«Ich gehe mit dem Volk in die Katakomben»: Im Rahmen einer Amnestie verlässt der politische Gefangene Hugo Chavez am 27. März 1994 seine Zelle in Yare. Foto: AFP.
Venezuela: Wiedergeburt und Wahlerfolg der Kommunistischen Partei
von THIERRY DERONNE, 14. Juli 2025
Seit einigen Jahren erhalten Aktivisten weltweit häufig Communiqués mit der Unterschrift der «Kommunistischen Partei Venezuelas». Darin wird «das neoliberale Regime Maduros» angeprangert, das «Kommunisten verfolgt, gegen Arbeiter vorgeht, Löhne drückt und wie der Faschismus Terror unter der Arbeiterklasse verbreitet». Aus spontaner Solidarität, oft in gutem Glauben, werden diese Botschaften weitergegeben, ohne die wahre Natur ihres Autors zu ahnen oder die Desinformation zu verstehen, an der sie beteiligt sind. Dabei unterstützt die echte Kommunistische Partei Venezuelas nicht nur aktiv die Bolivarische Revolution und vereint die grosse Mehrheit ihrer Aktivisten in sich, sondern hat bei den Parlamentswahlen im Mai 2025 unlängst ein historisches Ergebnis erzielt.
Ein wenig Geschichte …
Eines der Probleme der venezolanischen Linken vor Chávez bestand darin, dass sie von Abkömmlingen der Bourgeoisie geführt wurde, die – in einer seltsamen Synthese aus Kolonialismus und Marxismus – das Volk als «entfremdete Masse» betrachteten, der die politische Linie aufgezwungen werden müsse. Viele träumten davon, der neue Fidel Castro oder Che Guevara zu sein, und hinterliessen einen Friedhof voller Märtyrer, Studenten und Bauernfamilien, die im Kampf geopfert wurden, und viele zerbrochene Hoffnungen. Müde, die versprochene grosse Wende nie kommen zu sehen, wandten sich die Menschen schliesslich jemandem zu, der ihnen zuhörte und mit ihnen sprach: einem gewissen Hugo Chávez.
Im Gefängnis, in das ihn sein zivil-militärischer Aufstand gegen die Korruption in der Regierung brachte, begriff der dunkelhäutige Soldat aus einfachen Verhältnissen, dass die Revolution niemals durch diesen linken Flügel zustande kommen würde, der zu sehr in der Minderheit war und sich von den Massen entfernte; dass es an der Zeit war, «den toten Samen der Mango auszugraben, um einen neuen zu säen»1. Sein «Nationales Projekt Simon Bolivar» liess drei antikoloniale Wurzeln im Volksgedächtnis wieder aufleben: Bolivar, Rodríguez und Zamora. Das Bündnis zwischen zivilen und militärischen Patrioten knüpfte an am symbolischen Bild des Militärképis, das auf Abbildungen auf dem Bauernhut von Ezequiel Zamora, dem General der «Freien Länder und Menschen» (1817–1860), zu sehen ist. Der Philosoph Simón Rodríguez (1769–1854) forderte den amerikanischen Kontinent, der durch seinen ehemaligen Schüler Simón Bolívar vom spanischen Joch befreit worden war, auf, «sich etwas Neues auszudenken, originell zu sein und aufzuhören, das alte Europa zu kopieren», und schlug als politisches Modell die «Toparchie» vor, eine kommunardische Regierung für jedes Teilgebiet der Republik.
Nach der Amnestie 1994 wählte der bolivarische Soldat den Weg der Wahlen und begab sich auf eine landesweite Tournee. Überall lauschten ihm die Massen mit besonderer Aufmerksamkeit. Seine grosse Popularität irritierte die PCV-Führung. Jahre später sagte Chávez zu Ignacio Ramonet:
Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei sagte mir nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis: ‹Die Anwesenheit von Caudillo Chávez schadet der Volksbewegung.› Er hatte Einwände gegen meine Teilnahme an den Märschen und Demonstrationen … – Er verstand überhaupt nichts. Es ging ihm bedauerlicherweise nur um Wahlopportunismus.2
1999 betrat das Volk, das immer ausgeschlossen war, endlich die Politik, indem es Chávez zum Präsidenten der Republik wählte. Obwohl der PCV nicht verdaute, dass das «entfremdete Volk» einen Sohn von Landlehrern bevorzugt hatte, ritt die Partei zunächst auf der bolivarischen Seite und klebte Chávez’ Bild auf ihre Plakate, um ihre Stimmenzahl zu erhöhen. Sie forderte Ministerien und Botschaften, in der heimlichen Hoffnung, dass die Bolivarische Revolution nur eine Nebenepisode sei und der PCV wieder die einzige Partei der Linken werde.
