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Exponenten der kompatiblen Linken in den USA: Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (rechts) spricht bei einer Veranstaltung mit Senator Bernie Sanders und der Abgeordneten Ilhan Omar (links) vor dem US-Kapitol im Juni. Bild: Saul Loeb/AFP/Aktenfoto.

Die Funktion der kompatiblen Linken, betrachtet anhand ihrer Angriffe auf die venezolanische Revolution

von STANSFIELD SMITH1, 4. November 2024

«Kompatible Linke» war ein Begriff, unter dem die CIA diejenigen Linken zusammenfasste, die sie als kompatibel mit der Aufrechterhaltung der imperialistischen Weltherrschaft ansah. Diese Linke dominiert die US-Linke seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, was zu einem grossen Teil auf die Unterdrückung der kommunistischen oder antiimperialistischen Linken durch die Regierung zurückzuführen ist. Traditionell ist die kompatible Linke, die von der CIA kultiviert wurde, gegen den real existierenden Sozialismus und bildet stattdessen ein «drittes Lager» oder verflucht beide Seiten («plague on both houses»), lehnt also sowohl die kapitalistischen als auch die sozialistischen Länder ab. Sie bietet eine «respektable» Alternative zu den Antiimperialisten und nutzt ihren progressiven Anstrich, um radikale Jugendliche, Aktivisten, Arbeiter und Intellektuelle zu ködern.

Die CIA wird zu Recht als eine skrupellose Organisation betrachtet, die demokratische Regierungen stürzt, welche als Bedrohung für die Vorherrschaft der USA angesehen werden. Dabei wird jedoch die «sanftere» Arbeit der CIA übersehen: Sie unterstützt und fördert eine kompatible Linke, die [in den USA] in der Demokratischen Partei die politische Führung sieht. Die CIA hat im Geheimen eine Vielzahl solcher Gruppen und Einzelpersonen finanziert und gesteuert. Sie war bestrebt, einen Keil zwischen die antiimperialistische Linke und die kompromissbereite «demokratisch-sozialistische» Linke zu treiben, wobei sie davon ausging, dass letztere den Bedürfnissen des US-Imperialismus dienen könnte.

Heute setzt der nationale Sicherheitsstaat der USA diese Arbeit fort, um die antiimperialistische Linke zu untergraben und eine falsche Linke aufzubauen, welche die Demokratische Partei als «das kleinere Übel» unterstützt. Unternehmensstiftungen wie die Rockefeller-, Ford-, Open-Society- und Tides-Stiftungen schleusen weiterhin CIA-Gelder in progressive Projekte, die den echten Antiimperialismus kritisieren.

Diese liberale Linke hat im Laufe der Jahre viele verschiedene Formen angenommen. Vor einem Jahrhundert zählten Karl Kautsky und die Sozialdemokratie mit ihrer Missbilligung der bolschewistischen Revolution zu ihren Befürwortern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie in den USA als «State Department Socialists» bezeichnet, also als diejenigen, die sich für soziale Reformen im eigenen Land einsetzen, deren internationale Politik jedoch mit den aussenpolitischen Positionen der Regierung übereinstimmt, insbesondere unter demokratischen Regierungen. Die CIA finanzierte den «Westlichen Marxismus» – eine nichtkommunistische Linke – und verhalf ihm zu mehr Einfluss. Herbert Marcuse, der zunächst für das Office of Strategic Services und später für das US-Aussenministerium arbeitete, ist vielleicht der bekannteste Vertreter dieser Gruppe. [Er gehörte zur] Frankfurter Schule, die ebenfalls von der CIA unterstützt wurde.

Vor zehn Jahren bezeichneten sich kompatible Linke oft als Anti-Antiimperialisten und griffen diejenigen heftig an, die sich gegen die US-Interventionen in Gaddafis Libyen und Assads Syrien aussprachen. Sie liessen diese Selbstbezeichnung jedoch fallen, da sie allzu offensichtlich verriet, wo sie standen. Heutzutage lässt sich die kompatible Linke am einfachsten mit dem Milieu der DSA (Democratic Socialists of America) identifizieren, sowie mit dem Squad, Bernie Sanders, Jacobin, In These Times und The Nation.

