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Verhandlungsmandat mit der EU und Beziehungen zur Nato: die Neutralität schreddern?

Alberto Togni

von Alberto Togni1

In den letzten zwei Monaten wurden vom Bundesrat zwei wichtige Dokumente veröffentlicht, die viel mehr Debatte verdienen würden als die wenigen Zeilen, die ihnen von den Medien – Copy & Paste von Pressemitteilungen – gewidmet wurden. Es geht um die Dokumentation des neuen Verhandlungsmandats mit der EU und des «Berichts über die Verteidigungsfähigkeit und internationale Zusammenarbeit der Armee» (d. h. der Beziehungen zur Nato).

Wenn man sie liest, kann man im Dokument leicht die «weitsichtige» aussenpolitische Strategie des Bundesrates ausmachen: das Land langsam in eine EU-Kolonie zu verwandeln (mit späterem Beitritt) und es de facto zu einer Nato-Zweigstelle zu machen. Alles klar.

Das neue Verhandlungsmandat mit der EU für ein Rahmenabkommen 2.0 ist fast identisch mit der ersten Version, die 2021, wenn auch verspätet, vom Bundesrat selbst versenkt wurde. Der einzige Unterschied: der viel beschworene «Paketansatz». Er sieht nach einerm Lockmittel aus, um beim Volk die Akzeptanz zu erzeugen, dass der Bundesrat plötzlich seine Bereitschaft zu Verhandlungen auf Augenhöhe wiederentdeckt hat. Die dynamische Übernahme von EU-Recht, abzüglich der rhetorischen Nebelkerzen, bleibt jedoch bestehen. Und folglich würden alle Garantien, die der Bundesrat im Bereich des Lohnschutzes, im Hinblick auf die Risiken der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, der heiklen Frage des Verbots staatlicher Beihilfen usw. zu erreichen hofft, wenig nützen. Denn sie würden an der einseitigen Option der EU scheitern, die Schweiz vor den EU-Gerichtshof zu zerren, von dem wir uns leicht vorstellen können, zu wessen Gunsten er entscheiden würde. Sobald ein Urteil gefällt wäre, müsste sich unser Land entscheiden. Will es sich dem Diktat der EU beugen und die neue Gesetzgebung akzeptieren, auch wenn es dem politischen Willen oder dem Urteil des Volkes zuwiderläuft? Oder ist es bereit, Vergeltungsmassnahmen verschiedener Art (Sanktionen, Ausschluss von bestimmten Programmen, wie wir sie bereits in der Vergangenheit erlebt haben …) in Kauf zu nehmen? Angesichts der in den letzten Jahren festzustellenden völligen Unfähigkeit des Bundesrates, eine autonome und unabhängige Politik zu entwickeln, lässt sich leicht vorhersagen, wohin die Fahrt gehen würde.

Nicht weniger besorgniserregend ist das zweite Dokument, in dem auf 34 Seiten erläutert wird, «wie […] eine vertiefte und institutionalisierte Zusammenarbeit mit der Nato unter Wahrung der Neutralität erreicht werden kann». Darin ist die Rede von einer immer stärkeren Integration der Schweizer Armee in die Allianz (Ausbildung, Waffensysteme, Technologien und damit auch der Unterwerfung politischer Gegner), von einer Lockerung der Kriterien für den Überflug bzw. die Verschiebung von Nato-Truppen durch unser Land (die Errichtung echter amerikanischer Stützpunkte wäre dann wohl nur noch eine Frage der Zeit) und eine Überarbeitung der Vorschriften für die Ausbildung unserer Soldaten auf den Waffenplätzen von Drittstaaten (das würde bedeuten, sie in Zukunft zumindest in Missionen der Nato einzusetzen; das wäre noch schlimmer als das, was schon heute mit der KFOR geschieht). Es ist offensichtlich, dass dies alles nicht mit der Wahrung unserer Neutralität zu vereinbaren ist. Diese wird nach dem Bumerang-Beschluss, den EU-Sanktionen gegen Russland beizutreten, anstatt im Konflikt unsere guten Dienste zur Verfügung zu stellen, schon jetzt von vielen Ländern in Frage gestellt.

Noch haben wir aber die Chance, diese negative Entwicklung zu stoppen, indem die Neutralität in der Verfassung verankert wird. So, wie es die «Neutralitätsinitiative» (→ Unterschriftenbogen) fordert, die ich nachdrücklich unterstütze, um ein klares Nein des Volkes zur EU und zur NATO zu bekräftigen.
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1 Alberto Togni (1994) ist Mitglied der Leitung der Kommunistischen Partei (Schweiz) und Gemeinderatsmitglied in Gordola. In der Vergangenheit hatte er Funktionen in der Unabhängigen Studenten- und Lehrlingsgewerkschaft (SISA) inne.

Der Originaltext ist am 28 . Februar 2024 in sinistra.ch erschienen. Übersetzt mit Hilfe von Yandex Translator.