Europa lechzt nach grünem Imperialismus in Serbien
Das neue Lithiumabbauprojekt zwischen Deutschland und Serbien ist Teil einer imperialistischen Strategie, um mit China zu konkurrieren. Das serbische Volk lehnt das Projekt und die Einmischung der EU in sein Land ab und kämpft für den Schutz seiner Umwelt.
von Revolutionary People’s Party-Front, 4. September 2024
Am 18. Juni 2024 besuchte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Serbien. Die beiden Länder unterzeichneten ein Abkommen, das deutschen Industriellen Schürfrechte in der lithiumreichen Region Jadar in Westserbien einräumt. Dadurch wird Deutschland in die Lage versetzt, weiterhin mit Chinas Produktionsfähigkeiten zu konkurrieren. In Serbien gibt es zurzeit Massenproteste gegen dieses Projekt und den Verkauf natürlicher Ressourcen unter völliger Missachtung der Auswirkungen auf die Umwelt. Das Abkommen zwischen Serbien und Deutschland erfolgt in einer Zeit, in der imperialistische Taktiken angewandt werden, um auf unfaire Weise mit Chinas Fortschritten in der Massenproduktion von Elektrofahrzeugen zu konkurrieren, nämlich durch Steuererhöhungen auf chinesische Elektroautos, so dass die Europäer den Marktanteil ohne fairen Wettbewerb an sich reissen können. Manche mögen diese Geschehnisse als isolierte Ereignisse des grünen Imperialismus des Westens betrachten, doch es gibt eine lange politische Geschichte, die entschlüsselt werden muss, um zu verstehen, warum Serbien, ein Land des ehemaligen Jugoslawien, in diesem globalen Kontext, der vom drohenden Niedergang des Westens und dessen Festklammern an seiner glorreichen Hegemonie geprägt ist, durch einen derartigen extraktivistischen Modus Operandi zwangsweise in die imperialistische Ordnung integriert wird.
Vom Jugoslawien zum chamäleonartigen Serbien
«Russlands Invasion in der Ukraine ist etwas, was Europa seit 75 Jahren nicht mehr erlebt hat.»
Bundeskanzler Olaf Scholz (24.2.2022)
«Und es ist wahr. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Das ist nicht nur Russlands Invasion in der Ukraine, sondern der Beginn des Krieges gegen Europa. Gegen die Einheit Europas. Gegen die elementaren Menschenrechte in Europa. Gegen alle Regeln des Zusammenlebens auf dem Kontinent. Gegen die Tatsache, dass europäische Staaten sich weigern, zu trennen, ja, die Grenzen durch Gewalt zu trennen.» (Hervorhebungen hinzugefügt)
Ukrainischer Präsident Selenski
Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien war ein Land, das auf der Idee des Antifaschismus und der Blockfreiheit beruhte. Als die jugoslawischen Partisanen die kroatischen Ustascha, die Nazis und ihre Sympathisanten sowie die Faschisten auf dem westlichen Balkan während des Zweiten Weltkriegs besiegten, erbten sie ein multireligiöses und vielfältiges Land. Die Einheit der Nation basierte auf ihrer antifaschistischen Geschichte und [nach dem Bruch mit der Kominform] ihrem Bekenntnis zur Blockfreiheit. Während der Befreiungskriege in Afrika unterstützte Jugoslawien offen die algerische Nationale Befreiungsfront (FLN), die Volksbewegung für die Befreiung Angolas (MPLA) und auch die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) als überzeugte Befürworter der palästinensischen Befreiung. Die Geschichte des europäischen Landes passt schlecht zum sonstigen Bild Europas – einem Europa, das den Grossteil des globalen Südens aushungerte, beraubte, bombardierte und sanktionierte. Zudem entsandte Jugoslawien Ärzte und Ingenieure und übertrug Technologien an die neu unabhängigen Länder im globalen Süden, was dazu führte, dass viele der Staats- und Regierungschefs des Südens das jugoslawische Volk und dessen Einsatz für Befreiung und Autonomie bewunderten.