Die US-Machthaber fördern die «linken» Türhüter, um die Grenzen für «respektable» linke Ansichten zu definieren. In den 60er Jahren wurde der Begriff «verantwortungsbewusst» verwendet. Diese Linke wird benutzt, um die Antikriegs- oder Antiimperialismus-Bewegung zu untergraben und zu marginalisieren. Sie prangert «von links» echte oder erfundene Menschenrechtsverletzungen in Ländern an, die von den USA ins Visier genommen werden, und leistet so einen Beitrag zur Legitimierung von US-Propagandakampagnen, die sie bewusst oder unbewusst in unsere Bewegung schleust. Daher haben kompatible Linke einen weitaus besseren Zugang zu Stiftungsgeldern und zu progressiven Medien als Antiimperialisten. Sie werden viel eher von Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und progressiven Thinktanks angestellt und erscheinen viel häufiger in den Mainstream- und linksliberalen Medien.

Die jüngsten Angriffe der kompatiblen Linken auf Venezuela

Lucas Koerner und Ricardo Vaz stellen fest: «Jedes Mal, wenn Venezuelas Bolivarische Revolution mit neuen Bedrohungen für ihr Überleben konfrontiert wird, ist eine Reihe von US-Intellektuellen sofort zur Stelle, um mit ‹linker› Kritik die permanente imperialistische Belagerung des Landes bewusst zu verschleiern.» Koerner und Vaz veranschaulichen diesen Typus mit Gabriel Hetland in New Left Review und Alejandro Velasco in The Nation. Hetland und Velasco kapitulieren vor der Position des US-Aussenministeriums, das den Wahlsieg von Nicolas Maduro ablehnt. Sie fordern uns auf, «dem Apologetismus für Maduro zu widerstehen» und den Sieg einer faschistisch geführten Oppositionsbewegung zu akzeptieren. Ein weiterer Vertreter dieses Typus ist Fred Fuentes, der einst die Bewegung für Sozialismus (MAS) des [damaligen] bolivianischen Präsidenten Evo Morales gegen dieselbe Art von Angriffen verteidigte.

Velasco war von 2015 bis 2021 geschäftsführender Redakteur des NACLA (North American Congress on Latin America), dessen Vorstands-Programmdirektor Thomas Kruse vom Rockefeller Brothers Fund ist. The Nation, das Texte von Hetland [und Velasco] veröffentlicht, erhält jährlich mehrere hunderttausend Dollar an Stiftungsgeldern von Konzernen.

Die von den USA für die venezolanischen Präsidentschaftswahlen am 28. Juli geplante Putschoperation sollte darin gipfeln, dass die Stimmenauszählung gefälscht und behindert wird, so dass sich die unterlegene rechtsextreme Partei von Maria Machado zur Siegerin erklären kann. Darauf sollten Guarimbas (Chaos, Zerstörung und Ermordungen auf den Strassen) und anschliessend eine Militärintervention zur Zerschlagung der Chavista-Bewegung folgen. Die von den USA unterstützte Operation wurde von zahlreichen Schriftstellern enthüllt, darunter Francisco Dominguez, Leonardo Flores, Roger Harris, Maria Paez Victor, Stansfield Smith, Nino Pagliccia, Alfred de Zayas, National Lawyers Guild (und hier), Arnold August, Edward Hunt, Luigino Bracci Roa und andere. Es versteht sich von selbst, dass der Typus Hetland-Velasco es meidet, sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen, die diese Antiimperialisten präsentieren.

