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Die UN-Beamtin Pramila Patten posiert für Fotos mit dem israelischen Politiker Gilad Erdan vom israelischen Aussenministerium. Pattens Bericht wird in Jerusalem zwar gefeiert, aber er bleibt alle Beweise schuldig und stützt sich stattdessen auf schwache Indizien. Das UN-Team wurde bei seinen Recherchen von mutmasslichen Opfern ferngehalten.

UN-Bericht wäscht Israels verlogene «Massenvergewaltigungs»-Propaganda rein

Just als sich Israels lang andauernde Propagandakampagne, in der eine Strategie der «Massenvergewaltigung» durch Palästinenser am 7. Oktober konstruiert wurde, rasant aufzulösen begann, ist diese Woche eine Beamtin der Vereinten Nationen aufgetreten mit dem Versuch, das israelische Narrativ wieder aufzuwärmen. Die Absicht von Israels Regierungspropagandisten ist klar: Verleumdung der Waffenstillstandsbefürworter als Vergewaltigungs-Apologeten.

von ASA WINSTANLEY und ALI ABUNIMAH, Die elektronische Intifada, 7. März 2024

Die israelische Regierung ist der Beamtin Pramila Patten, die am Dienstag auf einer Pressekonferenz in New York einen hochkarätigen Bericht über mutmassliche sexuelle Gewalt veröffentlicht hat, dankbar. Er kam nach einem zweiwöchigen Besuch Pattens und ihres Teams in Israel im Januar und Februar zustande.

Dies ist ein entscheidender Zeitpunkt für Israel. Seit Dezember ist der wichtigste Befürworter des israelischen Propaganda-Narrativs die New York Times. Aber wie die Elektronische Intifada berichtet hat, ist die Times in einen wachsenden Skandal verwickelt, was die Richtigkeit ihrer Berichterstattung zu diesem Thema betrifft.

Ein mittlerweile berüchtigter Artikel – «‹Schreie ohne Worte›: Wie die Hamas sexuelle Gewalt am 7. Oktober als Waffe einsetzte» – wurde von einer kleinen Gruppe unabhängiger Journalisten vollständig entlarvt: von The Electronic Intifada, The Grayzone und Mondoweiss sowie dem Twitter-Nutzer @zei_squirrel.

Und obwohl mehrere seiner Autoren den falschen Behauptungen über Massenvergewaltigungen Glauben schenken, hat The Intercept zusätzliche Berichte veröffentlicht, welche die israelischen Behauptungen weiter diskreditieren.

In ihrem letzten Artikel am Montag identifizierten und sprachen Jeremy Scahill und Ryan Grim von The Intercept mit Familienmitgliedern, die mit zwei der drei mutmasslichen Opfer sexueller Gewalt in Verbindung standen, die im Artikel der Times herausgegriffen wurden. Und die Familie bestand darauf: «Es ist nicht wahr. Sie wurden nicht sexuell missbraucht.» Die Familie des dritten mutmasslichen Vergewaltigungsopfers – Gal Abdush – hatte den Times-Artikel bereits im Januar zurückgewiesen.

Die Times sieht sich aufgrund des Artikels einer wachsenden internen Rebellion unter ihren Mitarbeitern gegenüber. Eine Folge von The Daily, dem weit verbreiteten Podcast der Zeitung, wurde im Januar abgesagt, nachdem ein Faktencheck fehlgeschlagen war. Whistleblower der Times – sowie Mitarbeiter arabischer und muslimischer Herkunft – sehen sich einer Hexenjagd durch das Management der Zeitung gegenüber, die verzweifelt versucht, die Lecks über die internen Unruhen einzudämmen.

Es scheint, dass Pramila Pattens Bericht zeitlich so terminiert wurde, um die israelische Regierung und ihre Komplizen in der der US-Regierung zu retten. Aber im Gegensatz zur Mediendarstellung entlarvt der Patten-Bericht die Behauptungen über systematische sexuelle Gewalt noch mehr als Betrug.

«Solidarität» mit Israel

Was auch immer ihr Motiv ist, Patten ist nicht die unvoreingenommene UN-Beamtin, die sich für die Bekämpfung sexueller Gewalt in Konflikten einsetzt, wie sie vorgibt. Die israelische Zeitung Yedioth Ahronoth berichtete letzten Monat, dass Patten während ihres Besuchs in israelischen Siedlungen nahe der Gaza-Grenze «bei jedem Treffen, an dem sie teilnahm, konsequent ihre Solidarität, Empathie und Sympathie für Israel zum Ausdruck brachte».

