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Die chinesische Modernisierung zielt auf zunehmende Harmonie in Umwelt und Gesellschaft ab

Interview von Pietro Fiocchi, Chen Ji und Gao Shuyuan (von der chinesischen Esperanto-Zeitschrift «El Popola Ĉinio») mit Massimiliano Ay1, Sekretär der Kommunistischen Partei (Schweiz).

El Popola Ĉinio: Sekretär Ay, die gerade zu Ende gegangene dritte Plenarsitzung des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) konzentrierte sich auf die weitere Vertiefung der Reformen, um die Modernisierung Chinas voranzutreiben. Wie wird sich dies Ihrer Meinung nach auf die chinesische Wirtschaft auswirken? Wird es mehr Möglichkeiten für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und der Schweiz geben?

Massimiliano Ay: Bevor wir beurteilen, ob es tatsächlich grössere Möglichkeiten für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit meinem Land geben wird, was ich natürlich hoffe, müssen wir zunächst die vorrangigen Herausforderungen des aktuellen historischen Augenblicks identifizieren, die unserer Meinung nach für die Schweizer Kommunisten die folgenden sind:
a) die Beibehaltung des Freihandelsabkommens zwischen China und der Schweiz, das es letzterer erlaubt, ihre Handelspartner zu diversifizieren und so weniger abhängig vom EU/US-Markt zu werden, und
b) die Verteidigung unserer Neutralität, um zu verhindern, dass die atlantisch ausgerichteten Teile der Schweizer Bourgeoisie, die die Neutralität abschaffen wollen, sich allfälligen Sanktionen gegen Peking anschliessen, wie es bereits von einigen verantwortungslosen hohen Amtsträgern in Bern angedroht wurde.

Dennoch bin ich überzeugt, dass die Ergebnisse des dritten Plenums einen positiven Einfluss auf die chinesische Wirtschaft haben werden: Das Zentralkomitee hat nicht nur beschlossen, «fest auf dem Weg des sozialistischen politischen Fortschritts zu bleiben» und den Markt «gerechter» und besser zu regulieren, sondern auch das System der sozialen Sicherheit und Einkommensverteilung zu verbessern.

Nicht zu unterschätzen ist – sowohl unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Verlässlichkeit für Schweizer Investoren als auch unter dem Gesichtspunkt der sozialistischen Demokratisierung – der Wunsch der Kommunistischen Partei Chinas, die Rechtsstaatlichkeit und die Rechtssicherheit zu vertiefen, die im Übrigen mit dem neuen Zivilgesetzbuch (an dem mein Freund und Genosse Oliviero Diliberto mitgearbeitet hat) bereits enorme Fortschritte gemacht hat.

Die Grundlage für eine stärkere chinesisch-schweizerische Wirtschaftskooperation ist zumindest auf chinesischer Seite bereits vorhanden. Ich verhehle jedoch nicht, dass ich gewisse Befürchtungen darüber habe, wie sich der Kooperationswille auf Schweizer Seite entwickeln wird: Der Teil des «Kompradoren»-Bürgertums, der auf Befehle der USA, der EU und der Nato hört, ist tatsächlich mehr denn je darauf bedacht, die historischen Bande der Freundschaft zwischen Bern und Peking zu zerstören. Und es ist ihnen auch gelungen, die Sozialdemokratie zu unterwandern.

Deshalb bauen wir als Kommunisten eine Einheitsfrontpolitik auf, um auch diejenigen zu organisieren, die keine Kommunisten sind, aber eine neutrale, souveräne und multipolare Schweiz verteidigen wollen.

El Popola Ĉinio: Wie beurteilen Sie die Modernisierung Chinas und welchen Einfluss hat diese Modernisierung auf andere Länder?

