
links: IKRK-Flagge auf Halbmast mit Trauerflor | rechts: «Krieg beginnt hier.» Schriftzug bei der Zürcher Kantonalbank an der Langstrasse in Zürich. Auf einem Flugblatt, die eine dem Autor unbekannte Gruppe hinterlassen hatte, wird darauf hingewiesen, dass auch diese staatliche Bank Rüstungskonzerne finanziert. (Flugblatt im Anhang)
Hinter der humanitären Fahne des Roten Kreuzes: die Kriegsgewinnler
Am nächsten Dienstag, 11. März 2025, informiert das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) im Medienzentrum des Bundeshauses über die Kriegsmaterialexporte des Jahres 2024. Werden die dort versammelten Mainstreamer auch wirklich die brennenden Fragen stellen und uns darüber informieren?
von HEINRICH FREI
Die Frage, die am meisten auf der Zunge brennt, ist: Warum hielt sich das SECO 2024 bei den Bewilligungen für den Export von Kriegsmaterial an die USA, Deutschland, Italien, Saudiarabien und an andere Staaten, die an Kriegen beteiligt waren, nicht an die Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes? Ist das Geschäft mit dem Krieg eines, auf das man in Bern nicht verzichten möchte? Letztlich sind es ja die sieben Bundesrätinnen und Bundesräte, die entscheiden, an welche Länder Schweizer Kriegsmaterial geliefert werden darf, nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SECO. Das wirft eine weitere Frage auf: Wer sind die Kreise, die den Bundesrat in Sachen Waffenexport beeinflussen?
Laut der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft muss sich unser Land «für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung einsetzen». (Art. 2 Zweck, Absatz 4).
Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG)
Gemäss Artikel 22 des Kriegsmaterialgesetzes dürfen für Waffenexporte keine Bewilligungen erteilt werden, wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist, schwerwiegend und systematisch Menschenrechte verletzt oder das Risiko besteht, dass Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt oder an einen «unerwünschten Endempfänger» weitergegeben wird.
Erste drei Quartale 2024: Für fast eine halbe Milliarde Kriegsmaterial exportiert
Die Zahlen der Kriegsmaterialexporte des ganzen Jahres 2024 werden erst am 11. März 2025 bekanntgegeben. Bis heute liegen nur die Zahlen der effektiven Ausfuhren von Kriegsmaterial pro Empfängerland bis und mit zum 3. Quartal des Jahre 2024 vor, also vom 1. Januar 2024 bis zum 30. September 2024. In dieser Zeitspanne wurden für 465 499 472 Schweizer Franken Kriegsmaterial exportiert.
Kriegsmaterialexporte 1.–3. Quartal 2024 (über 10 Mio. Franken)
Belgien | 14,7 Mio. Franken |
Dänemark | 17,9 Mio. Franken |
Deutschland | 154,8 Mio. Franken |
Frankreich | 29,6 Mio. Franken |
Grossbritannien | 16,7 Mio. Franken |
Italien | 28,3Mio. Franken |
Niederlande | 14,2 Mio. Franken |
Portugal | 34,8 Mio. Franken |
Rumänien | 34,8 Mio. Franken |
Schweden | 30,3 Mio. Franken |
USA | 34,8 Mio. Franken |
«Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die einen Krieg entfesseln, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg [Erster Weltkrieg] verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wären hinreichend, um Menschen aller Länder zu einem menschwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern.»
Albert Einstein, 1929
Krieg im Jemen
Die meisten Empfänger von Schweizer Kriegsmaterial 2024 bis zum 3. Quartal waren direkt oder indirekt in bewaffnete Konflikte verwickelt. Die USA unterstützten seit 2015 zusammen mit Frankreich und Grossbritannien sowie mit sunnitischen Staaten aus Afrika und Asien logistisch die Militärintervention Saudiarabiens im Jemen.
Kriegsmaterialexporte 1.–3. Quartal 2024:Saudiarabien | 3 894 960 Franken |
Vereinigte Arabische Emirate | 4 264 705 Franken |
Katar | 695 909 Franken |
An der Militärintervention im Jemen direkt beteiligt waren (Stand 27. März 2015): Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Bahrain, Katar, Jordanien, Ägypten und Sudan. Indirekt unterstützten den Krieg: USA, Grossbritannien, Frankreich, Türkei, Marokko und Belgien. Die Militärintervention lehnten ab: Iran, Volksrepublik China, Russland.
Der Krieg im Gazastreifen
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Israel im vergangenen Jahr Waffen im Wert von Milliarden von Dollar zur Verfügung gestellt. Ohne diese Waffen hätte Israel im Gazastreifen, in Syrien, im Libanon und im Jemen nicht Krieg führen können. Der Menschenrechtsrat der UN verlangte mit 28 zu 6 Stimmen bei 13 Enthaltungen ein sofortiges Waffenembargo gegen Israel, was von den USA abgelehnt wurde, weil sie ihre Lieferungen fortsetzen wollten. Massgeblich unterstützten auch Deutschland und Italien Israel mit Rüstungslieferungen im Gazakrieg und wurden damit zu Kriegsparteien (nau.ch).