Pattens Besuch war keine formelle UN-Untersuchung, und der daraus resultierende Bericht enthält keine neuen Beweise. Er ist auffallend vage in Bezug auf Einzelheiten und gibt zu, dass er fast ausschliesslich auf israelischen Regierungs- und Militärquellen basiert.

Eine zentrale Schlussfolgerung des Berichts räumt ein, dass das UN-Team «die Prävalenz sexueller Gewalt nicht feststellen konnte». Und er kommt zum Schluss, dass das Gesamtausmass, der Umfang und die konkrete Zuordnung dieser Verstösse eine umfassende Untersuchung erfordern würden».

Wie Pattens Bericht selbst feststellt, hat Israel sich konsequent geweigert, mit unabhängigen UN-Ermittlern zusammenzuarbeiten. Entscheidend ist, dass Patten und ihr Team kein einziges Opfer ausfindig machen konnten und nicht mit mutmasslichen Überlebenden sexueller Gewalt oder Vergewaltigung sprachen – obwohl sie öffentlich dazu aufgerufen hatten, sich zu melden und vertraulich und mit Zusicherungen von Sicherheit und Privatsphäre zu sprechen.

Ungeachtet all dieser Einschränkungen behauptet Patten in ihrem Bericht, dass es «vernünftige Gründe» für die Annahme gibt, dass während der Ereignisse vom 7. Oktober Vergewaltigungen stattgefunden haben. Sie stützt diese Schlussfolgerung auf «Indizieninformationen», von denen sie behauptet, dass sie «auf einige Formen sexueller Gewalt hinweisen könnten».

In dem Bericht wird behauptet, Pattens Team habe «klare und überzeugende Informationen darüber gesehen, dass einige nach Gaza verschleppte Geiseln verschiedenen Formen konfliktbedingter sexueller Gewalt ausgesetzt waren».

Verleumdung von Waffenstillstandsberfürwortern

Es wird auch behauptet, dass es «vernünftige Gründe zu der Annahme» gibt, dass sexuelle Gewalt gegen israelische Gefangene in palästinensischem Gewahrsam «andauern könnte». Auch hier erklärt der Bericht nicht, was diese «vernünftigen Gründe» sein könnten. Er erklärt auch nicht, was diese «überzeugende Information» ist oder woher sie kommt.

In Pattens Bericht heisst es zwar, dass ihr Team mit zurückgekehrten «Geiseln» gesprochen hat – den israelischen Gefangenen, die seit dem 7. Oktober von palästinensischen bewaffneten Gruppen freigelassen wurden –, aber entscheidend ist, dass keiner von ihnen behauptet hat, sexuell angegriffen worden zu sein.

Die Behauptung, dass israelische Gefangene vergewaltigt werden, dient einer zentralen israelischen Erzählung über die Notwendigkeit, den Völkermordkrieg gegen Gaza fortzusetzen. In einer Erklärung am Dienstag machte Israels UN-Botschafter Gilad Erdan eines der Motive für Israels intensive Desinformationskampagne deutlich. Sie zielt darauf ab, Palästinenser als Vergewaltiger darzustellen: «Die Bedeutung eines Waffenstillstands besteht darin, das Leiden der Geiseln zu verlängern. Jeder Aufruf zu einem Waffenstillstand ist eine offensichtliche Unterstützung für die Hamas, ihre sexuelle Gewalt fortzusetzen!»

Mit anderen Worten: Israel versucht, diejenigen, die ein Ende seines Völkermords in Gaza fordern, als Vergewaltigungs-Apologeten zu beschimpfen. Bemerkenswerterweise spricht der Patten-Bericht wiederholt von «klaren und überzeugenden Informationen», ohne aber Beweise vorzulegen.

Pramila Patten in Begleitung des israelischen Fabrikanten und jüdischen Extremisten Yossi Landau. Berichten zufolge drückte die UN-Beamtin bei ihrem Besuch in den Siedlungen «Solidarität» mit Israel aus. (Israel FMA)

In Anbetracht von Pattens offenbar vorgefasster «Solidarität» mit Israel ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass sie entschlossen zu sein scheint, die entlarvte «Massenvergewaltigungs» -Gräuelpropaganda durch das UN-System reinzuwaschen.