Diese politische Haltung kam bei den westlichen Imperialisten nicht gut an. Ab den 1980er Jahren finanzierten und unterstützten sie die Liberalen und die Konservativen, sodass die Werte der Blockfreiheit und des Antiimperialismus zunehmend von nationalistischen Gefühlen und einer europäischen Integrationsmentalität verdrängt wurden. Die Finanzierung, die auch damit verknüpft war, dass die Republiken Sezessionsreferenden abhalten mussten, führte zunächst zur Abspaltung Sloweniens, gefolgt von Kroatien, das ethnische Säuberungen durchführte und Hunderttausende von Serben gewaltsam aus der Krajina deportierte. Dann bombardierte die NATO Jugoslawien, als sich Bosnien und Herzegowina 1995 wie ihr kroatischer Nachbar abspalten wollten. Und 1999 begann die NATO ohne UNO-Mandat einen aggressiven und zerstörerischen Krieg gegen Jugoslawien, der dazu führte, dass die abtrünnige Region Kosovo und Metochien zu einem grossflächigen NATO-Stützpunkt wurde und 2008 ihre Unabhängigkeit erklärte. Durch all die zerstörerischen Kriege wurden europäische Länder gewaltsam getrennt, was sowohl Scholz als auch Selenski gerne vergessen, während sie zugleich ignorieren, dass die NATO der unprovozierte Aggressor in ihrer Festung Europa war.
Noch zerstörerischer als die Kampagne, die Jugoslawien deindustrialisierte, waren die Vertragsbedingungen, die den einzelnen Entitäten auferlegt wurden, wodurch sie der Privatisierung von staatlichen Unternehmen zustimmen mussten. Nach diesen Kriegen unter der Führung der NATO erlebte Serbien im Jahr 2000 eine Farbrevolution, die vom National Endowment of Democracy inszeniert wurde. Die neue neoliberale Regierung verkaufte alles, was von der industriellen Basis des Landes noch übrig war, sodass es seine politische und wirtschaftliche Autonomie verlor und seine Arbeiterklasse dem Elend überliess.
Seit der Farbrevolution und der prowestlichen Führung im Land begannen westliche Unternehmen, Serbien zu infiltrieren, und entdeckten eine Fülle an Lithiumreserven. Ein britisches Unternehmen namens Rio Tinto bekam die staatliche Genehmigung, die örtlichen Vorkommen im Detail zu erkunden. Dabei stiess es auf ein neues Mineral, das den Namen Jadarit erhielt, basierend auf dem Namen der Region, in der es gefunden wurde (Jadar). Unter pro-westlicher Führung und auf dem Weg zur Euro-Integration wurden die NATO-Ziele allmählich erfüllt: Die Zerstückelung Jugoslawiens war 2006 abgeschlossen, als sich Serbien und Montenegro trennten und die von der NATO unterstützte «Kosovo»-Regierung einseitig die Unabhängigkeit erklärte, was zeigt, dass Völkerrecht und Friedensabkommen mit den Imperialisten nur wertloses Papier sind. Die UN-Resolution 1244 verlangte den Abzug der jugoslawischen Armee aus der serbischen Provinz Kosovo und Metochien, erlaubte aber eine Rückkehr mit Genehmigung des «Friedenskorps». Dennoch wurde der Kosovo zur Heimat der grössten NATO-Militärbasis auf dem Balkan, deren strategisch günstige Lage es ermöglicht, die paneuropäischen Korridore zu kontrollieren. Die militärische Präsenz der NATO und ihr wachsender Einfluss trugen massgeblich dazu bei, dass Jugoslawien zerschlagen und seine ehemaligen Republiken in die Sicherheitsstrukturen der NATO eingegliedert wurden.
Im Jahr 2012 kam die Serbische Fortschrittspartei (SNS) an die Macht, die versprach, nationalistische und antiwestliche Stimmungen zu bekämpfen und eine marktorientierte Wirtschaft zu schaffen. Diese Partei, die sich bis heute an der Macht halten konnte, wirft die kämpferische Geschichte Belgrads über Bord und schliesst heimlich Verträge mit dem Westen und ebenso verstohlen mit dem Osten (China und Russland), was sie fälschlicherweise als blockfreie Politik bezeichnet. Serbien ist neben Belarus nach wie vor das einzige Land in Europa, das keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Es verkauft jedoch weiterhin Waffen an die Ukraine über Drittparteien und hat zahlreiche Waffentransporte an die zionistische Entität für den genozidalen Krieg gegen das palästinensische Volk geliefert.
