Israelische Streitkräfte zerstören die Moschee in Umm Al-Hiran, 14. November 2024. X/ @972mag
Israel räumt Beduinendorf im Negev – für eine Stadt mit ausschliesslich jüdischen Bewohnern
Die Zahl der Abrissbefehle sei um 400 Prozent gestiegen, verkündete der zionistische Minister Ben Gvir – stolz über seine erfolgreiche Vertreibungspolitik. Die Dörfer der Beduinen-Familien, die den Negev seit Jahrhunderten teilweise nomadisch bewirtschaften, werden von Tel Aviv als «illegal» bezeichnet. Das ist denn für die Gerichte auch die Begründung für die Ablehnung von Einsprachen gegen Räumungsbefehle. Das Programm zur Zwangsumsiedlung sieht abgegrenzte Ghettos als neue Wohnstätten für die Beduinen-Familien vor.
teleSUR, 14. November 2024
Um saftige Bussen zu vermeiden, zerstörten am Mittwoch etwa 300 Bewohner des arabischen Beduinendorfs Umm al-Hiran in der Negev-Wüste ihre eigenen Häuser. Am Donnerstag haben die israelische Polizei und die Landbehörde dann auch noch das einzige verbliebene Gebäude, die Moschee, abgebrochen mit dem Ziel, das Gebiet zu räumen und eine Stadt ausschliesslich für jüdische Bewohner zu bauen.
«Die Zerstörung von Umm al-Hiran, um Platz für die Siedlung Dror zu schaffen, ist Teil eines systematischen Bevölkerungsaustauschprogramms im Negev, das darauf abzielt, fast 10 000 Menschen in 14 Dörfern zu entwurzeln und sie durch fast 20 neue jüdische Kolonien zu ersetzen, manchmal auf demselben Land», sagte der Regionalrat der nicht anerkannten Beduinendörfer (Regional Council of Unrecognized Bedouin Village, RCUV) im Anschluss an diese Zwangsevakuierung.
Nach einem über 20 Jahre dauernden Rechtsstreit ist dies das vierte Beduinendorf, das im Jahr 2024 von der israelischen Regierung zerstört wird. Im Dezember wird dasselbe voraussichtlich mit Ras Jaraba geschehen, einer Gemeinde im Negev mit über 500 Einwohnern, gegen die seit Juli 2023 ein gerichtlicher Räumungsbefehl ergangen ist.
Bereits 2017 hatte das Zentrum für die Rechte der arabischen Minderheit in Israel (Legal Center for Arab Minority Rights in Israel, Adalah) berichtet, dass die Stadt, die an Stelle von Al-Hiran gebaut wird, nur «jüdischen israelischen Staatsbürgern oder Personen mit dauerhaftem Wohnsitz in Israel offen stünde, die die Thora und die Gebote gemäss den Werten des orthodoxen Judentums befolgen».
Im Video dieses Posts wird die Geschichte von Yacoub Mousa Abu Al-Qia’an, einem 47-jährigen israelischen Beduinenlehrer erzählt, der im Januar 2017 beim Abriss von Häusern in seinem Dorf Umm al-Hiran von der Polizei getötet wurde. Nach seiner Ermordung beschuldigten die Polizei und mehrere israelische Minister, darunter Premierminister Benjamin Netanjahu, Abu Al-Qia’an fälschlicherweise, ein Terrorist gewesen zu sein und mit dem Islamischen Staat in Verbindung zu stehen. Im September 2022 entschuldigte sich Netanjahu bei der Familie von Abu al-Qia’an und erklärte, die Polizei habe sich getäuscht. Im Video wird auch darauf hingewiesen, dass alle Bewohner der Dörfer, die zwangsumgesiedelt werden, einen israelischen Pass haben. Wenn nun jemand wieder behaupte, arabische Israeli würden über die vollen Rechte verfügen, solle man sich an diese Geschichte erinnern.
Ein Sprecher des RCUV, Nati Yefet, gab an, dass etwa 100 Polizisten, begleitet von 7 Bulldozern, gegen 3.30 Uhr morgens in das Dorf eindrangen. Drei Bewohner, die wie viele andere heute in den 12. Bezirk der nahegelegenen Stadt Hura umgesiedelt wurden, sind neun Stunden lang festgehalten worden. Diese Zeit wurde benützt, die Moschee abzureissen.
«Es gibt Gerechtigkeit …, und es gibt Gerechtigkeit! Eine Moschee und illegal errichtete Gebäude im Dorf Umm al-Hiran im Negev wurden heute Morgen von Bulldozern der Regierung zerstört», jubelte der nationale Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, ein Siedler und bekennender Rassist, dem die Polizeikräfte unterstehen, gleichentags auf X.
«Seit Jahresbeginn gab es einen Anstieg der Abrissverfügungen um 400 Prozent: Wir sind stolz darauf, eine konsequente Politik zur Zerstörung illegaler Häuser im Negev zu führen!», fügte Ben Gvir hinzu, der 2007 wegen der Unterstützung einer terroristischen Organisation und Anstiftung zum Rassismus verurteilt wurde.
36 halbnomadische Beduinendörfer, die aus der Zeit vor der Staatsgründung im Jahr 1948 stammen, werden von Israel weder anerkannt noch auf den offiziellen Karten verzeichnet. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden lediglich elf davon anerkannt, doch Menschenrechtsorganisationen berichten, dass ihnen jegliche grundlegende Infrastruktur wie Wasser, Elektrizität oder Strassen vorenthalten werden.
Die Botschafterin des Königreichs der Niederlande war auf Einladung des Regionalrats der nicht anerkannten Beduinendörfer Zeuge der Zerstörungsarbeit der israelischen Polizei (Übersetzung des Tweets siehe Randspalte). Das Video zeigt die Diplomatin, sichtlich bewegt, bei einem Interview.
Die zionistische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass etwa 350 000 Beduinen ihre nomadische Lebensweise in der Negev-Wüste aufgeben und in abgegrenzten, verarmten städtischen Gebieten leben sollen. Mindestens 190 000 Beduinen wurden bereits zu dieser Zwangsumsiedlung genötigt. [Man fühlt sich in die schlimmste Zeit des Kolonialismus zurückversetzt.]
Das «Bevölkerungsaustausch»-Programm der Regierung im Negev sieht vor, dass etwa 9000 arabische Beduinen aus 14 Dörfern vertrieben und ihre Dörfer durch eine ähnliche Zahl jüdischer Siedlungen ersetzt werden. Obwohl sie fast 40 Prozent der Bevölkerung des Negev ausmachen, haben die Beduinen Zugang zu weniger als 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen und weniger als 4 Prozent des Landes.
«Die Zerstörung von Umm al-Hiran heute Morgen ist ein Beispiel für institutionalisierten Rassismus in seiner extremsten Form. Die triumphalen Erklärungen der Israel Land Authority sind ein Schlag in die Magengrube, obwohl wir leider von Ben Gvir, dem Minister für nationale Sicherheit, nichts Besseres erwarten können. Es ist unerträglich, dass eine Regierungsbehörde mit ihrer diskriminierenden Politik auch noch offen prahlt», erklärte der RCUV.
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Originaltext: teleSUR.