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Der ukrainische «Präsident» Wolodymyr Selenskyj vor collagierten Bildern von Soldaten und einer vom Krieg zerstörten Ortschaft. Illustration: Mahdi Rteil/Al-Mayadeen English.

Sechs Jahre zerstörte Hoffnungen auf Frieden und Versöhnung in der Ukraine

In die Präsidentschaft von Selenskyj wurden einst grosse Hoffnungen auf Frieden gesetzt, doch stattdessen hat sie den Konflikt verschärft, die autoritäre Herrschaft ausgeweitet und die Ukraine an die geopolitischen Ziele des Westens gebunden, wodurch das Land gespalten und desillusioniert zurückbleibt.

von DMITRI KOWALEWITSCH, 30. Mai 2025

Vor sechs Jahren, am 20. Mai 2019, wurde in der Ukraine ein neuer Präsident vereidigt, nachdem er den amtierenden Petro Poroschenko, der im Mai 2014 gewählt worden war, mit grossem Vorsprung besiegt hatte. Die Wahl von Poroschenko fand nur knapp drei Monate nach dem Staatsstreich statt, durch den der gewählte und rechtmässige Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, sowie das nationale Parlament gestürzt worden waren.

Poroschenko ist einer der reichsten Männer der Ukraine. Seine fünfjährige Präsidentschaft hat die Ukraine als feindseliges, «anti-russisches» Land im Dienste der westlichen Mächte auf die Weltkarte gesetzt.

Nach dem Wahlkampf von 2019 führte der neue Präsident, Wolodomyr Selenskyj, den radikalen ethnischen Nationalismus seines Vorgängers Poroschenko fort, obwohl Selenskyj im Wahlkampf vorgegaukelt hatte, er werde den blutigen Bürgerkrieg beenden, den Kiew seit 2014 gegen die Bevölkerung im Donbass führt. Er deutete an, dass er die politische und kulturelle Unterdrückung der pro-sowjetischen Ukrainer beenden würde, die sich in der Ukraine seit dem Putsch rasch verschärft hatte.

Schon kurz nach der Auszählung der Stimmen im April 2019 wurde klar, dass der politische Kurs, den die westlichen Botschaften während und nach dem Euromaidan-Putsch 2014 festgelegt hatten, unverändert bleiben würde. Selenskyj änderte nach und nach seine Rhetorik und passte sie der seines milliardenschweren Vorgängers an.

Ein Wendepunkt war, wie Analysten damals feststellten, Selenskyjs Besuch in London im Oktober 2020 bei dem britischen Geheimdienstchef Richard Moore. Dort übermittelte der britische Beamte düstere Warnungen vor «russischer Einmischung und Aggression», die bei Selenskyj angeblich auf offene Ohren stiessen. Achtzehn Monate später stattete der damalige britische Premierminister Boris Johnson Selenskyj in Istanbul einen Sonderbesuch ab, um die laufenden Friedensgespräche mit der Russischen Föderation zu sabotieren. Die Friedensgespräche verliefen zunächst positiv, doch Johnsons Sabotage war erfolgreich.

Ein «Präsident» ohne demokratische Legitimität

Die Amtszeit von Selenskyj endete im April 2024, doch mehr als ein Jahr später gibt es immer noch keine Anzeichen dafür, dass er zurücktreten oder Neuwahlen ausrufen wird. Die ukrainische Verfassung sieht alle fünf Jahre Wahlen für das Präsidentenamt und die Legislative (Rada) vor. Das politische Ansehen von Selenskyj hat sich in den letzten sechs Jahren erheblich verändert.

Vor 2019 war Selenskyj ein beliebter Komiker und Schauspieler. Heute ist er ein kriegstreibender Präsident, der überall Verschwörungen gegen sich sieht. Die ukrainische Geheimpolizei veröffentlicht regelmässig und gewissenhaft angebliche «Verschwörungen» gegen ihn (um ihre Karrierechancen zu verbessern).

In kapitalistischen Staaten korrumpiert Macht diejenigen, die sie ausüben, und für Selenskyj sind militärische Massnahmen gegen Russland und die behauptete Notwendigkeit massiver politischer Unterdrückung im eigenen Land zu einem Vorwand geworden, um nicht nur seine Herrschaft zu verlängern, sondern auch die Machtkonzentration zu vergrössern. Westliche Politiker und Massenmedien haben ihn unter dem Vorwand der «Verteidigung der Demokratie» voll und ganz auf seinem autoritären Weg der Machtanmassung unterstützt. Bei diesem Vorwand geht es jedoch nicht um «Demokratie» als grundlegende Struktur der Gesellschaft. Vielmehr wird er als Machtinstrument eingesetzt, dessen sich Autoritäre bedienen, indem sie sich den Begriff «Demokrat» als eine Art Markenzeichen aneignen.

