«Sputnik ist in die Umlaufbahn eingebogen»
Nach monatelangem Bashing von Russlands Sputnik-V-Impfstoff stehen Korrespondenten westlicher Medien in Moskau Schlange, um damit gegen CoVid-19 geimpft zu werden. Obwohl sie das Vakzin pflichtgemäss schlecht gemacht hatten, wollen sie es für die eigene Gesundheit nutzen. Sie können schliesslich einschätzen, wozu russische Wissenschaft fähig ist.
*Als der russische Präsident Wladimir Putin die Registrierung von Sputnik V, dem weltweit ersten Impfstoff gegen Covid-19, bekanntgegeben hat, hatten Teile der westlichen Medien ein Vakzin ins Visier genommen, das sie sowohl als gefährlich wie auch als unwirksam bezeichnet hatten. Doch in den letzten Wochen reihten sich Vertreter der gleichen Medien in Moskau auf, um den viel geschmähten Sputnik V zu empfangen. Sie leben ja in Russland und haben daher einen viel realistischeren Blick auf das Land und seine Fähigkeiten als ihre Arbeitgeber in New York und London.
Am Freitag enthüllte Andrew Kramer von der «New York Times», dass er seine erste Dosis Sputnik V erhalten hatte, und lobte die «gute Leistung russischer Wissenschafter, die eine lange und geschichtsträchtige Praxis der Impfstoffentwicklung fortsetzen», und bemerkte sogar, dass Moskau einige der logistischen Probleme vermieden hat, die man im Westen beobachten muss.
Kramer scheint jedoch vergessen zu haben, wie seine eigene Zeitung die russische Formel schnell in den Dreck gezogen hatte, indem sie eine Schlagzeile druckte, in der sie die überdurchschnittlich schnelle Entwicklung als «mehr als dumm» bezeichnete. Natürlich gilt die halsbrecherische Geschwindigkeit für alle verfügbaren Covid-19-Impfstoffe, die normalerweise Jahre brauchen, um zugelassen zu werden. «Westliche Experten konzentrierten sich hauptsächlich auf die Fragwürdigkeit der frühen Zulassung, nicht auf das Design des Impfstoffs, das dem von der Universität Oxford und AstraZeneca produzierten ähnlich ist», bemerkte er.
Der Leiter des Moskauer Büros der Publikation Anton Troianovski gab ebenfalls zu, den Impfstoff erhalten zu haben. Letzte Woche erschien auch ein positiver Artikel über den Impfstoff auf Bloomberg, geschrieben von dem Pharmaanalysten Sam Fazeli, der feststellte, dass «der Sputnik-V-Impfstoff ein ebenso starker Kandidat sein könnte wie die in westlichen Labors entwickelten», mit einer Wirksamkeit von über 90 Prozent.
Der in Moskau entwickelte Impfstoff wurde auch Oliver Carroll vom Independent und Nataliya Vasilyeva vom Telegraph verabreicht. Seit der Einnahme der ersten Dosis äusserte sich Carroll relativ lobend über den gesamten Prozess und verriet später, dass er Antikörper hat. Auf der negativen Seite, bemerkte er, dass er «Kater-ähnliche» Nebenwirkungen hatte, die schnell abklangen. Diese Woche erhielt er seine Auffrischungsimpfung.
Die Kehrtwende der westlichen Medien bei Sputnik V ist nicht nur ein Phänomen der anglophonen Welt. Auch der deutsche Staatssender «Deutsche Welle» änderte seine Meinung, indem der Journalist Sergey Satanovski die Logistik des Impfstoffs lobte. Insbesondere bemerkte er, dass der Arzt ihm eine 16-seitige Informationsbroschüre über die Impfung ausgehändigt hatte.
Der kurioseste Artikel aus einer westlichen Publikation erschien jedoch auf der lettischen Nachrichtenplattform «Meduza». Svetlana Reiter, eine in Moskau ansässige Korrespondentin, schrieb zwei Artikel über ihre Erfahrungen mit der Impfung. Sie schrieb über die Nebenwirkungen der ersten Impfung und der anschliessenden Auffrischungsimpfung und beschrieb in intimen Details, wie sie unter Kopfschmerzen und Muskelschmerzen litt. Die auf Russisch verfassten Artikel wurden für die englische Version der Website übersetzt und im Internet geteilt, um die Gefahren von Sputnik V zu dramatisieren.
Zwei Monate später schrieb Reiter einen Nachtrag: Sie habe zwar Symptome gehabt, aber die seien nicht durch den Impfstoff verursacht worden. Was auch gar nicht möglich war: Im Rahmen der Studie hatte sie nämlich stattdessen ein Placebo erhalten… Meduza entschied sich, das Eingeständnis nicht zu übersetzen und liess sogar die irreführenden Artikel auf Englisch unkorrigiert.
In Russland ist die Kehrtwende der westlichen Medien bezüglich des Impfstoffs nicht unbemerkt geblieben. Am Dienstag veröffentlichte die angesehene Moskauer Tageszeitung «Kommersant» einen Artikel über den Gesinnungswandel und erklärte: «Sputnik ist in die Umlaufbahn eingebogen».
«In den letzten Wochen sind in einer Reihe von westlichen Medien neutrale oder sogar positive Beiträge über den russischen Sputnik-V-Impfstoff erschienen», heisst es in dem Artikel. «Davor war der Ton der Berichterstattung über Russlands Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus überwiegend kritisch.»
Für die Russen sind die Gründe für das ausländische Bashing von Sputnik V klar: Geld und Fremdenfeindlichkeit. Aber für westliche Korrespondenten und Zivilisten ist es egal, woher ein Impfstoff kommt, wenn es um die Gesundheit geht – wenn er funktioniert, funktioniert er.
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_Erstmals veröffentlicht in Monaco Times