtschaft. Ausserdem glauben wir, dass man nicht wirklich – oder nur in Worten – ökologisch sein kann, ohne die Landarbeiter aktiv einzubeziehen und ihre Rechte zu verteidigen.»
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Der Text ist am 28. Juli 2024 erstmals in sinistra.ch erschienen. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.com (kostenlose Version).