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Illustration: MintPress News

Enthüllt: Ehemalige israelische Spione arbeiten in Spitzenjobs bei Google, Facebook und Microsoft

von ALAN MACLEOD1

Eine Studie von MintPress hat ergeben, dass Hunderte ehemaliger Agenten der berüchtigten israelischen Spionageorganisation Einheit 8200 einflussreiche Positionen in vielen der grössten Technologieunternehmen der Welt erlangt haben, darunter Google, Facebook, Microsoft und Amazon.

Die Einheit 8200 der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ist berüchtigt für die Überwachung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung und die Anhäufung von Kompromat über Einzelpersonen zu Erpressungszwecken. Die Einheit 8200, die die Reichen und Berühmten der Welt ausspioniert, machte letztes Jahr Schlagzeilen, nachdem der Pegasus-Skandal ans Licht gekommen war. Ehemalige Offiziere der Einheit 8200 entwickelten und implementierten Software, die Zehntausende Politiker ausspionierte und wahrscheinlich zur Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi beitrug.

Google

Der Jobbörse LinkedIn zufolge arbeiten derzeit mindestens 99 ehemalige Veteranen der Einheit 8200 für Google. Diese Zahl unterschätzt allerdings mit ziemlicher Sicherheit das Ausmass der Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen. Denn diese Zahl erfasst keine ehemaligen Google-Mitarbeiter. Ebenso wenig werden jene eingerechnet, die kein öffentliches LinkedIn-Konto haben, oder jene, die zwar ein Konto haben, aber ihre frühere Verbindung zu der hochtechnologisierten israelischen Überwachungseinheit nicht offengelegt haben. Dabei handelt es sich vermutlich um eine beträchtliche Zahl, da es den Agenten ausdrücklich verboten ist, ihre Verbindung zur Einheit 8200 jemals preiszugeben. Die Zahl 99 stellt also lediglich die Anzahl der aktuellen (oder ganz jungen) Google-Mitarbeiter dar, die das israelische Militärrecht dreist missachten, indem sie die Organisation in ihren Profilen angeben.

Hierzu zählen unter anderem:
Gavriel Goidel: Zwischen 2010 und 2016 diente Goidel in der Einheit 8200 und stieg dort zum Leiter der Abteilung für Ausbildung auf. Er leitete ein grosses Team von Agenten, die Geheimdienstdaten durchforsteten, um «Muster feindlicher Aktivisten zu verstehen», wie er es selbst formulierte, und diese Informationen an Vorgesetzte weiterleiteten. Ob davon auch die über 1000 Zivilisten aus Gaza betroffen waren, die Israel 2014 bei seinem Bombardement des Gazastreifens tötete, ist unbekannt. Goidel wurde kürzlich zum Leiter für Strategie und Operationen.

Jonathan Cohen: Cohen war während seiner Zeit in der Einheit 8200 (2000–2003) Teamleiter. Seitdem war er mehr als 13 Jahre lang in verschiedenen leitenden Positionen für Google tätig und ist derzeit Leiter für Erkenntnisse, Daten und Messungen.

Ori Daniel: Zwischen 2003 und 2006 war Daniel technischer Betriebsspezialist bei Unit 8200. Nach seiner Tätigkeit bei Palantir wechselte er 2018 zu Google, wo er zum Leiter des globalen Selbstbedienungsbereichs von Google Waze aufstieg.

Ben Bariach: Fast fünf Jahre lang, von 2007 bis 2011, war Bariach als Cyber-Geheimdienstoffizier tätig und leitete dort strategische Teams aus Eliteoffizieren und Fachleuten. Seit 2016 arbeitet er für Google. Zwischen 2018 und 2020 konzentrierte er sich auf die Bekämpfung von «kontroversen Inhalten, Desinformation und Cybersicherheit». Heute ist er Produktpartnerschaftsmanager bei Google in London.

