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Zum Flugzeugabsturz in Smolensk:

Menschliches Versagen des Antikommunismus

Alle Eier in einem Korb

Es ist ein Wagnis, die gesamte militärische Elite eines Landes auf ein einziges Schiff zu verladen. In der Schweiz hat sich vor 70 Jahren General Guisan nicht ohne Grund zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. «Alle Eier in einem Korb!», riefen die am Ufer Stehenden besorgt, als sich “das ganze Rösslispiel”, die Offiziere der gesamten Armee vom General bis zu den Bataillonskommandanten in corpore einschifften und nach der Rütliwiese bewegten.

Beim Flugzeugabsturz von Smolensk ist kürzlich die politische und militärische Elite Polens zugrunde gerichtet worden. Die Streitkräfte und die Ministerien sind enthauptet.

Der Absturz

Wer für diese Eierei verantwortlich ist, bleibt noch zu untersuchen. Die ersten Anzeichen deuten auf Ursachen, die gemeinhin als «menschliches Versagen» bezeichnet werden. Aber diese Bezeichnung hat nur den Sinn, die technischen Defekte und die Einwirkung äusserer Störungen von den menschlichen Unvollkommenkeiten abzugrenzen, namentlich von der unzulänglichen Beherrschung und Handhabung der Geräte und Vorschriften.

Wegen sehr schlechter Sicht empfahl die Flugsicherung von Smolensk dem Piloten der polnischen Regierungsmaschine, auf einem benachbarten Flughafen zu landen. Offenbar wollten die hohen Herrschaften an Bord nichts davon wissen, denn dieser Umweg hätte den Reisezweck des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und der anderen Würdenträger gefährdet bzw. ihre Agenda vezögert. Sie waren auf dem Weg zu einer grossen antikommunistischen Propagandashow in Katyn.

«Menschliches Versagen»

Das menschliche Versagen lag – nach allem was man bis heute weiss – in menschlichen Schwächen, die sich in Polens Gesellschaft plausibel erklären lassen, aber auch in vielen anderen Ländern verbreitet finden.

Eingefleischter Antikommunismus, engstirnige nationale Verbohrtheit, Verbissenheit auf allen Ebenen (Oekonomie, Politik, Gesellschaft, Kultur), Anbetung des Papsttums, das sind die Markenzeichen der reaktionären Eliten Polens. Was will man von einer so finsteren Umgebung anders erwarten als irrationale Verhaltensweisen? Was von einem Staatspräsident, der felsenfest auf den Schutz der Gottesmutter vertraut, in deren Auftrag er glaubt, den Kreuzzug gegen den Kommunismus anführen zu müssen? Einem solchen Mann kann der weltliche Einspruch eines erfahrenen Piloten nicht imponieren. Und an Bord wimmelte es von solchen Männern. Smolensk beweist, dass der versammelte Generalstab aller zivilen und militärischen Waffengattungen Polens nicht imstande ist, eine friedliche Operation wie die fluggesicherte Landung eines Militärflugzeuges – seines eigenes Hauptquartiers – zu kommandieren. Und dies, obwohl die Verbindungen nicht besser sein könnten: Man brauchte den Piloten nur anzuschreien.

Eine Polin, Rosa Luxemburg, hat im Ersten Weltkrieg in einer deutschen Polemik gegen die Sozialchauvinisten der SPD darauf hingewiesen, dass ein General niemals seine Arbeiter, eher noch seine Gäule befragen würde, wohin sie die Kanonen ziehen möchten.

Physikalische und menschliche Gesetze

Nach dem heutigen Stand der einhelligen Vermutung hat der Pilot das Risiko der Landung berechnet und zu hoch befunden. Dieses Risiko muss für jeden Landeversuch neu berechnet werden und steigt nach jedem Fehlschlag (Formeln der bedingten Wahrscheinlichkeit). Aber Brecht erinnert uns im «Leben des Galilei», dass statt der Fallgesetze oft die Gesetze des Kniefalls den Ausschlag geben. Die Eliten Polens wollen nichts von Brecht wissen und streichen bekanntlich selbst den alten Goethe aus den Schulbüchern, um ihren Kindern zum Ersatz Papstreden zu bieten.

Der polnische Nationalismus, im 19. Jahrhundert ein prächtiger Kerl und Verbündeter des Fortschritts, hat sich im 20. Jahrhundert in eine Zitadelle der schwärzesten Reaktion verwandelt. Leider muss man beifügen, dass die polnische Linke (auch Rosa) durch ihre antinationale, die polnische Selbstbestimmung verachtende Haltung zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Die kleinbürgerliche Borniertheit des polnischen Nationalismus findet ihr universales Gegenstück in der unbegrenzten Bereitschaft, das Schicksal der Nation und selbst die eigenen Eliten auf dem Altar des Antikommunismus zu opfern.

(14.04.2010/mh)


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