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Der Landraub in der Ukraine durch US-Konzerne: Private Firmen haben sich die Fläche von zwei Krims angeeignet

von JEREMY KUZMAROV, 19. Dezember 2024

Anfang November äusserte die belgische EU-Parlamentarierin Barbara Bonte ihre Besorgnis über den Verkauf von gigantischen Flächen ukrainischen Bodens an US-amerikanische Private-Equity-Firmen sowie an saudi-arabische Agrarindustrie- und Investitionsunternehmen.

Barbara Bonte [Quelle: en.wikipedia.org]

Bonte schrieb an das EU-Parlament, dass

«laut mehreren alar­mie­renden Berichten vor allem US-ameri­ka­nische, aber auch saudi-arabische Agrar­industrie- und Inves­ti­tions­unter­nehmen gigan­tische Flächen ukrai­nischen Acker­lands auf­kaufen. Beispiels­weise haben Cargill, ADM, BlackRock, Oaktree Capital Mana­gement und Bunge Limited Berichten zufolge die Kon­trolle über einen Gross­teil der ukrai­nischen land­wirtschaft­lichen Flächen erlangt.»

Sodann richtete Bonte zwei Fragen an das EU-Parlament:

  1. Wie beurteilt die Kommission die Aus­wir­kungen dieses Aus­verkaufs von europäischem Acker­land an multi­nationale Unter­nehmen, die aus­schliess­lich US-Inter­essen dienen, auf die stra­tegische Ab­hängigkeit der EU bei der Nahrungs­mittel­ver­sorgung? Wie gedenkt die Kom­mission mit diesen Aus­wirkungen umzugehen?
  2. Das deutet stark darauf hin, dass die Vereinigten Staaten danach streben, sich für ihre mili­tärische Unter­stützung der Ukraine zu ent­schädigen und ihre dortige geo­politische Präsenz in einem Nach­kriegs­szenario durch die Kon­trolle über ukrainisches Acker­land und die daraus resul­tierenden Pro­fite zu sichern. Wie gedenkt die Kommission zu verhindern, dass die Vereinigten Staaten sich in der Ukraine die Rosinen herauspicken und Europa mit den Nach­teilen allein zurück­lassen?

[Quelle: oeklandinstitute.org]

Bontes Fragen sind wichtig und deuten darauf hin, dass hinter dem Krieg in der Ukraine und der Unterstützung der USA und Europas für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski ein verstecktes Motiv steht.

Die Bonanza, die ausländischen Investoren geboten wird, erinnert an vergangene Kriege, in denen junge Menschen auf dem Altar der Konzernprofite geopfert wurden.

Krieg und Diebstahl

Das Oakland Institute1 hat in einem Bericht mit dem Titel «War and Theft: The Takeover of Ukraine Agricultural Land» (Krieg und Diebstahl: Die Übernahme von Agrarland in der Ukraine) aus dem Jahr 2023 eine ausführliche Analyse der Landnahme in der Ukraine durch westliche Konzerne vorgelegt.

In dem Bericht, der von Frédéric Mousseau, einem Berater für Ernährungssicherheit, und Eve Devillers, einer Doktorandin an der Cornell University, verfasst wurde, wird zunächst die Funktion der Ukraine als «Kornkammer Europas» mit ihren 33 Millionen Hektar Ackerland und «grossen Teilen des fruchtbarsten Ackerlandes der Welt» hervorgehoben.2

Im Jahr 2021 startete Selenski ein Landreformprogramm als Teil des Strukturanpassungsprogramms, das unter der Schirmherrschaft westlicher Finanzinstitutionen eingeleitet wurde und es US-amerikanischen Konzernen ermöglichte, das Land der Ukraine zu übernehmen.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte das Strukturanpassungsprogramm abgelehnt. Er wurde 2014 durch den US-gestützten Maidan-Putsch gestürzt.

Nachdem Selenski die «Landreform» eingeführt hatte, wurden etwa fünf Millionen Hektar – die Fläche von zwei Krims – von privaten Interessen «gestohlen».