Bemerkenswerterweise scheint Google nicht nur ehemalige Agenten der Einheit 8200 mit offenen Armen zu empfangen, sondern auch aktuelle Mitglieder der umstrittenen Organisation aktiv anzuwerben. So kündigte beispielsweise Gai Gutherz im Oktober 2020 seine Stelle als Projektleiter bei Einheit 8200 und wechselte zu Google, wo er eine Vollzeitstelle als Softwareentwickler annahm. 2018 schien Lior Liberman dasselbe getan zu haben: Nach vier Jahren im militärischen Geheimdienst nahm sie eine Stelle als Programmmanagerin bei Google an. Anfang des Jahres verliess sie Google und arbeitet nun bei Microsoft.

Spionage gegen Palästinenser

Manche mögen argumentieren, dass alle Israelis zum Militärdienst verpflichtet seien und es daher kein Problem sei, wenn junge Menschen die technischen Fähigkeiten, die sie in der israelischen Armee erworben haben, im zivilen Leben anwenden. Kurz gesagt, warum soll die Pipeline von Einheit 8200 zum Silicon-Valley ein Problem sein?

Zunächst einmal ist die Einheit 8200 kein gewöhnliches Regiment. Sie wird als «Israels NSA» bezeichnet und befindet sich auf einem riesigen Stützpunkt nahe Beersheba in der Negev-Wüste. Sie ist die grösste Einheit der israelischen Streitkräfte – und eine ihrer exklusivsten. Die klügsten jungen Köpfe des Landes konkurrieren darum, in dieses israelische Harvard geschickt zu werden. Während für jüdische Israelis Wehrpflicht besteht, wird arabischen Bürgern des Landes davon abgeraten, dem Militär beizutreten, und vor allem werden sie faktisch vom Zugang zur Einheit 8200 ausgeschlossen. Sie sind schliesslich ja auch das Hauptziel der Überwachungsoperationen des Apartheidstaates.

Die Financial Times bezeichnete die Einheit 8200 als «Israel von seiner besten und schlechtesten Seite» – das Herzstück sowohl der aufstrebenden Hightech-Industrie als auch des repressiven Staatsapparats. Veteranen der Einheit 8200 entwickelten viele der weltweit am häufigsten heruntergeladenen Apps, darunter den Kartendienst Waze und die Kommunikations-App Viber. Doch 2014 schrieben 43 Reservisten, darunter mehrere Offiziere, einen Brief an Premierminister Benjamin Netanjahu, in dem sie ihm mitteilten, dass sie aufgrund der Beteiligung der Einheit an der politischen Verfolgung von Palästinensern nicht länger in ihren Reihen dienen würden.

Dabei wurden Big Data genutzt, um Dossiers über einen grossen Teil der einheimischen Bevölkerung zusammenzustellen, einschliesslich ihrer Krankengeschichte, ihres Sexuallebens und ihrer Suchhistorie, um diese später für Erpressungen zu verwenden. Musste eine bestimmte Person für eine wichtige medizinische Behandlung Kontrollpunkte passieren, konnte ihr die Erlaubnis entzogen werden, bis sie bereit war, sich zu fügen. Informationen, etwa ob eine Person ihren Ehepartner betrog oder homosexuell war, wurden ebenfalls als Köder für Erpressungen verwendet. Ein ehemaliger Mann der Einheit 8200 sagte, er habe im Rahmen seiner Ausbildung verschiedene arabische Wörter für «schwul» auswendig lernen müssen, um in Gesprächen darauf achten zu können.

Eine Auszeichnung für die Einheit 8200 der israelischen Streitkräfte (IDF) für geheime Operationen (24. Juni 2020). Foto | IDF

Am wichtigsten sei, so die Kritiker, dass Palästinenser insgesamt als Staatsfeinde betrachtet würden. «Es gibt keinen Unterschied zwischen Palästinensern, die an Gewalt beteiligt sind, und solchen, die es nicht sind», heisst es in dem Brief. Ausserdem wird behauptet, dass viele Geheimdienstinformationen nicht im Dienste Israels, sondern für mächtige Lokalpolitiker gesammelt wurden, die sie nach eigenem Ermessen nutzten.

Obwohl der Brief absichtlich vage gehalten war und niemanden namentlich nannte, wurde er als eine so schwergewichtige Drohung aufgefasst, dass Verteidigungsminister Moshe Ya’alon verkündete, dass diejenigen, die ihn unterzeichneten, «wie Kriminelle behandelt» würden.

