kommunisten.ch

kommunisten.ch

Gedenksteine in Singen für Ernst Thälmann, Ehefrau Rosa und Tochter Irma. Sie wurden am 20. Februar 2018 an der Rielasingerstrasse 180 gesetzt, der Adresse, wo die beiden Frauen zur Zeit ihrer Verhaftung durch die Gestapo im September 1944 gewohnt hatten.

Die Gedenksteine für die Familie Thälmann in Singen am Hohen­twiel

Wenn heute, am 18. August 2024, des 80. Jahrestages der Ermordung von Ernst Thälmann gedacht wird, werden die hautpsächlichen Wirkungsstätten des charismatischen Arbeiterführers in Hamburg und Berlin sowie die Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde im Zentrum stehen. Wenigen dürfte bekannt sein, dass dicht an der Schweizer Grenze, in der Hegau-Metropole Singen, drei sogenannte Stolpersteine an die ganze Familie Thälmann und ihren antifaschistischen Widerstand erinnern.

Rosa Thälmann und Irma Vester-Thälmann ist diese Ehrung nicht – wie man vielleicht annehmen könnte – einfach so als Angehörigen des legendären KPD-Vorsitzenden widerfahren. Sie wurden damit in erster Linie als Widerstandskämpferinnen geehrt, die wichtige Aufgaben in der konspirativen Arbeit der KPD erfüllt haben. Vorerst Rosa und später dann auch Irma haben in den 11 Jahren der Kerkerhaft Ernst Thälmanns unter Ausnutzung ihrer Besuchsmöglichkeit wesentlich dazu beigetragen, dass er seine Verbindung mit der Führung der Partei im Untergrund und im Exil aufrecht erhalten konnte. Sie setzten sich damit grosser Gefahr aus und bezahlten dies schliesslich mit ihrer Einlieferung ins Konzentrationslager Ravensbrück.

Ernst Thälmann mit der für ihn typischen Schirmmütze

Ernst Thälmann, unter dessen Leitung die Kommunistische Partei Deutschlands zur marxistisch-leninistischen Massenpartei wurde und bei den letzten freien Reichstagswahlen 1932 sechs Millionen Stimmen erzielte, stand nach seiner Verhaftung im März 1933 von Anfang an unter besonderer Beachtung durch Hitler. Dieser plante, seinen grössten politischen Gegner, der neben dem KPD-Vorsitz auch noch das Amt des Vizepräsidenten der Komintern ausübte, öffentlich vor Gericht zu stellen. Die schlechten Erfahrungen, die das Regime mit dem Reichstagsbrandprozess gegen Georgi Dimitroff gemacht hatte, führten schliesslich dazu, dass der Plan fallengelassen wurde. Umso mehr als die internationalen Solidaritätsbekundungen für Thälmann nicht abbrachen. Auch in der Schweiz fanden damals kaum wichtige Treffen von Arbeiterorganisationen statt, ohne dass in einer Resolution die Freilassung des KPD-Führers gefordert wurde.

Zu Teddy, wie Thälmann von den Arbeitern meist genannt wurde, gelangten diese Bekundungen, darunter Tausende von Postkarten, die auch in Deutschland klandestin versandt wurden, nie oder höchstens im Versteckten durch den Besuch, aber die Nazis mussten sie zur Kenntnis nehmen. In der ganzen Zeit ist es dem faschistischen Regime nicht gelungen, Ernst Thälmann von der Aussenwelt zu isolieren. Auch die Verbindung zur Partei riss nicht ab. Dafür sorgten nun seine Frau und immer häufiger auch seine Tochter in Zusammenarbeit mit Kurieren der Partei, die sie in der Illegalität auf die Treffen im Gefängnis gut vorbereiteten und im Nachgang die Ergebnisse wieder mit ihnen besprachen. Zwar konnten die Besuche nur in Anwesenheit geschulten Überwachungspersonals stattfinden. Rosa Thälmann flocht dabei im Gespräch die Mitteilungen geschickt ein, die sie ihrem Mann überbringen sollte.

«Ernst Thälmann [seinerseits] teilte in Tarnsprache mit, was die Parteiführung wissen sollte. Er nutzte auch die ständigen schikanierenden Fragen und Bemerkungen der überwachenden Gestapobeamten, um in die Erwiderungen Hinweise und andere wichtige Mitteilungen für die Parteiführung einzuflechten. Rosa hatte sehr bald gelernt, diese Hinweise aus der oft erregten und von Thälmann häufig direkt provozierten Unterhaltung herauszuhören. Die Kuriere studierten auch die Briefe und Karten Ernst Thälmanns an seine Angehörigen, in denen er geschickt Informationen für die Partei unterbrachte.» («Ernst Thälmann», Dietz-Verlag 1980, S. 687)

