
Demonstranten in Genf verurteilen den Völkermord Israels in Gaza, Oktober 2024. Eine für den 7. März 2025 in der Stadt geplante UN-Konferenz über die Rechte der Palästinenser wurde auf Druck Israels von der Schweizer Regierung abrupt abgesagt. Eric Dubost ZUMAPREss/Newscom
Die «neutrale» Schweiz sagt UN-Konferenz auf Druck Israels ab
von ALI ABUNIMAH, 7. März 2025
Die Schweiz hat eine Konferenz, die sie im Auftrag der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Rechte der Palästinenser unter israelischer Militärbesatzung abhalten sollte, abrupt abgesagt. Der Beschluss erfolgte diese Woche auf Druck Israels und offenbar aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen der Vereinigten Staaten.
Die Schweiz, die sich als neutral bezeichnet, ist Depositarstaat der Vierten Genfer Konvention von 1949, einem wichtigen internationalen Vertrag zum Schutz der Zivilbevölkerung unter militärischer Besatzung.
Im vergangenen September stimmten 124 UN-Mitgliedstaaten für eine wegweisende Resolution, die das historische Urteil des Internationalen Gerichtshofs bestätigt, dass die Besetzung palästinensischen Landes durch Israel per se illegal ist und innerhalb von 12 Monaten beendet werden muss.
Zudem wurde die Schweiz in der Resolution beauftragt, eine Konferenz der Staaten einzuberufen, die die Vierte Genfer Konvention unterzeichnet haben – sogenannte Hohe Vertragsparteien –, um «die Konvention im besetzten palästinensischen Gebiet, einschliesslich Ost-Jerusalem, durchzusetzen und deren Einhaltung sicherzustellen».
Russland, China, Brasilien, Südafrika und sogar enge Verbündete Israels wie Frankreich, Spanien und Belgien gehörten zur grossen globalen Mehrheit, die die Massnahme unterstützte.
Nur 14 Regierungen stimmten gegen die Resolution, darunter Israel und die Vereinigten Staaten. 43 Staaten enthielten sich der Stimme.
«Mangel an Konsens»
Doch trotz der überwältigenden weltweiten Unterstützung für die Konferenz sagte die Schweiz diese am Donnerstag ab, einen Tag bevor sie in Genf stattfinden sollte, und berief sich dabei auf einen «mangelnden Konsens».
Die Schweizer Regierung erklärte, nachdem sie einen «Entwurf der Abschlusserklärung» zur Annahme durch die Konferenz vorgelegt habe, sei «klar geworden, dass die unterschiedlichen Positionen der Hohen Vertragsparteien bedeuten, dass es keine ausreichende Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für die Durchführung der Konferenz und die Annahme einer Abschlusserklärung geben würde».
Diese Ausrede konnte Beobachter wie Craig Mokhiber, einen UN-Menschenrechtsbeauftragten, der im Oktober 2023 wegen der Untätigkeit der Weltorganisation angesichts des sich abzeichnenden Völkermords Israels in Gaza zurücktrat, nicht überzeugen.
Shocking abdication by
swiss_un</a> as the depository of the Geneva Conventions announcing it will refuse to convene the Conference of Parties to the Geneva Conventions to deal with the crimes of the israeli regime, despite demand by UN & most states. <a href="https://t.co/0ngWnAXa82">https://t.co/0ngWnAXa82</a></p>— Craig Mokhiber (
CraigMokhiber) March 6, 2025
«Schockierende Ankündigung von @swiss_un als Depositarin der Genfer Konventionen, dass sie sich weigern werde, die Konferenz der Vertragsparteien der Genfer Konventionen zur Behandlung der Verbrechen des israelischen Regimes einzuberufen, trotz der Forderung der UNO und der meisten Staaten.»
«Dass die Schweiz die Erklärung verwässert hat, um sich mit den Täterstaaten und ihren mitschuldigen Verbündeten gut zu stellen, anstatt sich an die Vorgaben des humanitären Völkerrechts zu halten, wie sie in der [Vierten Genfer Konvention] festgelegt sind, und dann die Konferenz wegen angeblicher Uneinigkeit absagt, stellt einen klaren Akt der Politisierung, einen Verstoss gegen die Neutralität, eine Aufgabe ihrer Pflichten als Depositarin und einen klaren Versuch dar, den Prozess zu sabotieren», schrieb Mokhiber am Freitag.