Kurz gesagt: Einheit 8200 ist teilweise eine Spionage- und Erpressungsorganisation, die ihren Datenzugriff nutzt, um Gegner des Apartheidstaates zu erpressen. Dass diese Organisation so viele (buchstäblich Hunderte) Agenten in Schlüsselpositionen grosser Technologieunternehmen hat, denen die Welt unsere sensibelsten Daten (medizinische, finanzielle usw.) anvertraut, gibt Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Dies gilt insbesondere, da sie offenbar nicht zwischen «Bösen» und dem Rest von uns unterscheiden. Für Einheit 8200, so scheint es, ist jeder Freiwild.

Projekt Nimbus

Google pflegt bereits enge Beziehungen zur israelischen Regierung. Im vergangenen Jahr unterzeichnete das Unternehmen gemeinsam mit Amazon einen 1,2-Milliarden-Dollar-Vertrag mit Israel über die Bereitstellung militärischer Überwachungstechnologie – eine Technologie, die es der israelischen Armee ermöglichen wird, Palästinenser weiterhin illegal auszuspionieren, ihre Häuser zu zerstören und illegale Siedlungen auszubauen.

Der Deal führte zu einer Mitarbeiterrevolte in beiden Unternehmen. Rund 400 Mitarbeiter unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie die Zusammenarbeit verweigerten. Google zwang die jüdische Mitarbeiterin Ariel Koren wegen ihres Widerstands gegen den Deal, aus dem Unternehmen auszuscheiden. Koren erklärte später gegenüber MintPress:

Google bringt systematisch palästinensische, jüdische, arabische und muslimische Stimmen zum Schweigen, die sich über Googles Mitschuld an Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte Sorgen machen – bis hin zu formellen Vergeltungsmassnahmen gegen Arbeitnehmer und der Schaffung eines Klimas der Angst … Meiner Erfahrung nach hat das Unterdrücken von Dialog und abweichender Meinung auf diese Weise Google geholfen, seine Interessen am Geschäft mit dem israelischen Militär und der israelischen Regierung zu schützen.

Eine weitere Verbindung zwischen Google und dem israelischen Sicherheitsstaat besteht in der Cybersicherheitsgruppe Team8, einer Kooperation zwischen dem ehemaligen Google-CEO und -Vorsitzenden Eric Schmidt und drei ehemaligen Mitarbeitern der Einheit 8200, darunter deren ehemaliger Leiter Nadav Zafrir. Die Mission von Team8 besteht laut einer Pressemitteilung darin, «die offensiven und defensiven Fähigkeiten von Veteranen der israelischen Cyberkriegsbemühungen zu nutzen, um neue Sicherheits-Startups aufzubauen.»

Meta

Auch Meta – das Unternehmen, dem Facebook, Instagram und WhatsApp gehören – hat massiv aus den Reihen der Einheit 8200 rekrutiert.

Eine der einflussreichsten Personen bei Meta ist zweifellos Emi Palmor. Sie ist eine von 23 Personen, die im Aufsichtsgremium von Facebook sitzen. Das Aufsichtsorgan, von Mark Zuckerberg als Facebooks «Oberster Gerichtshof» bezeichnet, entscheidet kollektiv, welche Inhalte auf der Plattform zugelassen und gefördert und welche zensiert, gelöscht und unterdrückt werden sollen.

Palmor ist Veteranin der Einheit 8200 und wurde später Generaldirektorin des israelischen Justizministeriums. In dieser Funktion war sie direkt für die Beschneidung palästinensischer Rechte verantwortlich und gründete eine sogenannte «Internet Referral Unit», die Facebook dazu drängen sollte, palästinensische Inhalte auf seiner Plattform zu finden, gegen die die israelische Regierung Einwände hatte, und diese aggressiv zu löschen.