Einer dieser Kuriere, Walter Trautzsch, mit Deckname «Edwin» war in Prag und später in Paris stationiert und reiste für diese Aufträge in Abständen von 4 bis 6 Wochen mit gefälschter Identität ins faschistische Deutschland ein zu den illegalen Treffen mit Rosa oder Irma. Diese Treffs standen «unter Beachtung strengster Konspiration», wie in der Thälmann-Biografie zu lesen ist. «Im Gespräch mit dem Kurier wurde der Besuch Rosas bei Ernst gründlich in Rede und Gegenrede vorbereitet.» «Edwin» ist in den zweieinhalb Jahren zwischen 1936 und 1938 insgesamt 18-mal illegal in Nazi-Deutschland eingereist. Beim 18. Mal wurde er jedoch von der Gestapo verhaftet, konnte aber aus ihren Fängen entweichen, indem er sich zum Schein bereit erklärt hatte, für sie in Frankreich als Agent im Kreise der Exildeutschen zu arbeiten. Zurück in Frankreich informierte er die KPD umgehend darüber. Nach der Internierung in Frankreich gelang ihm die Flucht in die Schweiz, wo er später die Berner Genossin Rosemarie Muggli heiratete. Nach dem Krieg siedelte das Paar in die DDR über, wo sie beide öffentliche Funktionen bekleideten.

Rosa Thälmann (links) und Irma Vester-Thälmann (rechts). Die Aufnahme dürfte ungefähr in der Zeit ihres Aufenthaltes in Singen entstanden sein. Irma hatte 1940 in die Stadt am Fusse des Hohentwiels geheiratet. Verbindungen der Thälmanns nach Singen bestanden über den aus dem Hegau stammenden Reichstagsabgeordneten Max Maddalena, einem engen politischen Weggefährten Ernst Thälmanns.

Ab 1938 durfte Ernst Thälmann zeitweilig Besuche in seiner Zelle empfangen. Auch wenn jetzt keine Gestapobeamten mehr dabei waren, war man sich klar, dass trotzdem mitgehorcht wurde. Es handelte sich dabei auch nicht um eine Hafterleichterung, sondern den Versuch, mittels geheimen Abhörens zu Informationen zu kommen, die bei Anwesenheit von Beamten nie preisgegeben würden. Die beiden Frauen nahmen jetzt Tafeln mit, die unter den Kleidern gut zu verstecken waren. Mündlich wurden belanglose Dinge besprochen, parallel über die Tafel wichtige Parteiangelegenheiten schriftlich kommuniziert und sogleich wieder ausgewischt.

Das letzte Foto von Ernst Thälmann im Gerichtsgefängnis Hannover

Am 16. April 1944, an Ernst Thälmanns Geburtstag, bestieg Rosa in Singen den ersten Zug für die lange Fahrt nach Bautzen, wohin ihr Mann unterdessen verlegt worden war. «Kaum hatte sie die Wohnung verlassen, war grosser Krach vor der Tür», schreibt Irma in ihren Erinnerungen. Gewehrkolben wurden gegen die Türe geschlagen. Zwanzig Mann stark stürmte die Gestapo in die Wohnung. Irma wurde verhaftet und in Hamburg in Einzelhaft geworfen. Im Juli erfolgte dann ihre Überführung nach Neubrandenburg in ein Aussenlager des KZ Ravensbrück. Rosa wurde indessen in Bautzen nicht zu Ernst gelassen. Sie fuhr darauf nach Berlin zur Gestapo-Leitung, wo sie jedoch keine Auskunft erhielt. Den Rückweg benutzte sie noch für einen kurzen Aufenthalt bei Verwandten. Erst zu Hause erfuhr sie von Irmas Verhaftung. Wenige Tage später wurde auch Rosa abgeholt und in Ravensbrück eingeliefert. «Rückkehr unerwünscht» lautete der Eintrag in den Lagerpapieren. Aber im Frühjahr 1945 wurden die beiden Frauen von den Soldaten der Roten Armee befreit.

Sowohl Rosa als auch Irma waren in der DDR politisch engagiert. Rosa wurde Abgeordnete der Volkskammer. Sie gehörte den Präsidien des Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer sowie des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) an. Sie starb 1962. Irma war ebenfalls im DFD aktiv. Hauptberuflich arbeitete sie im Ministerium für Schwermaschinenbau. Wie ihre Mutter setzte sie sich zeitlebens für die Erinnerungsstätten des antifaschistischen Widerstandes ein. Sie ist 2002 gestorben. Beide Frauen sind in der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde bestattet.

Das Ernst-Thälmann-Denkmal auf dem Prenzlauer Berg, so wie es sich nach seiner Enthüllung im Jahre 1986 präsentiert hat. Das vom sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel geschaffene monumentale Werk ist seit dem Anschluss der DDR immer wieder Anlass zu heftigen Diskussionen von Seiten revanchistischer Kreise und Ziel von Schändungen.