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Gazainfo 125: Blick aus Palästina auf die Weltlage

Das Interview zum Gaza-Info 125 wurde mit dem Genossen aus dem Gazastreifen am 13. August 2023 geführt. Wie wird die aktuelle Weltlage in Palästina betrachtet?

Die Diskussionen im Gazastreifen wie weltweit drehen sich aktuell um die Ereignisse in Niger und und wie diese Entwicklung weitergehen wird. Der Krieg in der Ukraine, das ist das zweite Thema, das uns beschäftigt. Das dritte betrifft die Entwicklung in Palästina. Und im vierten Punkt geht es um die Beziehung zwischen den USA und Iran.

Jeder der oben angeführten Punkte ist ein Brandherd, ein wichtiger Punkt mit weltweiten Auswirkungen, auch auf die Weltmächte. Etwa wie es in der Ukraine weitergeht.Auch was jetzt zwischen den USA und Ostasien läuft, und ob es sich bei China um die nächste Supermacht handelt. Und welche Rolle die BRICS spielen wird.

Ein anderer Punkt ist die Rolle der Europäischen Union in Afrika. Was bedeuten die jüngsten Vorfälle insbesondere für Frankreich und welche Auswirkungen gibt es auf die EU-Länder und für die Nato?

Bild: Stepmap

Man sieht jetzt deutlich, dass die Hegemonie des Westens niedergeht und es eine Entwicklung in eine multipolare Weltordnung gibt.

Aber sie werden nicht so einfach aufgeben und ihre Macht mit Zähnen und Klauen verteidigen. So leicht wird es nicht sein. Und wenn wir vom Westen reden, denken wir nur an die Regierungen. Die europäische Bevölkerung spielt zum Beispiel keine Rolle für die, die gelten nur als Schachfiguren, Bauern und Kanonenfutter für ihre Macht. Deshalb, wenn wir den Niedergang der europäischen Länder sehen, stellen wir fest: sie zahlen trotzdem weiter Milliarden an die Ukraine, auch wenn die Wirtschaft sinkt. Sie wissen genau, dass sie ihre Raubzüge aufgeben müssen, wenn sie ihre Macht verlieren.Wie Jacques Chirac einmal sagte: «Frankreich ohne Afrika wäre ein Dritte-Welt-Land.»

Sie sind wegen Niger in Panik. Aber nicht nur wegen Uran oder Gold.

Frankreich verfügt indirekt über 14 afrikanische Länder. Die mussten seinerzeit eine Erklärung unterschreiben, bevor sie ihre Unabhängigkeit bekommen konnten. Sie sind de facto bis heute Kolonien durch dieses Diktat. 1960 oder 1962 haben diese Länder eine Erklärung unterschrieben. Die Kolonien mussten für ihre Entkolonisierung eine Entschädigung an Frankreich zahlen. Etwa 40 Prozent des Bruttonationalprodukts, und das bis heute. 50% ihres Goldes müssen sie in der französischen Zentralbank deponieren. Diese Länder verwenden den afrikanischen Franc, aber diese Scheine werden in Wirklichkeit in Frankreich gedruckt und das Gold zu seiner Deckung verbleibt in der französischen Zentralbank. D. h. diese Scheine sind nur Klopapier, sie gelten nur als nationale Währung, aber international kannst du das nicht wechseln. Von diesen Goldreserven bei der französischen Zentralbank können sie nur 15 Prozent beziehen, und wenn sie mehr Geld brauchen, müssen sie Kredite bei Frankreich nehmen und für ihr Geld auch noch Zinsen zahlen, kannst du dir das vorstellen?

Anderseits gibt es Abkommen, dass diese Minen mit Uranium, Gold, Eisen, Kobalt, Gas, Öl nur an französische Firmen liefern dürfen und dass diese Firmen für die Ressourcen einen günstigen Preis bekommen. Und die Arbeiter bekommen nur einen niedrigen Lohn. Auch können diese Länder untereinander keinen Austausch betreiben ohne Einwilligung Frankreichs.

Frankreich kann in diesen Ländern auch militärische Stützpunkte errichten. Und es kann auch militärische Manöver dort abhalten, das wurde in diesem Abkommen fixiert. Von 1960 bis heute hat das französische Militär in diesen Ländern mehr als 50 Invasionen gemacht und einen Regimechange durchgeführt. Mehrere Präsidenten wurden von ihnen liquidiert, wenn diese etwa versucht haben, eine neue Währung in ihren Ländern einzuführen. So wie damals in Guinea Bissau, wo Cabral, der Che Guevara Afrikas, auch liquidiert wurde. Auch Ghaddafi wollte eine neue afrikanische Währung einführen.

Auch was die Schokolade und das französische Monopol betrifft: sein Kakao kommt aus Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Sein Uran kommt nicht nur aus Niger, auch jenes von Guinea Bissau und Mali haben sie unter ihre Kontrolle gebracht. Kannst du dir vorstellen, dass Niger, dessen Gold in der französischen Zentralbank liegt, kein Gramm Gold besitzt? Während Frankreich, das keine eigenen Goldminen hat, über 2500 Tonnen an Gold verfügt. Dieses Gold hatten die afrikanischen Länder in die französische Zentralbank zu legen. Ihre Währung, der afrikanische Franc,wurde mit dem französischen Franc und heute mit dem Euro verbunden. Auch dienen die Märkte dieser Länder als Absatzmärkte für französische Produkte.

