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«Die Linke» am aussenpolitischen Scheideweg: DKP allein für den Frieden?

Seit ihrem Kongress im März hat die deutsche Partei «Die Linke» ein neues Führungsduo: Die 43-jährige Susanne Hennig-Wellsow aus Thüringen und die 36-jährige Janine Wissler aus Hessen. Aber was ist an dieser Partei, über die sich Europas Linke einmal so viel Illusionen gemacht hat, an politischer Substanz übrig geblieben? Die früheren friedens­politischen Positions­bezüge machen immer mehr pro-atlan­tischen und sogar anti­kom­munis­tischen Stellung­nahmen Platz. Auch diese Partei scheint dem Drang nach Regierungs­posten alles unter­zuordnen. Konsequenz für die Deutsche Kommu­nistische Partei: sie geht ihren eigenen Weg.

sinistra. Wissler – die vor ihrer Wahl öffentlich aus der trotzkistischen Strömung «Marx21» ausgetreten ist – steht einer Koalition mit den Sozialdemokraten und dem «Bündnis 90/Die Grünen» eher zurückhaltend gegenüber. Sie hatte am Kongress 448 Ja (84%), 64 Nein (12%) und 20 Enthaltungen erhalten. Für Hennig-Wellsow, die stattdessen auf eine «rot-rot-grüne» Koalition setzt, stimmten 378 Delegierte (70,5%). Hennig-Wellsow gilt als Vertraute von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und war Fraktionschefin im Landtag. Unter den sechs stellvertretenden Parteivorsitzenden wählten die Delegierten mit 52,5% die Berliner Parteivorsitzende Katina Schubert vom eher «regierungsfreundlichen» Flügel; der in pazifistischen Fragen aktive Tobias Pflüger aus Baden-Württemberg und Bundestagsabgeordneter setzte sich mit 54,2% knapp gegen Matthias Höhn aus Sachsen-Anhalt durch, der sich kurz vor dem Kongress für den Auslandseinsatz der Bundeswehr ausgesprochen hatte. Kurzum, die Mehrheit der Delegierten entschied sich für die interne Strömung namens «Bewegungslinke», von der 20 Kandidaten in den 44-köpfigen Bundesvorstand der Partei gewählt wurden. In den Parteivorstand nicht wiedergewählt wurde dagegen Harri Grünberg, der im Solidaritätsverein «Cuba Sí» aktiv ist und zum Sahra Wagenknecht nahestehenden «Aufstehen»-Flügel gehört. Auch Friederike Benda aus Berlin scheiterte bei ihrer Wahl zur Vizepräsidentin. Ausserdem stellen die Ostverbände (von denen einige Exponenten eine schon in der DDR politisch aktiv waren) erstmals nicht mehr die Mehrheit der Parteimitglieder.

Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow

Der Antiimperialismus, dieser unbekannte…

Zum ersten Mal werden zwei Frauen «Die Linke» anführen. Ihre Wahl wurde von der italienischen Zeitung «Il Manifesto» – einer liberalen Publikation, die aber vorgibt, «kommunistisch» zu sein – bejubelt. Die Zeitung interpretierte die Wahl mit dem Satz: «Die Rückkehr zur internationalistischen Linie und die Schliessung des Risses, den der souveränistische Flügel in den letzten fünf Jahren verursacht hat». Das ist ein faktischer Titel, denn das, was hier als «Internationalismus» bezeichnet wird, ist eigentlich EU-Kosmopolitik, während der Neologismus «Souveränist» ein Versuch ist, die antiimperialistische Strömung, die der kommunistischen Tradition näher steht, zu diffamieren. Die Militärpolitik und das Verhältnis zur antiimperialistischen und Friedensbewegung war immer ein Streitpunkt zwischen den verschiedenen internen Strömungen in der Partei «Die Linke», die heute eine reformistische ist und im Wesentlichen eine pro-atlantische Wende genommen zu haben scheint. Die Partei, die 2005 aus der Fusion zwischen der Partei des demokratischen Sozialismus (PDS), in der sich Postkommunisten des Ostens zusammenfanden, und der Wählergemeinschaft Arbeit und soziale Gerechtigkeit (Wasg), die die sozialistischen Gewerkschafter des Westens zusammenbrachte, entstanden ist, hat die europäische Linke und mit ihr auch viele in unserer PdA illusioniert. Die Partei gibt nicht nur das antiimperialistische Gedankengut auf, sondern marginalisiert politisch sogar die populäre Parlamentarierin Sahra Wagenknecht, die sogar des «Rassismus» bezichtigt wird, weil sie Konzepte der nationalen Souveränität und der Partnerschaft mit Russland und China in der Perspektive der Multipolarität verteidigt hat. In der Praxis befinden sich die Kommunisten und Antiimperialisten, die noch in «Die Linke» aktiv sind, heute zwischen zwei Feuern: Auf der einen Seite gibt es die reformistischen Führer, die sich an Konzepten des allgemeinen liberalen und europäisch geprägten inhaltslosen Progressivismus orientieren, beeinflusst von postmodernistischen Thesen; auf der anderen Seite gibt es Trotzkisten (oder Extremisten im Allgemeinen), die, indem sie sich listig einer ultrarevolutionären antikapitalistischen (und offensichtlich antistalinistischen) Rhetorik bedienen, von links die Operation der «Entkommunisierung» der Partei decken.