Doch das egalitäre Programm der Chavistas erwies sich als tief in der politischen Landschaft verwurzelt und sicherte sich die Unterstützung der Wählerschaft. 2020 verkündete der Generalsekretär des PCV, Óscar Figuera, plötzlich: «Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts ist keine wissenschaftliche Doktrin» und «Nicolás Maduro ist kein Chavist, sondern ein Neoliberaler». Die Parteibasis kritisierte diese Wende und äusserte ihre Besorgnis über den Mitgliederschwund3. Figuera ignorierte dies und berief, um sich an der Spitze der Partei behaupten zu können, einen Kongress ein, der auf 80 verbliebene Anhänger statt der üblichen 400 Delegierten begrenzt war. 2023 beschloss eine Gruppe von Aktivisten, die Angelegenheit vor Gericht zu bringen. Der Oberste Gerichtshof entschied schliesslich zu ihren Gunsten. Eine Übergangsführung unter dem Vorsitz des Aktivisten Henry Parra wurde ernannt, um einen Kongress zu organisieren, der den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Figuera prangerte sie in den für die internationale Liste der Bruderparteien bestimmten Erklärungen sofort als «Söldner des Diktators Maduro» an, bevor er die Säuberung der «Verräter» einleitete: «Nach einer langen Untersuchung hat das Plenum unseres Zentralkomitees festgestellt, dass die ehemaligen Leiter unserer Abteilung für internationale Beziehungen – die Abgeordneten Carolus Wimmer und Úrsula Aguilera – in Wirklichkeit Verräter im Dienste des Maduro-Regimes waren.»4
Von der Wiedergeburt bis zum Wahlsieg des neuen PCV
Foto: April 2025. PCV-Kampagne unter der Führung des neuen Vorstands unter Henry Parra. Zurück im Zentrum der chavistischen Koalition gewann die Partei fünf weitere Sitze in der Nationalversammlung.
Während es kaum Mobilisierungen rund um den ehemaligen Generalsekretär gab, nahm die neue Führung unter Henry Parra die Basisarbeit wieder auf. Schnell schlossen sich landesweite Sektionen und Zellen zusammen, um die verlorene Zeit aufzuholen und die Partei wieder aufzubauen. Die Aktivisten kehrten ins Zentrum der chavistischen Koalition zurück und starteten den Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Mai 2025. Diese Strategie überzeugte die Wählerschaft: Der PCV machte einen historischen Sprung von einem auf sechs Abgeordnete in der Nationalversammlung und wurde die drittstärkste Kraft unter den 46 im Rennen befindlichen Parteien.
Parra kommentierte den Sieg:
Je stärker die Kommunistische Partei, desto stärker wird die Bolivarische Revolution sein. Wir bewahren unsere Identität: Der PSUV [Mehrheitspartei des Chavismus, TN] setzt stärker auf die Kommune als revolutionären Motor, während wir auf die Arbeiterklasse setzen. Viele kommunistische Parteien Lateinamerikas haben Figueras Manipulationen durchschaut und gesehen, wie er sich mit der Ultrarechten verbündet. Wir werden den Parteitag organisieren und unsere Verbindungen zu Bruderparteien weltweit erneuern. … Warum Maduro unterstützen? Sein Antiimperialismus. Sein sozialistisches Programm. Seine proletarische Herkunft. Seine Fähigkeit, den Frieden zu garantieren. Denn obwohl wir unsere politischen Gegner respektieren, wissen wir, dass die extreme Rechte, sollte sie an die Macht zurückkehren, versuchen würde, uns zu beseitigen, wie sie es beim Putsch gegen Chávez 2002 getan hat.
Lange vor dem Wahlsieg der neuen PCV-Führung und ohne in die Falle von Figueras Kampagnen zu tappen, hielten kommunistische Parteien weltweit ihre Solidarität mit der revolutionären Regierung von Nicolás Maduro aufrecht. Dazu gehörten die Kommunistischen Parteien Kubas, Chinas, Vietnams, Nepals, Südafrikas, Kolumbiens, Perus, Argentiniens, Brasiliens (PCdoB), Südkoreas (PDP), der Philippinen, Spaniens, Portugals, die Partei für Sozialismus und Befreiung (USA) und rund 80 kommunistische Organisationen, die in der Weltantiimperialistischen Plattform5 organisiert sind. Ganz zu schweigen von den sozialen Bewegungen und marxistisch inspirierten Forschungszentren wie der Landlosenbewegung Brasiliens, dem Trikontinentalen Institut unter der Leitung des indischen Historikers Vijay Prashad, der International People’s Assembly, dem People’s Forum (USA) usw.