Die heutige Chamäleonpolitik Serbiens ist also eher pragmatisch als prinzipientreu. Um sie aufrechtzuerhalten, muss die lokale Bevölkerung mit einem gewissen Mass an nationalem Groll über die Zerstörung des Landes durch die NATO bei Laune gehalten werden, damit die Leute nicht die Hoffnung aufgeben, dass die SNS die NATO für die angerichtete Zerstörung zur Kasse bitten und die abtrünnige Region Kosovo an Serbien zurückführen wird. Gleichzeitig werden Zugeständnisse gemacht, welche die wirtschaftliche Souveränität des Landes untergraben und es in eine neoliberale Zone verwandeln, die sich im Sinne der transnationalen imperialistischen Ausbeutung formen lässt.
Zwangsdiplomatie, um Serbien in den imperialistischen Machtbereich einzugliedern
Während ein Teil der serbischen Politik, wie der Umgang mit China, die Nicht-Sanktionierung Russlands und das vehemente Thematisieren der NATO-Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien, wo sich der Einsatz von abgereichertem Uran immer noch auf die Bevölkerung auswirkt (Geburtsfehler und explodierende Krebsraten), als unberechenbar wahrgenommen wird, hat der Westen in letzter Zeit zahlreiche diplomatische Anstrengungen unternommen, den Druck auf Serbien zu erhöhen, damit es sich dem Westen zuwendet, statt sich rein pragmatisch zu verhalten. Serbiens Bindung zu Russland ist nicht, wie vom Westen propagiert, allein auf das gemeinsame orthodoxe Erbe beider Nationen zurückzuführen, sondern vielmehr auf die politische und wirtschaftliche Unterstützung, die Russland Serbien seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gewährt hat. Während Russland Serbien im Konflikt um Kosovo und Metochien politisch unterstützte, spielte China eine wichtige Rolle bei der Wiederbelebung der serbischen Industrie, insbesondere im Bereich des Bergbaus. Mithilfe chinesischer Investitionen wurden nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch die Umweltschutzstandards erhöht. Es handelt sich hierbei nicht um ein auf China und Russland beschränktes Phänomen, sondern um eine Alternative zur unipolaren Ordnung, die dem neutralen Serbien alternative Entwicklungspfade jenseits der Tyrannei der neoliberalen «regelbasierten Ordnung» eröffnet. Doch alles änderte sich, als der Krieg in der Ukraine ausbrach.
Seit Beginn der intensiven Kampfhandlungen zwischen Russland und der Ukraine steht die Regierung des serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić unter enormem Druck, die Sanktionen der NATO gegen Russland zu befolgen, wie alle Länder, die wie Serbien eine EU-Mitgliedschaft anstreben. Da Serbien von der NATO umzingelt ist, ist es faktisch von seinen Verbündeten abgeschnitten, was sich beispielsweise zeigte, als der russische Aussenminister Sergei Lawrow Serbien besuchen wollte, die Nachbarländer Serbiens ihm jedoch den Überflug durch ihren Luftraum untersagten. Abgesehen von diplomatischem Druck dieser Art wurde auch der Zugang zu russischem Öl über die Pipelines der Nachbarländer blockiert. Da eine überwältigende Mehrheit der Wähler von Vučić pro-russisch eingestellt ist, wäre eine Abkopplung von Russland politischer Selbstmord. Auch ein offenes Nachgeben in Bezug auf die Kosovo-Frage würde mit Sicherheit zum Zusammenbruch der Regierung führen.
In den vergangenen Jahren hat das Regierungskabinett Personen eingesetzt, die Euroskeptiker sind und die Verbrechen der NATO gegen das serbische Volk nie vergessen haben. Sie eröffneten sogar ein Verfahren wegen des Einsatzes von abgereichertem Uran, um dessen Auswirkungen nicht nur auf das serbische Volk, sondern auch auf die italienischen NATO-Soldaten zu untersuchen, die schwer erkrankten, nachdem sie in dem von der NATO intensiv bombardierten Gebiet gedient hatten. Bei den letzten Wahlen im Dezember 2023 blieb die SNS an der Macht, aber das Kabinett wurde komplett neu besetzt und prowestlich ausgerichtet. Zwei Monate später startete Jared Kushner, der berüchtigte Schwiegersohn von Donald Trump, einem überzeugten Zionisten mit engen Verbindungen zu den saudischen und emiratischen Staatsfonds, eine Infrastrukturkampagne auf dem Balkan, die die Region in ein riesiges Erholungsgebiet für transnationale Kapitalisten verwandeln wird. Ausschlaggebend dafür war die Entscheidung Serbiens, sich von China und Russland abzuwenden und sich stärker in die europäische Wirtschaft zu integrieren. Diese ist als eine Konstellation von Volkswirtschaften zu betrachten, die miteinander verflochten sind und der imperialistischen Expansion dienen. Mit anderen Worten: Das Geld der Golfstaaten wird eingesetzt, um die Zwangsdiplomatie der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten zu finanzieren, damit sich Serbien von China und Russland abwendet und seine Wirtschaft an den Westen bindet.
