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Eine Gruppe von Kubanern posiert für ein Foto während einer Demonstration, die die Schliessung des US-Marinestützpunkts und -Gefängnisses Guantánamo auf dem besetzten kubanischen Territorium fordert, 5. Mai 2024. Foto: Roger D. Harris.

Kuba unter verschärften US-Sanktionen: Die Kontinuität der Obama-Trump-Biden-Politik

von ROGER D. HARRIS, 17. Oktober 2024

«Die Mehrheit der Kubaner unterstützt Castro … es sollten umgehend alle möglichen Mittel ergriffen werden, um das Wirtschaftsleben Kubas zu schwächen … um die Geld- und Reallöhne zu senken, um Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung herbeizuführen.» Lester D. Mallory, stellvertretender US-Aussenminister, 1960.

Trotz den drakonischen Zwangsmassnahmen der USA, die jedes Jahr von der UN-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit verurteilt werden – die nächste Abstimmung ist für den 29. und 30. Oktober geplant –, hat die kubanische Revolution ausserordentliche Erfolge erzielt. Dieser kleine, verarmte, ehemals kolonialisierte Inselstaat hat durch die Anwendung sozialistischer Grundsätze ein Bildungsniveau, eine medizinische Versorgung und Leistungen in vielen anderen Bereichen, einschliesslich des Sports, erreicht, die mit denen der ersten Welt konkurrieren können.

Kuba ist zu Recht zu einem Modell des Internationalismus und einem Beispiel für den Sozialismus geworden. Infolgedessen hat jede US-Regierung seit über sechs Jahrzehnten diese «Bedrohung durch ein gutes Beispiel» ins Visier genommen. In ihren Anfängen wurde die kubanische Revolution durch die sozialistische Solidarität, insbesondere der Sowjetunion, gestützt.

Die heutige geopolitische Lage ist ganz anders. Vor allem der sozialistische Block ist nicht mehr existent. Unterdessen sieht sich Kuba nach wie vor mit den hegemonialen USA konfrontiert. Das Yankee-Imperium wiederum wird nun durch die Hoffnung auf eine entstehende multipolare Ordnung herausgefordert. Kuba hat sein Interesse an einem Beitritt zum BRICS-Handelsbündnis der Schwellenländer bekundet und nimmt an dessen Treffen vom 22. bis 24. Oktober in Russland teil.

Erfolge wurden zu Bürden

Heute steht Kuba vor seiner vielleicht grössten Herausforderung. Die sich ständig verschärfende US-Blockade zielt darauf ab, die Erfolge der Revolution auf perverse Weise in Bürden zu verwandeln.

So erreichte die Revolution beispielsweise eine hundertprozentige Alphabetisierung, schuf bäuerliche Kollektive und Genossenschaften und mechanisierte den Ackerbau, wodurch die Campesinos von der Schinderei der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft befreit wurden.

Doch jetzt stehen die meisten Traktoren still, weil der Treibstoff knapp ist und die Ersatzteile unter Embargo stehen. Die landwirtschaftliche Produktion ist daraufhin zurückgegangen. Im Mai war ich in einem Bus unterwegs, der die ganze Insel entlang fuhr. Kilometer um Kilometer einst produktiver landwirtschaftlicher Felder lagen brach.

Laut einer Erklärung der kubanischen Regierung sind die Erträge der wichtigsten Nutzpflanzen um fast 40 Prozent zurückgegangen, weil es an Düngemitteln und Pestiziden mangelt. Die tägliche Brot­ration wurde gekürzt, berichtet Reuters.

Um die Nation zu ernähren, musste der Staat kostbare harte Währung für den Import von Lebensmitteln verwenden, Geld, das sonst für die Reparatur der bröckelnden Infrastruktur verwendet werden könnte. Kaputte Leitungen haben zu einer weit verbreiteten Trinkwasserknappheit geführt.

Unter der Blockade haben etwa 10 Prozent der Bevölkerung, mehr als eine Million Kubaner, zwischen 2022 und 2023 das Land verlassen. Dies wiederum hat zu einer Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften und einem Rückgang der Produktivität geführt – ein Teufelskreis, der die Abwanderung weiter vorantreibt.

Le Monde Diplomatique mahnt: «Kuba befindet sich in einer ausserordentlich prekären Situation. Zahlreiche Faktoren haben dazu geführt … Die US-Sanktionen haben zu jedem Zeitpunkt jeden Aspekt der aktuellen Krise ausgelöst oder verschlimmert.»

Das «Engagement» von Obama

Unter den etwa 40 souveränen Staaten, die von Washington mit Sanktionen belegt wurden und deren Regime ausgetauscht werden sollen, nimmt Kuba eine Sonderstellung ein. Bis vor kurzem gab es auf der Insel keine einheimischen Gesellschaftsschichten, aus denen sich eine konterrevolutionäre Basis rekrutieren liesse.

