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Fünf erste Bemerkungen zum Ergebnis der Regional- und Kommunalwahlen in Venezuela

1. Erfreulich ist insgesamt auf den ersten Blick der grossartige Sieg der Chavez-Anhängerschaft (PSUV) bei der og. Wahl, der zugleich eine schwere Niederlage für die konservativ-reaktionäre Opposition bedeutet. Immerhin beteiligten sich mit rund 66% deutlich mehr als die üblicherweise weniger als 50% der Stimmberechtigten an der Wahl. Dieses Mal hatte auch die konservativ-reaktionäre Opposition gegen Chavez zur Stimmabgabe mobilisiert und die Wahl nicht boykottiert wie zuletzt vor einigen Jahren.

2. Dass die Opposition in Caracas obsiegte, verwundert nicht all zu sehr. Schliesslich wohnen die wohlhabende obere Mittelschicht und fast der gesamte Anteil reicher Venezolaner in Caracas. An den Universitäten und Privatinstituten der Hauptstadt studieren deren Abkömmlinge. Caracas bildet den Schwerpunkt konterrevolutionärer Aktivitäten und Wühltätigkeit. Selbst in solchen Hochburgen von Chavez wie den Armenvierteln versucht die Konterrevolution mit einigem Erfolg Boden zu gewinnen, indem dort z.B. massiv Kokain und andere Drogen verbreitet werden, bewaffnete Strassengangs gefördert werden. Wirtschaftssabotage, Korruption und Kriminalität sind weiterhin auf hohem Niveau vorhanden. Chavez geht mit viel zu sanften Mitteln an diese Probleme heran. Allein die Umstrukturierung der Polizei mit dem Heraussäubern einstiger schlimmer Verbrecher am Volk dauert nun schon Jahre. Durch Mangel an Polizeipräsenz gedeiht das Verbrechen. Dies wiederum nutzt die Konterrevolution gnadenlos aus, die bis hinein in die PSUV etliche mittlere und regionale/lokale Gremien beherrscht.

3. Wer meint, dass alle von der PSUV aufgestellten Kandidaten bei diesen Wahlen politisch rot waren, liegt leider falsch. Bei rein numerisch ca. 6 Millionen Mitgliedern der PSUV (und einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 28 Millionen Menschen für Venezuela) ist die PSUV rasch vielerorts zu einem reinen Karrieristenverein verkommen. Die KP Venezuelas sah sich gezwungen, in etlichen Fällen gegen PSUV-Kandidierende Gegenkandidierende aufzustellen, weil von der PSUV dubioseste Konterrevolutionäre aufgestellt worden waren. In den vergangenen Jahren sind etliche PSUV-Mitglieder in hohen Positionen kurzerhand zur Opposition übergelaufen bzw. setzten in ihrem Zuständigkeitsbereich eine konterrevolutionäre Politik bis hin zum Schiessbefehl auf demonstrierende Arbeiter durch. Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklungen längst nicht beendet sind.

4. Aus unserer konsequent marxistisch-leninistischen Sicht bleibt festzuhalten, dass Venezuela entgegen allen vollmundigen Sozialismus-Versprechungen von Hugo Chavez Frias nach wie vor im bürgerlichen Revolutionszyklus verbleibt. Hugo Chavez scheut nicht nur vor einer von der KP Venezuelas angemahnten raschen Verstaatlichung der Banken zurück, er hält auch bewusst am bürgerlichen Parteien- und “pluralistischen” Wahlsystem fest. Damit ermöglicht er der Konterrevolution einen sehr grossen “legalen Spielraum” für deren Aktivitäten und muss nach wie vor als Verfechter eines “friedlichen Weges zum Sozialismus”, als schwankender Kleinbürger, eingeschätzt werden. Wie lange sich diese Verengung auf rein bürgerliche Reformen durchhalten lässt, bleibt weiterhin abzuwarten.

5. Aus leninistischer Sicht braucht Venezuela die sozialistische Revolution, d.h. konkret die vollständige Zerschlagung des alten bürgerlichen Staatsapparates, die Verstaatlichung des Finanzsystems, den leninschen Genossenschaftsplan für die Umgestaltung der Landwirtschaft, die demokratische Schulreform, die Diktatur des Proletariats. Vor all dem drückt sich Hugo Chavez Frias. Noch.

Jens-Torsten Bohlke, Brüssel

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