Fotos: Im Juni 2025 begrüsst Nicolás Maduro Wu Hansheng von der Abteilung für gesellschaftliche Arbeit der Kommunistischen Partei Chinas. Bei seinem fünften Besuch in China (2023) konnte der bolivarische Präsident eine strategische Allwetter-Partnerschaft mit Präsident Xi Jinping unterzeichnen und die Zusammenarbeit zwischen der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) und der Kommunistischen Partei Chinas mit dem Ziel der Armutsbekämpfung verstärken. Im April 2025 traf sich Maduro mit der Kommunistischen Jugend Vietnams, um die Zusammenarbeit erneut zu verstärken. Im Mai 2025, anlässlich des 80. Jahrestages des Sieges über den Nazifaschismus, traf er in Moskau den kubanischen Präsidenten Díaz-Canel: Der PSUV und die Kommunistische Partei Kubas arbeiten seit langer Zeit auf höchster Ebene zusammen. Ebenso traf Maduro seine Amtskollegen Wladimir Putin und Hauptmann Traoré, Präsident von Burkina-Faso, mit denen er mehrere Kooperationsabkommen unterzeichnete.
Figuera in seinem Labyrinth
Nachdem er bei den Präsidentschaftswahlen 2024 den rechten Kandidaten Enrique Márquez unterstützt und sich dann geweigert hatte, den Sieg des «Diktators» Maduro anzuerkennen, weigerte sich der ehemalige Generalsekretär des PCV ebenso wie die extreme Rechte, an den Parlamentswahlen im April 2025 oder den Kommunalwahlen im Juli 2025 teilzunehmen: «In diesem Kontext fehlender Garantien und politischer Unterdrückung werden wir nicht an den Wahlen teilnehmen, die nichts als eine Farce sind.»6 War da vielleicht Angst, von den Wählern bestraft zu werden? Und was die internationalen antifaschistischen Treffen betrifft, die seit zwei Jahren in Caracas stattfinden und an denen Hunderte von Parteien und sozialen Bewegungen aus der ganzen Welt teilnehmen, sind sie seiner Meinung nach nichts anderes als «der Wunsch des Regimes, seinen autoritären und antidemokratischen Charakter zu verbergen»7.
Das Ritual ist unveränderlich. Vor der Kamera sitzend, umgeben von seinem Gefolge, verliest Figuera die x-te Erklärung gegen die «neoliberale Diktatur Maduros». Man fühlt sich an Roque Daltons Gedicht erinnert, in dem es um ein Zentralkomitee geht, das zu sehr mit dem Verfassen seiner Erklärung zur «gegenwärtigen Lage und unseren Aufgaben» beschäftigt ist, um zu erkennen, dass die Menschen auf der Strasse die Revolution machen. Man fühlt sich auch an die mexikanischen Kommunisten erinnert, die Sandino als «liberalen Caudillo» oder «Abenteurer» bezeichneten, oder an die bolivianischen Kommunisten, die sich weigerten, Ches Guerilla zu unterstützen.
Dieselbe stille Arroganz derer, die sich als alleinige Inhaber der direkten Verbindung zu Marx bezeichnen, dieselbe hochtrabende Rhetorik der 1950er Jahre, aus jedem Kontext gerissen. Eine Szene, so karikaturhaft, dass man sich fragt: «Wie können sie es immer noch wagen?»8
Fotos: Oscar Figuera, der «Kommunist», in Aktion. Er unterstützt den rechten Kandidaten Enrique Márquez bei den Präsidentschaftswahlen 2024. Er protestiert gegen die Nichtwählbarkeit der rechtsextremen Putschistin María Corina Machado – einer Oligarchin, Kandidatin des Likud und Washingtons, die Netanjahu in einem Brief aufforderte, militärisch gegen Maduro vorzugehen. Er verurteilt Maduros «diktatorische Praktiken» gemeinsam mit dem Direktor von Provea, einer ursprünglich unpolitischen und auf Menschenrechte fokussierten NGO, die sich heute aber offen gegen die Revolution stellt. Oder er verurteilt Maduros «Diktatur» live auf EVTV, dem in Miami ansässigen Fernsehsender der extremen Rechten Venezuelas.
