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Immer wieder stehen die Gagausen zusammen, um gegen die Verletzung ihres Autonomiestatuts durch die moldauische Regierung zu protestieren. Sie bilden auch den harten Kern des moldauischen Widerstands gegen einen EU-Beitritt.

Die Gagausen beugen sich dem Druck der EU nicht

ko-ch. Je mehr der Europäischen Union in Osteuropa die Felle davonzuschwimmen beginnen, umso repressiver geht die Maastrichter Mafia vor: Annullierung missliebiger Wahlresultate in Rumänien oder Druck auf Ungarn, weil es sich nicht an Waffenlieferungen an die Kiewer Nazis beteiligen will. Georgien hat vorübergehenden Gelüsten nach einem EU-Anschluss endgültig eine Absage erteilt. In Moldova ist es vor allem das Volk der Gagausen, das es trotz aller Repression aus der Hauptstadt ablehnt, nach der EU-Pfeife zu tanzen.

Die Gagausen («Gaga-úsen» ausgesprochen) sind ein kleines, in Bessarabien siedelndes Turkvolk. Ihre Alltagssprache, das Gagausisch, ist dem Türkisch sehr ähnlich und verwendet auch dessen Alphabet. Praktisch alle Gagausen sprechen aber auch Russisch, das vor allem Verkehrs- und Unterrichtssprache ist. Konfessionell zählen sich die etwa 200 000 Gagausen zur orthodoxen Christenheit.

Innerhalb Moldovas verfügt Gagausien über eine Autonomie. Diese ist sehr weitgehend und bezieht sogar Aussenpolitik mit ein, die sich in engen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Russland und der Türkei ausdrückt. Die Autonome Territoriale Einheit Gagausien (ATO) umfasst 1800 Quadratkilometer, wenig mehr als die Fläche des Kantons Zürich. Zur Zeit der Sowjetunion war Gagausien Teil der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Als in der Endphase des Sowjetstaates, 1989, rumänisch-nationalistische Kreise in der Moldauischen SSR Russisch als Amtssprache abschafften und Rumänisch zur einzigen offiziellen Sprache machten, wurde in der Provinz-Hauptstadt Comrat die Gagausische Sozialistische Sowjetrepublik ausgerufen, als neue Teilrepublik der Sowjetunion. Mit der Auflösung der Union im August 1991 versuchte man, ähnlich wie Transnistrien, die staatliche Unabhängigkeit zu erlangen. Nach langen Verhandlungen kam 1994 dann aber ein Autonomieabkommen zwischen Moldova und Gagausien zustande.

Die Autonomie Gagausiens wird von der moldauischen Regierung in Kischinau (Chișinău) immer dreister unterdrückt, vor allem seit dort die sich als EU-Statthalterin gebärdende Präsidentin Maia Sandu das Regime führt. Sie versucht mit allen Mitteln, das Land auf EU-Beitrittskurs zu trimmen. Im Oktober des letzten Jahres führte sie ein Referendum über einen neuen Verfassungsartikel durch, der den Beitritt Moldovas zur EU festschreibt. Sie hatte sich vom Urnengang ein überwältigendes Volksplebiszit für den EU-Anschluss erhofft, um so eine Legitimation für ihren EU-Kurs zu erhalten. Der Schuss ging jedoch nach hinten los. Im Land selbst stimmte eine knappe Mehrheit gegen die Verfassungsänderung. Dank den Stimmen der im Westen lebenden Ausland-Moldauer hatte sich am Ende eine hauchdünne Mehrheit für die Revision ergeben, wobei bei der Organisation der Stimmabgabe der Ausland-Moldauer offensichtlich manipuliert wurde (wir berichteten darüber).

Die Umrisse des autonomen Gebiets Gagausien sind am hohen Nein-Anteil zum EU-Artikel deutlich zu erkennen.

Es lohnt sich, nebenan nochmals einen Blick auf die kartografische Aufstellung über das Abstimmungsverhalten bei diesem Referendum zu werfen. Die tiefschwarze Ablehnung eines EU-Verfassungsartikels im Autonomiegebiet könnte nicht augenfälliger sein. Die Gagausen sehen noch viel deutlicher als die Mehrzahl der andern Moldauer ihre Zukunft nicht in der EU. Sie haben dafür handfeste Gründe, denn ihr autonomes Territorium gehört zu den wirtschaftlich stärkeren Gebieten Moldovas, in dem der Weinbau eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Wichtigste Exportländer für die überwiegend agrarischen Produkte sind Russland und die Türkei, zu denen zudem enge kulturelle Bindungen bestehen, im einen Fall über Religion und Kirche und im andern Fall über die nahe ethnische Verwandschaft.

