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Waffen hinterlassen Spuren. Stopp dem Kriegsmaterial-Export aus der Schweiz

Bei Regen feiern Frösche Hochzeit, bei Krieg klingelt die Kasse der Rüstungsindustrie

In den letzten Jahrzehnten hat die Schweiz für Milliarden Kriegsmaterial exportiert und damit geholfen, Kriege anzuheizen (1975 bis 2024 für 22,452 Milliarden Franken). In diesen Konflikten wurden Millionen Menschen getötet, verletzt, ins Elend gestürzt oder sind zu Flüchtlingen geworden. Eine neutrale, dem Frieden verpflichtete Schweiz, Sitz des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf, die immer wieder engagiert an Friedensverhandlungen beteiligt war, sollte kein Kriegsmaterial mehr exportieren. Jedoch: das Kriegsmaterialgesetz soll nach dem Willen des Bundesrats aufgeweicht werden. Mit einem Referendum wäre in diesem Fall zu rechnen.

von HEINRICH FREI1, 25. Februar 2025

Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!

Wolfgang Borchert: «Dann gibt es nur eins!»

Wenn es regnet, feiern Frösche Hochzeit. Wenn Kriege regieren, klingeln die Kassen der Rüstungsindustrie und ihrer Helfershelfern, wie jetzt wieder bei den Massakern in der Ukraine, im Gazastreifen, im Sudan und andernorts.

In der Schweiz soll der Export von Kriegsmaterial in Zukunft weniger restriktiv werden, fordern die Rüstungsindustrie und auch Politiker, um künftige Geschäfte mit dem Krieg nicht zu verpassen. Unter anderem soll die heutige Nicht-Wiederausfuhrbestimmung für Kriegsmaterial entschärft werden. Diese Bestimmung vermieste in letzter Zeit im Falle des Krieges in der Ukraine die Geschäfte der Kriegsgewinnler Helvetiens. («Export von Kriegsmaterial soll weniger restriktiv werden», Selina Berner, Neue Zürcher Zeitung, 13. Februar 2025)

Rüstungskonzerne wollen im Geschäft mit dem Krieg bleiben

Die Schweizer Rüstungsindustrie gehört zum grossen Teil ausländischen Konzernen, dem deutschen Rheinmetallkonzern (Kanonen und Granaten), dem US-Konzern General Dynamics (Mowag-Radpanzer) und der italienischen Firma Beretta (Munition). Durch die heutige Nicht-Wiederausfuhrbestimmung befürchten diese Firmen, dass ihre Produkte, die in der Schweiz produziert werden, in Zukunft nicht mehr gekauft werden. Deutschland, Spanien und Dänemark wollten nämlich in der Schweiz gekauftes Kriegsmaterial an die im Krieg stehende Ukraine weitergeben. Der Bundesrat in Bern verweigerte aber seine Zustimmung und blockierte so die Lieferungen. Der Druck auf die Schweiz war sehr gross: Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck, ein militanter militarisierter Grüner, warf der Schweiz laut der Neuen Zürcher Zeitung gar vor, sich mitschuldig zu machen an den Opfern der russischen Aggression.

Um welche Waffen ging es? Deutschland hätte der Ukraine 12 400 Schuss 35-mm-Munition für den Gepard-Flugabwehrpanzer weitergeben wollen, Dänemark in der Schweiz hergestellte Piranha-III-Schützenpanzer. Spanien schliesslich beantragte den Export von zwei Schweizer Flugabwehrkanonen Richtung Ukraine.

Wenn Kriege regieren, klingeln die Kassen der Rüstungsindustrie und ihrer Helfershelfern in den Banken und der Politik

Die Schweiz exportierte in den letzten Jahrzehnten für Milliarden Kriegsmaterial, und das Komitee vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), mit Sitz in Genf, versuchte den Opfern der Kriege zu helfen. (Kriegsmaterial-Wiederausfuhr – Wird das Schweizer Kriegsmaterialgesetz jetzt gelockert? – News SRF)

Aufweichung des Kriegsmaterialgesetzes geplant

Das Kriegsmaterialgesetz soll nun dahingehend angepasst werden, dass die Nicht-Wiederausfuhrerklärung für Staaten, die sich den «Schweizer Werten» verpflichten, auf fünf Jahre beschränkt wird. Hat ein Land mit gleichen Werten Schweizer Kriegsmaterial vor mehr als fünf Jahren eingekauft, kann dieses grundsätzlich weiterverkauft werden. Zudem sollen Waffenexporte an menschenrechtsverletzende Regime möglich werden.

Am 12. Februar 2025 forderte der Bundesrat in seiner Botschaft zu Motion 23.3585 das Recht, in Eigenregie alle konkreten Beschränkungen von Kriegsmaterial-Exporten für mehrere Jahre aufheben zu können. Insbesondere wären neu Exporte an Bürgerkriegsländer und Exporte an Länder möglich, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen. Sollte die Vorlage in der aktuellen Form den parlamentarischen Prozess überstehen, werden die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und andere Friedensorganisationen das Referendum ergreifen.