Sahra Wagenknecht: Vorwurf des «Souveränismus», weil sie Multipolarismus will!

Zionistische Infiltration

Eigentlich nichts Neues unter der Sonne. Schon vor einigen Jahren war es Gregor Gysi, einem Liquidator des Kommunismus, einem Dissidenten der «Linken» in der ehemaligen DDR sowie einem Freund des US-Botschafters und des israelischen Botschafters in Berlin, gelungen, durch geschickte Täuschung der Militanten der Parteibasis die grundsätzliche Forderung nach dem Austritt Deutschlands aus der Nato aus dem politischen Programm zu streichen, mit einer rhetorisch maximalistischeren und scheinbar fortschrittlicheren, aber faktisch absolut harmlosen, weil schlichtweg unmöglichen Forderung, der Auflösung der Nato als solcher. Indem man zwar die Auflösung der Nato fordert, nicht aber den Austritt des eigenen Landes aus ihr, entzieht man dieser Forderung eigentlich jeden realistischen und konkreten politischen Ausweg, selbst wenn «Die Linke» an die Regierung käme! Darüber hinaus hatte Gysi unter dem Vorwand des gerechten Kampfes gegen den Antisemitismus in Wirklichkeit die Türen der Partei zur Toleranz gegenüber der zionistischen Ideologie geöffnet.

Gregor Gysi in einer Synagoge während einer Zeremonie

Das Engagement gegen Kriegseinsätze im Ausland

Während die Bundestagsfraktion Auslandseinsätze der Bundeswehr bisher – ehrbarer Weise – meist einstimmig abgelehnt hat (eine Ausnahme war der Marineeinsatz im Mittelmeer zur Vernichtung angeblicher syrischer Chemiewaffen 2014), deutet der Programmentwurf für die anstehende Bundestagswahl – vorgelegt von den ehemaligen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger – nun allerdings auf einen weiteren Rechtsruck hin. Das Dokument, das im Juni den Parteidelegierten zur Abstimmung vorgelegt wird, schwächt die Positionen in einigen entscheidenden Punkten ab. Während «Die Linke» in ihrem Wahlprogramm 2017 noch die Beseitigung von amerikanischen und Nato-Kriegsstützpunkten und Infrastruktur in Deutschland forderte, weil sie «gegen Russland, für eine verheerende Politik des Regimewechsels sowie für Angriffskriege im Allgemeinen eingesetzt werden», schweigt der aktuelle Entwurf zur aggressiven Offensive der Nato und schwächt die Akzente ab: Es wird nur noch von einer trivialen «Konfrontation zwischen Russland, China und den Vereinigten Staaten» gesprochen. Länder, die «in den letzten Jahren den Sicherheitsrat und die Vereinten Nationen (UN) blockiert haben» werden kurzum alle in einen Kübel geworfen, Täter und Opfer gleichsetzt. Es ist ein klares Zeichen für das Vorherrschen von pro-atlantischen Kräften in der Partei, die mit rhetorisch «linken» Argumenten zur Russophobie und Sinophobie blasen und dabei von den trotzkistischen Extremisten unterstützt werden, die schon immer als Rückgrat des Imperialismus gegen Russland und China agierten. Der bereits erwähnte Matthias Höhn, sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion, stellte nicht nur die generelle Ablehnung von Aufrüstungsprojekten durch die Partei in Frage, sondern forderte die schnellstmögliche Schaffung gemeinsamer europäischer Streitkräfte: Da es keinen demokratischen Zentralismus und damit kein Konzept der Parteidisziplin gibt, nutzen diese Leute ihre Positionen, um ungehindert reaktionäre Ansichten zu verbreiten. Ausserdem muss man zugeben, dass Höhns Positionen nicht gerade marginal sind, da seine Kandidatur für den Parteivorstand immerhin 41,6% der Delegierten auf dem Parteitag hinter sich gebracht hatte.

