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Jorge Cadima: Italienische Tragödie

«Avante!» (24.04.08, Jorge Cadima[1]) – Die reaktionärsten Kräfte Italiens erzielten in den italienischen Wahlen einen klaren Sieg. Der Prestigeverlust der “Mitte-Links”-Koalition von Prodi, welche Italien nach rechts regiert hatte, hat nun zu einem voraussehbaren Ergebnis geführt: durch den Verrat an der eigenen Wählerbasis hat er Berlusconi, Bossi und Fini gestärkt und ihnen eine absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments verschaffen. Die italienischen Werktätigen gehen schwarzen Zeiten entgegen. Der scheidende Präsident des Arbeitgeberverbands Confindustria hat den gewerkschaftlichen Strukturen bereits den Kampf angesagt und die Platte Durão Barroso aufgetragen.[2]

Mitte der 1970er Jahre hatte Italien die grösste Kommunistische Partei in Westeuropa. Die beachtliche soziale, politische und wählermässige Kraft des PCI, erobert im Verlauf von Jahrzehnten von Kämpfen im Interesse der Arbeiterklasse und des antifaschistischen Widerstands, errang gewaltige soziale Fortschritte. Aber innerhalb der PCI gewannen jene Strömungen an Einfluss, die ihre Klassennatur, ihre Geschichte und ihre Existenzberechtigung unterminierten. Strömungen, welche 1991 zur Liquidation der Partei führten. Aufschlussreich ist die Feststellung, dass ein Grossteil derer, die damals die Auflösung der PCI anführten, heute zur Leitung der kürzlich formierten “Partito Democratico” gehören – die nichts mit der kommunistischen Tradition zu tun hat, nicht einmal mit der sozialdemokratischen oder der Arbeiterbewegung. Sie bezeichnen sich nicht als Linke. Es sind Verteidiger der Interessen des Grosskapitals und des italienischen und europäischen Imperialismus. Und entsprechend haben sie in diesen vergangenen zwei Jahren auch regiert. Ob in der Wirtschaft und im Sozialbereich, ob in der Aussenpolitik – von Afghanistan bis zum Libanon, vom Kosovo bis zu den Beziehungen mit USA und Israel. Nach einem OSZE-Bericht, der am Vorabend der Wahlen verbreitet wurde, ist der Durchschnittslohn der italienischen Werktätigen heute geringer als in Griechenland und Spanien. Nur in Portugal sind die Löhne noch schäbiger, unter den westeuropäischen Ländern.

Die gewaltige Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik schlug auch auf die am weitesten links stehenden Kräfte der Regierungskoalition, welche über zwei Drittel der bei den letzten Wahlen erhaltenen Stimmen verloren haben. Weder fähig, die Regierungspolitik zu bestimmen, noch imstande, sie auf dem Weg der Massenbewegung zu bekämpfen, sahen sie sich in Stücke gerissen zwischen der Verführung des “Voto utile” um Berlusconi aufzuhalten, und der Gefahr des für “gleich wie alle anderen” Gehaltenwerdens.

Ein substantieller Teil ihrer Wählerschaft hat das als übertriebene Institutionalisierung und als Unterschätzung der Massenkämpfe erachtet und diesen Kräften den Rücken gekehrt. Dazu beigetragen haben auch die Tendenzen, welche im Verlauf des Wahlkampfs eingenommen wurden, und die Verwicklung der Partei der Rifondazione Comunista in politische Formationen ohne klar antiimperialistische und antikapitalistische Natur, und zwar ohne dass dies den demokratisch durch die Strukturen der PRC oder ihre Aktivisten getroffenen Entscheiden entsprochen hätte.

Vielleicht ist in keinem anderen Land Europas so viel Tinte vergossen worden, um die Linke neu zu ersinnen (“ripensare la sinistra”) und die “linke Praxis zu renovieren” wie gerade in Italien. Seit Jahrzehnten waren wir[3] Ratschlägen ausgesetzt, wonach wir uns zu “modernisieren” hätten – wie “in Italien”. Der tragische Ausgang des vielen “Neuersinnens” und des Liquidatorentums steht vor aller Augen: zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wird es im italienischen Parlament keine Kommunisten haben; nicht einmal Sozialisten oder Grüne. Eine faschisierende Rechte übernimmt die Zügel der Macht in einem Moment der tiefen Krise des Kapitalismus. Aber die Geschichte steht nicht still. Die Realität selbst eines ausbeuterischen und gefrässigen Kapitalismus wird die italienische Arbeiterklasse vor die Notwendigkeit stellen, ihre Klassenstrukturen wiederaufzurichten. Wichtig ist dabei, dass man versteht, die Lektionen aus Fehlern der Vergangenheit zu ziehen. Zum Vorteil der Arbeiterklasse Italiens und der ganzen Welt.

Übersetzung (lih/mh) aus dem «Avante!» Nº 1795 (24.04.08): J. Cadima: Tragédia italiana

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Fussnoten:

1 Jorge Cadima ist Mitarbeiter der Internationalen Abteilung der PCP. Vom gleichen Autor: Mauern und Genozide | Klassenzensur

2 La Stampa, 19.4.08: Montezemolo attacca i sindacati

3 «wir … uns zu modernisieren»: gemeint ist die Portugiesische Kommunistische Partei PCP


Zur Partei der Rifondazione Comunista (PRC) siehe auch:


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