Zu den Dieben gehörte Goldman Sachs, eine Wall-Street-Investmentfirma, die in der Biden-Administration gut vertreten ist und im April 2022 die NN Investment Partners Holding N.V. kaufte, ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, das ein Hauptaktionär der grössten ukrainischen Landeigentümerin, der Kernel Holding S.A., sowie von Astarta, einer weiteren bedeutenden Landeigentümerin in der Ukraine, ist.3

[Quelle: labourheartlands.com]

Die Vanguard Group Inc., die Kamala Harris bei der Wahl 2024 45 473 Dollar und Joe Biden bei der Wahl 2020 98 551 Dollar spendete, war eine weitere Wall-Street-Firma, die ukrainisches Land billig aufkaufte.4

[Quelle: newsmax.com]

Einige grosse US-Pensionskassen, Stiftungen und Universitätsfonds investieren in ukrainisches Land über NCH Capital, einen US-amerikanischen Private-Equity-Fonds mit Sitz am Rockefeller Plaza in New York, der mit 290 749 Hektar der fünftgrösste Grundeigentümer in der Ukraine ist.5

George Rohr [Quelle: nchcapital.com]

NCH Capital wird derzeit des rechtswidrigen Landerwerbs, der Steuerhinterziehung und illegaler Finanzaktivitäten beschuldigt. Im Jahr 2015 nahm der Gründer und Geschäftsführer George Rohr an den hochrangigen Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und der US-Handelsministerin Penny Pritzker teil, die dazu führten, dass die Ukraine dem Strukturanpassungsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) zustimmte, um von der Obama-Regierung zwei Kreditgarantien in Höhe von je 1 Mrd. USD zu erhalten.6

Der Kongressabgeordnete Jimmy Panetta, rechts, schüttelt dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski im August 2024 die Hand. [Quelle: sanluisobispo.com]

Der Kongressabgeordnete Jimmy Panetta, links, trifft sich im August 2024 mit einem ukrainischen Soldaten. [Quelle: sanluisobispo.com]

Zu den Investoren von NCH Capital gehören Dow Chemical, der berüchtigte Hersteller von Napalm und Agent Orange, sowie andere Kriegsprofiteure wie Honeywell und Lockheed Martin, aber auch Stiftungen der Harvard University, der University of Michigan und des Wellesley College.

Open Secrets berichtet, dass NCH Capital vorwiegend Kandidaten der Demokratischen Partei finanziell unterstützt hat, die sich leidenschaftlich für eine US-Intervention in der Ukraine und milliardenschwere Militär- und Finanzhilfspakete für das Land eingesetzt haben.

Im Jahr 2024 spendete NCH Capital 5000 Dollar an Jimmy Panetta, einen Abgeordneten der Demokraten aus dem 19. kalifornischen Kongressbezirk, der Santa Cruz, Monterey und San José umfasst. Panetta ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier der US-Marine und der Sohn des ehemaligen CIA-Direktors Leon Panetta (der auf dem diesjährigen Parteitag der Demokraten in Chicago eine Rede hielt).7

Es überrascht nicht, dass sich Jimmy Panetta im Kongress für eine «robuste Hilfe für die Ukraine» eingesetzt hat, wie die San Luis Obispo Tribune berichtet. Er half bei der Verabschiedung eines nationalen Sicherheitspakets, das 61 Milliarden Dollar an Sicherheitshilfe für die Ukraine und Unterstützung für den Verkauf beschlagnahmter russischer Vermögenswerte enthielt.8

Im August 2024 reiste Panetta in die Ukraine, um sich mit Selenski zu treffen. Anschliessend gab er eine Erklärung ab, in der er ihn lobte und sagte, es sei «ermutigend, aus erster Hand zu sehen und zu hören, wie die amerikanische Unterstützung – insbesondere unsere Arbeit im Kongress zur Verabschiedung von Gesetzen für zusätzliche Mittel – auf dem Schlachtfeld richtig eingesetzt wird».

Ukrainische Bauern protestieren gegen Privatisierungsgesetze, die Wolodymyr Selenski auf Geheiss des IWF erlassen hat. [Quelle: euromaidanpress.com]

NCH und andere Unternehmen, die in die ukrainische Landwirtschaft investieren, sind bei westlichen Finanzinstitutionen verschuldet, insbesondere bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Internationalen Finanz-Corporation (IFC), dem Privatsektor der Weltbank.