Während Pattens Besuch der israelischen Grenzsiedlungen und Armeestützpunkte, die am 7. Oktober Ziel des von der Hamas angeführten Militärangriffs waren, wurde sie von umstrittenen israelischen Persönlichkeiten begleitet. Fotos, die vom israelischen Aussenministerium veröffentlicht wurden, zeigen, dass Patten von Yossi Landau begleitet wurde, dem regionalen Leiter von ZAKA, einer jüdischen Extremistengruppe, die seit dem 7. Oktober für die Herstellung einiger der reisserischsten als Lüge entlarvten Gräueltaten Israels verantwortlich ist. Dazu gehört die widerlegte Behauptung, dass 40 Babys von der Hamas enthauptet worden seien.

Wie The Grayzone enthüllt hat, war Landau auch persönlich verantwortlich für die Behauptung, dass ein israelisches Baby getötet wurde, nachdem es aus dem Mutterleib gerissen worden sei.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu traf sich im November mit ZAKA-Mitgliedern und betonte deren wichtige Rolle in der israelischen Propaganda. «Wir müssen Zeit kaufen, die wir auch kaufen, indem wir uns an die Führer der Welt und an die öffentliche Meinung wenden,» sagte er der Gruppe. «Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung, die auch die Führungskräfte beeinflusst. Wir sind im Krieg, er wird weitergehen.» Landau hat seine Arbeit als «heilige Mission» bezeichnet.

Eine Anti-UNO-Kampagne

Laut einem zweiten Artikel von Yedioth Ahronoth vom Mittwoch ist Botschafter Erdan mit dem Patten-Bericht, den er «professionell und fair»bezeichnet, sehr zufrieden. «Endlich gibt es jemanden innerhalb der UNO, der bereit ist, Israel zuzuhören und diese Bedenken ernst zu nehmen, anstatt sie vom Tisch zuischen und sich fast ausschliesslich auf die Situation in Gaza zu konzentrieren», fasste der diplomatische Korrespondent der Zeitung, Itamar Eichner, zusammen.

Er schrieb, dass «israelische Beamte vorsichtig sind, Pattens Bericht offen zu begrüssen und die Autorin zu loben», aber «hinter verschlossenen Türen gibt es grosse Bewunderung für ihre Professionalität, Fürsprache und Aufmerksamkeit für die israelische Perspektive.»

Pattens Bericht gibt sogar zu, dass er auf Informationen beruht, die «zu einem grossen Teil von israelischen nationalen Institutionen bezogen wurden.» Zu diesen «Institutionen», so erklärt der Bericht, gehörten das israelische Militär, der interne Geheimdienst Shin Bet und die israelische Nationalpolizei. Mit anderen Worten: Die Vereinten Nationen verlassen sich auf das Wort derselben israelischen Streitkräfte und Spione, die den Völkermord in Gaza verüben, auch wenn Israel seine Taten mit nachweislich falschen Anschuldigungen über «Massenvergewaltigungen» rechtfertigt.

Dabei handelt es sich um dieselben staatlichen Kräfte, die wiederholt gelogen haben, die mehr als 150 UN-Mitarbeiter getötet haben – die grösste Anzahl von Mitarbeitern der Weltorganisation, die in einem Konflikt je getötet wurden – und die UN-Mitarbeiter des «Terrorismus» bezichtigt haben, ohne auch nur die Spur eines Beweises vorzulegen.

«Keine konkreten Hinweise auf Vergewaltigung»

Obwohl in den Konzernmedien weithin darüber berichtet wird, dass Israels Behauptungen über eine Hamas-Kampagne sexueller Gewalt untermauert werden, ist der Patten-Bericht ein zutiefst fehlerhaftes Dokument, das sehr vage Anschuldigungen erhebt und bereits entlarvte Gesprächsthemen der israelischen Propaganda recycelt. Gleichzeitig enthält er jedoch mehrere Eingeständnisse darüber, wie schwach Israels Behauptungen sind und wie einige von ihnen nachweislich falsch sind.

Das Fazit ist, dass der Bericht – trotz monatelanger intensiver israelischer Propaganda, die von einer willfährigen westlichen Presse nachgeplappert wurde – zugibt, dass «bei der medizinisch-rechtlichen Bewertung der verfügbaren Fotos und Videos», die vom UN-Team durchgeführt wurde, «keine greifbaren Hinweise auf Vergewaltigung festgestellt werden konnten».

Er räumt auch ein, dass das UN-Team in seiner eigenen «Open Source» -Untersuchung «keine digitalen Beweise gesehen hat, die speziell sexuelle Gewaltakte darstellen», obwohl es «umfangreiches digitales Material» überprüft hat. Kein einziges spezifisches Opfer sexueller Übergriffe wurde positiv identifiziert, lebend oder tot!

