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Von Potsdam 1945 bis Istanbul 2025: Eine Abfolge gebrochener Versprechen

von CASSANDRE G., 29. Juli 2025, in Le Grand Soir

Die Geschichte spottet. Roh. Zyklisch. Grausam. Jeder Friedensvertrag hinterlässt ein Trümmerfeld. Jeder feierliche Schwur verwandelt sich, sobald er verkündet wird, in ein gebrochenes Versprechen. Subtil – und manchmal grausam.

Der verseuchte Eid

1945 schworen die Alliierten in Potsdam1, eine neue Welt zu errichten. Vier Ideale wurden mit frischer Tinte niedergeschrieben, während die noch warme Asche der Apokalypse über den Berliner Vororten schwebte. Kaum war das europäische Feuer erloschen, schürten im Verborgenen andere – getrieben von Ideologie oder Gier – die Flammen weiter.

Die Atombombe hat Hiroshima noch nicht getroffen, doch der Zeitpunkt steht unmittelbar bevor. In einem letzten Hoffnungsschimmer legen die Alliierten einen feierlichen Eid ab: den Nazifaschismus auszurotten. Den Hass zu entwaffnen. Die Völker zu befreien. Die Kartelle zu zerschlagen.

Ein Traum. Fromme Wünsche, vielleicht aufrichtig. Doch dieser Eid, geboren zu Beginn des Atomzeitalters, trug bereits die Bedrohung in sich, die die Welt noch immer verfolgt. Kaum geboren, wurde er verraten.

Von der Utopie zur Realpolitik: Die Perversion der Ideale

Dieser gebrochene Eid öffnet den Weg für kalten Zynismus. «Das Ziel der NATO ist es, die Sowjets draussen, die Amerikaner in Europa und die Deutschen unten zu halten», sagte Hastings Ismay, ihr allererster Generalsekretär, später.

Der Westen, geblendet von seinen Gewissheiten, glaubt am Ende seine eigenen Lügen.

«Von Platon zur NATO», wiederholen Diplomaten, Kolumnisten und Insider beiläufig – wie ein brillanter Witz in Kreisen, die sich für klarsichtig halten. Vom Ideal zum gezielten Angriff. Von der gerechten Stadt zum Präventivkrieg. Von geschickter Dialektik zur abrupten Anweisung. Es ist der schwarze Humor der Experten, das wissende Augenzwinkern in Thinktanks, wo hinter verschlossenen Türen während einer Kaffeepause die Welt neu gestaltet wird – und beiläufig die nächsten Katastrophen inspiriert werden.

Werden sie ihre Volkswirtschaften endgültig ruinieren, um die Ukraine aufzurüsten?

Im Schatten der 1930er Jahre wurde die Brutalität der Nazis durch einen diskreten Hauch aus den Kanzleien als Vorteil dargestellt, der jedoch schnell vom Entsetzen überwältigt wurde.

Ein weiterer, ebenso vernichtender Aphorismus: «Von Adam bis Potsdam.» Ein brillanter Satz aus der Nachkriegszeit, der an den Menschen, seine Ursprünge und seine Zivilisation erinnert … Doch er verschleiert implizit den moralischen Schiffbruch der neuen Zeit. So unumkehrbar ist und bleibt die Perversion mancher Menschen. Diejenigen, die der Unmenschlichkeit nachtrauern, sind hartnäckig, ohne Reue oder Busse.

Denn Potsdam war nicht nur Schauplatz einer neuen Weltordnung. Es war auch der Auftakt zum grossen Spektakel der als Versprechen getarnten Verzichte. Schon 1945 verkörperte die Operation Paperclip2 diesen Verzicht, eklatant und zynisch: Die USA exfiltrierten mehr als 1600 Nazi-Wissenschaftler, die als wertvolle Experten präsentiert wurden. Wernher von Braun3, der Konstrukteur der V2-Raketen, die auf London fielen, wurde bald zum Vater der US-amerikanischen Eroberung des Weltraums. Eingebürgert, ausgezeichnet, gefeiert als Held der freien Welt.

