kommunisten.ch

kommunisten.ch

Die Scharfmacherin und militanter Kopf der israelischen Siedlerbewegung Daniella Weiss (links), an der Siedlerveranstaltung in der Nähe von Gaza vom 21. Oktober 2024, mit der Gaza-Karte, auf der die geplanten Siedlungen eingezeichnet sind. (Bild: Oren Ziv)

«Copy&Paste Westbank nach Gaza»: Die Siedler-Bagage hält sich in Wartestellung

In einer militärischen Sperrzone in der Nähe des Gazastreifens riefen israelische Siedler Minister und Abgeordnete dazu auf, den Streifen ethnisch zu säubern und zu annektieren – eine Idee, die immer mehr Anhänger findet. Für sie gibt es in Gaza gar keine palästinensische Zivilbevölkerung mehr. Derweil wird in nordamerikanischen Städten illegal, aber offen, gestohlenes Land der Westbank gehandelt und an Interessenten verkauft, die peinlichst auf ihre zionistische Gesinnung geprüft werden (siehe Spalte nebenan).

von OREN ZIV1, 22. Oktober 2024

«Wir sind mit einem klaren Ziel hierher gekommen: den gesamten Gazastreifen zu besiedeln.» Dies erklärte die Anführerin der israelischen Siedlerbewegung Daniella Weiss am Montag auf einer Versammlung hunderter rechtsgerichteter Israelis in der Nähe des Gazastreifens, wo sie das jüdische Fest Sukkot feierten und dazu aufriefen, Siedlungen in der belagerten palästinensischen Enklave zu errichten.

Dies war nicht einmal die grösste Veranstaltung, bei der innerhalb des vergangenen Jahres diese Forderung erhoben wurde: Im Januar nahmen Tausende von Israelis an einer grossen Konferenz in Jerusalem teil, darunter mehrere Minister und Parlamentsmitglieder; und im Mai marschierten Tausende in die Stadt Sderot und hielten eine Kundgebung auf einem Hügel mit Blick auf den Gazastreifen ab. Es war auch nicht die gewalttätigste Aktion: Im März durchbrachen rechte Aktivisten den Grenzübergang Erez und errichteten einen symbolischen «Aussenposten», bevor die Armee sie vertrieb.

Diesmal aber war es eine besser organisierte und ruhig ablaufende Versammlung – gegen jede Logik wurde sie in einer gesperrten Militärzone nahe der Grenze genehmigt und abgehalten. Und es nahmen mehrere hochrangige Persönlichkeiten der Likud-Partei von Premierminister Benjamin Netanjahu daran teil. Dies ist ein weiterer Schritt in den extremistischen Bemühungen, die Idee der Wiederansiedlung von zionistischen Israelis im Gazastreifen zu etablieren.

Die israelische Regierung hat gegenüber US-Beamten wiederholt bestritten, dass die Armee den so genannten «Plan der Generäle» umzusetzen gedenkt. Dieser sieht vor, die Bewohner des nördlichen Gazastreifens zu belagern, auszuhungern und zu vertreiben, bevor das Gebiet dann an Israel angegliedert werden soll. Aber es ist offensichtlich, dass die Teilnehmer der Veranstaltung am Montag fest mit einem solchen Plan rechnen, um das Gebiet für jüdische Siedlungen freizugeben. Nach Angaben der UNO leben noch Hunderttausende von Palästinensern im nördlichen Gazastreifen – doch mehrere Teilnehmer am Siedlertreffen sprachen so, als sei das Gebiet praktisch entvölkert.