Mokhiber wies darauf hin, dass die grosse Weltmehrheit für die Konferenz gestimmt hatte, und fügte hinzu: «Dennoch weigert sich die Schweiz, die Konferenz einzuberufen. Damit verstösst sie gegen ihre Pflichten als Depositarin der Genfer Konventionen und signalisiert, dass die historische Schweizer Tradition der Neutralität tot ist.»
Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) – ein Zusammenschluss von Dutzenden mehrheitlich muslimischen Ländern – bedauerte, dass die Konferenz abgesagt wurde, und beschuldigte ebenfalls implizit die Schweiz für das Scheitern.
Die OIZ-Mission in Genf erklärte, dass «der Entwurf der Erklärung weder das vereinbarte Mandat erfüllte, noch der Schwere der Situation gerecht wurde».
Infolgedessen «konnte er nicht die notwendige überregionale Unterstützung mobilisieren, auch nicht von den OIZ-Mitgliedsstaaten».
OIC Group’s Press Release on the Conference of High Contracting Parties to the Fourth Geneva Convention
— OIC Group in Geneva (@OICinGeneva) March 7, 2025
Full text ?? pic.twitter.com/jli7LyeofR
Druck aus Israel, Angst vor Washington
Das israelische Aussenministerium begrüsste die Absage als eine «bedeutende diplomatische Leistung» und würdigte die Arbeit seines Aussenministers Gideon Sa’ar, der «intensiv … unter dem Radar» daran gearbeitet hatte, die Konferenz zu verhindern.
Doch schon bevor die Schweiz offenbar dem israelischen Druck nachgab und die Konferenz absagte, versuchte sie bereits, sich ihren Verpflichtungen zu entziehen und das Treffen in eine leere Farce zu verwandeln.
«Die Nervosität im Aussenministerium ist in den letzten Wochen gestiegen», berichtete die öffentlich-rechtliche Schweizer News- und Informationsplattform SWI swissinfo.ch am Donnerstag, bevor die Absage bekannt gegeben wurde.
«Israel hat die Schweiz dafür verurteilt, dass sie Gastgeberin der Veranstaltung ist, die es als ‹Teil des juristischen Krieges gegen Israel› ansieht», berichtete SWI swissinfo.ch.
Und obwohl in der UN-Resolution vom September 2024 festgelegt wurde, dass sich die Konferenz auf die Umsetzung der Vierten Genfer Konvention in den besetzten palästinensischen Gebieten konzentrieren sollte, stellte SWI swissinfo.ch fest, dass «im Vorfeld des Treffens zu hören ist, dass an der Konferenz keine konkreten Beispiele oder aktuellen Konflikte erörtert, ja nicht mal erwähnt werden sollten».
«Dieses Lavieren ist für die Schweiz im – mit juristischen und politischen Fallstricken gefüllten – Nahostkonflikt typisch», fügte der öffentlich-rechtliche Sender hinzu.
Die Alpennation scheint nicht nur Angst vor Kritik aus Israel, sondern auch aus Washington zu haben, dem wichtigsten politischen Sponsor, Waffenlieferanten und Komplizen Israels beim Völkermord.
Die geplante Konferenz «findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem Israel enge Beziehungen zur neuen Trump-Regierung in den Vereinigten Staaten unterhält», stellte SWI swissinfo.ch fest.
«Das ist ein weiterer Grund für die vorsichtige Herangehensweise der Schweiz – derzeit kann auf der internationalen Bühne alles zu einem diplomatischen Faustpfand werden. In Bern ist man vor allem besorgt über die amerikanischen Zölle auf Schweizer Exporte.»
Mokhiber stellt den Kniefall der Schweiz in den Kontext des umfassenderen Angriffs auf internationale Institutionen, der darauf abzielt, Israel abzuschirmen.
«Block für Block reissen westliche Regierungen das moderne Gebäude des Völkerrechts ein, um ein einziges, tyrannisches ausländisches Regime zu schützen – ein Regime, das derzeit vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermordes angeklagt ist und dessen Führer vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht werden», schrieb Mokhiber.
«Die Schweiz hat sich diesem vandalistischen Projekt angeschlossen, indem sie Journalisten verhaftet, die das israelische Regime kritisieren, und nun die Genfer Konferenz blockiert, die von einer klaren Mehrheit der Länder gefordert wurde, um das Regime zur Rechenschaft zu ziehen.»
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Quelle: The Electronic Intifada. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.