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(Foto: The Cradle)

Aufstand der arabischen Stämme in Syrien: US-Stützpunkte und -Verbündete im Visier

Der aktuelle Aufstand im syrischen Deir Ezzor ist Ausdruck des wachsenden bewaffneten Widerstands lokaler arabischer Stämme gegen die US-gestützten kurdischen Streitkräfte, die ihr Land und ihre Ressourcen kontrollieren, und eröffnet möglicherweise eine neue Front für die Achse des Widerstands in Westasien.

von HAIDAR MUSTAFA1, 12. August 2024

Am 7. August hat eine Koalition syrisch-arabischer Stämme mehrere wichtige Städte im Osten des syrischen Gouvernements Deir Ezzor von den US-gestützten kurdischen Truppen zurückerobert. Die von Scheich Ibrahim al-Hafl angeführten Stammesangehörigen starteten den grössten Angriff auf Stützpunkte der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) seit Beginn des arabischen Stammesaufstandes gegen die US-gestützte Miliz im vergangenen Jahr.

Die erneute Offensive hat auch den Widerstand der Bevölkerung gegen die US-Präsenz in der Region neu entfacht. Er geht auf den Putsch der SDF-Führung gegen den Militärrat von Deir Ezzor zurück, der zur Verhaftung und Absetzung des arabischen Führers Ahmed al-Khabil, auch bekannt als Abu Khawla, führte.

Der Funke des Widerstands

Im August 2023 rebellierten die Stämme in mehreren Dörfern unter der Kontrolle der SDF – von Al-Baghouz bis Al-Shuhail – gegen die Festnahme des Führers des Militärrats von Deir Ezzor durch die SDF. Der Aufstand entwickelte sich schnell zu einem organisierten Widerstand, als Scheich Hafl im September letzten Jahres in einer Audiobotschaft die Bildung eines Militärkommandos für die «Armee der Stämme und Clans im Umland von Deir Ezzor» ankündigte.

Kämpfe am Fluss Euphrat im Gouvernement Deir Ezzor

Seitdem hat sich Hafl zu einer ständigen Bedrohung für die SDF entwickelt, wobei Anschuldigungen kursieren, dass er von der syrischen Regierung und dem Iran unterstützt werde. Es handelt sich dabei um einen offensichtlichen Versuch, die arabische Stammesbewegung zu diskreditieren, die tatsächlich darauf ausgerichtet ist, Land zu befreien und Ressourcen zurückzuerobern.

Die SDF verkündeten voreilig das «Scheitern» des Angriffs, der angeblich «auf Befehl» von Hossam Louka, dem Leiter des syrischen Generalgeheimdienstes, durchgeführt wurde. In einer Erklärung, die auf Facebook veröffentlicht wurde, sagten die SDF:

«Unsere Säuberungskampagne gegen die restlichen vom syrischen Regime unterstützten Söldner, die die Dörfer Al-Dhiban, Al-Latwa und Abu Hamam angegriffen haben, geht weiter.»

Die US-Besatzungstruppen haben prominente Stützpunkte bei den Ölfeldern Al-Omar und Conoco eingerichtet, in einer Region, die weitgehend von arabischen Gemeinschaften bewohnt wird, welche schon seit langem von den SDF verfolgt werden. Da es Washington nicht gelang, diese Stämme zu kontrollieren und zu einer loyalen Organisation zu kooptieren, versuchte es stattdessen, sie als Bedrohung darzustellen, die auf syrische und iranische Interessen ausgerichtet ist.

Dieses Narrativ steht im Einklang mit dem Ansatz des US-Projekts und den verbündeten SDF, die versuchen, alle Widerstandsbewegungen zu unterdrücken, die ihre Agenda und ihre Praktiken in Frage stellen, einschliesslich des Diebstahls von syrischem Öl und Weizen.

«Vom Iran unterstützter» Stammeswiderstand

Scheich Hafl rief die Stämme und Clans – insbesondere jene, die nicht in syrisch kontrolliertem Territorium leben – dazu auf, den Widerstand zu unterstützen, worauf es zu vermehrten und anhaltenden Angriffen gegen die SDF kam. Der hauptsächlich in Dhiban verwurzelte Stammeswiderstand breitete sich auf die Städte östlich des Euphrat aus und verwandelte sie in eine permanente Konfliktzone.