Nichtwiederausfuhr-Erklärung gilt nicht für anonyme Einzelteile

Wie andere Industrieprodukte werden Waffen aus Bestandteilen zusammengesetzt, die in verschiedenen Ländern produziert werden. Darauf nahm man in der Schweiz längst Rücksicht. Im Kriegsmaterialgesetz wird festgelegt: «Auf die Nichtwiederausfuhr-Erklärung kann bei Einzelteilen oder Baugruppen von Kriegsmaterial verzichtet werden, wenn feststeht, dass sie im Ausland in ein Produkt eingebaut und nicht unverändert wiederausgeführt werden sollen, oder wenn es sich um anonyme Teile handelt, deren Wert im Verhältnis zum fertigen Kriegsmaterial nicht ins Gewicht fällt.» Vor Jahrzehnten betraf dies in der Schweiz produzierte Feuerleitgeräte, die Tausende Franken kosteten. Sie wurden nach Deutschland ausgeführt und dort auf Panzer montiert, die man dann irgendwohin exportierte. Allein diese lasche Wiederausfuhrbestimmung für Einzelteile zeigt, dass die aktuelle Bewilligungspraxis für den Export von Kriegsmaterial schon heute alles andere als restriktiv ist.

Aktuelle Bestimmungen für Kriegsmaterialexporte

Heute dürften Rüstungsgüter der Schweiz nach dem Kriegsmaterialgesetz nicht in Länder geliefert werden, die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind oder in denen Menschenrechte systematisch verletzt, das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt oder die Rüstungsgüter an einen unerwünschten Empfänger weitergegeben werden. (SR 514.51 – Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 ü … | Fedlex)

Wurde das Kriegsmaterialgesetz eingehalten?

Wie wurden die klaren Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes, keine Rüstungsgüter in Länder zu liefern, die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, in der Praxis umgesetzt?

Export von Kriegsmaterial durch die neutrale Schweiz. KI-generiertes Kartensujet, DALL/Traintinger (Das Kriegsmaterialgesetz einhalten: Aktuelle Entwicklungen – Dorfzeitung. Kultur online)

1975–2024 für 22,452 Mrd. Franken Kriegsmaterialexporte zur Hauptsache an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten

Nach der offiziellen Statistik des Bundes, des Staatssekretariats für Wirtschaft, SECO, exportierte die Schweiz von 1975 bis 2024 für 22,452 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem grossen Teil an kriegführende Staaten, an Nato-Militärs, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 22,452 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Cluster­bomben beteiligt waren. Laut dem Kriegsmaterialgesetz wäre zwar die «direkte und indirekte Finanzierung» von verbotenem Kriegsmaterial schon heute klar untersagt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen-Minen. Aus Rücksicht auf die Nato weigert sich der Bundesrat jetzt auch, das Atomwaffenverbot zu unterzeichnen, obwohl das Parlament dies vor einigen Jahren mehrheitlich beschlossen hat. Wie der Bundesrat früher schon erklärte, will er sich unter den Atomwaffenschutzschirm der Nato stellen, um die Schweiz im Kriegsfall zu beschützen. Auch deshalb ist der Bundesrat gegen ein Atomwaffenverbot. Siehe auch: Schweizer Waffenexporte

Kriegsmaterialexporte des Jahres 2024

Die Schweizer Kriegsmaterialexporte des Jahres 2024, vom 1. Januar 2024 bis 30. September 2024, betrugen 465 499 472 Schweizer Franken. Deutschland erhielt Rüstungsgüter für 154,8 Millionen Franken, Italien für 28,3 Mio. Franken, die Vereinigten Staaten von Amerika für 43,4 Mio. Franken, Frankreich für 29,6 Millionen, Grossbritannien für 16,7 Millionen und Saudiarabien für 3,9 Millionen Franken. (Zahlen und Statistiken 2024).

Die USA, ein Empfänger von helvetischem Kriegsmaterial, bombardierte im letzten Jahr wiederholt im Irak, Syrien und im Jemen die Huthi-Rebellen. Die USA führten in Somalia und anderen Ländern via die Basis Ramstein in Deutschland aussergerichtliche Hinrichtungen mit Drohnen durch.

Viele Empfänger von Waffen aus der Schweiz wurden so durch ihre Waffenlieferungen im Gazakrieg oder im Ukrainekrieg selbst zu Kriegsparteien. Ohne die Waffen, namentlich aus den USA, Deutschland und Italien, hätte Israel nicht Krieg führen können. Ohne die Bomben, die Munition und anderem Kriegsgerät aus dem Ausland wäre es für Israel nicht möglich gewesen, den Gazastreifen zu zerstören, und auch in der Westbank hätten nicht so grosse Verwüstungen angerichtet werden können.