Rechtsextreme Aktivisten an der Siedlerveranstaltung in der Nähe von Gaza am 21. Oktober 2024. (Bild: Oren Ziv)

«Die Lösung ist, dass wir uns dort ansiedeln und nicht unsere Feinde, die Hamas und ihre Anhänger», sagte Noam Toeg, ein 35-Jähriger aus Givatayim, der sich als Sprecher der Bewegung «New Gaza» vorstellte, gegenüber dem israelischen Magazin +972. Alles andere, was in den letzten 80 Jahren versucht wurde, sei gescheitert. Es sei nun soweit: Seit heute seien fast alle Bewohner des nördlichen Gazastreifens verschwunden. «Wir sind die nächste Stufe des Plans der Generäle», fuhr er fort. «Die Siedlungen werden langfristig Sicherheit bringen.»

Shlomo Ahronson, ein 54-Jähriger aus der notorisch gewalttätigen Westjordanland-Siedlung Yitzhar, sagte, er habe bis zum «Rückzug» im Jahr 2005, als Israel seine Siedlungen im Gazastreifen evakuierte, in der jüdischen Siedlung Netzarim im Gazastreifen gelebt. «Als die [israelischen] Behörden uns von dort vertrieben, war uns klar, dass wir eines Tages zurückkehren würden, weil es Gottes Wille ist», sagte er. «Letztendlich ist [Gaza] Teil des Erbes von Juda [das Land, das Gott laut Tora einem der alten israelitischen Stämme zugewiesen hat].»

Ahronson glaubt, dass die Wiederbesiedlung des Gazastreifens nicht nur gottgewollt, sondern auch praktisch machbar ist. «Es ist sicherlich nicht weniger realistisch als eine Ansiedlung in Hebron oder an einem anderen Ort [im Westjordanland], wo es Siedlungen inmitten arabischer Gebiete gibt. Ich gehöre zu der Gruppe, die, so Gott will, dazu bestimmt ist, eine Siedlung namens Oz Chaim an der Küste zu errichten. Es gibt Leute [hier], die sich in Gaza-Stadt ansiedeln wollen, was auch machbar ist, aber mehr Zeit in Anspruch nehmen wird.»

«Schliesslich sollen die Araber, deren einziges Ziel es ist, den Staat Israel zu zerstören, nicht innerhalb des Staates Israel leben», so Ahronson weiter. «Wir siedeln nicht um, sondern lassen uns dort nieder, wo es Platz gibt, und warten die Entwicklung ab – so wie Kibbuzim in Galiläa oder im Negev gegründet wurden, als es dort noch Araber gab. Ashkelon war eine arabische Stadt, Ashdod war eine arabische Stadt. Gott bestimmt es, und es geht in Erfüllung, auch mit Kriegen, das liegt nicht in unserer Hand.»

Extremistische Aktivisten an der Siedlerveranstaltung in der Nähe von Gaza am 21. Oktober 2024. (Bild: Oren Ziv)

Auch den internationalen Druck sieht Ahronson nicht als Hindernis. «Wenn es einen grossen Teil der Öffentlichkeit gibt, der den Gazastreifen besiedeln will, wird Netanjahu Biden sagen müssen: ‹Schauen Sie, das ist es, was das israelische Volk will, und ich habe keine andere Möglichkeit als dafür zu sorgen, dass der Gazastreifen nicht [mehr] arabisch ist.› Er wird natürlich erklären, dass es um die ‹Sicherheitslage› gehe, aber nach und nach [wird Gaza umgesiedelt werden].»

«Die Araber in Gaza haben das Recht verloren, hier zu sein»

Nach dem Morgengebet nahmen die Teilnehmer an verschiedenen Workshops teil und errichteten Sukkahs (kleine Hütten für das Sukkot-Fest), für jeden «Kern» von Siedlern, die eine neue jüdische Gemeinde in Gaza gründen wollen, eine. Es gab Stände von Netanjahus Likud-Partei und der Otzma-Yehudit-Partei des Ministers für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir sowie einen von Bentzi Gopstein, dem Führer der extremistischen Gruppe Lehava.

In einem Workshop verteilte ein Führer mit einem Militärgewehr auf dem Rücken Karten des Gazastreifens und erklärte, dass die Annexion des Gazastreifens die israelische Küstenlinie um weitere 40 Kilometer verlängern würde. «Das ist kein kleiner Teil des Staates Israel, und es liegt in unserer Hand – wir müssen ihn uns nur nehmen», sagte er.