Dieser Widerstand stellte eine erhebliche Bedrohung für die Interessen der USA dar. Laut dem Quartalsbericht der so genannten «Operation Inherent Resolve» an den US-Kongress vom Oktober-Dezember 2023 haben sich die Stammeskämpfer zu einer «vollwertigen Widerstandsbewegung» entwickelt.

Dem Bericht zufolge erhalten die Kämpfer «ausdrückliche Unterstützung vom syrischen Regime und seinen iranischen Verbündeten auf der Westseite des Euphrat, wo die Widerstandskämpfer Nachschub erhalten, sich neu bewaffnen und Angriffe auf die von den SDF kontrollierten Dörfer auf der Ostseite des Flusses starten».

In Anbetracht dieser Bedrohung unternahmen US-Luftstreitkräfte in letzter Zeit mehrere Angriffe auf die arabischen Stammeskräfte, um sie daran zu hindern, zu US-Militärbasen vorzudringen oder die SDF aus «arabischem Land» zu vertreiben.

Stammeskräfte gewinnen an Boden, während die SDF Hasaka belagern

Nach einem Jahr mit begrenzten Konfrontationen und kleinen Operationen rief Hafl erneut zum Kampf gegen die sogenannten «Qandil»-Banden auf. Diese Aufforderung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als arabische Stammeskräfte einen gewaltsamen Angriff auf SDF-Stellungen in den Städten und Dörfern von Deir Ezzor starteten.

Während dieses Angriffs gelang es den Stammeskräften, in Gebiete wie z. B. Dhiban, Al-Busaira, Ibriha, Al-Hariji, Al-Tayyaneh, Abu Hamam, Gharanij, Al-Kishkiya und das gesamte Flussbett vorzudringen und die dortige Kontrolle auszuweiten. Die SDF reagierten ihrerseits, indem sie die Bewohner von Hasaka und Qamischli in den von der syrischen Regierung kontrollierten Zonen belagerten und sie von der Versorgung mit Mehl, Lebensmitteln und Wasser abschnitten – eine Taktik, die die SDF häufig anwenden, um Druck auf Damaskus auszuüben.

Insider glauben, dass die SDF Hasaka ins Ungewisse führen, da die Auferlegung einer Belagerungspolitik lokale Konfrontationen innerhalb der Stadt auslösen könnte. Das wird den Stammeswiderstand jedoch nicht davon abhalten, sein Projekt fortzusetzen, um die US-Besatzung und ihre kurdischen Milizen unter Druck zu setzen.

Eine in Syrien stationierte russische Delegation kam noch vor Freitagnachmittag auf dem Flughafen von Qamischli an und hielt mehrere Sitzungen ab, um in der Krise zu vermitteln. Nach Angaben der syrischen Tageszeitung Al-Watan führten diese Gespräche nicht zu positiven Ergebnissen, da die Führer der SDF eine Vermittlung ablehnten und darauf bestanden, die Belagerung der Bevölkerung von Hasaka fortzusetzen.

Im Dienst geopolitischer Ziele

Die US-Besetzung der Region Dschazira und die Errichtung von mehr als 20 amerikanischen Militärbasen erfolgten nicht in erster Linie, um den Terrorismus zu bekämpfen, wie von der internationalen Koalition behauptet wurde. Vielmehr diente «ISIS» als Vorwand, um die US-Blockade von strategischen Landverbindungen zwischen dem östlichen Mittelmeerraum via Zentralasien nach China und nach Iran zu verstärken. Ausserdem wollen die USA verhindern, dass sich zwischen Syrien und Irak enge Beziehungen entwickeln.

Der Forscher und Autor für politische Angelegenheiten, Dr. Ahmed al-Druze, erklärt gegenüber The Cradle, warum die USA die SDF weiterhin uneingeschränkt unterstützen und sich damit gegen die Bevölkerung in der Region stellen:

«Die amerikanische Besatzung wird so lange fortbestehen, wie sie dazu in der Lage ist; sie behandelt die arabischen Stämme aus dieser Perspektive.»

Nach Ansicht von Druze sind die aktuellen Ereignisse im Osten Syriens eine Folge der Operation «Al-Aqsa-Flut» des palästinensischen Widerstands und der übergreifenden Ausbreitung von Konflikten in Westasien.