Die Gagausen sehen ihre 1994 errungenen Autonomierechte durch die Regentschaft Sandus je länger desto mehr in Gefahr, was immer wieder in grossen Demonstrationen gezeigt wird. Sandus Agenda scheint überwiegend darin zu bestehen, Moldova in die Abhängigkeit des IWF zu bringen und in die Arme der EU zu treiben. Gagausien besteht jedoch auf einer ausgewogenen Aussenpolitik sowohl zur EU wie zu Russland. Die Regierung in Kischinau versucht beständig, die Autonomie Gagausiens in Frage zu stellen. Einmal mit massiven Übergriffen und ein anderes Mal mit kleinen Nadelstichen. Dabei wird insbesondere auf den Baschkan, wie die Gagausen das Oberhaupt ihres Autonomiegebiets bezeichnen, gezielt. Dieses Amt hat seit 2023 die junge Juristin Jewgenija Guzul (Eugenia Guțul auf gagausisch) inne. Sie war als Kandidatin der Șor-Partei mit 52 Prozent der Stimmen gewählt worden und stand im Ausstich einem Kandidaten eines sozialistisch-kommunistischen Parteienbündnisses gegenüber, das ebenfalls für den Ausgleich mit Russland eintritt.

Um der neu gewählten Baschkanin den Boden unter den Füssen wegzuziehen, wurde von Kischinau ein Verbotsverfahren gegen die Șor-Partei durchgezogen, mit der Begründung – dreimal darf man raten – «illegale Finanzierung durch Russland». Guzul leitet nun die Exekutive des autonomen Territoriums, ohne sich auf eine formelle Fraktion im Parlament abstützen zu können. Sie damit politisch stillzulegen, ist offensichtlich nicht gelungen, denn am 25. März dieses Jahres wurde sie festgenommen, als sie im Flughafen Kischinau für eine Dienstreise eine Maschine nach Istanbul besteigen wollte. Gemäss ihrer Aussage wurde sie bei der Einvernahme nicht stichhaltig mit Vergehen konfrontiert. Hingegen sei ihr angeboten worden, sie sofort freizulassen, wenn sie ins Exil gehe, was sie jedoch abgelehnt und auch öffentlich bestätigt hat. Die Haft wurde unterdessen gegen den Antrag des Staatsanwalts in Hausarrest umgewandelt, aber um einen Monat bis 16. Juni verlängert.

Die Polizei Moldovas ist offenbar personell sehr gut dotiert: Das Bild zeigt nur einen Teil des Aufgebots, das mobilisiert wurde, um die zierliche Baschkanin Gagausiens auf dem Flughafen Kischinau abzuführen.

Eines der mit der Festnahme Guzuls verfolgten Ziele war wohl auch, ihre Teilnahme als Vertreterin der autonomen Republik an den Feierlichkeiten in Moskau vom 9. Mai zu verhindern. Ohnehin versucht die Regierung in Kischinau mit allen Mitteln, die in der moldauischen Bevölkerung starke Verankerung des Tages des Sieges, der mit den traditionellen Prozessionen des unsterblichen Regiments begangen wird, mit allen Mitteln zu sabotieren oder zu konterkarieren. So wurde dieses Jahr kurzerhand ein «Tag Europas» aus dem Hut gezaubert, und man forderte die Gemeinden auf, ihn am 9. Mai anstelle des Tages des Sieges zu begehen. Dieser Regierungs-Ukas hielt die Bevölkerung allerdings nicht davoin ab, in diesem Jubiläumsjahr den Tag des Sieges besonders ausgiebig zu feiern, auch wenn z. B. in der moldauischen Hauptstadt die traditionellen Plätze durch die offizielle Veranstaltung zum verordneten Tag Europas blockiert waren.