Waffen für Kriege die seit 1990/91 geführt wurden

Seit 1990/91 gab es fünf grosse, westlich geführte Kriege: 1990 im Irak, 1999 in Jugoslawien, 2001 bis 2021 in Afghanistan, 2003 bis 2012 erneut im Irak und 2011 in Libyen. Allein diese fünf Kriege haben mehrere Millionen Menschen verletzt und ihnen das Leben gekostet und die entsprechenden Regionen in ein wirtschaftliches und soziales Desaster gestürzt. Diese Kriege haben auch hunderttausende Kriegsinvalide und traumatisierte Menschen hinterlassen. Die Schweiz lieferte diesen kriegführenden westlichen Staaten trotzdem laufend Rüstungsgüter, mit dem Segen der Regierung in Bern.

Die Schweiz lieferte kriegführenden westlichen Staaten laufend Rüstungsgüter, mit dem Segen der Regierung in Bern.

Bedürfnisse der Landesverteidigung «erlaubten» Waffenexporte an kriegführende Länder

In der Schweiz wurde schon bisher diese Bestimmung, kein Kriegsmaterial zu liefern an Staaten, «die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind», ausser Kraft gesetzt. Die Bewilligung von Waffenexporten, die der Aufrechterhaltung der Bedürfnisse der Landesverteidigung dienen, wurde dazu benutzt, um die restriktiven Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes zu umgehen. Es heisst: Die einheimische Rüstungsindustrie ist darauf angewiesen, kriegführenden Staaten Waffen zu verkaufen, unter anderem an NATO-Staaten, die immer wieder Kriege führen. Es soll also weiter möglich bleiben, unter «gewissen Umständen», wie es heisst, Kriegsmaterialausfuhren in Länder, die in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind und die auch foltern, zu bewilligen. (Kriegsmaterialgesetz: Botschaft zur Einführung einer Abweichungskompetenz für den Bundesrat).

1972: Um ein Waffenausfuhrverbot zu verhindern, versprach der Bundesrat, das neu geschaffene, restriktive Kriegsmaterialgesetz streng zu handhaben

Ein Rechtsstaat wie die Schweiz müsste eigentlich sein Kriegsmaterialgesetz einhalten und nicht mit allerlei Schlupflöchern versehen und damit scheinlegal lockern. Die restriktiven Bestimmungen im Gesetz bestehen im Wesentlichen seit 1972. Damals kam die Volksinitiative für ein Waffenausfuhrverbot zur Abstimmung. Um das Risiko einer Annahme der Volksinitiative zu mindern, wurde im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags das Kriegsmaterialgesetz verschärft, und der Bundesrat versprach, das revidierte Gesetz dann streng zu handhaben. Bei der Waffenlobby war die Furcht vor einer Annahme der Volksinitiative für ein Waffenausfuhrverbot, die nach dem Bührle-Skandal von der Arbeitsgemeinschaft für ein Waffenausfuhrverbot (ARW) eingereicht wurde, beträchtlich. (Ar 91 Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot ARW II).

Während des Biafra-Kriegs (1967–1970) fanden in der Schweiz grosse Hilfsaktionen statt, um den Opfern des furchtbaren Bürgerkrieges und den Hungernden in Biafra (heute Nigeria) zu helfen. Plötzlich wurde bekannt, dass die Firma Bührle mit gefälschten Papieren dem kriegführenden Nigeria Kanonen verkauft hatte. Flugzeuge des Roten Kreuzes mit Hilfssendungen an Bord wurden mit diesen Schweizer Fliegerabwehrkanonen beschossen.

Am 24. September 1972 kam die Initiative für ein Verbot der Kriegsmaterialexporte der Arbeitsgemeinschaft für ein Waffenausfuhrverbot (ARW) zur Abstimmung und wurde nur sehr knapp verworfen. 49,7 Prozent der Stimmenden waren für ein Verbot von Waffenexporten. Das Volksmehr wurde nur um 8000 Stimmen verfehlt. Spätere Volksabstimmungen für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten waren nicht so erfolgreich, weniger als 40 Prozent stimmten später für ein Verbot.
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1 Heinrich Frei, 1941, in Biel aufgewachsen, Hochbauzeichner-Lehre, Bauführer, berufsbegleitendes Studium am Abend Technikum Zürich mit Abschluss als Diplom-Architekt HTL, nach Tätigkeit bei verschiedenen Architekturbüros ab 1987 Projektleiter für Hochbauten bei den SBB. Engagiert bei Friedensorganisationen und seit 20 Jahren bei Hilfswerken, die in Somalia tätig sind. Im Vorstand von Swisso Kalmo. Heinrich Frei schreibt zu verschiedensten Themen.