Sozialdemokraten und Grüne als Freunde der Nato

Auch zum Thema der Auslandseinsätze der Bundeswehr im Dienste des Atlantismus gibt es einen «Verschleierungsversuch». Im Entwurf des Wahlprogramms heisst es nämlich: «Wir werden uns nicht an einer Regierung beteiligen, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt». Hinter diesen Phrasen verbirgt sich jedoch der wahre Sinn: «Die Linke» wird sich natürlich nicht an einer solchen Regierung beteiligen, sie könnte sie aber von aussen dulden; ausserdem ist von einer klaren Absage, welche die Abgeordneten gegen imperialistische Missionen verpflichten würde, keine Spur. Damit nicht genug: Die Partei fordert – und ist sich sicher –, dass die Bundeswehr von allen Auslandseinsätzen abberufen wird. Das Problem ist, dass der Kipping-Riexinger-Text, anders als das bisherige Wahlprogramm, nichts über den Einsatz deutscher Soldaten in künftigen Auslandseinsätzen aussagt. Das sind natürlich ein paar Worte, ein paar Nuancen, aber in der Politik sind sie zentral, weil sie die Fraktion praktisch nicht an ein politisches Mandat mit den Militanten und der Basis binden. Kurzum, sie sind dabei, die Partei auch programmatisch für eine künftige «rot-rot-grüne» Regierungskoalition anzupassen. Tatsächlich haben SPD und Grüne immer wieder deutlich gemacht, dass ein Bündnis mit den Postkommunisten nur um den Preis möglich sei, dass «Die Linke» die bisherigen Grundsätze ihrer Friedenspolitik aufgibt. Die neue Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, die auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende gewählt wurde, macht daraus keinen Hehl: «Ob eine schwarz-grüne Regierung oder eine rot-rot-grüne Regierung kommt, liegt auch an uns». Und auch die Co-Vorsitzende Janine Wissler schliesst eine aktive Beteiligung mit Ministern in dieser hypothetischen neuen Regierung nicht aus.

Bislang haben sich einige Bundestagsabgeordnete wie Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Diether Dehm, Alexander Neu, Andrej Hunko und Heike Hänsel diesem neuen Kurs widersetzt und sich insbesondere gegen die wachsende Russophobie gewandt. Es wird jedoch immer deutlicher, dass sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Partei verändert: Nach den Wahlen in Weissrussland zum Beispiel forderte die Führung der Partei «Die Linke» zusammen mit der imperialistischen Rechten Sanktionen gegen Staatsbeamte in diesem Land, mischte sich mit allen möglichen Forderungen dreist in die inneren Angelegenheiten in Minsk ein und demonstrierte damit vor allem ihre Feindschaft zur Kommunistischen Partei Weissrusslands. Aber der jüngste Skandal für diejenigen, die sich noch als Kommunisten in «Die Linke» verstehen, war die Entscheidung des Parteivorstandes, sogar in einen Dialog mit den pro-US-kubanischen Konterrevolutionären einzutreten und damit den historischen Beziehungen zur Kommunistischen Partei Kubas den Rücken zu kehren.

Die Deutsche Kommunistische Partei verzichtet nicht auf den Antimilitarismus und tritt bei den Wahlen eigenständig an.

«Frieden mit Russland»

In der deutschen und internationalen kommunistischen Bewegung herrscht oft Uneinigkeit darüber, ob man der Partei «Die Linke» einen politischen Mehrwert zubilligen kann oder nicht. Für nicht wenige Marxisten gilt diese Partei unter den gegenwärtigen Bedingungen in Deutschland als das «geringste Übel», vor allem als Wahlbündnispartner, als Finanzier von Veranstaltungen oder einfach, um einem Minimum an linker Kritik in den Parlamenten eine Stimme zu geben: Deshalb laden manche Kommunisten sogar aktiv dazu ein, sie zu wählen. Aber beim «geringsten Übel» gibt es kaum einen Fortschritt! Die von Patrick Köbele geführte Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die sich immer wieder um die Einheit mit «Die Linke» bemüht hat, musste sich in der Tat immer wieder mit dem Sektierertum der letzteren auseinandersetzen und nimmt heute den neuen Kurs der «Genossen» zur Kenntnis. Die DKP hat deshalb beschlossen, bei den nächsten Wahlen trotz ihrer immer noch reduzierten Kräfte allein anzutreten, mit einem Programm, das sich mit einigen sehr klaren und wichtigen Slogans zusammenfassen lässt: «Raus aus der Nato», «Nein zur Aufrüstung!» und «Frieden mit Russland und China», genau das, was die opportunistische Linke stattdessen nicht mehr einfordert.

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Dieser Text ist erstmals am 3. April 2021 in sinistra.ch erschienen. Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version).