Rina Kushland, eine 76-jährige Teilnehmerin des Workshops aus der zentralisraelischen Stadt Modi’in, sagte, für sie sei die Besiedlung des Gazastreifens «die Lösung für Israels Sicherheit. Und es gehört auch uns: ‹Euch habe ich dieses Land gegeben, vom Euphrat bis zum Fluss Ägyptens›, so steht es [in der Tora] geschrieben. Es mag Todesopfer geben. Ich habe Kinder, Enkel und Urenkel; wenn Blut vergossen werden muss, bin ich bereit, es selbst zu tun.»

Auf dem Hauptpodium war, wie bei solchen Veranstaltungen üblich, Daniella Weiss, eine Bewohnerin der Siedlung Kedumim im Westjordanland und Vorsitzende der grossen Siedlerorganisation Nahala, der Star. «Wir vertrauen auf Gott und die Erfahrung, die wir in vielen Jahren der Besiedlung gesammelt haben – mehr als 850 000 Juden jenseits der Grünen Linie [im Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem]», sagte sie dem Publikum. «Was wir hier tun, ist ein Copy-Paste für Gaza. Nicht umsonst haben wir uns 50 Jahre lang bemüht und waren erfolgreich damit.»

Extremisten an der Siedlerveranstaltung in der Nähe von Gaza am 21. Oktober 2024 bei der Agitation für eine illegale Landnahme. (Bild: Oren Ziv)

In englischer Sprache fügte sie für die ausländische Presse, die zur Berichterstattung über die Veranstaltung angereist war, hinzu: «Das Ziel ist die Errichtung von Siedlungen im gesamten Gazastreifen, von Norden bis Süden. Es gibt Tausende von Menschen, die bereit sind, nach Gaza zu ziehen. Gleichzeitig sage ich deutlich, dass Kriege das Schreckliche mit sich bringen, nämlich Flüchtlinge. Wenn es den 7. Oktober nicht gegeben hätte, wären wir jetzt nicht hier. Aber der 7. Oktober hat die Geschichte verändert. Infolge des brutalen Massakers haben die Araber in Gaza das Recht verloren, jemals hier zu sein. Sie werden in andere Länder der Welt gehen. Sie werden nicht hier bleiben.»

«Die IDF [israelische Armee] werden der Hamas und der Hisbollah ein Ende setzen, und gleichzeitig werden wir unseren Plan fortsetzen, uns in dem Gebiet niederzulassen», so Weiss weiter. «Wir sprechen auch über den Libanon, aber es braucht Zeit, um die Menschen physisch auf den Umzug vorzubereiten. Wir werden die Gebiete, die befreit werden, mit jüdischen Gemeinden besiedeln. Vielleicht werden wir am Anfang in Militärlagern leben – Zivilisten und Soldaten [zusammen], wie es [einst] an vielen Orten in Judäa und Samaria geschehen ist.»

Die Ankunft mehrerer Knessetmitglieder vom Likud weckte grosse Erwartungen und die Hoffnung, dass die Partei des Premierministers die Forderung nach einer Besiedlung des Gazastreifens als offizielle Politik übernehmen würde. Der Parlamentarier Tali Gottlieb schimpfte auf Hebräisch über einen ausländischen Journalisten, der zu fragen wagte, was mit der jetzigen Zivilbevölkerung in Gaza geschehen soll: «Ich bin der Meinung, dass jeder, der nach den Evakuierungsaufrufen im nördlichen Gazastreifen bleibt, nicht nur bewusst die Rolle als menschliches Schutzschild wahrgenommen, sondern auch die Bemühungen unserer Kämpfer behindert hat, die Sicherheit der Bürger des Staates Israel wiederherzustellen.»