Hinter den Kulissen wird General Reinhard Gehlen, Chef des Nazi-Geheimdienstes an der Ostfront, von Washington geschützt. Bald wird er den westdeutschen Geheimdienst, den Bundesnachrichtendienst (BND) gründen.

Theodor Oberländer, ein Nazi der ersten Stunde seit 1923 und an den Massakern an der jüdischen Gemeinde von Lemberg beteiligt, wurde in den 1950er Jahren Minister von Adenauers Bundesrepublik.

Jaroslaw Stezko, 1941 Oberhaupt eines pro-nazistischen ukrainischen Marionettenstaates, marschiert in Washington D. C. ein, wo er mit offenen Armen empfangen wird. Präsident Ronald Reagan empfängt ihn im Weissen Haus und gratuliert ihm.

Sie versuchen, ihr Gesicht zu wahren – selbst wenn das bedeutet, alles in Brand zu setzen.

Und dieser dunkle Pragmatismus, der in der Vergangenheit geflüstert wurde, verwandelte sich nun in eine skrupellose Entscheidung, bei der der Nutzen über die Erinnerung siegte.

Ein weiterer vergessener Skandal: Kurt Waldheim, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier, präsidierte von 1972 bis 1981 die UNO – ohne dass dies wirkliche Empörung hervorrief. Erst Beate Klarsfeld4 räumte 1968 mit diesem Versäumnis auf, indem sie Kurt Kiesinger, einen ehemaligen Nazi-Würdenträger, der zum Bundeskanzler gewählt wurde, öffentlich ohrfeigte. Dass Kiesinger trotz seiner Vergangenheit an die Macht gelangen konnte, zeugt von einer zweifelhaften Reue und stellt eine unerträgliche Kränkung und Beleidigung für die unzähligen Opfer der Nazi-Gräueltaten dar.

Auch heute noch arbeitet die Maschinerie des pragmatischen Revisionismus weiter. 2023 spendete das kanadische Parlament Jaroslaw Hunka, einem ehemaligen SS-Mitglied der Division Galizien (CBC News, 2023), stehende Ovationen, nur weil er gegen die Russen – unsere ehemaligen Verbündeten – gekämpft hatte. Unwissenheit? Zynismus? Eine konzertierte Entschuldigung für den Nazifaschismus? Manche behaupten Unwissenheit. Andere behaupten, die historische Komplexität sei schwer zu erfassen. Doch alle schweigen über das Wesentliche: Die Kriegserzählung löscht die Ethik aus, als würde man eine weisse Weste wischen.

Während Experten die «europäischen Werte» loben, wird Oleksandr Alferov, ein ehemaliges Mitglied des Asowschen Bataillons, dafür gelobt, dass er Hitler als kultivierten und gebildeten Mann betrachtet.

Frieden wird nicht zur besten Sendezeit verordnet, er wird still und fragil aufgebaut.

Die Opfer von gestern werden gegen die von heute eingesetzt. Die Erinnerung wird zum Werkzeug. Auch zu einem Werkzeug des Krieges. Nein, diese Aphorismen sind keine Witzeleien. Sie sind Warnungen. «Von Platon zur NATO» zieht eine gerade, geradlinige Linie von der philosophischen Utopie zur Militärtechnologie. «Von Adam nach Potsdam» verfolgt den Sündenfall – nicht des Menschen, sondern seiner Versprechen.

2025: Von der NATO verursachtes Chaos

Achtzig Jahre nach Potsdam werden Versprechen durch Chaos ersetzt. Im Juli 2025 scheitert in Istanbul der dritte Friedensversuch zwischen der Ukraine und Russland, untergraben durch die chaotische Kriegstreiberei der europäischen Staats- und Regierungschefs.

Ein Ballett der Tauben in einem geschlossenen Raum. Wir reden, wir gebärden uns, wir beobachten uns gegenseitig – ein zaghafter Fortschritt, die Anfänge eines Dialogs. Doch hinter dieser Fassade hält die diskreditierte europäische Diplomatie, die nur noch Zuschauer ist, die Illusion eines gewaltsam erzwungenen Friedens und einer Koalition ohne Ressourcen und Munition aufrecht. Sollen wir lächeln? Vielleicht aus Verzweiflung und Fatalismus. Dieses diplomatische Theater existiert nur für das Foto. Die Positionen bleiben unverändert.

