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Rolf Zbinden: “You’ll never walk alone!”

Zum 8. Antifa-Abendspaziergang (31.5.2008) in Bern

Dank des besonnenen Auftretens der Demonstrierenden wurde der achte Antifaschistische Abendspaziergang in Bern zu einem vollen Erfolg. Währenddessen setzen die Polizei und die offizielle Politik voll auf Provokation Und Konfrontation. Traurigen Höhepunkt der Repressionswelle bildet ein generelles Demoverbot in der Berner Innenstadt.

Es waren schliesslich weit über 500 Personen, die am Abend des 31. Mai durch die Berner Innenstadt und über die Kornhausbrücke – auf der künftigen Fanachse der EURO 08 – durch das Breitenrainquartier zogen. Nach den jüngsten politischen Entwicklungen in Bern war die Durchführung des achten Antifaschistischen Abendspaziergangs keine Selbstverständlichkeit. Noch war allen die repressive Orgie vom 17. Mai in frischester Erinnerung, als ein interkantonales Polizeiaufgebot die RTS (Reclaim the Street) auf der Schützenmatte vor der Reitschule einkesselte und mit Gummischrot angriff. Der Gemeinderat (Exekutive) und Police Bern haben auch am 31. Mai ihr Möglichstes getan, um die antifaschistische Mobilisierung schon im Keim zu ersticken. Eine interkantonale Polizeitruppe spielte besetzte Stadt und massive Personenkontrollen trauten keinem unter dreissig. Unterstützt wurden die staatlichen Polizeikräfte durch private Sicherheitsdienste, die so die letzte Gelegenheit nutzten, die an der EURO 08 gefragte repressive Koordination zu testen. Top motiviert und besonders gut gelaunt zeigten sich dabei die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma THB. «Wenn die Autonomen kommen, haben wir Party», prahlten sie auf dem Bärenplatz.

Es hat heute Mut gemacht!

Die Demonstrierenden liessen sich jedoch weder durch das polizeiliche Muskelspiel noch durch notorische Provokateure im Solde des Staates Bern von ihrem politischen Ziel abbringen: Mit einem militanten und disziplinierten Auftreten gegen faschistische Tendenzen und soziale Ausgrenzung zu demonstrieren. Durch die geschickte Wahl der Route konnte auch verhindert werden, dass es zu der im Vorfeld von Politik und Medien herbei geredeten Konfrontation mit der Festgemeinde kam, die sich zur Eröffnung des neuen Bahnhofplatzes eingefunden hatte. Dass das angekündigte Verschiebedatum für einen unterdrückten Abendspaziergang – Samstag, der 7. Juni, Eröffnungstag der EURO 08 – bei den politisch und polizeilich Verantwortlichen zur Entscheidung, die AntifaschistInnen spazieren zu lassen, eine Rolle gespielt haben könnte, bleibt bloss eine Vermutung.

In seiner Medienmitteilung wertet das “Bündnis Alle gegen Rechts” den Abendspaziergang denn auch als Erfolg: “Es hat heute Mut gemacht!” Und mit einem Blick auf den Berner Repressionsfrühling darf diese Einschätzung auch voll geteilt werden. Ein Ruf nach Ruhe, Ordnung, Sauberkeit und Ausgrenzung charakterisiert die politischen Vorstösse und Massnahmen, die in den vergangenen Monaten Bern in immer neuen Wellen überschwemmten. Wobei sich das Szenario in der Regel immer nach der gleichen Logik entwickelt: Rechtsbürgerliche liefern das Stichwort. Über die politische Mitte hinaus wird nachgeplappert, bis die rot-grün dominierte Stadtregierung die entsprechenden Massnahmen ergreift und in Verordnungen festschreibt – abgesegnet von einem Parlament, in dem die “Rot-Grün-Mitte”-Parteien (RGM) über eine Mehrheit verfügen.

Generelles Demoverbot

Symptomatisch für den angesagten Ordnungswahn und Sauberkeitsfimmel ist das neue Bahnhofsreglement, das Betteln, Sitzen und anderes “ungebührliches Verhalten” unter Strafe stellt und unter der Fuchtel von “Securitrans” einen weiteren Schritt Richtung Privatisierung des öffentlichen Raumes anzeigt. Da diese Vorlage auch auf die Unterstützung der SP und der “Grünen Freien Liste” (GFL) zählen konnte, darf nicht erstaunen, dass das Referendum an der Volksabstimmung vom 1. Juni mit 74 Prozent abgelehnt wurde. Und die nächsten Schritte sind bereits angesagt: Ausdehnung des Bettelverbots auf die ganze Stadt, rigoroses Vorgehen gegen das Hängen von Kleinplakaten. Der vorläufig wohl spektakulärste Streich in Sachen Einschränkung demokratischer Grundrechte geht auf die Initiative der ‘Grünen Freien Liste’ zurück, die gemeinsam mit der CVP im Stadtparlament eine Motion zur “Önderung des Kundgebungsreglements” einbrachte, deren Kernsatz lautet: “In der Innenstadt wird die Bewilligung in der Regel nur erteilt, wenn Kundgebungen als Platzkundgebungen stattfinden.” Die bürgerlichen Parteien bedankten sich in der Stadtratssitzung vom 15. Mai für dieses grüne Geschenk, während sich SP und “Grünes Bündnis” nun überlegen dürften, wie sie dieses Demonstrationsverbot aus der Küche ihres Partners in der “Rot-Grün-Mitte”- Allianz einer linken oder gewerkschaftlichen WählerInnenschaft im kommenden Winter wohl verkaufen sollen. Wie stark allerdings der Widerstand der SP und des Gewerkschaftsbundes der Stadt Bern gegen diese Politik der Beschneidung des Demonstrationsrechts einzuschätzen ist, zeigte sich am 1. Mal, als die Gewerkschaften in Bern das Kundgebungsverbot für hohe kirchliche Feiertage respektierten und auf den traditionellen Umzug verzichteten. Obschon das von der PdA Bern eingereichte Demonstrationsgesuch abgelehnt worden war, liessen es sich drei- bis vierhundert kämpferische Linke nicht nehmen, Himmelfahrt auf ihre Weise zu feiern: mit einer Demonstration auf der üblichen 1. Mai-Route.

Und sie bewegen sich doch

Nach diesem 1. Mai, nach der RTS und dem Antifaschistischen Abendspaziergang drängen sich in Bern zwei Erkenntnisse auf. Erstens: Nach dem Willen der rot-grün dominierten Regierung soll in Bern Schluss sein mit Demonstrieren. Zweitens: Und sie bewegen sich doch! – Oder, wie die Medienmitteilung des Bündnisses “Alle gegen Rechts” schliesst: “You’ll never walk alone!”

Zuerst gedruckt erschienen in: «Vorwärts – die sozialistische Zeitung»
Nr. 21/22, 64. Jahrgang, 13. Juni 2008, Seite 3

Vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-

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