Der von Jared Kushner Anfang 2024 eingefädelte Deal sieht vor, dass die von der NATO zerstörte Infrastruktur in der Innenstadt von Belgrad in eine riesige Ansammlung von Hotels, Wolkenkratzern und Luxuswohnungen verwandelt wird (um zur kollektiven Amnesie und Auslöschung des Vermächtnisses der NATO beizutragen). Da Serbien weiterhin versuchte, sowohl mit dem Osten als auch mit dem Westen zu verkehren, traf es im Mai den Präsidenten der Volksrepublik China, Xi Jinping, in der Hoffnung, dass China die Lithiumindustrie im Land erschliessen und entwickeln würde. Aber weil Serbien aufgrund der Zwangsdiplomatie des Westens seine Ausrichtung geändert hat, was es dem Land ermöglichte, Waffen von Frankreich zu kaufen und sich der EU anzunähern, kam es nie zu einem Abkommen mit China. Stattdessen unterzeichnete Deutschland den Vertrag.
Aufgrund seiner geografischen Lage ist Serbien von entscheidender Bedeutung für die Belt-and-Road-Initiative (BRI) auf dem westlichen Balkan und in Mitteleuropa. In den letzten Jahren hat China versucht, in die Entwicklung der Infrastruktur zu investieren, um die Logistikdienstleistungen in der Region im Hinblick auf eine umfassende Förderung von Entwicklung und Handel zu transformieren. Doch der Westen und seine Sprachrohre begannen, Chinas Projekte in der Region fortlaufend zu diffamieren, um eine Stimmung der Ablehnung gegen das Land zu fabrizieren. Die Propagandamaschine des Westens verfasste sogar einen Artikel, in dem behauptet wird, China baue Strassen, die nirgendwohin führen. Die Anti-China-Politik ist nicht nur Rhetorik und Propaganda, sondern eine Art und Weise, wie Europa versucht, wirtschaftlich zu konkurrieren, indem es sein sogenanntes Global Gateway als Alternative zu Chinas BRI anbietet. Serbien befindet sich mitten in diesem Kampf.
Grüner Imperialismus und der Kampf um Serbiens Lithium
Es muss gleich zu Beginn klargestellt werden, dass sich der Westen nicht um Stabilität, Demokratie und den Wohlstand der Menschen schert. Im Jahr 2019 führte die CIA einen Putsch gegen Boliviens Evo Morales durch, um die reichen Lithiumvorkommen des Landes an Leute wie Elon Musk und die Elektroautoindustrie in den USA zu liefern. (Glücklicherweise besiegte das bolivianische Volk die Putschregierung.) 2022 wurde der linke Präsident Perus, Pedro Castillo, durch einen CIA-Putsch gestürzt, was zu vermehrten Investitionen in verschiedene Mineralien führte, die als Alternative zu Öl genutzt werden. Eines der Unternehmen, das es geschafft hat, in die peruanische Wirtschaft einzudringen, ist Rio Tinto, ebenjenes Unternehmen, das jetzt das serbische Lithium abbaut. Demokratie und Freiheit stehen dem Imperialismus feindlich gegenüber, insbesondere dann, wenn die Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert und die Unzufriedenheit der Arbeiterklasse im imperialistischen Kern zunimmt. Das Interesse des Westens an Serbien ist also getrieben von der Notwendigkeit, durch Zwangsdiplomatie und zweifelhafte Abkommen wirtschaftlich mit China zu konkurrieren, unter völliger Missachtung der Arbeiterklasse, der Umwelt und der industriellen Basis des Landes.