Eine führende Figur des Euromaidan-Putsches von Ende 2013/Anfang 2014, der ehemalige Rada-Abgeordnete Igor Mosijtschuk, vergleicht heute das Verhalten der westlichen Verbündeten Kiews mit dem Verhalten von Plünderern während einer Schlägerei. «Wissen Sie, woran sie mich erinnern? An zwei Nachbarn, die sich blutig prügeln, einander die Arme brechen und gegenseitig ihre Häuser anzünden. Andere Nachbarn rufen dann: ‹Löscht das Feuer, hört auf zu kämpfen!›, aber bei der ersten Gelegenheit rennen sie ins Haus, um alles Wertvolle zu stehlen. Das sind die westlichen Partner, die wir haben», sagt der inzwischen desillusionierte ukrainische Nationalist.

Mosijtschuk lebt im Exil in Europa. Am 25. Mai kündigte Selenskyj neue Sanktionen gegen ihn und andere Personen an, die als «Bedrohung für die Interessen der Ukraine» eingestuft werden.

Vor sechs Jahren sagte Selenskyj, er habe keine Angst davor, seine Umfragewerte und seine Macht zu verlieren, solange die Menschen nicht unnötig leiden und sterben müssten. Er versprach sogar, die Sprache und Kultur der russischsprachigen Bürger in der Ukraine zu respektieren, bestimmte Steuern zu senken und die Sozialleistungen und Renten zu verbessern. In den mehr als sechs Jahren seiner Amtszeit hat Selenskyj jedoch kaum jemals die Ukraine ausserhalb Kiews besucht. Seine aufgezeichneten Videobotschaften an die Bevölkerung des Landes werden in der Regel im Ausland produziert.

Viele Auslandsreisen für das «Selenskyj-Projekt»

Die britische Zeitung Sunday Times berichtete am 17. Mai, dass Selenskyj während seiner Präsidentschaft 134 Länder besucht habe. Deutschland war mit elf Besuchen das häufigste Reiseziel, gefolgt von Frankreich mit zehn und den Vereinigten Staaten mit neun Besuchen.

Seit Anfang 2025 hat Selenskyj 23 Auslandsreisen in 18 Länder unternommen, berichtet die Zeitung. Der Fokus auf Auslandsreisen ist ein Zeichen für die schwindende Unabhängigkeit der Ukraine und für Selenskyjs Entfremdung von seinem eigenen Land. Dieser Mann wünscht sich, dass seine Heimat nicht die Ukraine wäre und dass er irgendwo in London leben könnte.

Es gibt noch einen weiteren Grund für Selenskyjs ständige Reisen, nämlich die westlichen Mächte und ihr «Selenskyj-Projekt»: Der Mann, die Sache, für die er sich einsetzt, und die Tränen, die er vor den Kameras vergiesst, werden dazu benutzt, die Länder des Globalen Südens aus dem Einflussbereich Russlands und Chinas zu lösen und zumindest ein paar von ihnen wieder «in die Herde» der Länder zu treiben, die dem Westen unterworfen sind.

Der ehemalige Berater des ukrainischen Präsidenten, Oleksij Arestowytsch, sagt, dass die Handler von Selenskyj ihren antirussischen Kurs fortsetzen und damit unzählige Ukrainer auf den Schlachtfeldern zum Tode verurteilen und den Tod des ganzen Landes riskieren. Laut Arestowytsch hoffen viele Menschen in der Ukraine nun auf ein Traumszenario, in dem die westlichen Mächte «aufwachen» und sich direkt an den Kämpfen gegen Russland beteiligen. «Das ist die letzte Hoffnung des Selenskyj-Regimes, den Menschen in der Ukraine Sand in die Augen zu streuen, damit sie nicht sehen, was dem Land bevorsteht. Es ist die letzte Hoffnung, denn danach bleibt nur noch die nackte Realität, und die ist für viele unerträglich.»

Ein unlösbarer Konflikt?

Der Rada-Abgeordnete Aleksander Dubinsky, ein ehemaliges Mitglied von Selenskyjs «Diener-des-Volkes»-Wahlkampfteam, glaubt, dass das Hauptziel von Selenskyj und seinen europäischen Herren darin besteht, den Krieg zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation in einen unlösbaren ethnischen Konflikt zu verwandeln, der ewig andauern soll. Er ist jedoch überzeugt, dass Selenskyj und die fanatischen ethnischen Nationalisten, die ihn umgeben, bereits der Vergangenheit angehören. Fast niemand in der Ukraine glaubt noch an ihre Zukunft.