Der Westen klammert sich an seine Fabeln und fantasiert von einem selbst konstruierten «Feind», getrieben von einem arroganten und illusorischen Glauben an seine «Werte» oder einer hartnäckigen Verleugnung der Tatsachen. Der Maidan-Putsch 2014 stürzte Janukowitsch und spaltete die Ukraine. Die Minsker Abkommen wurden mit Füssen getreten. Die obsessive NATO-Ausweitung ging weiter. Die ukrainische Regierung, unterwandert von extremistischen Gruppierungen – Nationalisten und Neonazis – verschwieg diese dokumentierten Wahrheiten.

Der Westen, geblendet von seinen Gewissheiten, glaubt am Ende seine eigenen Lügen. Versteht er überhaupt die eigentlichen Ursachen des Konflikts? Diskriminierende Gesetze, staatliche Russophobie, Bombardierungen des Donbass seit 2014, Verrat an Minsk I und II und Moskaus Forderungen – Neutralität der Ukraine, Anerkennung des Donbass, Ende der NATO-Erweiterung, Schutz der russischsprachigen Bevölkerung, Entnazifizierung – all das wird ignoriert.

Diese Forderungen, die auf der Sorge um das geopolitische Gleichgewicht beruhen, werden massenhaft abgelehnt. Die Diplomatie wird durch die atlantische Obsession beiseite gefegt. Krieg wird unvermeidlich. Die Verweigerung des Friedens wird zur Doktrin.

Die Naiven klammern sich an ihre Illusionen, die anderen an eine fragile Moral – reserviert für ausgewiesene Feinde und ignoriert, sobald sie mit der vorherrschenden Erzählung in Konflikt gerät.

Der berauschte Westen: Der Krieg der Narrative

Nach dem Schlamassel von Istanbul verharrt der Westen in seiner Blindheit. Was werden diese Eliten der EU und des Westens tun? Werden sie von Beobachtern und der Bevölkerung als apokalyptische Reiter bezeichnet und Initiatoren einer «Koalition der Willigen» sein? Werden sie «bis zum letzten Ukrainer kämpfen»? Warum nicht – es geht nicht um ihre Haut. Werden sie ihre Volkswirtschaften endgültig ruinieren, ihre Gesellschaften erschöpfen, um die Ukraine aufzurüsten? Und vor allem: Weigern sie sich immer noch, einen Frieden zu anderen Bedingungen als ihren eigenen in Betracht zu ziehen, ohne die wahren Ursachen des Konflikts zu hinterfragen?

Wenn es einen Waffenstillstand gibt, ist das nur eine Atempause. Gerade genug Zeit, um den Konflikt neu zu entfachen. Denken sie an die Menschen, an ihr Wohlergehen? Oder geraten sie, selbst in gutem Glauben, in einen abstrakten Kreuzzug, bei dem die NATO diktiert und die Bevölkerung zahlt?

In Wirklichkeit bröckeln ihre Gewissheiten: Diese Eliten haben das strategische und moralische Spiel verloren. In einem verzweifelten Reflex versuchen sie daher, ihr Gesicht zu wahren – selbst wenn das bedeutet, alles in Brand zu setzen. Dies ist der wahre «Great Reset», den sie vorbereiten.

Ein Krieg der Bilder ohne Ergebnisse.

Es ist teuflisch – aber genau das geschieht direkt vor unseren Augen. Krieg braucht keine Ergebnisse. Er braucht Bilder. Und Zivilisten spielen nicht mit: Sie sterben.

Ein weiteres heuchlerisches Drama läuft in Dauerschleife auf westlichen Kanälen. Die Informationen, die mit den Darstellungen Kiews und der Atlantisten übereinstimmen, werden extrem vereinfacht und unter dem Blickwinkel des Spektakulären präsentiert. Die Schlagzeile besagt, die Unterhändler seien nach weniger als einer Stunde abgereist. Doch wird nicht erwähnt, dass es zuvor Gespräche gegeben hatte.

Bescheidene, aber reale Vereinbarungen zum Gefangenen- und Zivilistenaustausch. Ist das nicht viel? Es ist schon viel. Und über den Rest gibt es noch so viel zu sagen.