Ein weiterer Likud-Abgeordneter, Osher Shekalim, erklärte gegenüber ausländischen Medien: «Es gibt kein palästinensisches Volk, es gibt nur Menschen, die sich in einem bestimmten Gebiet angesiedelt haben und einen palästinensischen Staat fordern, allein weil der Staat Israel existiert. Zuvor gab es keine Ansprüche auf dieses Land von irgendeiner anderen Seite.» Dann fügte er hinzu: «Das ist kein Volk, es ist eine Ansammlung von Mördern.»

«Das ist ein historischer Moment»

Erst gegen 15 Uhr, als sich einige Teilnehmer bereits auf den Weg zum Parkplatz gemacht hatten, um heimzufahren, trafen die prominentesten Gäste ein: Die Ministerin für soziale Gleichstellung und Frauenförderung May Golan vom Likud, gefolgt vom Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir von Otzma Yehudit, und schliesslich Finanzminister Bezalel Smotrich von der Religiösen Zionistischen Partei. Ben Gvir tanzte mit einigen der Anwesenden, bevor er die Bühne betrat. Er wünschte Netanjahu, der nicht anwesend war, alles Gute zum Geburtstag und sagte dann, dass Israels «Konzeptionswechsel» seit dem 7. Oktober Früchte trage.

Itamar Ben Gvir, Minister für nationale Sicherheit, der die Palästinenser auch schon als «menschliche Tiere» bezeichnet hat, am 21. Oktober 2024 an der Siedlerveranstaltung in der Nähe des Gazastreifens. (Bild: Oren Ziv)

«Wenn das israelische Volk es will, sind Nasrallah, Sinwar und Haniyeh weg», sagte er. «Wenn das israelische Volk es will, dringen wir in den Norden [gemeint ist, in den Süden Libanons] ein und tun dort, was wir wollen. Es stimmt, es gibt Verluste, aber wenn sich ein Volk wie der Herr des Landes verhält, wird man die Ergebnisse sehen.»

«Wir können noch eine weitere Sache tun: die Migration [der Gazaner] fördern», fuhr er fort. «Die Wahrheit ist, dass dies die moralischste, korrekteste und zwangloseste Lösung ist: ihnen zu sagen, dass wir ihnen die Möglichkeit geben, in andere Länder zu gehen; denn das Land Israel gehört uns.»

Später lobte Ben Gvir die Behörden dafür, dass die Veranstaltung in einer gesperrten Militärzone stattfinden konnte. «Die Armee und die Polizei haben uns geholfen – dies ist ein historischer Moment», sagte er, bevor er sich an Daniella Weiss wandte. «Du weisst nicht, Daniella, wie viele Bewunderer du unter den Sicherheitskräften hast».

In der Nähe hatten sich mehrere Dutzend Demonstranten versammelt, darunter auch Familienangehörige von Geiseln, die skandierten: «Siedeln in Gaza ermordet Geiseln.» Ihre Anwesenheit unterstrich nur die Tatsache, dass die Geiseln auf der Siedlerveranstaltung kaum erwähnt wurden. Als Weiss beispielsweise von einem ausländischen Reporter nach dem Schicksal der Geiseln gefragt wurde, erwiderte sie: «Was haben Sie und Ihr Land für sie getan?»

«Sie kündigen Siedlungen auf dem lebendigen Grab meines Sohnes an», sagte Yehuda Cohen, dessen Sohn Nimrod am 7. Oktober entführt wurde, gegenüber +972. «Anstatt einen Waffenstillstand zu schliessen, anstatt den abscheulichen Krieg zu beenden, schüren sie ihn, um in Gaza siedeln zu können. Das werden wir nicht zulassen.»
___

Dieser Artikel ist im alternativen israelischen Magazin +972 erschienen. Eine Version wurde zuerst auf Hebräisch auf Local Call veröffentlicht. Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version).

1 Oren Ziv ist Fotojournalist, Reporter für Local Call und Gründungsmitglied des Fotokollektivs Activestills.