Vor kurzem hat die EU erwogen, chinesische Elektrofahrzeuge zu besteuern, was dem übergeordneten Ziel der sogenannten grünen Wende widerspricht (wonach Elektrofahrzeuge in Europa billiger und nicht teurer werden sollten). Kanada hat eine 100-prozentige Steuer auf chinesische Elektrofahrzeuge erhoben, ebenfalls um sie zu verteuern. Und um die ins Straucheln geratene deutsche Autoindustrie zu retten und Chinas Dominanz in der Produktion von Lithium und Elektrofahrzeugen einzudämmen, will das westliche Unternehmen Rio Tinto die heftig umstrittene Lithiummine eröffnen. Seit Beginn der Corona-Pandemie betreiben die westlichen NGO eine Hetzkampagne gegen chinesische Unternehmen, die grösstenteils auf Lügen, Desinformation und offenem Rassismus gegen Chinesen basiert, während sie gleichzeitig mit blanker Heuchelei westliche Unternehmen ignorieren, die in Serbien tätig sind und oft eine deutlich schlechtere Umweltbilanz aufweisen als chinesische Unternehmen.
Der Widerstand der serbischen Bevölkerung gegen das Abkommen ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen: Die Unzufriedenheit darüber, dass Serbien gezwungen wird, den Weg der europäischen Integration einzuschlagen, und die ökologischen Auswirkungen auf die Landwirtschaft in der Region. Die Massenproteste gegen das Abkommen, das Vučic als «einen Wendepunkt für Serbien und die gesamte Region» bezeichnete, folgten auf den Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, der unverhohlen zum Ausdruck brachte, dass die Lithiummine für Deutschland und die EU von hoher Priorität sei. Die aktuelle Rhetorik lautet also, dass Serbien die deutsche Autoindustrie und damit auch die Wirtschaft der EU rettet.
Rio Tinto reagierte auf die Proteste, indem es die ökologischen Auswirkungen seiner Mine vertuschte und sie auf eine Kosten-Nutzen-Analyse von Umwelt und Wirtschaftsleistung herunterspielte. Da es sich bei den Gegnern von Vučićs Regierung hauptsächlich um pro-westliche Liberale handelt, fällt es diesen schwer, die Proteste zu vereinnahmen, zumal das Jadar-Projekt von Ländern unterstützt wird, die von Liberalen als Verbündete betrachtet werden. Um diesen Widerspruch zu lösen und sich gleichzeitig nominell gegen Rio Tinto zu stellen, konzentrieren sie sich in erster Linie auf bereits bestehende chinesische Investitionen und extraktivistische Aktivitäten, wobei sie oft argumentieren, dass Rio Tinto auch ein chinesisches Unternehmen sei, da China Anteile daran besitzt.
Liberale und desillusionierte Enthüllungsjournalisten, die sich nicht auf die Seite einer Macht stellen können und alle Mächte als gleichermassen böse und korrupt betrachten, haben sich in verschiedenen sozialen Medien gegen das Rio-Tinto-Abkommen ausgesprochen und warnen vor der Umweltzerstörung, die die Jadar-Region im Falle einer Umsetzung des Abkommens erfahren wird. Den Aktivisten ist nicht bewusst, dass der Imperialismus für seine Interessen abweichende Stimmen unterdrückt, zum Schweigen bringt, tötet und bestraft. Mit denselben Mitteln wurden die Aktivisten in Serbien bedroht. Es gibt Aufzeichnungen von Morddrohungen gegen die Aktivisten und ihre Familienmitglieder. Einer von ihnen hat einen offenen Brief an die deutsche Botschaft verfasst, in dem er das Rio-Tinto-Abkommen kritisiert. Doch leider betrachten diese Aktivisten, die sich über Deutschland und den Westen empören, den Westen immer noch als Vorreiter von Demokratie und Freiheit, der die Morddrohungen verurteilen sollte, weil sie im Widerspruch zu den Werten der Meinungsfreiheit stehen. Es sei daran erinnert, dass Deutschland vor kurzem gesetzlich festgelegt hat, dass man den sogenannten Staat «Israel» anerkennen muss, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die Aktivisten unterliegen der Wahnvorstellung, dass der Westen an seinen sogenannten liberalen Werten festhält, wenn seine wirtschaftlichen Interessen auf dem Spiel stehen.