Diplomatie abseits der Kameras

Echte Diplomatie findet nicht live am Set statt, kommentiert von Ideologen, die von der Formel besessen sind, die die Einschaltquoten steigert. Heute wird der Frieden anderswo gesucht: per Videokonferenz, in diskreten Arbeitsgruppen. Es ist fragil, unsicher – aber es ist ein Anfang. Ich glaube, das ist es.

Frieden wird nicht zur besten Sendezeit verordnet. Er wird still und fragil aufgebaut – aber er ist der einzige Ausweg. Unter Biden – dem Schein nach Demokrat, in Wahrheit aber Neokonservativer – war Frieden tabu. Unter Trump dreht sich alles um Deals, um Pragmatismus. Geschäft ist Geschäft. MAGA in Uniform, um Waffenverkäufe zu rechtfertigen. Es zahlt sich aus und gibt Amerika eine vermeintlich zentrale Rolle zurück.
Für Europa ist es Unerbittlichkeit, Neurose – eine Katastrophe. Es gräbt sich immer noch in die Tiefe und verharrt in der Verleugnung.

Geschichte unter Drohnen

Und währenddessen geht der Krieg weiter: auf dem Vollbild, live, vor Ort und in den sozialen Medien. Die Geschichte stockt nicht. Sie wiederholt sich – anders, aber immer zynisch.

Europa hätte wieder zu einer ausgleichenden Kraft werden können. Doch es verirrt sich.

Von Platon zur NATO: Welch eine Ironie. Vom Denker zur Drohne. Von der idealen Stadt zu Konvois von Leopard-Panzern, aufgereiht unter Sternenflaggen und Heuchelei. Können Sie sich vorstellen, dass achtzig Jahre später deutsche Panzer mit dem Baltischen Kreuz in die Vororte von Kursk und dem Donbass zurückkehren?

Früher rezitierte man: «Von Adam bis Potsdam» – wie eine zivilisierende Litanei. Doch hinter dem brillanten Slogan, den geschwätzigen Absichten und den leeren Worten: Was bleibt? Die verstümmelte Wahrheit.

Entweihte Erinnerung

Uns wurde versprochen: Nie wieder. Doch Zynismus stirbt nur langsam. In den stillen Korridoren wurden ehemalige Nazis als «Friedenstechniker» recycelt. Von Braun, ein berüchtigter SS-Offizier, baute die NASA auf. Oberländer, ein Komplize bei Massakern, wurde Minister. Stezko, ein ukrainischer Kollaborateur, trumpfte in Washington auf. Und Klarsfeld, allein und mutig, verpasste Kiesinger eine Ohrfeige und verblüffte damit die an Gedächtnisverlust leidende Bundesrepublik Deutschland.

Und während diese getarnten Überreste gefeiert werden, öffnen sich anderswo Massengräber und drohen neue Massaker. Gaza erstickt. Kursk blutet. Der Donbass brennt seit 2014.

Doch Emotionen sind selektiv. Mitgefühl wird von den Imperativen der Oligarchen diktiert. Europa hätte wieder zu einer ausgleichenden Kraft werden können. Doch es verirrt sich. Es verliert an Glaubwürdigkeit. Es verstrickt sich in seinen Ideologien, seinen Ansprüchen, seiner unerträglichen Arroganz.

Die lächerliche Arroganz

Frankreich, Deutschland, Polen und Grossbritannien – jeder bringt sein eigenes Arsenal mit. Der Krieg ist zu einem Spektakel geworden. Eine dramatische Szene, in der die Mächtigen – diejenigen, die sich kennen – nicht bluten. Zivilisten hingegen erliegen den Bomben.

Und derweil weben die BRICS-Staaten eine andere Geografie. Sie fordern die Hegemonie des Dollars heraus. Sie verbinden Völker, deren Ungehorsam der Westen bestrafen will. Aussenminister Jean-Noël Barrot, dieser sogenannte Chef der französischen Diplomatie, benimmt sich wie ein braver, erhabener «Junger Führer», setzt eifrig die Ideologie der Sanktionen um – und bestraft eine russische Wirtschaft, die gerade dabei ist, zur viertgrössten Ökonomie der Welt aufzusteigen. Aber psst! Wir dürfen die offizielle Darstellung nicht stören. Auch wenn sie ins Wanken gerät: Russisch zu sprechen ist in Odessa und Charkow verboten – genauso wie es im Fernsehen verboten ist, gemässigt zu sein.