Mit anderen Worten, obwohl der übliche Refrain bei Vergewaltigungsvorwürfen darin besteht, «Frauen zu glauben», sind in diesem Fall nach wie vor keine Frauen aufzufinden, denen man glauben könnte.

Der Bericht beklagt, dass Pattens Team «keinen Zugang zu Zeugenaussagen von Überlebenden / Opfern sexueller Gewalt aus erster Hand hatte.» Es heisst, dass «trotz konzertierten Bemühungen, sie zu ermutigen, sich zu melden, das Missionsteam keines dieser Überlebenden / Opfer befragen konnte». Er behauptet – ohne Beweise oder Details -, dass «eine kleine Anzahl von [Opfern], die sich in Behandlung befinden, Berichten zufolge schwere psychische Belastungen und Traumata erleiden», erklärt aber nicht, woher UN-Beamte wissen, dass es solche Opfer wirklich gibt.

Diese vagen Behauptungen, dass es eine Handvoll versteckter Opfer gibt, erinnern an die Behauptungen in dem entlarvten Artikel der New York Times, der auf israelischen Regierungsquellen basiert. Der Patten-Bericht räumt ein, dass die Anzahl solcher mutmasslichen Überlebenden «unbekannt bleibt».

Anstelle von «Beweisen», deren Sammlung Pattens Team verwehrt wurde, unterscheidet der Bericht, dass man «Informationen erhalten» habe. Es bezieht sich auf «Indizienbeweise», z. B. die Behauptung, Pattens Team habe festgestellt, dass es «nackte oder teilweise nackte Körper» gab. Der Bericht räumt jedoch ein, dass «mindestens zwei in den Medien häufig wiederholte Vorwürfe sexueller Gewalt unbegründet waren.

Das Team ignoriert beunruhigend, wie Gräuelpropaganda von israelischen Beamten als Waffe eingesetzt wurde, und begegnet stattdessen ihre Behauptungen mit ungerechtfertigter Leichtgläubigkeit. Zum Beispiel berichtet der Bericht, dass «Behauptungen öffentlich gemacht wurden», dass die Hamas Flugblätter an ihre Kämpfer herausgegeben habe «mit Anweisungen zum Aussprechen von Phrasen auf Hebräisch wie «Öffne deine Beine» oder «Zieh deine Hose aus».

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass «das Missionsteam diese Behauptungen nicht untermauern konnte», ignoriert jedoch die Rolle der israelischen Armee bei der Verbreitung dieser Gräuelpropaganda.

Israels Drohungen an die UNO

Pattens Besuch in den Siedlungen im Gazastreifen erfolgte nach einem beispiellosen Angriff der israelischen Regierung auf die UNO, der die Organisation beschuldigte, die Behauptungen sexueller Gewalt nicht ernst zu nehmen.

Sollte die Entsendung Pattens nach Israel ein Versuch von Generalsekretär António Guterres gewesen sein, Tel Aviv zu beschwichtigen, hat es – vorhersehbar – nicht funktioniert. Unzufrieden mit Pattens Bericht, hat der israelische Botschafter Erdan nämlich diese Woche die Drohungen seines Landes gegen die UNO verschärft.

In einer Rede auf Israels Kanal 12 drohte er mit «schweren Massnahmen» gegen die UNO, einschliesslich der Schliessung ihres Jerusalemer Hauptquartiers und der Abschiebung von UN-Beamten, wenn der Generalsekretär sich jetzt nicht auf Artikel&nbsp99 der UN-Charta berufe.

Guterres hatte sich im Dezember auf den Artikel berufen – ein seltener Schritt, der darauf abzielte, den Sicherheitsrat offiziell vor der globalen Bedrohung durch Israels Krieg gegen Gaza zu warnen. Israel will jetzt, dass Guterres die gleiche Massnahme eindeutig gegen die Palästinenser ergreift.

Pramila Pattens Bericht hat nichts getan, um Beweise aufzudecken, die Israels Behauptungen stützen. Er hat Israel nur noch mehr betrügerische Propaganda geliefert, um seinen Völkermord an den Palästinensern und seinen Angriff auf die UNO voranzutreiben.
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Ali Abunimah ist Geschäftsführer und Asa Winstanley ist Mitherausgeber der Electronic Intifada. Das Original dieses Textes in englischer Sprache.