Dubinsky glaubt, dass es für Selenskyj und die ihn umgebenden Ultranationalisten zahlreiche beunruhigende Warnsignale gibt: Die Wut der Bevölkerung über die enttäuschten Hoffnungen auf Frieden oder zumindest eine Entspannung der Beziehungen zu Russland nach den Wahlen von 2019; die Verachtung für Selenskyjs theatralischen Narzissmus; die Demütigungen, denen das ukrainische Militär ausgesetzt ist; und die Wut der Soldaten, die geschlagen und gedemütigt wurden, während sie gegen ihren Willen ihr Leben riskierten und viele von ihnen ums Leben kamen. All diese Faktoren könnten in der Ukraine in neuen Gewaltausbrüchen explodieren, als Rache für alles Hasserfüllte und Zerstörerische, das seit 2014 geschehen ist.

Dubinskys ehemaliger Kollege, der Abgeordnete Artem Dmitruk, der nach London geflohen ist und dort lebt, bezeichnet den 20. Mai 2019 (den Tag der Amtseinführung von Selenskyj) als den Tag, an dem die Hoffnung begann, sich in eine Katastrophe zu verwandeln. «Niemand hätte sich vorstellen können, dass alles so enden würde … Dass wir unser Land am Rande des Untergangs vorfinden würden; dass Tod zur alltäglichen Realität werden würde; dass Morde in Kellern oder auf der Strasse zur Norm werden würden; dass Hysterie den gesunden Menschenverstand ersetzen würde; dass Ignoranz zu einem Gebot und Wahrheit zu einem Verbrechen werden würde.» So fasst der ehemalige Apparatschik der «Diener des Volkes» die Ergebnisse der sechsjährigen Herrschaft seines ehemaligen Chefs zusammen.

Laut Dubinsky ist es dringend notwendig, Schlussfolgerungen aus der nationalen Tragödie zu ziehen. Er warnt insbesondere vor jeglicher Art von theatralischer Inszenierung, wenn es um die Auswahl künftiger politischer Führer geht.

Ein ehemaliger Mitarbeiter der ukrainischen Botschaft in den Vereinigten Staaten, der Politikwissenschaftler Andreji Telizhenko, hat kürzlich prognostiziert, dass ein neuer ukrainischer Politiker, der Selenskyj ablösen wird, noch in diesem Jahr ein Friedensabkommen mit der Russischen Föderation unterzeichnen wird. «Dieser Krieg wird bis zum Ende des Jahres andauern. Irgendwann könnte eine ‹neutrale› Regierung an die Macht kommen, und Selenskyj wird nicht mehr da sein. Es wird eine Übergangsregierung gebildet, und Washington und Moskau werden sich auf ein Ende des Konflikts einigen. Danach könnte ein neuer Friedensprozess beginnen», lautet seine Prognose.

Laut positiven Prognosen, die derzeit im Land und darüber hinaus kursieren, wird die Ukraine von Neonazi-Gruppierungen gesäubert werden, eine politische Opposition an einem Wahlprozess teilnehmen, sofern die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet werden kann, und viele Bürger werden in ihre Heimat zurückkehren, um sich an den Wahlen zu beteiligen, sobald sie sich sicher fühlen.

Gefangenenaustausche sind mehr, als sie scheinen

Die Zahl der politischen Gefangenen in der Ukraine ist nach wie vor unbekannt, aber die Behörden melden täglich die Festnahme oder Verhaftung von Personen, denen «Verrat» vorgeworfen wird. Dazu gehören Antifaschisten, Ukrainer, die ihre Grossväter ehren, die während des Grossen Vaterländischen Krieges in den Reihen der Roten Armee gefallen sind, sowie sämtliche öffentlichen Kritiker von Selenskyj.

Hinzu kommen Geschäftsleute und andere vermögende Personen, die derzeit von ukrainischen Spezialeinheiten festgenommen werden und deren Eigentum beschlagnahmt wird. Für die Freilassung werden Lösegeldzahlungen gefordert.

Während der stockenden Friedensgespräche, die Anfang dieses Monats in Istanbul stattfanden, einigten sich die Ukraine und Russland auf einen Gefangenenaustausch von jeweils 1000 Personen. Kiew forderte einen «Eins-zu-eins»-Austausch. Allerdings gibt es in der Ukraine viel weniger russische Kriegsgefangene als ukrainische Soldaten, die in Russland inhaftiert sind.

Die russische Armee ist in den letzten Monaten stetig vorgerückt; es sind hauptsächlich Ukrainer, die in Gefangenschaft geraten. Wie sich herausstellt, zählen die ukrainischen Behörden auch zivile Dissidenten, die dem Selenskyj-Regime untreu sind, zu ihren «russischen Kriegsgefangenen» im Rahmen des Gefangenenaustauschs. «Am Vorabend des bislang grössten Gefangenenaustauschs von ‹1000 gegen 1000› füllten sich die Untersuchungshaftanstalten in der Ukraine mit Häftlingen, denen ‹Verrat›, ‹Separatismus›, ‹Kollaboration› und andere ähnliche politische Vorwürfe gemacht wurden. Diese Häftlinge wurden dann für den Kriegsgefangenenaustausch verwendet», berichtet die ukrainische Online-Publikation Strana am 20. Mai.