Er weist darauf hin, dass die jüngsten Entwicklungen zwar von manchen als lokaler Konflikt – entweder zwischen arabischen Clans oder zwischen arabischen Clans und Kurden – betrachtet werden, die Realität jedoch anders aussieht, da die Clans und die Achse des Widerstands durch gemeinsame Beweggründe und gemeinsame Ziele miteinander verbunden sind.

Selbst wenn sich die Lage vorübergehend stabilisiert, weil sich die Stammeskräfte zurückziehen und die SDF die Belagerung von Hasaka und Qamischli aufheben, wird der zugrunde liegende internationale Konflikt nach Ansicht von Druze wahrscheinlich wieder aufflammen, möglicherweise in Verbindung mit den Ereignissen im besetzten Palästina und im Gazastreifen.

Es mag zwar verfrüht sein, von einer existenziellen Notlage der USA in der Dschazira-Region zu sprechen, da sich ihre Verluste zur Zeit in Grenzen halten, doch der Schriftsteller und politische Analyst Khaled al-Miftah weist darauf hin, dass die Ablehnung und der Widerstand der Bevölkerung gegen die USA zunehmen.

Die Bewohner der Region erkennen immer deutlicher, welche Ziele Washington verfolgt: die Schaffung einer separatistischen kurdischen Entität und die Ausbeutung der syrischen Ressourcen. Al-Miftah erklärt gegenüber The Cradle, dass die USA allmählich die Auswirkungen der türkisch-syrischen Annäherung zu spüren bekommen. Falls eine Annäherung unter russischer Schirmherrschaft zustande kommen sollte, könnte dies den separatistischen Ambitionen der SDF ein Ende setzen. Entsprechend haben die USA begonnen, Hindernisse zu schaffen, um dieses Ergebnis zu verhindern.

Ein Teil des regionalen Widerstands

Obwohl die militärischen Auseinandersetzungen in den meisten Teilen Syriens bereits vor Jahren beendet wurden, ist die östliche Region weiterhin von Spannungen und anhaltenden Konflikten geprägt. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den SDF und den pro-türkischen Gruppierungen im Norden gehen weiter, während der Krieg mit den arabischen Stammeskräften östlich des Euphrat in eine neue Phase eintritt, die von einem anderen Kalkül gesteuert wird als die vergangenen Kämpfe.

Die Stämme sind nun entschlossen, ihre Operationen auszuweiten, und haben ihre Einsatzbereitschaft erhöht. US-Stützpunkte sind zu ständigen Angriffszielen für Widerstandskräfte sowohl auf syrischer als auch auf irakischer Seite geworden, wobei Drohnen und Raketen häufig Besatzungsstützpunkte auf den Ölfeldern von Omar und Conoco angreifen. Inzwischen haben die Stämme ihre Kontrolle über Dörfer verstärkt, die den SDF als erste Verteidigungslinie im Umfeld von US-Militärbasen dienen.

Da die SDF im Juli Hunderte von ISIS-Kämpfern aus den Gefängnissen entlassen haben, verübt ISIS weiterhin Terroranschläge in der Region, obwohl die internationale Koalition zuvor behauptet hatte, die Präsenz der Gruppe beseitigt zu haben. ISIS-Zellen starten regelmässig Angriffe auf Stellungen der syrischen Armee und ihrer Verbündeten der Widerstandsachse.

Die Region Dschazira ist im Wesentlichen zu einem Schlachtfeld geworden, auf dem die USA nun die Folgen ihrer gewaltsamen Besetzung von syrischem Territorium ernten.

Die östliche Region bleibt in einem Kreislauf der Eskalation gefangen, an dem lokale und internationale Akteure beteiligt sind. Die Hauptlast trägt die syrische Bevölkerung, die sowohl unter der andauernden Gewalt als auch unter dem Raub ihrer Ressourcen leidet.
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1 Haidar Mustafa ist ein syrischer Journalist und Fernsehmoderator politischer Sendungen. Er hat für eine Vielzahl von Medienkanälen und -institutionen in Syrien, Libanon und Irak gearbeitet. Zudem ist er Autor des Buches Eyewitness und Absolvent der Fakultät für Kunst und Geisteswissenschaften der Universität Damaskus.
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Englischer Originaltext in The Cradle. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.