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Merkels Hunnenrede: Kampf um Deutschlands Muttermilch?

Im Vorfeld der angekündigten Teilnahme der deutschen Bundeskanzlerin am Lateinamerika-Gipfel in Lima hat der venezolanische Staatsräsident Hugo Chávez dieser Tage darauf hingewiesen, dass Angela Merkel der CDU und damit der deutschen Rechten angehört, die bekanntlich den Hitlerfaschismus unterstützt hat.

Damit erteilte Chávez eine passende Antwort auf Merkels Aufforderung an lateinamerikanische Staatsmänner, dass sie sich von ihm und seiner Politik distanzieren sollen. Der Hinweis auf Traditionen und historische Zusammenhänge ist nicht aus der Luft gegriffen. Nach der Niederlage des Faschismus und angesichts der Diskreditierung der bürgerlichen Vorkriegsparteien reorganisierte sich die Rechte in den Staaten, in denen der Faschismus als Staatsmacht zerschlagen wurde, fortan im christlich-demokratischen Parteitypus.

Überhaupt haben sich die – von der deutschen Rechten ersonnenen – aussenpolitischen Konzepte als sehr stabil erwiesen. Diese Konzepte sind meistens auch innerhalb von Koalitionen oder sogar bei “Mittelinks”-Regierungen wegweisend geblieben, auch wenn sie je nach Kräfteverhältnissen ganz unterschiedliche Schattierungen aufwiesen, wie es eben die Kunst des Möglichen zulässt. Die deutsche Aussenpolitik hat nie von ihren imperialistischen Zielen gelassen, sie zeichnet sich seit Kaiser Wilhelms Zeiten durch Kontinuität aus.

  • Da ist die deutsche Orientpolitik mit den Bohrtürmen von Bagdad im Visier. Sie schliesst eine Balkanpolitik ein, welche die Errichtung von Protektoraten unter deutscher Kontrolle zum Ziel und im 20. Jahrhundert drei Angriffskriege gegen Serbien zum Mittel hatte. Bei aller Abwechslung von kaiserlichen, faschistischen, christdemokratischen oder sozialdemokratischen Kanzlern und Kabinetten, denen die Ausführung mit und ohne Blutvergiessen anvertraut wird, beobachten wir bei den strategischen Zielvorgaben eine bemerkenswerte Konstanz.
  • Dasselbe lässt sich in bezug auf den “Raum im Osten” sagen. Auch unter der demokratischen Verfassung der Weimarer Republik wurde dieses Ziel nie aufgegeben. Mit dem Locarno-Vertrag von 1925 einigte sich das Reich mit den Westmächten, behielt sich aber vor, die Grenzen im Osten zu korrigieren. (Es kalkulierte zu Recht auf grosse Sympathie der Westmächte, wie sich später erweisen sollte.) Diese Linie der Ostpolitik wird heute mehreren Ländern Osteuropas reaktiviert. Dabei kann sich Berlin auf alte faschistische Brüderschaften verlassen und nutzt seinen Einfluss auf einige Staaten, um dort robuste Freunde in den Sattel zu hieven, die dem Hakenkreuz und Stechschritt die Strasse frei machen. Die Bundesrepublik hat auch die Schändung von antifaschistischen Gräbern durch die Behörden von Estland gedeckt.
  • Eine weitere Invariante des deutschen Imperialismus weist die deutsche Ostasienpolitik auf. Lange vor dem faschistischen Achsenschluss zwischen Berlin und Tokio (Anti-Komintern-Pakt 1937) finden wir in der deutschen Chinapolitik von Kaiser Wilhelms II. und bis auf den heutigen Tag einen Zug zur Dämonisierung der Chinesen, verbunden mit ihrer Abqualifizierung als moralisch, geistig usw. minderwertige und selbstsüchtige Wesen, die den berechtigten deutschen Interessen im Wege stehen würden. Diese Tendenz beschränkt sich nicht nur auf die Anstachelung von reaktionären Mönchshorden.

In der berüchtigten “Hunnenrede” hat Kaiser Wilhelm zu Bremerhaven seiner China-Expedition erklärt, wozu sie in See stechen sollte. Grosse überseeische Aufgaben, Aufgaben weit grösser, als viele Landsleute es erwartet haben, seien dem Deutschen Reiche “zugefallen”. (Solche Zufälle gibt’s. Seit einigen Jahren häufen sie sich rasant und prasseln tragischerweise immer wieder auf Deutschland nieder.)

“Kommst ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!” (Wilhelm II., 27. Juli 1900)

Die Hunnenrede von Angela Merkel fasst dieselben Gedanken in die Worte des 21. Jahrhunderts. Die deutsche Bundeskanzlerin gibt im Gegensatz zu vielen Entwicklungspolitikern nicht der steigenden Biosprit-Produktion die Hauptschuld an der Preisexplosion bei Lebensmitteln. Hauptursache sei “eine sehr unzureichende Agrarpolitik in den Entwicklungsländern.” Dabei geniert sich Merkel nicht, unterschwellig an den Futterneid zu appellieren, und spricht in einem Ton, als ob Deutschland seine Muttermilch gegen gierige Säuglinge aus chinesischen Einkind-Familien zu verteidigen hätte:

–In Indien etwa nehmen inzwischen rund 300 Millionen Menschen eine zweite Mahlzeit am Tag ein. Wenn die plötzlich doppelt soviel Nahrungsmittel verbrauchen als sie das früher gemacht haben und dann auch noch 100 Millionen Chinesen beginnen Milch zu trinken, dann verzerren sich natürlich unsere gesamten Milchquoten und vieles andere.” (Merkel, 17. April 2008)

Auch das Interesse Deutschlands an Lateinamerika hat ja seine Geschichte und die deutsche Delegation wird keine Mühe haben, an dortigen Schattenplätzen alte Landsleute anzutreffen. Sucht Frau Merkel einen Platz an der Sonne?

Vielleicht hat sie das Dossier Südamerika ihren befreundeten spanischen Sachbearbeitern aus der Hand genommen und zur Chefsache erklärt?

Will sie nachprüfen, wie viele Milch an die Kinder dieses Kontinent vergeudet wird, oder was die Armen in Venezuela mit ihren um 30% erhöhten Löhnen sonst noch alles verzehren?

Befürchtet sie eine Wehrkraftzersetzung, wenn die Bauern und Arbeiter sich an der Biomaterie versündigen, indem sie die Früchte ihrer Arbeit essen, anstatt sie freizugeben zum Antrieb von Motoren, die für Deutschlands wachsende Aufgaben rollen?

Man kann es den Patrioten Lateinamerikas nicht übel nehmen, wenn sie sich ernsthaft fragen, was Merkel auf diesem Kontinent sucht.

(mh/13.5.08)

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