In Kuba verliess der Grossteil der Bourgeoisie unter der Batista-Diktatur kurz nach der Revolution das Land. Die grossen US-Konzerne, die sie betrieben hatten, wurden enteignet. Als die Regierung in den 1960er Jahren viele kleine Unternehmen verstaatlichte, flüchteten weitere an die US-Küste.

2014 beklagte der damalige US-Präsident Obama, dass die Kuba-Politik Washingtons «unsere Interessen nicht gefördert» habe. Obamas neue Strategie bestand darin, sich in Kuba zu engagieren, in der Hoffnung, eine konterrevolutionäre Klassenopposition zu fördern.

Obama nahm die diplomatischen Beziehungen zu Kuba, die 1961 von den USA abgebrochen wurden, wieder auf. Reise- und einige Handelsbeschränkungen wurden aufgehoben. Und es durften von in den USA lebenden Verwandten mehr Geldüberweisungen nach Kuba geschickt werden.

In seiner berühmten Rede in Havanna im März 2016 verkündete Obama unter tosendem Beifall: «Ich habe unseren Kongress aufgefordert, das Embargo aufzuheben.» Dies war eine glatte Lüge. Der US-Präsident hatte lediglich angemerkt, dass das sogenannte Embargo (in Wirklichkeit eine Blockade, weil die USA es gegenüber Drittländern durchsetzen) «veraltet» sei.

Obama lobte die Cuentapropistas, die Kleinunternehmer in Kuba, und versprach, diese Schicht zu fördern. Er versprach einen neuen Schwerpunkt der US-Politik zur Förderung von Kleinunternehmen in Kuba. «Die Vereinigten Staaten werden die Fähigkeit Kubas, diese Schritte zu unternehmen, nicht einschränken», um eine potenziell konterrevolutionäre Klasse zu schaffen, versprach Obama.

Obama warnte die Kubaner, dass die Jugend mit der Zeit die Hoffnung verlieren werde, wenn nicht durch die Schaffung einer neuen Klasse von Kleinunternehmern Wohlstand erreicht werde.

Während er die Beziehungen zu Kuba normalisierte, vertrat Obama gegenüber Venezuela [weiterhin] eine eher ablehnende Haltung. Er erklärte das ölreiche südamerikanische Land zu einer «ungewöhnlichen und aussergewöhnlichen Bedrohung» und verhängte im März 2015 «gezielte Sanktionen». Die Erfolge der Bolivarischen Revolution Venezuelas bei der Förderung der regionalen Integration stellten den Einfluss der USA in Lateinamerika in Frage und veranlassten Washington zu einer «zweigleisigen Diplomatie», die auf ein Engagement gegenüber Kuba und eine Eindämmung Venezuelas setzte.

Obama sprach von der «gescheiterten» US-Politik gegenüber Kuba, die «ihre beabsichtigten Ziele» nicht erreicht habe. Unausgesprochen blieb, dass das «Ziel», die kubanische Revolution rückgängig zu machen, offensichtlich weiter bestand. Obamas Absicht war nicht, die US-Politik des Regimewechsels zu beenden, sondern sie effektiver zu gestalten.

Seine Taktik des Engagements sollte nicht mit Wohlwollen verwechselt werden. Obama setzte sich weiterhin für die drei kriegerischen Kernelemente der US-Politik ein: eine strafende Blockade, die Besetzung des Hafens von Guantanamo und verdeckte Aktionen zur Untergrabung und Destabilisierung Kubas.

Trump macht Obama rückgängig und übertrifft ihn

Donald Trump trat sein Amt zu einem Zeitpunkt an, als die linke rosa Flut in Lateinamerika am Abebben war. Der neue Präsident nutzte den veränderten geopolitischen Kontext und intensivierte Obamas Offensive gegen Kubas engsten regionalen Unterstützer Venezuela, während er das Engagement seines Vorgängers gegenüber Havanna rückgängig machte. Seine «Maximaldruck»-Kampagne gegen Venezuela führte zur Zerstörung des venezolanischen Erdölsektors und damit zur Einschränkung der Erdöllieferungen an Kuba durch seinen Verbündeten.

Trump verhängte 243 Zwangsmassnahmen gegen Kuba. Er beendete individuelle «People-to-People»-Bildungsreisen, verbot US-Geschäfte mit kubanischen Unternehmen, die mit dem Militär verbunden sind, und verhängte Obergrenzen für Überweisungen. In den letzten Tagen seiner Amtszeit setzte er Kuba erneut auf die Liste der staatlichen Terrorismusförderer, was die Insel noch weiter von der internationalen Finanzwelt abschnitt.

Biden setzt Trumps Politik fort und erweitert sie

Joe Biden ging im Präsidentschaftswahlkampf auf liberale Stimmungen ein, indem er vage andeutete, dass er zu einer Politik des Engagements zurückkehren und Trumps Sanktionen gegen Kuba aufheben würde.