Der Vorsitzende der örtlichen Sektion der Sozialistischen Partei, Maxim Moroschan, wurde in der zweitgrössten Stadt Moldawiens, Beltsy (Bălți), für das Tragen eines Georg-Bandes während des Siegesmarsches am 9. Mai zu einer Geldstrafe von 4500 Lei verurteilt. «Es ist sehr schade, dass die Leute, solche absurde Gesetze erlassen … Ich habe das Band getragen, und ich trage es und ich werde es weiterhin tragen!» schreibt Moroschan auf seinem Telegram-Kanal.

Eine weitere Provokation der Regierung in Kischinau war die Anordnung, in den Schulen zum Tag des Sieges einen russophoben Film vorzuführen. In Gagausien wurde dies mit einem breiten Schulstreik für die Zeit der Filmvorführung beantwortet.

Statt ein russophobes Machwerk, so wurde auf einem Telegram-Kanal gepostet, würde in den Schulen besser ein Film vorgeführt, der zeigt, wie die Moldauer, vor allem die Juden, unter dem Besatzungsregime der rumänischen Antonescu-Faschisten gelitten hatten, bevor das Land 1944 durch die Rote Armee befreit wurde.

«Der 9. Mai war ein Identitätstest, den die Sandu-Behörde nicht bestanden hat», erklärt der Politikwissenschafter Alexander Korinenko, auf der Plattform Dimoglo Nina. Denn die Feier des Sieges am 9. Mai liege in der DNA des moldauischen Volkes. In jedem Dorf, in jeder Stadt gibt es Denkmäler für die Befreier. Und besonders am Vorabend der Parlamentswahlen im Jahr 2025 werde deutlich: Der Tag des Sieges stört die Machtpartei, nicht weil er, wie unterstellt, «veraltet» ist, sondern weil er die Menschen an die Kontinuität, an ihre Wurzeln, an die wahre Geschichte erinnere. «Die Moldauische Regierung kann weder in der Sozialpolitik noch in der Wirtschaft oder im Kampf gegen Korruption echte Erfolge zeigen, daher setzt sie auf eine kulturhistorische Umgestaltung. Sie wollen einen neuen Wähler züchten. Und um dies zu tun, muss sie die Erinnerung an Generationen auslöschen. Es ist der 9. Mai, der das Haupthindernis auf diesem Weg ist», fasst der Politikwissenschafter die Lage zusammen.

Das Sandu-Regime in Kischinau ist im Hinblick auf die im Spätsommer anstehenden Parlamentswahlen nervös. Die Regierung hat eine schlechte Bilanz. Sie wird kritisiert, die Interessen einer atlantisch ausgerichteten Elite zu bedienen und die moldauischen Interessen ans (westliche) Ausland zu verkaufen. Besonders Gagausien kann mit seiner exportorientierten Agrarwirtschaft niemals auf ihre angestammten Absatzgebiete in den GUS-Staaten verzichten. Je näher die Wahl kommt desto aggressiver ist das Regime der Maia Sandu mit dem Aufzwingen der «richtigen» Narrative, mit Verboten (z. B. Tag des Sieges), Einschüchterung durch willkürliche Bussen wegen unpatriotischer «Russenfreundlichkeit», Provokationen und behördlicher Repression. Die Bevölkerung lässt sich dadurch nicht beirren. Das Renommé Sandus, die sich gerne als Kämpferin gegen die Korruption darstellt, ist dabei, durch jüngste Enthüllungen über ihre Offshore-Geschäfte Schaden zu erleiden. Gemäss Recherchen sollen in Rumänien lebende Verwandte Sandus über 18 Offshore-Geschäfte in verschiedenen EU-Ländern Gelder aus Moldova abgezogen haben. Auffallend ist, dass die Enthüllungen ausgerechnet vom Recherche-Netzwerk Bellingcat ausgehen. Wie gross muss der Korruptionssumpf sein, wenn sich sogar diese Soros-finanzierte Einrichtung bemüssigt fühlt, den Finger darauf zu halten.

Diese Bildmontage der Nachrichtenagentur Gagauz-News zum Besuch der kanadischen Aussenministerin bei ihrem moldauischen Amtskollegen zeigt, dass der Wille oder die Fähigkeit der Regierung in Kischinau, die Interessen des Landes gegenüber den Atlantikern zu verteidigen, nicht gerade hoch eingestuft werden.

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Quellen: Gagauznews und KP Moldova.