Obwohl er sich zu einem routinemässigen Antiimperialismus bekennt (verbale Kritik an der Blockade gegen Kuba), verwendet Figuera dieselbe Technik wie die Medien gegen die Bolivarische Revolution: Die Ursachen von Problemen werden unterschlagen, negative Auswirkungen jedoch hervorgehoben. Seiner Meinung nach wird die «Krise» durch «Maduros Neoliberalismus verursacht, der die Löhne der Arbeiter drückt». Nichts über die Finanzblockade, die die bolivarische Regierung am Kauf von Medikamenten hindert und den Tod von 100 000 Patienten verursacht hat. Nichts über die mehr als 1000 von den Vereinigten Staaten verhängten Sanktionen9, die Venezuela 95 Prozent seiner Einnahmen kosten und eine Massenflucht auslösen (die die Medien dem «Scheitern des Sozialismus» zuschreiben): «Niedrige Löhne, Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und Privatisierungsversuche im Rahmen einer Anti-Blockade-Gesetzgebung sind die Hauptursachen für diesen Exodus.»
Überhören wir für einen Moment die alte Leier. Warum sollte Präsident Maduro plötzlich beschliessen, «neoliberal» zu werden und die Löhne zu drücken? Aus dem Wunsch, die Bolivarische Revolution zu verraten, die die Arbeiterlöhne auf das höchste Niveau des Kontinents angehoben hatte? Aus dem Wunsch, sich unbeliebt zu machen? Tatsächlich ist Maduro angesichts der westlichen Blockade einer der wenigen Staatschefs, der den Lockrufen zur Sparpolitik nicht nachgegeben hat. Als er begann, die Gehälter periodisch um 25 oder 50 Prozent zu erhöhen, machte der Privatsektor diese Erhöhungen zunichte, indem er seine Preise im gleichen Verhältnis erhöhte. Angesichts der Inflationsspirale beschloss Maduro, den nationalen Produktionsapparat dank multipolarer Allianzen wieder anzukurbeln. Nicht nur, um vom Ölrentierismus abzurücken, sondern auch, um die Staatskasse aufzufüllen, insbesondere durch die Besteuerung der Reichsten. Die Zentralbank hat so wertvolle Ressourcen zurückgewonnen, um am Devisenmarkt zu intervenieren und die Währung zu verteidigen. All dies ermöglichte den Wiederaufbau der öffentlichen Dienste und die schrittweise Erhöhung der Arbeitnehmereinkommen, während gleichzeitig die Inflation, die sie schwächte, eingedämmt wurde. Eine Strategie nach chinesischem Vorbild: den Staat als strategischen Akteur in der Wirtschaft zu erhalten und zu stärken.10
Ergebnisse: Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) berichtet, dass Venezuela in den letzten vier Jahren das höchste Wachstum (4 Prozent) in Südamerika verzeichnete. Zum ersten Mal in seiner 150-jährigen Ölgeschichte nähert sich das Land der Ernährungssouveränität und produziert fast 100 Prozent seiner konsumierten Lebensmittel selbst. Im ersten Quartal 2025 wuchs das BIP um 9,32 Prozent, und das Land steigerte seine Nicht-Öl-Exporte um mehr als 87 Prozent.11
Als Donald Trump im Februar 2025 Chevron die Lizenz entzog, um die venezolanische Wirtschaft weiter zu strangulieren, reagierte Maduro, indem er den Markt nach Asien ausweitete und das 5258. Haus an eine Arbeiter-Familie auslieferte. Am 1. Mai 2025 erhöhte er den «Bonus gegen den Wirtschaftskrieg» für 20 Millionen Familien von 90 auf 120 Dollar. Zusammen mit der Lebensmittelsubvention von 40 Dollar ergibt das 160 Dollar, die jeden Monat als Ergänzung zum Grundgehalt gezahlt werden. Im privaten Sektor – der Mehrheit – liegt der Mindestlohn bei etwa 200 Dollar. Ein wichtiger Punkt bei der Analyse der Kaufkraft in Venezuela: Trotz westlichen Sanktionen und anders als in neoliberalen Regimen sind öffentliche Dienstleistungen und Grundbedürfnisse in Venezuela sehr günstig. Subventioniertes Benzin – das billigste der Welt (0,5 Dollar pro Liter) –, Wasser, Gas, Strom, Internet, U-Bahn usw. sind günstig erhältlich. Die Lebensmittel, die die Regierung der Bevölkerung monatlich als Reaktion auf die Blockade liefert, kosten nur 5 Prozent des Lebensmittelpreises. Viele Gesundheitszentren sowie öffentliche Bildungs- und Kultureinrichtungen sind kostenlos12.
