Syndicom: Mitglieder unzufrieden mit ihrer Gewerkschaft
An der Basis von Syndicom, der Gewerkschaft, die vor gut drei Jahren aus dem Zusammenschluss der Gewerkschaften des Post- und Telekommunikationspersonals sowie der Medienindustrie entstanden ist, brodelt es. Unter der Bezeichnung «Syndicom SOS» hat sich eine Gruppe gebildet, welche die verschiedenen Missstände in der Gewerkschaft aufgreift. Angeprangert werden unter anderem gravierende Defizite in der Gewerkschaftsdemokratie, unverschämte Löhne der Kader, Zensur in der Mitgliederpresse, aber auch vertrags- und gewerkschaftspolitische Entscheide in der Gewerkschaftsführung.
Artikuliert hat sich die Unzufriedenheit vorerst insbesondere bei den Mitgliedern der Druckbranche, die sich in der neuen Gewerkschaft von Anfang an vernachlässigt fühlten. Aber auch aus den Postbranchen ist Unmut spürbar, so dass man sich allgemein Sorgen um die Zukunft der Gewerkschaft zu machen beginnt. «Die Gewerkschaft ist ernsthaft bedroht. Daher finden wir es wichtig, dass sich die Mitglieder wehren», heisst es auf dem Website von Syndicom SOS. Auch wenn die Situation bei Syndicom hoffnungslos erscheine, wolle man kämpfen, denn «nur so können wir das Steuer noch herumreissen!», ist dort weiter zu lesen.
Der skandadalöse Rückzug der Poststellen-Initiative
An der politischen Ausrichtung der Gewerkschaft wird von Syndcom SOS vielfache Kritik geübt. Die Drucker, die noch bis vor wenigen Jahren harte Arbeitskämpfe zu führen gewohnt waren, bekunden besondere Mühe mit der Tabuisierung der Sozialpartnerschaftsideologie in ihrer neuen Gewerkschaft. Allerdings haben auch die Mitglieder des Post- und Telekommunikationsbereichs allen Grund, mit der Poltik ihrer Gewerkschaft unzufrieden zu sein. Die noch von der Vorgängerorganisation GeKom lancierte Poststellen-Initiative hatte in kurzer Zeit die notwendige Unterschriftenzahl zusammen mit dem Ziel, einen Service publique bei den Postdiensten aufrechtzuerhalten und dem Stellenabbau vorzubeugen. Aber noch bevor die Initiative ihre Wirkung entfalten konnte und ohne auch nur das geringste Zugeständnis erhalten zu haben, fasste der Zentralvorstand von Syndicom den unverständlichen Beschluss, die Initiative zurückzuziehen. Mehr als 100Â 000 Postbedienstete und Bürgerinnen und Bürger, die etwas für die Stärkung des Service publique tun wollten, wurden um ihre Unterschrift betrogen. Der Skandal war aber dann perfekt, als ruchbar wurde, dass der ZV-Entscheid von SP-Strippenziehern bestellt wurde, um der Postministerin in einem Deal ein nettes Gegengeschäft anbieten zu können…
Die Löhne der Gewerkschaftskader
Auf sehr viel Unmut stossen bei Syndicom-Gewerkschafterinnen und -Gewerkschaftern die exorbitanten Löhne der Führungsleute, die alles übersteigen, was in der schweizerischen Gewerkschaftsbewegung Sitte (und sittlich) ist. Besonders stösst auf, dass bei den Mitgliedern in den letzten Jahren anderseits verschiedene Mitgliederleistungen gekürzt oder die Beiträge erhöht wurden. Syndicom SOS fordert daher, dass bei Syndicom keine Monatslöhne über 10Â 000 Franken bezahlt werden: «Wir sind der Meinung, dass dies ein gutes Gehalt ist, davon können die meisten Mitglieder nur träumen.»
Gewerkschaftsdemokratie auf dem Rückzug
Besorgnis erregt der stete Abbau bei den Basis-Strukturen der Gewerkschaft. «Mehr Mitgliedernähe» wurde einmal als Argument für die Fusion der Vorgängergewerkschaften angeführt. Die Gewerkschaft entfernt sich indessen immer weiter vom Mitglied. Nicht nur werden Sekretariate aufgehoben; viel gravierender ist, dass die örtlichen Sektionen zu Mammut-Gebilden zusammengefasst werden, die es den meisten Mitgliedern aus geografischen Gründen unmöglich machen, sich in ihrer Gewerkschaft an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Diese fehlen heute weitgehend. Kein Wunder, blieben die Forderungen von Syndicom SOS am kürzlichen Kongress von Syndicom aussen vor, weil es keine Delegierten hatte, welche sie hätten vortragen können. Zwar gelang es, über eine Zürcher Sektion einen Antrag in Resolutionsform mit entsprechenden Forderungen einzureichen. Um jedes Risiko auszuschalten, auf die Materie eintreten und sich einer Diskussion stellen zu müssen, wurde der Antrag von der Gewerkschaftsführung elegant per Ordnungsantrag aus Abschied und Traktanden fallen gelassen.
Mehr über Syndicom SOS im Web: www.syndicom-sos.ch
Siehe auch:
- Pressemitteilung vom 15.11.2012 der Kommunistischen Partei des Tessins: Der Rückzug der Volks-Initiative –Für eine starke Post– ist ein Fehler!
- Dossier Opportunismus
- Dossier Privatisierung, Neoliberalismus