Als Biden die US-Präsidentschaft übernahm, war Kuba von der Covid-Pandemie schwer getroffen worden. Vorübergehende Abriegelungen verringerten die Produktivität des Landes. Reisebeschränkungen liessen die Touristendollars versiegen, die eine wichtige Devisenquelle darstellen.

Nach seinem Amtsantritt, als Kuba immer gefährdeter wurde, setzte Biden die Politik Trumps fort und weitete sie aus, u. a. indem er das Land weiterhin auf der Liste der staatlichen Terrorismusförderer führte.

Auf dem Höhepunkt der Covid-Pandemie berichtete Belly of the Beast, wie die Knappheit in Kuba am 11. Juli 2021 regierungsfeindliche Demonstrationen anheizte. Elf Tage später verhängte Biden noch mehr Sanktionen, um die Knappheit weiter zu verschärfen.

In einem Artikel in LA Progressive war zu lesen: «Kubas humanitäre Krise – angeheizt durch die von Biden aufrechterhaltenen Sanktionen – scheint seine Regierung nur ermutigt zu haben, die Schrauben weiter anzuziehen.» Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen: «Seine Politik unterscheidet sich weitgehend nicht von der von Trump.»

Biden setzte jedoch die Politik Obamas fort, den kubanischen Privatsektor zu stärken. Er liess mehr Überweisungen zu, wovon Kubaner mit Verwandten in den USA (die in der Regel finanziell besser gestellt sind) unverhältnismässig stark profitieren. Ausserdem erleichterte er internationale Geldtransfers, an denen private kubanische Unternehmen beteiligt waren. Änderungen der Vorschriften zur Kontrolle kubanischer Vermögenswerte verbesserten den Internetzugang, um die Entwicklung privater Telekommunikationsinfrastrukturen für «unabhängige Unternehmer» zu fördern.

Was ist mit der Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, Kamala Harris?

«Bei der Bewertung der Auswirkungen eines möglichen Wahlsiegs von Kamala Harris auf die Kuba-Politik der Vereinigten Staaten», räumt On Cuba News ein, «sollte man als erstes erkennen, dass es an Beweisen oder Vorgeschichten fehlt, um eine fundierte Prognose zu erstellen.» Auch der Miami Herald hält Harris’ derzeitige Lateinamerikapolitik für ein Rätsel mit «wenigen Anhaltspunkten und einer Menge Unsicherheit».

Als sie im Jahr 2020 auf der Wahlkampftour für die Vizepräsidentschaft war, äusserte sich Harris über die Möglichkeit, die Blockade der, wie sie es nannte, «Diktatur» zu lockern. Sie sagte, dass dies nicht in nächster Zeit geschehen werde und von einer neuen, von Washington anerkannten Regierung in Kuba abhängen würde.

Alternative für Kuba

Wenn die Kubaner sehen wollen, wie eine alternative Zukunft unter dem Wohlwollen der Yankees aussehen könnte, brauchen sie nur 48 Meilen weiter östlich auf den vorsätzlich zum Scheitern gebrachten Staat Haiti zu schauen.

Ein weltweites Netz von Kuba-Solidaritätsorganisationen setzt sich, auch in den USA, für die Beendigung der Blockade und die Streichung Kubas von der Liste der «State Sponsors of Terrorism» ein. [In der Schweiz ist es die Vereinigung Schweiz-Cuba, die sich mit ihren Sektionen zum Ziel gesetzt hat, Kuba auf seinem sozialistischen Weg zu begleiten, sei es durch Aufklärung der Öffentlichkeit oder mit konkreter Unterstützung kubanischer Projekte. mediCuba unterstützt das kubanische Gesundheitswesen mit über 40 Projekten und Kampagnen.]

Wie die US-Sektion des Weltfriedensrates mahnte: «Wie heldenhaft ein Volk auch sein mag, der Sozialismus muss für seine materiellen Bedürfnisse sorgen. Die US-Blockade gegen Kuba zielt genau darauf ab, dies zu vereiteln und den Sozialismus in Kuba und überall sonst, wo unterdrückte Menschen versuchen, ihr Los zu verbessern, zu diskreditieren … Die verstärkte Einmischung der USA in Kuba ist ein Weckruf für grössere Solidaritätsbemühungen.»

→ Mehr über Kuba-Solidarität in der Schweiz in der Seitenspalte

1 Roger Harris aus Corte Madera, Kalifornien, hat ein besonderes Interesse an Venezuela und Kuba. Er ist Mitglied des Zentralkomitees der Partei für Frieden und Freiheit und engagiert sich für die Niebyl-Proctor Marxist Library. Vor seinem Ruhestand hatte er als zertifizierter Wildtierbiologe in einer Umweltberatungsfirma gearbeitet, in der er sich auf gefährdete Arten, Feuchtgebiete und die Wiederherstellung einheimischer Lebensräume spezialisiert hatte.

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Quelle: Orinoco Tribune. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.com (kostenlose Version).