Während im Westen bei immer mehr Familien das Einkommen nicht bis zum Monatsende reicht, strömen venezolanische Arbeiter in die täglich geöffneten Geschäfte und «Unternehmen». Caracas wird von kommerzieller Musik erfüllt, und schon frühmorgens bilden sich Schlangen vor den riesigen Einkaufszentren13. Tausende venezolanische Migranten sind der Verarmung in ihren «Gastländern» entflohen und dank der staatlichen Fluggesellschaft kostenlos in ihr Land zurückgekehrt, lange vor den Abschiebungen und Menschenrechtsverletzungen des Trump-Regimes14. Doch der ehemalige PCV-Vorsitzende fällte sein Urteil: «Das Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Venezuelas ist der Ansicht, dass nach den Ankündigungen vom 1. Mai die Gehälter und Renten der Venezolaner auf null gekürzt wurden.»15
Das Image der kapitalistischen Medien nutzen
Wenn legale Mafias mit Verbindungen zu öffentlichen oder privaten Unternehmen Menschenrechte verletzen, gibt der ehemalige PCV-Vorsitzende automatisch Maduro die Schuld. «Maduro verbreitet Terror unter der Bevölkerung, genau wie der Faschismus.» Dies ist Figueras persönliche Besessenheit: Er nutzt das Klima, das die kapitalistischen Medien in den letzten zwanzig Jahren geschaffen haben. Zwar wurden in Venezuela Arbeiter zu Unrecht inhaftiert, was legitime Kämpfe sozialer Bewegungen für ihre Freilassung auslöste, doch diese Menschenrechtsverletzungen spiegeln keine Regierungspolitik wider.
Nicht in Maduros Venezuela, sondern in Ignacio Lula da Silvas Brasilien erreichte die Gewalt auf dem Land im Jahr 2024 ein Rekordniveau, und die Attentate konzentrieren sich in den Regionen, in denen die Agrarindustrie wächst. Nicht in Maduros Venezuela, sondern in Gustavo Petros Kolumbien wurde im Jahr 2024 «jeden zweiten Tag ein sozialer Anführer ermordet – sei es ein Menschenrechtsaktivist, Gewerkschafter, afro-kolumbianischer Aktivist, Bauernführer usw.» – und im Jahr 2025 wurden 70 soziale Anführer ermordet. Nicht in Maduros Venezuela, sondern in Claudia Sheinbaums Mexiko wurden im Jahr 2024 «125 000 Menschen als verschwunden gemeldet» und werden regelmässig geheime Massengräber entdeckt. Heisst das jetzt, Lula, Petro oder Sheinbaum würden mit ihrer Politik diese Menschenrechtsverletzungen fördern?16
In Venezuela hat Maduro mehrfach öffentlich die Bestechung von Polizisten durch Grossgrundbesitzer zur Vertreibung von Bauern angeprangert und den in der Chávez-Ära üblichen Morden an Politikern, die sich für eine Agrarreform einsetzten, ein Ende gesetzt17. Generalstaatsanwalt Tarek William Saab hat Hunderte korrupte Richter und schiesswütige Polizisten entlassen. Der kommunistische chilenische Bürgermeister Daniel Jadue, Opfer von Lawfare und in seinem Land inhaftiert, weil er ein Netzwerk von Volksapotheken aufgebaut hatte, schreibt:
«Der Bolivarische Prozess konnte Hunderte von Sicherheitskräften wegen Menschenrechtsverletzungen, Befehlsverweigerung und Schusswaffengebrauchs während der rechtsextremen Gewalt verhaften und verurteilen, während in Chile kein einziger Sicherheitsbeamter, der die soziale Bewegung unterdrückte, verhaftet oder vor Gericht gestellt wurde»18.