Slogans schiessen wie Pilze aus dem Boden: COP29, ZFE, Klimapaket, Verteidigungspaket. Alles ist «zu unserem Besten». Sogar der Knebel, oder besser gesagt die Maske.

Demokratie wird heute hinter verschlossenen Türen ausgetragen, in einer toten Sprache, unter dem kalten Blick von Studios und Thinktanks. Und wir lachen – oder besser gesagt, wir zucken zusammen. Wir nennen diese Bürger, die zu erschöpft sind, um zu meckern oder zu gurren, «Trottel». Aber wer hat sie gerupft? Wer hat ihnen die Köpfe geschoren?

Eine letzte, entlarvende Beleidigung!

In Drap, nahe Nizza, tobt ein weiterer Krieg – der der Erinnerung. Der Boulevard Stalingrad wurde von den Karten gelöscht. Schamlos umbenannt. Der stellvertretende Bürgermeister behauptet, diese entscheidende Schlacht verdiene keine Würdigung. Der Sieg über den Nationalsozialismus habe keine Bedeutung mehr.

Geschichtsrevisionismus auf dem Bürgermeisteramt: Das Provence-Städtchen benennt den Boulevard Stalingrad um.

So werden die Widerstandskämpfer ein zweites Mal begraben. Nicht mehr unter Bomben, sondern auf Grundlage städtischer Verordnungen. Eine Märtyrerstadt wird ausgelöscht. Pawlows Haus wird ausgelöscht, in dem während einer 58-tägigen Belagerung eine Handvoll Rotarmisten standhielten und der Wehrmacht das Rückgrat brachen – während die französische Armee 1940 nach 41 Tagen nachgab.

Der Revisionismus braucht keine Soldatenstiefel mehr. Er verfügt über Beamte, gewählte Amtsträger und eifrige, aber vergessene Kommunalpolitiker. Und die Erinnerung an Potsdam – dieses alte, beschmutzte Versprechen – schwindet langsam aus den Köpfen der Menschen.

Fazit: Das Durcheinander auflösen, die Utopie neu entfachen

Von Potsdam bis Istanbul, von gebrochenen Versprechen bis zum Medienchaos: Der Westen verstrickt sich in seiner eigenen Falle. Die Eliten, die sich in ihren Slogans verfangen – «Von Adam bis Potsdam», eine Schimäre der Ordnung; «Von Platon bis zur NATO», eine Fata Morgana des Krieges – orchestrieren ein Chaos, das die Menschen erdrückt, von Gaza bis Donbass, von Kursk bis Odessa.

Von der Operation Paperclip bis zu den gescheiterten Gesprächen in Istanbul, von den gebrochenen Versprechen von Minsk bis zur unersättlichen Expansion der NATO hat ihre moralische Amnesie die Wahrheit in einem giftigen Nebel ertränkt.

Doch die Geschichte ist nicht ihr Monopol. Wie der junge La Boétie heute, in Anlehnung an unsere Zeit, vielleicht geschrieben hätte: «Unsere Unterwerfung nährt das heimtückische Biest.» In Mouseland5, dieser Fabel von Tommy Douglas, wählen Mäuse immer noch die Katzen, von denen sie gefressen werden.

Und doch erheben sich die Stimmlosen, versuchen das Unmögliche und schaffen es manchmal, die Erzählung zu stören. Die Gelbwesten haben sich trotz der Vereinnahmung und Diffamierung der Konformität widersetzt.

Kürzlich forderte Thierry Laurent-Pellet6, ein in der Ukraine lebender französischer Analytiker, Jean-Noël Barrot während einer öffentlichen Konferenz in Aix-en-Provence heraus, indem er harte Wahrheiten über die Situation in der Ukraine aussprach – was ihm Buhrufe von einem Publikum einbrachte, das offensichtlich nicht in der Lage war, eine andere Realität zu hören.