Der Bericht des Oakland-Instituts vergleicht die grosszügige Finanzierung von multinationalen Konzernen und lokalen Oligarchen mit der Tatsache, dass ukrainische Kleinbauern keinen Zugang zu Krediten haben, so dass sie von ihrem Land vertrieben und in die Armut gestürzt werden. Einige von ihnen sind in die USA ausgewandert, um dort im Mittleren Westen landwirtschaftliche Arbeit zu suchen und Geld nach Hause zu überweisen.9

Mousseau und Devillers schreiben, dass «der von der Weltbank eingerichtete Teilkreditgarantiefonds zur Unterstützung von Kleinbauern nur 5,4 Millionen US-Dollar beträgt – eine vernachlässigbare Summe im Vergleich zu den Milliarden, die an grosse Agrarunternehmen fliessen».

Mousseau und Devillers betonten ferner, dass die Milliarden an westlicher Hilfe für die Ukraine «an ein drastisches Strukturanpassungsprogramm geknüpft sind, das Austeritätsmassnahmen, Kürzungen der sozialen Sicherheitsnetze und die Privatisierung von Schlüsselsektoren der Wirtschaft umfasst».

Eine zentrale Bedingung [für die westliche Hilfe] war «die Schaffung eines Bodenmarktes, der im Jahr 2020 unter Präsident Selenski gesetzlich verankert wurde, obwohl die Mehrheit der Ukrainer dagegen war, weil sie befürchteten, dass dies die Korruption im Agrarsektor verschärfen und dessen Beherrschung durch mächtige Interessen verstärken würde» – was in der Tat geschah.11

Mousseau und Devillers weisen darauf hin, dass die internationalen Finanzinstitutionen durch ihre Unterstützung grosser Agrarunternehmen «faktisch ein industrielles Agrarmodell subventionieren, das auf dem intensiven Einsatz synthetischer Betriebsmittel, fossiler Brennstoffe und grossflächigem Monokulturanbau beruht – was sich schon seit langem als ökologisch und sozial zerstörerisch erwiesen hat».

Im Gegensatz dazu zeigen die Kleinbauern in der Ukraine, die von ihrem Land vertrieben werden, dass sie «widerstandsfähig sind und über ein grosses Potenzial verfügen, ein anderes Produktionsmodell zu entwickeln, das auf Agrarökologie, ökologischer Nachhaltigkeit und der Produktion gesunder Lebensmittel beruht».

Zum Schluss stellt «War and Theft» fest, dass nach dem Wiederaufbau weitere Landprivatisierungen geplant sind, die denselben Konzerninvestoren zugute kommen, welche in der Ukraine ohnehin schon gigantische Profite erzielen.

Das geschieht, während eine überwältigende Anzahl von Ukrainern die Landprivatisierungsgesetze aufheben will, die von der Selenski-Regierung – von der im Westen ein falsches Bild vorherrscht – durchgesetzt werden.

Anmerkungen:

1 Das Oakland Institute ist eine unabhängige politische Denkfabrik mit Sitz in Oakland, Kalifornien.

2 «War and Theft» betont, dass fehlgeleitete Privatisierungen und korrupte Regierungsführung seit den frühen 1990er Jahren in der Ukraine dazu geführt haben, dass sich der Grund und Boden in den Händen einer neuen oligarchischen Klasse und einer Vielzahl ausländischer Investoren konzentriert hat, darunter US-amerikanische Private-Equity-Fonds und der Staatsfonds von Saudi-Arabien, die in Steueroasen wie Zypern und Luxemburg registriert sind.

3 Der damalige Vizepräsident Joe Biden erpresste den ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko, indem er drohte, die IWF-Darlehen in Höhe von je 1 Milliarde Dollar zurückzuhalten, wenn dieser nicht den Staatsanwalt Wiktor Schokin entlässt. Wiktor Schokin ermittelte gegen Burisma, ein Erdgasunternehmen, das Joes Sohn Hunter in seinen Vorstand berufen hatte, obwohl er über keinerlei Erfahrung in der Öl- und Gasindustrie verfügte. Kopernik Global Investors, LLC, ein Unternehmen mit Sitz in Tampa, Florida, und einem US-Vermögen von 4,97 Milliarden Dollar, hält auch Aktien von Kernel und Astarta.

