kommunisten.ch

kommunisten.ch

100 Jahre Basler Friedenskongress

Am ausserordentlichen Kongress der II. Internationale in Basel (24./25. November 1912) nahmen 555 Delegierte aus 23 Ländern teil, darunter viele prominente Vertreter der sozialistischen Bewegung wie Bebel, Kautsky, Clara Zetkin, Vaillant, Jaurès, Victor Adler, Keir Hardie und Herman Greulich, der als Vertreter der gastgebenden Schweizer den Kongress eröffnete.1

Der Kongress wurde am 24. November um 10 Uhr 30 in der Burgvogtei (heute Volkshaus) eröffnet. Am Nachmittag fand der Umzug durch die Innenstadt zum Münster statt. An die 15’000 Menschen versammelten sich rund um das Münster, wo sie keinen Einlass mehr fanden.

Die Arbeit des Kongresses war dadurch geprägt, dass die Rechtsopportunisten jeder Kritik aus dem Weg zu gehen versuchten. Alle Redner waren sich in den wichtigsten Einschätzungen einig, vor allem darin, dass der drohende Weltkrieg ein imperialistischer Raubkrieg sein würde und dass er den Interessen des Proletariats von Grund auf widersprach. Fast alle gaben der Hoffnung Ausdruck, dass das es dem vereinten internationalen Proletariat gelingen würde, den Kriegsausbruch zu verhindern.

Aber die Führer der Internationale vermieden es, konkret darüber zu sprechen, wie die Parteien die im Laufe des Kriegs entstehenden revolutionären Situationen zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft ausnützen könnten.

Die Redner verlangten einmütig die Einstellung des Balkankriegs und gaben der Hoffnung Ausdruck, dass im Falle einer russischen Einmischung das russische Proletariat seine Befreiung erkämpfen werde. Haase (SPD) hielt eine pazifistische Rede, die darin gipfelte, dass die Sozialisten sich für gute Beziehungen zwischen den Mächten Deutschland, England und Frankreich einsetzen sollten. Die Ansicht der meisten Redner wurde durch den Belgier Anseele so ausgedrückt: «Die Internationale ist stark genug dazu, in diesem Tone des Befehls zu den Machthabern zu sprechen.» Noch optimistischer Jaurès, der meinte, «dass alle Regierungen aus Furcht von den unübersehbaren Folgen zu keinem Entschluss kommen können.» Vaillant warnte die Bourgeoisie: «Die gegenwärtigen Kriege sind tiefe Krisen, die alle Lebensinteressen der Völker erschüttern. Eine solche Krise führte 1871 zur Pariser Kommune. Fürchtet Euch davor, dass ein gesamteuropäischer Krieg eine Kommune in ganz Frankreich ins Leben rufen kann.»

In Namen der revolutionären Sozialdemokraten rief Clara Zetkin zum entschlossenen Vorgehen gegen den Krieg auf: «Für den entfalteten Kapitalismus sind Kriegsrüstungen und Kriege Lebensnotwendigkeiten, durch sie sucht er seine Herrschaft aufrechtzuerhalten … Daher kann das internationale Proletariat in seinem Krieg gegen den Krieg nur erfolgreich sein, wenn auch von seiner Seite in gewaltigen Massenaktionen alle verfügbaren Machtmittel aufgeboten, alle Kräfte mobilisiert werden.»

August Bebel hielt die Schlussrede, in der er die Bedeutung der angenommenen Beschlüsse würdigte und von der Riesenkraft der Einheit des Proletariats aller Länder sprach, das gegen die heraufziehenden Kriegsgefahr auftrat.

Das Manifest des Basler Kongresses wurde einstimmig angenommen. Es schätze die konkreten Interessenkonflikte präzis, klar und bestimmt ein und atmete den revolutionären Geist der Beschlüsse des Internationalen Sozialistenkongresses zu Stuttgart von 1907, die von Lenin persönlich massgebend mitgeprägt worden waren. Das Manifest übernimmt die stärkste These der Stuttgarter Resolution wörtlich: Die Sozialisten «müssen … aus allen Kräften bestrebt sein, die durch den Krieg hervorgerufene Wirtschaftskrise auszunutzen, um das Volk aufzubieten und damit den Sturz der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.»

Lenin wohnte dem Sozialistenkongress nicht bei. Als er vom Wortlaut des Manifests Kenntnis bekam, sagte er, auf das Dokument zeigend: «Wir haben einen grossen Wechsel erhalten. Wollen wir sehen, wie er eingelöst wird!»2

(17.11.2012/mh)
_________
Fussnoten:

1 Akademie der Wissenschaften der UdSSR (Hg.), Die Geschichte der Zweiten Internationale, Band II, deutsch: Moskau (Progress) 1983; zum Baseler KongreÖ der II. Internationale, S. 349-359. Die hier verwendeten Zitate einzelner Redner sind dieser Quelle entnommen.

2 ebenda, S. 358


Siehe auch:

Veranstaltungen zum 100. Jahrestag des Sozialistenkongresses von Basel (Externe Links):

  • Krieg und Frieden – Internationale wissenschaftliche Konferenz der Universität Basel zum 100. Jahrestag des Baseler Kongresses – Ende November 2012 jährt sich zum hundertsten Male der –Ausserordentliche Internationale Sozialistenkongress– oder –Friedenskongress der Sozialistischen Internationale–, der in Basel stattfand. Anlässlich des 100. Jubiläums des Basler Friedenskongresses organisieren die Universität Basel, vertreten durch das Historische Seminar und das Institut für Soziologie, sowie die Stiftung für Sozialgeschichte Osteuropas die Tagung “Krieg und Frieden. 100 Jahre Ausserordentlicher Kongress ,Gegen den Krieg’ der Sozialistischen Internationale von 1912 in Basel und die Frage des Friedens heute”.

zum Seitenanfang