Reden wir über Demokratie. Maduro beschränkt sich nicht auf einfache Reformen wie die seiner progressiven Nachbarn. Am 25. Mai 2025, nach dem überwältigenden Sieg der chavistischen Koalition bei den Parlamentswahlen, nahm er den strategischen Plan zum Aufbau eines neuen Staates auf der Grundlage von Volksselbstverwaltungen wieder auf. Im ganzen Land finden Bürgerversammlungen statt, um Vorschläge für diese Verfassungsreform zu sammeln. Das Ziel, erklärt der bolivarische Präsident, sei «der Aufbau einer modernen Demokratie, die auf der direkten Beteiligung der Bürger, der Macht sozialer Bewegungen und der Gemeinschaft basiert. Ein grossartiger Prozess der umfassenden Demokratisierung der venezolanischen Gesellschaft, des politischen, institutionellen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und bildungspolitischen Lebens. Denn ein System, das entscheidet, wer mehr Geld hat, um TikTok, Instagram, Radio und Fernsehen zu kontrollieren, ist keine Demokratie, sondern eine Farce, ein absurdes Theater. Venezuela will das nicht, denn seine gesamte Geschichte ist von der Idee und dem Wunsch nach echter Demokratie geprägt.»19
Wenn Figuera anprangert, dass der «Diktator Maduro Terror wie Faschismus sät», ist dann in seiner Rede die Handschrift von USAID oder NED zu erkennen20? Sicherlich bewegt er sich im Ökosystem der «Menschenrechts»-Nichtregierungsorganisationen, die wie PROVEA in eine offene politische Opposition gegen die Bolivarische Revolution und ihre verfassunggebenden Versammlungen abgedriftet sind. NGO, die Dossiers über «politische Gefangene» für die Medien und für die von der ultrarechten venezolanischen Mafia in den USA betriebenen «Anstalten» fabrizieren. So sehr, dass sich sogar die Trump-Administration von diesem Geschäft distanziert hat21. Doch es gibt eine noch dürftigere Erklärung. Vor den Präsidentschaftswahlen im Juli 2024 kündigte die ultrarechte Machado an, im Falle ihres Wahlsieges die Chavistas «anzuklagen». Mit anderen Worten: sie zu eliminieren. Hat der ehemalige PCV-Vorsitzende mit ihr einen Nichtangriffspakt unterzeichnet, in der Hoffnung, dass der Chavismus nach einer Wahlniederlage verschwinden würde? Und dass die PCV wieder die einzige linke Partei werden würde? Angesichts von Figueras Sektierertum und Opportunismus ist diese Hypothese gar nicht so abwegig.
Der Kampf zwischen Alt und Neu
Fotos: Henry Parra, der neue Präsident des PCV – im Strassenwahlkampf mit einigen Genossen für die Parlamentswahlen im April 2025. Die Kommunistische Jugend Venezuelas und ihr Anführer Manuel Alemán erklären ihren Wunsch, mit den Volksselbstverwaltungen zusammenzuarbeiten: «Wie können wir Gemeinden unterstützen, in denen sich die Menschen organisieren und nach ihren eigenen Interessen wählen?»
Wenn die Medienimperien Venezuela seit zwanzig Jahren als «Diktatur» bezeichnen, dann deshalb, weil sie die Ausbreitung der Demokratisierungsmaschinerie der Bolivarischen Revolution verhindern müssen. Der Journalist Maurice Lemoine erklärt: «Auch auf die Gefahr hin, die Kritiker Venezuelas zu überraschen, sind die Tausenden von Selbstverwaltungen des Volkes das ehrgeizigste Experiment der partizipativen Demokratie auf dem Kontinent und wahrscheinlich weit darüber hinaus.» Die Medien tolerieren lokale Experimente (Zapatismus, Rojava usw.), müssen aber diese «Revolution innerhalb der Revolution» verschweigen, die das System bedroht und viele Intellektuelle und Bewegungen des Globalen Südens beeindruckt. Für den Direktor des Tricontinental Institute, den indischen Historiker Vijay Prashad, «spielen in Venezuela die in den Volksvierteln gegründeten Kommunen eine zentrale Rolle bei der Entstehung neuer Ideen und materieller Kräfte, die die Gesellschaft voranbringen». Der puerto-ricanische Dekolonial-Soziologe Ramón Grosfoguel meint: «Vielleicht verlieren wir angesichts all der Schwierigkeiten, die das Imperium in Venezuela geschaffen hat, den historischen Moment aus den Augen und was in den Kommunen aufgebaut wird, was es sonst nirgendwo in Lateinamerika gibt.
Messilene Gorete, internationale Koordinatorin der brasilianischen Landlosenbewegung, meint dazu:
«Manchmal haben wir Linke sehr engstirnige Vorstellungen über den Grad der Vorbereitung und Planung, der für Fortschritte nötig ist, und das kann zu einem Hindernis werden. Kreativität – in einem Land, in dem die Menschen sehr spontan sind – ist eine grosse Tugend der Bolivarischen Revolution. Hier ist das Volk wirklich das Subjekt der Revolution. Und die venezolanische Kommune ist ein Modell, das unser Kontinent braucht.»
Die feministische Aktivistin Marta Martín Morán, die bei der Kommunistischen Partei Spaniens für Lateinamerika zuständig ist und ein Dutzend Wahlprozesse in Venezuela beobachtet hat, macht keinen Hehl aus ihrer Begeisterung für die vierteljährlichen Konsultationen, bei denen die Bevölkerung jeder Kommune das vom Staat zu finanzierende Projekt wählt. Die mexikanische feministische Soziologin Karina Ochoa betont die zentrale Rolle der Frauen, «die bestrebt sind, die Macht über durch die Macht für etwas zu ersetzen»22.