Noch während der Kolonialzeit haben sie mehr als 5 Millionen Afrikaner nach Südamerika und andere Gebiete als Sklaven verkauft. Als Ware. Heute bezieht Frankreich allein aus Niger 35 Prozent seines Uraniums. Die EU bezieht allein 25 Prozent ihres Urans aus Niger. 70 Prozent des Stroms, der in Frankreich produziert wird, kommt aus Atomkraftwerken, die mit Uran aus Niger versorgt werden und wird an die europäischen Länder weiterverkauft.

Die Katastrophe ist, dass Niger, das mehr als 1,2 Mio. Quadratkilometer und fast 20 Mio. Einwohner hat, über verschiedene Arten von Minen wie Kobalt, Uran, Gold, Eisen, Kohle usw. verfügt. Es müsste eines der reichsten Länder dieser Erde und nicht eines der ärmsten sein. Jeder rechnet im Moment mit Frankreichs Reaktion, da es sich bei Niger um den letzten französischen Posten im sogenannten West- und Zentralafrika handelt. Sie werden nicht einfach zulassen, das zu verlieren, nachdem sie in Zentralafrika schon Guinea Bissau und Mali verloren haben.

Heute sind nicht mehr nur die Franzosen dort, die früher eine grosse Macht ausübten. Heute gibt es auch andere Mächte, die in die afrikanischen Länder eingezogen sind, um ihre Position und ihre Rolle in der internationalen Politik zu spielen wie China und Russland. Diese haben heute mehrere wirtschaftliche Verträge mit afrikanischen Ländern abgeschlossen, um neue Infrastruktur zu installieren wie Strassen, Brücken, Flughäfen, Häfen. Es gibt auch Investitionen in die verschiedenen Minen. Wir beobachten den Bau von Stromwerken, von Wasserdämmen, Fabriken,Spitälern, Schulen. Auch die Entwicklung in der Landwirtschaft wird vorangetrieben. Und das passt Frankreich, der EU oder den USA nicht, die nur Raubzüge in diese Länder unternehmen, um die Rohstoffe zu plündern. Heute arbeiten China und Russland in diesen Ländern als eine Art Garantiemacht. Deshalb wurden von russischen wie auch chinesischen Firmen Milliarden in diesen Ländern investiert, was diesen Ländern in ihrer Armut, ihrem Elend und den Folgen ihrer Ausbeutung hilft.

Trotzdem rechnen wir, dass in den nächsten Wochen eine militärische Intervention durch die sogenannten ECOWAS-Länder (Economic Community of West African States: Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) gegen Niger durchgeführt wird. Diese Invasion wird durch Nigeria,Tschad und Senegal geführt, mit Unterstützung Frankreichs, der EU, den USA und den Nato-Staaten. Deshalb hat Burkina Faso wie auch Mali und Guinea erklärt: Wir können nicht einfach zusehen, sondern begreifen einen Angriff auf Niger auch als Kriegserklärung gegen uns. Auch China, Russland, Algerien haben vor jeglicher militärischen Intervention gegen Niger gewarnt und sagten: es wird eine Destabilisierung Afrikas bedeuten und eine grosse Unsicherheit für die ganze Welt.

Es ist klar geworden, dass diese Slogans der EU-Länder wie auch der USA, die Invasionen und Kriege unter dem Motto der Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten oder dem Krieg gegen Terror geführt haben, von den Völkern dieser Erde nicht mehr akzeptiert werden. Man hat gemerkt, dass diese Slogans nur ein Vorwand waren, um in diesen Ländern ihre Interessen zu wahren, ihre Raubzüge durchzuführen und ihre Macht und Herrschaft durchzusetzen. Da hat man bemerkt,wie die internationale Charta und die internationalen Gesetze mit Füssen getreten wurden, etwa nach der Invasion und der Besetzung des Iraks durch die USA und ihre kriegführenden Verbündeten aus EU und Nato-Ländern. Da haben sie bemerkt, wie alle diese Länder ohne UNO-Resolution und Mandat des Sicherheitsrats Jugoslawien in Schutt und Asche gelegt und das Land zerstückelt haben. Ebenso haben sie Libyen in Schutt und Asche gelegt und Ghaddafi liquidiert. Desgleichen sieht man, wie die amerikanischen Truppen als Besatzungsmacht in Syrien bis heute syrisches Öl, Gas und Getreide klauen und weiterverkaufen. Man hat gesehen, wie diese Demokratieverteidiger mehrere Putsche weltweit durchgeführt haben, wie in Chile, wo sie Pinochet an der Stelle von Allende eingesetzt haben oder die Unterstützung der militärischen Junta oder Diktatoren wie Marcos auf den Philippinen oder den Schah im Iran oder Franco in Spanien oder die Putschisten in der Türkei oder in Griechenland. Oder in Pakistan die Entmachtung von Imran Khan, der Premierminister, der heute im Knast sitzt. Oder nicht zuletzt die Provokation eines neuen Krieges in der Ukraine gegen Russland. Die imperialistischen Mächte wollen damit ihre Macht sichern und ihre Raubzüge weiterführen. Für die gibt es keine Prinzipien, keine Moral und keine internationalen Werte und Gesetze, sondern sie wollen nur Profitmaximierung und noch mehr Profit. Wenn das auf den Leichen von Millionen Menschen passiert, werden sie keine Träne darüber vergiessen. Das haben wir auch bemerkt während der Zeit des Corona-Virus, die mehr als zwei Jahre lang dauerte. Wie sie das benutzt haben, um die Menschen in Elend und Armut zu versetzen.

Bild: Vontobel

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Imp.: Gazainfo, Stiftg. 8, 1070 Wien 3