Andere ehemalige Mitglieder der Einheit 8200 bekleiden einflussreiche Positionen. So diente beispielsweise Eyal Klein, seit 2020 Leiter der Datenwissenschaft für Facebook Messenger, sechs Jahre lang als Hauptmann der umstrittenen israelischen Militäreinheit. Heute ist er für die Datenschutzfragen von Milliarden von Nutzern der Meta-Plattformen zuständig.

Ein weiterer ehemaliger Leiter von Unit 8200, der heute in einem grossen US-amerikanischen Technologieunternehmen arbeitet, ist Eli Zeitlin. Zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus Unit 8200 wechselte er zu Microsoft und stieg dort zum leitenden Entwicklungsmanager auf. Er wurde, wie er selbst sagt, zum «Ansprechpartner für Dateiverarbeitung und Cloud-Schutz». Seit sechs Jahren arbeitet er jedoch für Meta, wo er das Unternehmen bei der «Verhinderung von Datenmissbrauch durch Dritte» leitet – genau die Art von Tätigkeit, die die derzeitigen Führungskräfte von Einheit 8200 wahrscheinlich auch weiterhin ausüben werden.

Weitere Veteranen der Einheit 8200, die in einflussreichen Positionen für Facebook arbeiten, sind Tom Chet, Leiter für Aktivierung und Produktion für nordamerikanische Kleinunternehmen, Gilad Turbahn, Manager für Meta, Engineering-Manager Ranen Goren, die Software-Ingenieure Gil Osher und Yoav Goldstein, Leiterin für Sicherheitstechnik Dana Baril und Softwareentwickler Omer Goldberg. Laut Yonatan Ramots LinkedIn-Biografie arbeitete er Anfang des Jahres gleichzeitig für Meta und war noch aktiver Manager der Einheit 8200.

Die Welt ausspionieren

Warum ist es problematisch, dass ehemalige Offiziere der Einheit 8200 bei einigen der weltweit wichtigsten Kommunikationsunternehmen für Sicherheit, Entwicklung und Softwaredesign verantwortlich sind? Zunächst einmal besteht eine der Hauptaufgaben dieser Militäreinheit darin, ihr technisches Know-how für weltweite Spionageoperationen einzusetzen. Wie die israelische Zeitung Haaretz in einer Untersuchung feststellte, «ist Israel zu einem führenden Exporteur von Werkzeugen zur Überwachung von Zivilisten geworden» und verkauft invasive Überwachungssoftware an Dutzende von Regierungen, von denen viele zu den schlimmsten Menschenrechtsverletzern der Welt gehören. In Indonesien wurde die Software beispielsweise verwendet, um eine Datenbank über Homosexuelle zu erstellen.

Die Einheit 8200 spioniert auch Amerikaner aus. Whistleblower Edward Snowden enthüllte, dass die NSA regelmässig Daten und Kommunikationen von US-Bürgern an die israelische Gruppe weitergibt. «Ich finde das unglaublich … Es ist einer der grössten Missbrauchsfälle, die wir je erlebt haben», sagte Snowden.

Das bekannteste Beispiel für israelische Spyware ist Pegasus, eine Entwicklung der NSO Group, einem privaten Technik-Unternehmen, dessen Mitarbeiter überwiegend aus Veteranen der Einheit 8200 bestehen. Die Software wurde eingesetzt, um weltweit über 50 000 prominente Personen abzuhören. Dazu gehörten Dutzende Menschenrechtsaktivisten , fast 200 Journalisten, mehrere arabische Königshäuser und über 600 Politiker, darunter der französische Präsident Emmanuel Macron, der pakistanische Premierminister Imran Khan und der irakische Präsident Barham Salih.

Unterdessen nutzte der indische Premierminister Narendra Modi die Software, um belastendes Material über seine persönlichen Gegner auszugraben. Andere Mitglieder seiner Regierung hackten das Telefon einer Frau, die den Obersten Richter Indiens der Vergewaltigung beschuldigte.

Ausserdem wurde festgestellt, dass Pegasus auf dem Computer des ermordeten Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi installiert war. Dies deutet darauf hin, dass NSO mit der saudischen Regierung zusammenarbeitete und ihr half, abweichende Meinungen und Kritik zum Schweigen zu bringen.