Zu den Personen, die Kiew im Austausch für seine gefangenen Soldaten anbietet, gehören Geschäftsleute, Jugendliche, die beim Fotografieren oder Filmen von militärischen Einrichtungen (was unter dem ukrainischen Kriegsrecht strengstens verboten ist) erwischt wurden, Personen, die Fahrzeuge von Militärrekrutierern in Brand gesetzt haben, sowie Personen, die einfach unter dem Vorwurf «pro-russischer» Ansichten oder Sympathien hereingelegt oder verraten wurden.

Die Schuld für die Ukraine-Krise suchen

Der ukrainische Politikwissenschaftler Oleg Yasinsky schreibt aus Chile, dass das in der Ukraine umgesetzte Projekt darauf abzielt, Russland zu schwächen, wenn nicht gar die Einheit der Russischen Föderation zu zerstören. Er argumentiert, dass das Projekt lange vor 2022, sogar vor 2014, entstanden sei. Ihm zufolge ändern sich derzeit «Rollen und Masken», aber der ukrainische Staat, der sich für das anti-russische Projekt instrumentalisieren liess, sei «längst von der globalen Macht der Konzerne verschlungen und verdaut worden und verseucht nun mit dem, was von ihm übrig geblieben ist, die politische Landschaft».

Seiner Meinung nach bleibt von der Ukraine nur ein geschändetes Land, ein zerstörtes Volk und ein herzloser Plan zur Geldvermehrung, den weder Donald Trump noch Unternehmen wie BlackRock verwirklichen können.

Laut Yasinsky tragen auch wir Ukrainer eine Mitschuld an der sich zuspitzenden Katastrophe. «Als unsere Tragödie im Voraus geplant und kalkuliert wurde, haben das viele von uns klar erkannt, aber uns fehlte der Mut, die Weisheit oder einfach die richtigen Worte, um den Sturz in den Abgrund zu verhindern», sagt er.

Heute besteht die dringendste Aufgabe darin, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um das Bewusstsein der Menschen in den westlichen Ländern zu schärfen, von denen die Ukraine weiterhin abhängig ist, um Krieg zu führen, schreibt Yasinsky. Er fordert nicht «Friedensdemonstrationen», sondern kollektiven Ungehorsam und «das Anzünden der Militärfabriken in Borrells Garten». (Yasinsky bezieht sich hier auf die Aufsehen erregenden Worte des EU-Aussenministers Josep Borrell aus dem Jahr 2022, als er Europa mit einem «Garten» verglich und den Rest der Welt als «Dschungel» bezeichnete.)

Sechs Jahre Herrschaft von Selenskyj – fünf Jahre nach einer manipulierten Präsidentschaftswahl, gefolgt von einer seit über einem Jahr andauernden Usurpation der Macht – haben den Ukrainern gezeigt, dass Worte, die in den Machtzentren des Westens ausgesprochen werden, nichts bedeuten. Während die Herrschaft früherer ukrainischer Präsidenten zumindest teilweise mit ihrem Programm und ihren Versprechen übereinstimmte, vollzieht das Selenskyj-Regime eine komplette Kehrtwende um 180 Grad, die zynisch durch die Tränen und Hysterie des Mannes verschleiert wird.

Die Ukraine wird bald aus diesem Krieg herauskommen und Selenskyj loswerden. Aber die vom Westen geförderte und angeheizte Täuschung der Wähler wird weiterbestehen. In der Tat werden dieselben Täuschungsmanöver auch an Bürgern anderer Länder ausprobiert. Auch sie werden aufgefordert, Opfer zu bringen, um die kapitalistische Vorherrschaft des Westens aufrechtzuerhalten. Diejenigen unter ihnen, die ein Herz und eine Seele haben, werden Widerstand leisten und sich mit anderen zusammenschliessen, um einen Weg in eine andere Zukunft zu bahnen, eine Zukunft der sozialen Gerechtigkeit, des Respekts und der Gleichheit zwischen den Völkern. Das kann nicht früh genug geschehen.
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Dmitri Kowalewitsch ist ukrainischer Journalist und Mitglied der kommunistischen Organisation Borotba, die in der Ukraine seit dem Euromaidan-Putsch von 2014 verboten ist. Er ist Sonderkorrespondent in der Ukraine für den Nachrichtensender Al Mayadeen English.

Quelle: Al Mayadeen. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.