___
Quelle: Venezuelainfos und Orinoco Tribune
Hinweise:
1 Rede von Hugo Chavez in Havanna, Dezember 1994.
2 «Eine mögliche Utopie – Mein erstes Leben», Hugo Chávez (Gespräche mit Ignacio Ramonet). Einige Jahre später, in einem anderen Kontext, kommt Gustavo Petro zum gleichen Schluss: «Die kolumbianische Linke hat, weil sie zu klein, zu isoliert und zu sektiererisch war, die Präsidentschaft nie gewonnen. Das Gruppenego ‹ist sehr schädlich› mit seiner «korrekten und reinen Linie und seiner Art, jeden Kolumbianer mit Misstrauen zu betrachten, der nicht einem Kader der Linken ähnelt, dem, was wir früher einen revolutionären Kader nannten».
3 Im Jahr 2018 verliessen bei einem Nationalkongress des PCV überlebende Guerillakämpfer aus den 1960er Jahren den Raum, um diese Anti-Maduro-Haltung anzuprangern: «Wir alle haben für diese Revolution gekämpft, also hör’ auf, diejenigen zu beleidigen, die dafür gestorben sind», riefen sie Oscar Figuera zu.
4 Siehe Figueras Presseerklärung zur Rechtfertigung dieser Säuberung, die unverhohlen von Websites wie Solidnet verbreitet wird.
6 «Avalanche of irregularities plunges May 25 electoral process into the abyss.» ¶ «El Partido Comunista de Venezuela rechaza la candidatura de Maduro y apoya la de Enrique Márquez.» ¶ «El Partido Comunista de Venezuela anuncia decisión de no participar en comicios de julio.»
7 «PCV: Maduro trata de recomponer su malograda legitimidad con foro parlamentario antifascista.»
8 Der «Fall Figuera» ist nur ein Beispiel für den Einfluss der Griechischen Kommunistischen Partei, die kommunistische Organisationen weltweit spaltet oder lähmt, indem sie eine «chemisch reine» Kritik an politischen Prozessen verbreitet. Jeder Prozess, der nicht ins Schema passt, wird als «reformistisch» oder «imperialistisch» angeprangert. Ob China, Mexiko, Venezuela usw. – da sie gemischtwirtschaftlich geprägt sind, sind sie Verräter, die mit dem Kapitalismus paktieren, und da der Kapitalismus imperialistisch ist, sind sie auch imperialistische Regimes! Im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt verwischt diese Strömung die Ursachenkette (den prowestlichen Putsch auf dem Maidan 2014, die Bombardierung der russischsprachigen Bevölkerung im Donbass und in Lugansk, die Täuschung der Minsker Abkommen, die Stationierung von NATO-Raketen und biologischen Stützpunkten an der Grenze zu Russland usw.), um Russland in einen «Imperialismus» zu verwandeln, der mit dem der Vereinigten Staaten angeblich identisch ist.
9 «Sanções contra Venezuela fizeram o país perder US$ 226 bi em receitas petrolíferas.» ¶ «Venezuela. ONU reconoce impacto negativo de las medidas coercitivas unilaterales de EE.UU.»
10 «Nicolas Maduro est-il devenu néo-libéral?» ¶ Für eine vollständige Sequenz seit Beginn des Wirtschaftskrieges: «Mai 2011: augmentation du salaire minimum de 25% et des salaires des universitaires et du secteur public de 40%.» ¶ «Venezuela: l’augmentation du salaire et la baisse du chômage continuent.» ¶ Contrôle des prix des aliments, hausse du salaire, impôt sur les grandes fortunes et affranchissement du dollar: «Maduro poursuit l’offensive contre la guerre économique.» ¶ «Maduro hace milagros para proteger el ingreso mínimo integral en plena guerra económica.» ¶ «Venezuela aumenta auxílios para amenizar inflação, mas desafio é ampliar poder de compra.» ¶ «Malas noticias al imperio: no podrán frenar los recursos para el pueblo.»
11 «CEPAL: Venezuela destaca como la economía de mayor crecimiento en la región.» ¶ «La economía venezolana continúa avanzando: El PIB creció 9,32% en el primer trimestre de 2025» ¶ «97% de los productos que se venden en los supermercados son hechos en Venezuela.» ¶ «Venezuela mantiene crecimiento sólido en soberanía alimentaria durante primer semestre del 2025.» ¶ «Pese a sanciones y guerra económica: Venezuela aumenta sus exportaciones no petroleras a más del 87%.» ¶ «Venezuelan Oil Production Recedes as PDVSA Finds New Partners.»