Beunruhigenderweise ist das vollständige Video dieses Wortwechsels, das ursprünglich ausgestrahlt wurde, inzwischen aus dem Internet verschwunden. Nur ein kurzer Ausschnitt ist erhalten geblieben, der in einer unabhängigen Kompilation veröffentlicht wurde6. Diese Art der Löschung gibt Anlass zum Nachdenken: Was tatsächlich stattgefunden hat, scheint in den Augen vieler Zeugen nie existiert zu haben. Doch wir haben es nicht geträumt.

Sie sind selten, aber es gibt sie: diejenigen, die noch sprechen, die es wagen, die es zeigen. Diejenigen, die uns daran erinnern, dass «klar» nicht «stumm» bedeutet. Seien wir wachsam. Spüren wir die Fakten in den Archiven, den Zeugenaussagen, den Rohdokumenten auf – weit weg von den beschönigten Kulissen, wo «Moderation» Zensur verschleiert und die Wahrheit stört.

Unterstützen wir diese unabhängigen Stimmen, welche die Erzählungen kritisieren und analysieren, die von oft zynischen und strategisch denkenden, aber niemals wohlwollenden Eliten zusammengeschustert wurden. Seien wir nicht diese fügsamen «Trottel», die alle aufgezwungenen Erzählungen nachblöken und nachgurren. Denn wie Orwell schrieb: «Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.» Nur freie, aufgeklärte und kollektive Meinungsäusserung kann diese Scharade durchbrechen und das Versprechen einer versöhnten Welt wiederbeleben. Ohne diese wird es schauerlich – das Biest könnte uns verschlingen.

Anmerkungen

1 Die Potsdamer Konferenz

2 Paperclip: Das geheime Programm, das Nazi-Wissenschaftler in die Vereinigten Staaten brachte | Wie 1600 NS-Wissenschaftler die Rüstungsbranche und Raumfahrt der USA aufbauten

3 Wernher von Braun: Ein Nazi bei der NASA | Raumfahrtpionier und Diener der Nazis

4 Beate Klarsfelds Ohrfeige | Arte-Video | Deutschlandfunk

5 Im Land der Mäuse, Thomas Douglas | Beispiele aus der deutschen Ausgabe, Nando von Arb.

6 Pellet oder die Auslöschung einer Wahrheit: Am 4. Juli 2025, gegen 11.30 Uhr, stellte der in Kiew lebende Analyst Thierry Laurent-Pellet im Parc Jourdan in Aix-en-Provence Jean-Noël Barrot wegen seiner Unterstützung eines Regimes zur Rede, das Stepan Bandera verherrlicht, und provozierte damit Buhrufe und eine ausweichende Reaktion. Dieses Video, das zunächst von Barrots Diensten ausgestrahlt und an öffentlichen Orten wie Fitnessstudios gezeigt wurde, verbreitete sich viral, bevor es innerhalb von 24 bis 48 Stunden wieder verschwand. Und während der Westen an seinen Fabeln festhält, verschwindet diese gefilmte Wahrheit, geboren aus einem Schrei in Aix, vor unseren Augen, ausgelöscht von denen, die sie vorgebracht hatten, Beweis einer Geschichte, die zu gefährlich ist, um darüber nachzudenken. Zensiert auf X, Odysee und anderswo, ersetzt durch eine umgekehrte Sequenz, fordert sie mich heraus, empört mich und versetzt mich in Angst und Schrecken: Welche Mittel – juristischer Druck, Algorithmen oder orchestrierte Manipulation – haben diese Auslöschung ermöglicht? Hat Pellets pro-russische Vergangenheit – und Gegenwart – ihn automatisch diskreditiert? Oder lädt die Zensur, heimtückischer und dreister denn je, nun jede abweichende Stimme durch die schiere Macht des Schweigens zur Vorsicht ein? Dieses erzwungene Schweigen schwingt mit dem giftigen Nebel mit, den ich anprangere. https://www.youtube.com/watch?v=AormNIr6fbM
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Dieser Artikel ist am 29. Juli 2025 in Le Grand Soir erschienen.