Pegasus funktioniert, indem es eine Textnachricht an ein Zielgerät sendet. Klickt ein Nutzer auf den bereitgestellten Link, wird die Spyware automatisch heruntergeladen. Nach der Infektion ist es möglich, den Standort und die Bewegungen einer Person zu verfolgen, Screenshots zu machen, Kamera und Mikrofon des Telefons einzuschalten, Nachrichten abzurufen und Passwörter zu stehlen.

Doch während Pegasus aus dem Hause NSO weltweit Schlagzeilen machte, blieb eine andere, beunruhigendere und gefährlichere Firma unbemerkt. Es handelt sich um Toka, gegründet vom ehemaligen israelischen Verteidigungsminister und Premierminister Ehud Barak mit Hilfe mehrerer Beamter der Einheit 8200. Toka kann jedes internetfähige Gerät infiltrieren, darunter Amazon Echos, Fernseher, Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte. Im vergangenen Jahr erklärte die Journalistin Whitney Webb gegenüber MintPress, dass das Unternehmen de facto als Tarnorganisation für die Spionageoperationen der israelischen Regierung fungiert.

Eine dritte private Spionagefirma, die mit Absolventen der Einheit 8200 besetzt ist, ist Candiru. Das in Tel Aviv ansässige Unternehmen existiert offiziell kaum. Es hat keine Website. Und wenn man die Zentrale besucht, gibt es keinen Hinweis darauf, dass man am richtigen Ort ist. Dennoch wird allgemein angenommen, dass Candiru hinter Malware-Angriffen in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Singapur, Katar und Usbekistan steckt.

Das Unternehmen ist nach einem parasitären Fisch aus dem Amazonasgebiet benannt, der (apokryph) angeblich den menschlichen Urinstrahl hinaufschwimmt und über die Harnröhre in den Körper gelangt. Es ist eine treffende Analogie für ein Unternehmen, das seine Zeit damit verbringt, Sicherheitslücken in Android- und iOS-Betriebssystemen sowie Browsern wie Chrome, Firefox und Safari zu finden und dieses Wissen zu nutzen, um ahnungslose Ziele auszuspionieren.

Der Nutzen dieser formal privaten israelischen Spionagegruppen, die bis zum Rand mit ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern gefüllt sind, liegt darin, dass sie der Regierung bei Angriffen auf andere Staaten ein gewisses Mass an glaubhafter Abstreitbarkeit ermöglichen. Haaretz erklärte : «Wem [diese Spionagefirmen] gehören, ist unklar, aber ihre Mitarbeiter sind keine Soldaten. Daher könnten sie das Problem der Armee lösen, auch wenn die Lösung, die sie anbieten, unvollkommen ist.»

Microsoft

Daten von LinkedIn deuten darauf hin, dass mindestens 166 ehemalige Mitglieder der Einheit 8200 später für Microsoft arbeiteten. Zu den bereits genannten gehören unter anderem Ayelet Steinitz, die ehemalige Leiterin für globale strategische Allianzen bei Microsoft, der leitende Softwareentwickler Tomer Lev sowie die leitenden Produktmanager Maayan Mazig, Or Serok-Jeppa und Yuval Derman.

Bemerkenswerterweise stützt sich der in Seattle ansässige Gigant bei der Entwicklung und Instandhaltung seines globalen Sicherheitsapparats stark auf ehemalige Experten der Einheit 8200. Beispiele hierfür sind die Sicherheitsforscher Lia Yeshoua, Yogev Shitrit, Guni Merom, Meitar Pinto und Yaniv Carmel, der Software-Ingenieur für Bedrohungsschutz Gilron Tsabkevich, die Datenwissenschaftlerin Danielle Poleg, der Beauftragte für Bedrohungsanalyse Itai Grady und die Sicherheitsproduktmanagerin Liat Lisha. Im Fall von Merom, Carmel und Pinto wechselten sie direkt von der Einheit 8200 ins Microsoft-Team, was erneut darauf hindeutet, dass Microsoft aktiv aus dem Team rekrutiert.

