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Jesiden-Binnenvertriebenenlager Bardarash in der Nähe von Dohuk (Bildnachweis: Rudaw).

Jesiden fliehen aus Lagern im irakischen Kurdistan nach Hasskampagne kurdischer Extremisten

Zehn Jahre nach dem Völkermord an den Jesiden in Sindschar befürchtet die religiöse Minderheit ein weiteres Massaker durch die Kurden.

9. August 2024, TheCradle

Eintausend jesidische Familien sind aus Angst aus Flüchtlingslagern in der Region Kurdistan im Irak (IKR) geflohen, nachdem Kurden in den sozialen Medien und in Moscheen damit gedroht hatten, den vor zehn Jahren vom IS verübten Völkermord zu wiederholen.

Nach Angaben des Ministeriums für Migration und Vertreibung ( MoMD ) im Sindschar-Büro wurden seit heute Morgen 1000 Familien, rund 25 000 Personen, aufgrund von Hassreden gegen Jesiden gezwungen, das Binnenflüchtlingslager Jam-Meskho in Zakho und das Binnenflüchtlingslager Kabrtoo in Dohuk zu verlassen und nach Sindschar zurückzukehren.

Jesidische Quellen erklärten gegenüber The Cradle, dass die Sicherheitskräfte (Asaysh) der Regionalregierung Kurdistans als Reaktion darauf die Lager geschlossen hätten und niemandem erlauben würden, sie zu verlassen. Eine Quelle sagte: «Was ich jetzt sehe, ist wie der Völkermord im Jahr 2014. Ich sehe Hunderte von Autos und Lastwagen, vollgepackt mit so vielen Menschen wie möglich, die versuchen, nach Sindschar zu fliehen.»

Am 6. August erklärte die Menschenrechtsorganisation Petricor, sie habe innerhalb von 24 Stunden 3750 Online-Posts und Kommentare dokumentiert, die zu Gewalt gegen Jesiden aufriefen. Die Organisation verurteilte die «ungerechtfertigten Hetzkampagnen, die den Frieden in der Gemeinschaft bedrohen».

Ein Kommentator in den sozialen Medien schrieb: «Alle Jesiden sind Ungläubige und teilen dieselbe Ideologie. Der IS hat einen Fehler gemacht, als er sie am Leben liess. Er hätte sie zusammen mit Lalisch [einer heiligen Stätte der Jesiden] vom Erdboden verschwinden lassen sollen.»

Die Welle anti-jesidischer Hassreden folgt auf umstrittene Kommentare über den Islam, die der bekannte jesidische Peschmerga-Kommandeur Qasem Shesho während einer öffentlichen Rede zum zehnten Jahrestag des Völkermords an den Jesiden am 3. August getätigt hatte.

«Solange Mohammeds Religion fortbesteht, wird das Unglück [für uns] kein Ende nehmen. Ich übernehme die volle Verantwortung für meine Worte, denn ihre Religion ist der Feind unserer Religion», erklärte Shesho.

Am 3. August 2014 hatten sich die kurdischen Sicherheitskräfte (Peschmerga), die die Region Sindschar im Irak kontrollierten, ohne Vorwarnung zurückgezogen und es dem IS ermöglicht, etwa 5000 jesidische Männer und ältere Frauen zu massakrieren und 6000 jesidische Frauen und Kinder zu versklaven.

Weitere 400 000 Jesiden wurden gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und aus Sindschar zu fliehen.

Laut jesidischen Überlebenden des Völkermords zogen sich die Peschmerga damals absichtlich zurück. Dies sei Teil eines Plans zwischen der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) unter der Führung von Masoud Barzani und dem IS gewesen, um den Völkermord zu begehen. Die Überlebenden erklärten, dass die kurdischen Führer die Jesiden als ethnisch-religiöse Gruppe auslöschen, sie aus ihrer traditionellen Heimat vertreiben und Sindschar zu einem Teil eines kurdischen islamischen Staates machen wollten.

Ein Beispiel für Hassreden von Kurden gegen Jesiden nach den Äusserungen des jesidischen Peshmerga-Befehlshabers Qasem Shesho am 3. August, dem zehnten Jahrestag des Völkermords an den Jesiden, bei dem Kurden eine Schlüsselrolle gespielt hatten.

Mehr als ein Jahrzehnt später befinden sich noch immer rund 2800 jesidische Frauen in Gefangenschaft, darunter viele im Lager Al-Hol in jenem Teil Syriens, der von den von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert wird.

Im Anschluss an Sheshos Rede erliess das Untersuchungsgericht von Ninive einen Haftbefehl gegen ihn. Ihm wird «Beleidigung des Propheten Mohammed und Anstiftung zu religiösen Konflikten» vorgeworfen. Die Anklage gegen Shesho basiert auf Artikel 195 des irakischen Strafgesetzbuches. Die Person, welche gegen Shesho Klage erhebt, wird in der Klageschrift nicht genannt.

Als Reaktion auf den Haftbefehl veröffentlichte Sheshos Neffe Haider Shesho, der 3000 jesidische Kämpfer befehligt, am 8. August ein Video, in dem er erklärte: «Tausende von uns werden getötet, bevor irgendjemand Qassim Shesho verhaften kann.»

Am Freitag begannen sich Jesiden am Sharafdin-Schrein in Sindschar, dem Standort von Sheshos Hauptquartier, zu versammeln, um den Kommandanten zu unterstützen.

Im vergangenen April, als sich die Zahl falscher Gerüchte über nach Sindschar zurückgekehrte Mitglieder der jesidischen Gemeinschaft erhöhte, dokumentierte eine NGO an einem einzigen Tag 334 000 Fälle von Hassreden gegen Jesiden, darunter auch Kommentare, die zur Gewalt aufriefen.
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Der Artikel ist am 9. August 2024 in TheCradle als redaktioneller Artikel erschienen. Übersetzt mit Hilfe des Übersetzungsmoduls des Chrome-Browsers.