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Die Palästinafrage in einer sich verändernden Welt

von MARCO PONDRELLI1, 26. Mai 2025

Beim Verfolgen der italienischen Debatten hat man den Eindruck, das palästinensische Drama sei in Vergessenheit geraten. Die täglichen Massaker der israelischen Armee finden in den Zeitungen immer weniger Platz. Human Rights Watch erklärte diese Woche, die von Israel verhängte Totalblockade des Gazastreifens sei ein Vernichtungsinstrument. Hätte man Russland verurteilt, wäre dies in den Mittelpunkt der italienischen politischen Debatte gerückt; in diesem Fall wurde darüber Stillschweigen bewahrt.

Es besteht die Gefahr, dass Donald Trumps jüngste Schritte, die mit einer Abkühlung der Beziehungen zu Netanjahu einhergehen, missverstanden werden. So, wie viele Kommentatoren fälschlicherweise dachten, Biden stelle ein Hindernis für Benjamin Netanjahus Politik dar, sind sie heute überzeugt, Trump sei zum Pazifisten geworden. Um zu verstehen, was geschieht, müssen wir die Strategie der US-Regierung verstehen. In den letzten 30 Jahren basierte die US-Politik auf begrenzten militärischen Interventionen in bestimmten Regionen. Das strategische Ziel war die Schaffung von Destabilisierungszonen. Die USA waren nicht an einer stabilen und freundlichen Regierung im Irak oder in Afghanistan interessiert, sondern wollten lediglich Chaos stiften, indem sie diese Staaten daran hinderten, verlässliche Gesprächspartner zu sein. Aus dieser Perspektive war der Terrorismus, der im Kaukasus, in Xinjiang oder in Syrien zuschlagen konnte, ein wertvoller Verbündeter.

Stacheldraht und Rassentrennung: Die «Stabilität», die Trump für Palästina will

Trump kehrt diesen Ansatz um. Sein Ziel ist es, Stabilität zu schaffen, doch diese Stabilität muss sich an der Verteidigung der Interessen Washingtons orientieren. Wie passt diese Position zur konkreten Realität des Nahen Ostens? Die Reise des US-Präsidenten in die Golfstaaten hilft uns, etwas zu verstehen. Die eintreffenden Signale deuten darauf hin, dass Trump die Gründung eines palästinensischen Staates befürworten könnte, doch das sind keine guten Nachrichten. Der zukünftige Staat wäre ein «Reststaat», die illegalen israelischen Kolonien blieben ausgeschlossen, ebenso wie das Schicksal Gazas ungewiss ist. Dieses Szenario ähnelt stark den Worten Ariel Scharons an Massimo D’Alema (damals italienischer Aussenminister), die dieser in seinem Buch «Gross ist die Verwirrung unter dem Himmel» wiedergab. Sie sind es wert, zitiert zu werden: «Ich traf Ariel Scharon während des Wahlkampfs, der ihn schliesslich zum Sieg führte. Ich erinnere mich, dass er mir sagte: ‹Wir sind bereit, Gebiete zu haben, die von den Palästinensern innerhalb der Grenzen Israels und unter israelischer Militärkontrolle verwaltet werden. Dort können die Palästinenser leben und sich selbst regieren.› Ich antwortete: ‹Eine Art Bantustan.›» Sharon lächelte und antwortete: «Wenn sie wollen, können sie es einen Staat nennen.»

Die US-Regierung wünscht sich ein von Israel kontrolliertes und von den Saudis dominiertes Palästina; dies wäre Voraussetzung für die Anerkennung Israels durch Saudi-Arabien. In Übereinstimmung mit diesen Prämissen reiste Trump nach Riad, wo er auch Al-Qaida-Mitglied al-Dscholani, den neuen Führer Syriens, traf. Die Terroristen, die euphemistisch als «moderate Rebellen» bezeichnet wurden, siegten in Syrien, und unmittelbar darauf hob der Westen die Sanktionen auf. Terrorismus war und ist ein grundlegender Bestandteil der US-Politik.

Trump trifft sich mit dem syrischen Terroristen al-Dscholani, einem ehemaligen Mitglied von al-Qaida, auf dessen Kopf bis Dezember 2024 ein Kopfgeld von 10 Millionen Dollar ausgesetzt war.

Die Unterstützung des sunnitischen Lagers ergänzt den Angriff auf den Iran und die Widerstandsachse, der ebenfalls dramatische Ereignisse wie die Bombenanschläge auf iranischem Boden und die Angriffe auf den Libanon mit sich brachte. Trump fühlt sich derzeit stark und ist überzeugt, Teheran zu einem Abkommen zwingen zu können, das seine Rolle und die der Widerstandsachse stark einschränkt. Nach Washingtons Vorstellungen kann (oder muss) all dies ohne Netanjahu geschehen, doch dies ändert nichts an der anhaltenden Unterstützung der USA für Israel. Ein Erfolg dieses Plans würde eine Normalisierung der regionalen Beziehungen schaffen und nicht nur die Palästinafrage zugunsten des zionistischen Staates beilegen, sondern auch die Wiederbelebung der Beziehungen zu den Saudis garantieren, die eine zentrale Rolle bei der Bestimmung des Ölpreises spielen.

Ist dies die einzige Chance auf Frieden? Sicherlich nicht! Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Wiedereröffnung diplomatischer Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien dank China möglich war. China spielt eine von allen Beteiligten anerkannte Rolle. Der Iran ist über die SCO und die BRICS-Staaten zunehmend an Peking (und auch an Moskau) gebunden. Saudi-Arabien hingegen muss mit China zusammenarbeiten, um die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen zu fördern – ein zentrales Ziel seiner Vision 2030. Diese Weltregion hat Ereignisse oft vorweggenommen. Eine stärkere Rolle Chinas und Russlands beim Aufbau einer multipolaren Welt wird sich auch auf den Nahen Osten auswirken. Nur in diesem Rahmen wird die Palästinafrage eine echte Lösung finden.
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1 Marco Pondrelli hat einen Abschluss in Politikwissenschaft und ist Experte für Geopolitik. Seit 2018 leitet er die Informationsseite www.marx21.it

Der Artikel wurde aus sinistra.ch übernommen. Übersetzt mit Hilfe des Chromium-Moduls.