Auch andere Sicherheitsprodukte von Microsoft wie Microsoft Defender Antivirus und Microsoft Azure Secure Cloud Computing werden von ehemaligen Mitarbeitern der Einheit 8200 entwickelt und gewartet. Dazu gehören der ehemalige Senior Architect Michael Bargury, der Principal Software Engineering Manager Shlomi Haba, die Senior Software Engineering Manager Yaniv Yehuda, Assaf Israel und Michal Ben Yaacov, der Senior Product Manager Tal Rosler, der Software Engineer Adi Griever und die Produktmanagerin Yael Genut.

Dies ist insofern bemerkenswert, als berichtet wurde, dass vermutlich von Unit 8200 erstellte Schadsoftware für Angriffe auf Microsoft-Produkte wie das Windows-Betriebssystem eingesetzt wurde. Die Schadsoftware nutzte gefundene Sicherheitslücken aus, um Kontrollsysteme anzugreifen, Festplatten zu löschen und wichtige Systeme wie die iranische Energieinfrastruktur lahmzulegen.

Grosse Technologie, grosse Regierungen

Das bedeutet nicht, dass alle oder auch nur einige der Personen Maulwürfe sind – oder überhaupt etwas anderes als vorbildliche Mitarbeiter. Doch die schiere Zahl der Absolventen einer Organisation wie Unit 8200, die später die grössten Kommunikationsunternehmen der Welt beeinflussen, gibt durchaus Anlass zur Sorge.

Die Einheit 8200 geniesst zweifellos einen hervorragenden Ruf in ihrem Bereich. Das Problem ist jedoch, dass ihr Handwerk Spionage, Erpressung, schwere Verletzungen persönlicher Rechte und das Hacken genau jener Technologieunternehmen umfasst, von denen sie jetzt massenhaft eingestellt werden. Es scheint sich jedoch nicht um ein Szenario zu handeln, in dem ein Wilderer zum Wildhüter wird; es gibt keine Hinweise darauf, dass Silicon Valley Whistleblower anheuert.

Natürlich ist Israel bei weitem nicht das einzige Land, das versucht, Feinde auszuspionieren oder die Öffentlichkeit zu manipulieren. Ehemalige Spione aus gegnerischen Ländern wie Russland, Venezuela oder dem Iran werden jedoch nicht zu Hunderten angeheuert, um die grössten öffentlichen Kommunikationskanäle zu gestalten, zu unterhalten und zu überwachen. Tatsächlich konnte diese Studie keine Beispiele dafür finden, dass ehemalige FSB-Agenten (Russland), ehemalige SEBIN-Agenten (Venezuela) oder ehemalige Agenten des iranischen Geheimdienstes für Unternehmen im Silicon Valley arbeiten.

MintPress hat bereits dokumentiert, wie grosse Technologieunternehmen wie Twitter, Facebook, Google, TikTok und Reddit in den letzten Jahren Hunderte von Geheimdienstmitarbeitern der CIA, der NSA, des FBI, des Secret Service, der NATO und anderer Geheimdienste angeheuert haben. Die Tatsache, dass die Einheit 8200 ebenfalls eine Rekrutierungsreserve darstellt, unterstreicht, wie stark Israel im Westen als Verbündeter angesehen wird.

Allerdings verdeutlicht es auch die zunehmende Überschneidung zwischen Silicon Valley und der Regierung, und es wird jeder Anschein untergraben, die grossen Technologieunternehmen stünden im Kampf um die Sicherung und Wahrung der Online-Privatsphäre auf unserer Seite.

1 Alan MacLeod ist leitender Redakteur bei MintPress News. Nach seiner Promotion im Jahr 2017 veröffentlichte er zwei Bücher: «Bad News From Venezuela: Twenty Years of Fake News and Misreporting» und «Propaganda in the Information Age: Still Manufacturing Consent» sowie eine Reihe wissenschaftlicher Artikel. Er verfasste ausserdem Beiträge für FAIR.org, The Guardian, Salon, The Grayzone, Jacobin Magazine und Common Dreams.
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Der Artikel wurde MintPress News entnommen, wo er am 31. Oktober 2022 publiziert wurde.