12 «Un país que se autoabastece y exporta: Venezuela rompe crimes sanciones y alcanza soberanía alimentaria.» ¶ «Sistema Agroalimentario venezolano reporta mejoras en abastecimiento y almacenamiento al cierre de mayo.» ¶ «Presidente Maduro entregó la vivienda 5 millones 258 mil.» ¶ «Venezuela: School Food Program Serves 4.6 Million Students for Free.» ¶ «Plan quirúrgico de cataratas en Miranda atenderá 500 pacientes.»
13 «2024, el año de los supermercados.»
14 «US Strips Hundreds of Thousands from Cuba, Haiti, Nicaragua and Venezuela of Migratory Status. President Nicolás Maduro appealed to Venezuelan migrants abroad to return home.» ¶ «Où sont les défenseurs des droits humains des Vénézuéliens?» ¶ «Maduro a dit: ‹s’ils n’en veulent pas, nous si.›» ¶ «Cabello: Más de un millón de venezolanos han retornado tras encontrar la cruda realidad.»
15 «PCV: Política económica de Maduro llevó a cero los salarios y las pensiones.»
16 «Brésil: 12 morts lors d’un raid de la police dans la ville de Salvador.» ¶ «Violência no campo bate recorde da última década e áreas de avanço do agronegócio concentram casos de assassinatos.» ¶ «Indígenas bloquean carretera en Brasil contra ley que amenaza sus territorios.» ¶ «En 2024, un líder social fue asesinado cada dos días en Colombia» ¶ «En 2024, un líder social fue asesinado cada dos días en Colombia.» ¶ «Amnistía Internacional rechaza trabajo de Fiscalía colombiana en crimes against líderes sociales.» ¶ «México, el país que desaparece: sin rastro de 125 000 personas.» ¶ «Rechaza México declaraciones de Comité de ONU sobre desapariciones forzadas.» ¶ «Protestan familiares de desaparecidos en el Senado.» ¶ «Madres de todo el país exigen justicia para personas desaparecidas.» ¶ «Rechaza México que haya desapariciones forzadas sistemáticas por parte del Estado.»
17 «Nicolas Maduro interdit toute expulsion de paysans et exige d’arêter les responsables de ces exions (photos et vidéo).» ¶ «Déclarations du Procureur général Tarek William Saab.»
18 «Declaraciones de Daniel Jadue.»
19 «A rebours des post-democraties de Musk and Trump, Nicolas Maduro renforce la démocratie au Venezuela». Der Humanismus der Bolivarischen Revolution hat seine Wurzeln in Simon Bolivars Maxime «Verflucht sei der Soldat, der seine Waffe gegen das Volk richtet», die Hugo Chávez zitierte, als er die venezolanische Armee von der Schule der Amerikas – der von den Vereinigten Staaten geschaffenen «Schule der Mörder» – trennte. Sogar die gewalttätigen Ultrarechten (von den Medien als «Gefangene aus Gewissensgründen» umbenannt), die regelmässig Destabilisierungsversuche organisierten und für ein paar Dollar Jugendliche aus den Bevölkerungsvierteln rekrutierten, wurden schliesslich befreit. Die Anführer der rechtsextremen Putschisten – von Juan Guaidó bis María Corina Machado – wurden nie festgenommen. Man kann sogar von Nachgiebigkeit sprechen, wenn man das Vorgehen der venezolanischen Justiz mit dem der brasilianischen Justiz gegen Bolsonaro oder dem der US-Justiz gegen die Extremisten vergleicht, die das Kapitol stürmten.
20 «El Partido Comunista de Venezuela acusa al Gobierno de ejecutar ‹una politica de terror›» ¶ «National Endowment for Democracy weaponizes ‹democracy› in Venezuela, Nicaragua and Cuba.»
21 «‹Le Grand Venezuela Circus› et ses influenceurs», von Maurice Lemoine, und «Venezuela: Contes et mécomptes de curieux ‹défenseurs des droits humains›», von Maurice Lemoine, und «Venezuela: aux ‹sources› de la désinformation.» ¶ «Con las ONG los extremistas se llenan los bolsillos a costa de la migración venezolana (+Lista)».
22 «Lenin Went to Dance in the Snow to Celebrate the Paris Commune and the Soviet Republic: The Twenty-First Newsletter (2021)» ¶ «On ne peut être décolonial sans être anti-impérialiste», Ramon Grosfoguel. ¶ «Les Sans Terre du Brésil à l’école du Venezuela: ‹ici, le peuple est vraiment le sujet de la révolution›.» ¶ «Commune or Nothing! Venezuela’s Communal Movement and its Socialist Project.».