Massimiliano Ay: Es gibt verschiedene «Modernisierungen»: In kapitalistischen Ländern beispielsweise basiert sie im Wesentlichen auf wirtschaftlichen Indikatoren, zielt auf maximalen Profit ab und begünstigt damit einen minimalen Teil der Bevölkerung. Die chinesische Modernisierung hingegen weist zwei wesentliche Merkmale auf: Es handelt sich bei ihr um eine sozialistische Modernisierung, und wird von einer Partei geleitet, die sich ausdrücklich auf den Marxismus-Leninismus stützt.

Aufgrund dieser Merkmale ist die chinesische Modernisierung auf das Streben nach immer grösserer Harmonie in den Bereichen Umwelt, Gesellschaft, Ethnie usw. ausgerichtet. Dies zeigt sich konkret in der Umverteilung des Reichtums wie auch darin, dass Randgebiete nicht sich selbst überlassen werden.

Maximilian Ay trifft sich mit Vertretern der Internationalen Abteilung der Kommunistischen Partei Chinas in Peking.

All dies stellt insbesondere für die Länder des sogenannten globalen Südens kein zu importierendes Modell, sondern eine Erfahrungsquelle dar, die es zu nutzen gilt. Die wirtschaftliche und soziale Emanzipation der Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ist die konkreteste antiimperialistische Entwicklung, die man sich erhoffen kann, und sie ist die Grundlage der neuen multipolaren Geopolitik, die es auch dem Sozialismus ermöglichen wird, sich zu erneuern und damit wieder zu einer Perspektive für die Massen zu werden.

El Popola Ĉinio: Im vierten Band des Buches «Xi Jinping: Governing China» hat der chinesische Präsident Xi Jinping vorgeschlagen, die Weltwirtschaft durch Chinas Politik der offenen Tür zu stimulieren. China will weiterhin ein hohes Mass an Offenheit an den Tag legen und den freien Handel mit dem Rest der Welt erleichtern: Wie wird sich diese Politik auf die Weltwirtschaft auswirken?

Massimiliano Ay: Zunächst einmal hat die Wirtschaft der Volksrepublik durch ihre Entwicklung nicht nur Millionen von Chinesen aus der Armut befreit, sondern ebenso – auch dank der Neuen Seidenstrasse – den ärmeren Ländern, die Opfer der Ausplünderungspolitik des westlichen Neokolonialismus sind, die Möglichkeit gegeben, sich zu emanzipieren. Nicht umsonst habe ich kürzlich bei einem Treffen mit der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas die Belt and Road Initiative als eine neue Art von Internationalismus bezeichnet, der in die historische Ära des Multipolarismus passt.

Ich zweifle also nicht daran, dass China diesen Weg weitergehen will: Das Problem liegt eher im Westen, wo die Zeichen nicht ermutigend sind.

Wie ich kürzlich in einem Interview auf CGTN [chinesischer Ausland-Fernsehsender] erläutern konnte, ordnen sich viele Regierungen europäischer Länder den Interessen der Vereinigten Staaten und der Nato unter, denken nicht an ihre nationalen Interessen und bevorzugen eine Blockpolitik, wobei sie in China jenseits diplomatischer Höflichkeitsformeln nicht einen Partner, sondern einen Gegner sehen, den man glaubt dämonisieren und bekämpfen zu müssen.

Die Worte der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zum so genannten «De-Risking» sind leider eindeutig: Boykottieren, mit Zöllen belegen, jede Form von wirtschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Europa und China verhindern, ja eine Eskalation bis hin zum Krieg schüren.

Deshalb ist es dringend notwendig, dass die chinesisch-europäische Zusammenarbeit zwischen kommunistischen Parteien, Friedensbewegungen und Gewerkschaften einen neuen Impuls erhält.

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1 Massimiliano Ay wurde 1982 geboren und ist nach Tätigkeit im gewerkschaftlichen Bereich seit 15 Jahren Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Schweiz. Auf institutioneller Ebene ist er seit 2008 Gemeinderat von Bellinzona. Seit 2015 ist er zudem Mitglied des Grossen Rats, der Legislative von Republik und Kanton Tessin.
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Quelle: www.espero.com.ch und www.sinistra.ch.