Krieg in der Ukraine
Die USA waren im letzten Jahr der grösste Waffenlieferant der Ukraine und unterstützten den Krieg logistisch. Auch andere Empfänger von Schweizer Kriegsmaterial, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, die Niederlande, Portugal, Rumänien und Schweden wurden mit ihren Rüstungslieferungen an die Ukraine, der logistischen Unterstützung und der Ausbildung von ukrainischen Soldaten zu Kriegsparteien. Diesen Ländern, diesen Kriegsparteien, hätte die Schweiz kein Kriegsmaterial mehr liefern dürfen.
Tschetschenienkriege in Russland
Trotz dem ersten und dem zweiten Tschetschenienkrieg, die von der Russischen Föderation zur Bekämpfung des dschihaddistischen Terrors geführt wurden, ist Russland von 1997 bis 2022 aus der Schweiz für 104,5 Mio. Franken mit Kriegsmaterial und besonderen militärischen Gütern beliefert worden. Der erste Tschetschenienkrieg dauerte von 1994 bis 1996, der zweite von 1999 bis 2009).

Erstes Opfer in Kriegen ist immer die Zivilbevölkerung, wie aktuell die Bombardierungen im Gazastreifen einmal mehr zeigen. Unser Bild von Grosny zeigt die furchtbaren Zerstörungen im Zweiten Tschetschenienkrieg.
Der Drohnenkrieg der USA
Einer der Bezüger von Schweizer Kriegsmaterial, die Vereinigten Staaten von Amerika führen nicht nur Kriege. Sie ermorden auch Menschen mit unbemannten Flugzeugen – Drohnen – ohne rechtliche Grundlage. Gezielt wird auf Menschen in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Irak und vielen anderen Ländern. Es handelt sich um Hinrichtungen auf Verdacht, und manchmal genügt das Aussehen der Opfer für ein Todesurteil. Der Mythos, die Drohnen träfen nur eindeutig identifizierte Terroristen und dies präzise, ist vollkommen falsch. Es sterben dabei viele Zivilisten, auch Kinder und ganze Hochzeitsgesellschaften. Technisch gesehen ist der Drohnenkrieg der USA nur möglich durch die Satelliten-Relaisstation auf der US Air Base Ramstein in Deutschland, welche die Steuerung der Drohnen in Afrika, im Nahen Osten und anderswo in der Welt ermöglicht. Die USA liegen hierfür, bedingt durch die Erdkrümmung, schlichtweg zu weit weg. Anders gesagt: Ohne die Bodenstation in Ramstein wäre der Drohnenkrieg der USA gar nicht möglich.
Der Drohnenkrieg via Deutschland lief im Geheimen und wurde von deutschen Politikern jahrelang vertuscht. 2012 wurde er bekannt unter anderem durch den Whistleblower Brandon Bryant, der fast sechs Jahre lang für das US-Militär als Drohnenpilot arbeitete.
→ Tausende zivile Opfer – Der schmutzige Drohnenkrieg der USA – News SRF
→ Den Ramstein ins Rollen gebracht | Manova-Magazin

«Warum habt ihr meine Familie getötet?»
Waffengeschäfte nicht vereinbar mit der humanitären Verpflichtung
In den letzten Jahrzehnten hat die Schweiz für Milliarden Kriegsmaterial exportiert, zur Hauptsache an Staaten, die an Kriegen beteiligt waren. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen finanzieren heute mit Milliarden Rüstungskonzerne und Waffengeschäfte. Es wird sogar in Firmen investiert, die verbotene Waffen herstellen wie Streubomben, Antipersonenminen und Atombomben. Diese Geschäfte sind nicht vereinbar mit der humanitären Verpflichtung der Schweiz, sowenig wie mit der Neutralität und auch der Rechtsstaatlichkeit.
Waffen für Kriege, die seit 1990/91 geführt wurden
Seit 1990/91 gab es fünf grosse, westlich geführte Kriege: 1990 im Irak, 1999 in Jugoslawien, 2001 bis 2021 in Afghanistan, 2003 bis 2012 erneut im Irak und 2011 in Libyen. Allein diese fünf Kriege haben mehrere Millionen Menschen verletzt oder ihnen das Leben gekostet und die entsprechenden Regionen in ein wirtschaftliches und soziales Desaster gestürzt. Diese Kriege haben auch hunderttausende Kriegsinvalide und traumatisierte Menschen hinterlassen und Millionen Flüchtlinge. Die Schweiz lieferte diesen kriegführenden westlichen Staaten mit dem Segen der Regierung in Bern, den sieben Bundesrätinnen und Bundesräten, trotzdem laufend Rüstungsgüter. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften und von ausländischen Rüstungskonzernen durch Schweizer Institutionen wurde in dieser Periode nicht gestoppt.
Die neutrale, dem Frieden und der Humanität verpflichtete Schweiz ist Sitz des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf. Unser Land ist immer wieder engagiert bei Friedensverhandlungen, deshalb sollte die Schweiz kein Kriegsmaterial mehr exportieren. Helvetien im Herzen Europas, das sich für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung einsetzt, dürfte auch keine Waffengeschäfte mehr finanzieren und kein Geld in ausländische Rüstungskonzerne investieren.
PDF-Dokumente im Anhang
→ Liste der Ausfuhren von Kriegsmaterial Januar bis September 2024
→ Benützte Abkürzungen in Statistiken des Bundes
→ Flugblatt «ZKB angreifen!»