Doch die Menschen in Serbien folgen ihrem Instinkt, der dezidiert antiimperialistisch ist. Sie protestieren gegen das westliche Unternehmen Rio Tinto, gegen das sie überwältigende Beweise für ökologisches Fehlverhalten – vor allem in Ländern der Peripherie – vorbringen. Auch die Stimmung gegen die EU und Deutschland gewinnt an Fahrt. Der Green New Deal, der auf den serbischen Bodenschätzen basiert und der imperialistischen westlichen Autoindustrie und ihren Mittelklassewagen zugutekommt, ist für das serbische Volk nichts Erstrebenswertes. China ist weltweit führend in der Produktion von Elektrofahrzeugen und bietet ein konkurrenzloses Preis-Leistungs-Verhältnis, mit dem die Hersteller in der EU und den USA weder in technologischer noch in preislicher Hinsicht mithalten können. Ihre einzige Option besteht darin, Zölle zu erheben, sofern sie nicht selbst zu Juniorpartnern werden wollen. Im Hinblick auf die Problematik des Jadar-Projekts sahen sich die Serben instinktiv dazu veranlasst, die Verstaatlichung der serbischen Ressourcen zu fordern, um das Land vor räuberischer kapitalistischer Ausbeutung zu schützen, die serbische Rohstoffe und Arbeitskräfte billig verwertet, um die EU-Wirtschaft anzukurbeln, die sich bereits tief in der Rezession befindet. Das Streben der EU nach Selbstversorgung im Bereich der Ressourcen, um ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland und China zu verringern und den politischen Druck und die Wirtschaftssanktionen aufrechtzuerhalten, hatte zur Folge, dass die EU Serbien diplomatisch dazu drängte, den gleichen Weg der Abkopplung von sogenannten «Schurkenstaaten» einzuschlagen. Die Fassade der Menschenrechte und Demokratie zerbricht, sobald es darum geht, imperialistische Vorherrschaft zu wahren.
Das Jadar-Projekt veranschaulicht den asymmetrischen ökologischen Austausch: Die Auslagerung umweltverschmutzender Industrien führt dazu, dass die Menschen in der Peripherie die Umweltkatastrophe erleben, während die EU behaupten kann, dass sie ihre Verpflichtungen im Hinblick auf den ökologischen Wandel erfüllt. Die EU und Deutschland sehen eine günstige Alternative zum Bergbau in ihren eigenen Ländern, eine Chance, ihrer grünen Agenda Folge zu leisten, eine Möglichkeit, ihre angeschlagene Autoindustrie zu retten, und ein geopolitisches Instrument, um ihre Abhängigkeit von Ländern zu verringern, die fossile Brennstoffe und Lithium exportieren und sich nicht an die «regelbasierte Ordnung» halten. Diese Praxis, die oft als «Externalisierung» bezeichnet wird, ist ein Mittel zur Profitmaximierung, da Risiken und Kosten auf den Juniorpartner – in diesem Fall ein Peripherieland – abgewälzt werden. Und aus ökologischer Sicht werden Bergbaustandards und -vorschriften in den Peripherieländern nicht in gleichem Masse eingehalten wie in den Kernländern. Bestechung, politischer oder wirtschaftlicher Druck, Erpressung oder eine Kombination der genannten Methoden sind aus Sicht der Imperialisten allesamt legitim, um ihre Ziele zu erreichen.
Serbien könnte zweifellos von dem Projekt profitieren, aber die Imperialisten werden – wie bei Rohstoffexporten üblich – weitaus mehr wirtschaftliche und geopolitische Vorteile daraus ziehen. Das serbische Volk hat nun die Wahl, ob es sich der EU anschliesst und in den imperialistischen Machtbereich integriert wird, während die serbischen Arbeiter weiterhin niedrige Löhne erhalten und als Reservearmee westlicher transnationaler Unternehmen dienen, oder ob es sich dem neuen aufstrebenden Block unter der Führung der BRICS-Staaten anschliesst, der keine Sanktionen verhängt und keine wirtschaftlichen Zwangsmassnahmen ergreift. Die eigene Geschichte sollte dem serbischen Volk als Kompass dienen – eine Geschichte der echten Blockfreiheit zum Wohle des Volkes und nicht für die Portemonnaies der westlichen Imperialisten und ihrer Funktionäre in Serbien.
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RNP-F (Revolutionäre Volkspartei-Front) ist eine marxistisch-leninistische Organisation in Serbien, die sich auf den Kampf gegen den Imperialismus, die internationale Solidarität mit der Dritten Welt und die Süd-Süd-Zusammenarbeit im Geiste der Blockfreienbewegung konzentriert. RNP-F auf Twitter/X. Essam Elkorghli hat diesen Artikel überarbeitet und ihm mehr Biss verliehen.
Quelle: Black Agenda Report. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.