4 Im Wahlzyklus 2020 spendete Vanguard 13 573 USD an Bernie Sanders (I-VT), der die Position der Ukraine im Konflikt mit Russland unterstützt. Im Jahr 2022 spendete Vanguard 11 370 Dollar an Senator Raphael Warnock, einen Demokraten aus Georgia, der ebenfalls ein Ukrainekriegsfanatiker ist, und 8149 Dollar an John Fetterman (D-PA), der Hilfspakete für die Ukraine unterstützt. Als Russland im Februar 2022 seine spezielle Militäroperation begann, gab Vanguard eine öffentliche Erklärung ab, in der sie Putin anprangerte und ihre Solidarität mit der Ukraine bekundete.

5 Laut «War and Theft» operiert NCH in der Ukraine durch das Unternehmen AgroProsperis.

6 NCH Capital wurde 1993 von George Rohr und Moris Tabacinic gegründet, zwei US-amerikanischen Geschäftsleuten, die massgeblich an der Privatisierungsorgie beteiligt waren, die auf den Zusammenbruch der Sowjetunion folgte. Sie gründeten eine Reihe von Fonds, um landwirtschaftliche Betriebe in der Region zu einem niedrigen Preis zu pachten oder zu kaufen, mit dem Ziel, diese zu grossen Getreide- und Sojafarmen zusammenzuschliessen – und konnten so erfolgreich eine Landbank von 700.000 Hektar in der Ukraine und in Russland anhäufen. Nachdem sich NCH Capital die Investitionen prominenter westlicher Finanzinstitute gesichert hatte, schleuste es diese Mittel über Offshore-Firmen in Steueroasen wie Zypern und den Cayman-Inseln in Joint Ventures mit lokalen Firmen, um das Land zu übernehmen.

7 Der wichtigste Republikaner, dem NCH Capital im Wahlzyklus 2024 beträchtliche Summen zukommen liess, war Roger Wicker (R-MS), das ranghöchste Mitglied des Streitkräfteausschusses des Senats, der für eine Beschleunigung der Militärhilfe für die Ukraine und für einen Atomwaffenangriff auf Russland eintrat. NCH Capital gab Ritchie Torres (D-NY), einem Abgeordneten aus der Bronx, der für drei zusätzliche Militärhilfepakete für die Ukraine stimmte, 1000 Dollar. Er sagte: «Die USA haben eine einzigartige Verpflichtung, Freiheitskämpfer im Kampf für ihre Freiheit zu unterstützen, und das gilt nirgendwo mehr als in der Ukraine, die sich gegen Putins Aggression verteidigen muss.» NCH Capital spendete 500 Dollar an den Kongressabgeordneten Josh Gottheimer (D-NJ), einen Clinton-Schützling, der ebenfalls die Finanzierung des ukrainischen Militärs unterstützte.

8 Panetta verfasste auch das parteiübergreifende Gesetz zur Menschenrechtspolitik in der Ukraine, um Russland für seine Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen, und war Mitbegründer des NO LIMITS-Gesetzes, das Militärfirmen der Kommunistischen Partei Chinas zur Rechenschaft ziehen würde, wenn sie Russland bei seinen Kriegsanstrengungen unterstützen würden. Ausserdem engagiert er sich weiterhin für eine Resolution, die die Zwangsadoption ukrainischer Kinder durch die Russische Föderation auf das Schärfste verurteilt und fordert, dass die ukrainischen Kinder in ihr Heimatland und zu ihren Familien zurückkehren.

9 Mitarbeiter von Goldman Sachs aus London, die in die ukrainische Landwirtschaft investiert haben, wurden inzwischen mit Cowboystiefeln und -hüten bei der Besichtigung ihrer Betriebe gesehen.

10 Zu den Austeritätsmassnahmen gehörten die Kürzung der öffentlichen Renten und Löhne, die Reform der öffentlichen Wasser- und Energieversorgung sowie die Privatisierung von Banken und anderen Bereichen der ukrainischen Wirtschaft. Durch diese Massnahmen hat die Ukraine eine lähmende Schuldenlast auf sich geladen.

11 Der Bericht stellt fest, dass es 2019 und 2020 zu grossen Protesten und Kundgebungen gegen die Änderungen der Gesetze zum Verkauf von Ackerland kam.
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Jeremy Kuzmarov (https://jeremykuzmarov.com) ist geschäftsführender Redakteur des CovertAction Magazine und Autor von «The Russians Are Coming, Again: The First Cold War as Tragedy, the Second as Farce», zusammen mit John Marciano (Monthly Review Press, 2018).
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Quelle: MR Online. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.