Das US-Imperium fabriziert regelmässig Menschenrechts-Horrorgeschichten, mit denen uns die kompatible Linke dann füttert, wie etwa die jüngste Iteration des chavistischen Wahlbetrugs. Das Imperium hat auch Geschichten erfunden wie «die Ermordung von Studenten in Nicaragua im Jahr 2018, Gaddafis Pläne für Massenvergewaltigungen und -morde in Libyen, die Massentötung und -vergewaltigung von Zivilisten durch die Hamas am 7. Oktober, den chinesischen Völkermord in Xinjiang, die Ermordung von Mahsa Amin durch den Iran im Jahr 2022, den Wahlbetrug von Evo Morales im Jahr 2019, Kubas Unterdrückung von Massenprotesten im Jahr 2021, Russlands ‹unprovozierte› Intervention in der Ukraine, Assads Chemiewaffenangriff auf sein eigenes Volk in Syrien, die Fälschung der venezolanischen Wahlen [2018] durch Präsident Maduro, die Ermordung von Demonstranten durch Chavez-Anhänger im Jahr 2002 und so weiter und so fort. Das einzig Wahre an diesen Geschichten ist, dass die US-Konzernmedien uns ständig anlügen, damit wir ihre Interventionen unterstützen.»

Die kompatible Linke des Typus Hetland-Velasco fungiert als Förderband, das die US-«Regimewechsel»-Propaganda in die progressive und die Antikriegsbewegung transportiert. Koerner und Vaz selbst haben entsprechende Kampagnen der kompatiblen Linken gegen Libyen, Syrien, den Libanon, den Iran, den Jemen, Simbabwe, China, Kuba, Bolivien, Brasilien, Nicaragua und andere beobachtet. Hinzu kämen noch Russland, Nordkorea, die Hamas und die Hisbollah.

«Der Ansatz [des Hetland-Velasco-Typus], nicht die imperialistische Aggression, sondern die Regierungen der Länder zu kritisieren, deren Umsturz angestrebt wird, und auch keine Bewegung gegen die Intervention aufzubauen, ist heute unter Progressiven nur allzu verbreitet. Sie zeugt von einem elementaren Mangel an antiimperialistischem Bewusstsein.»

Die eigentliche Arbeit der Antiimperialisten besteht darin, die ständigen interventionistischen Aktionen und Provokationen des US-Imperiums und die daraus resultierenden hohen Kosten, die wir zu Hause zahlen, aufzudecken. Sie erfordert, die Menschen mit diesen Informationen vertraut zu machen und die arbeitenden Menschen gegen die in- und ausländischen Schädigungen durch die Einmischungen und Interventionen des Imperiums zu organisieren. Die arbeitende Bevölkerung ist sich der Kosten von US-Putschversuchen, terroristischen Aktionen, der Manipulierung von ausländischen Staatsoberhäuptern durch Konzerne, der Instrumentalisierung des internationalen Bank- und Finanzsystems durch das Imperium, der Auswirkungen von US-«Sanktionen» und Blockaden, des Einsatzes von Nichtregierungsorganisationen (NRO) als Instrumente für Regimewechsel oder des Ausmasses der Desinformation durch die Konzernmedien immer noch weitgehend nicht bewusst – kurz gesagt, all jener Aktivitäten, welche die US-Herrscher hinter den Kulissen betreiben und welche von Julian Assange und Wikileaks ans Licht gebracht wurden. Dies, und nicht etwa die Kritik an den tatsächlichen oder erfundenen Menschenrechtsverletzungen in den unterdrückten Ländern oder deren Reaktionen auf die US-Aggression, ist antiimperialistische Arbeit.

Fred Fuentes, der heute ein kompatibler Linker ist, hatte eine antiimperialistische Vergangenheit, als er über die MAS-Führung in Bolivien berichtete und sich mit genau dem Typus von Linken anlegte, der er jetzt geworden ist. Damals, im Jahr 2014, erklärte er:

«Die Herausforderungen, mit denen Bolivien konfrontiert ist, können nicht einfach auf eine Frage der [heutigen] imperialistischen ‹Einmischung› reduziert werden: Sie sind ein direktes Ergebnis von Jahrhunderten des Kolonialismus und der imperialistischen Unterdrückung, die Boliviens Rolle innerhalb der Weltwirtschaft als abhängiger Rohstoffexporteur gefestigt haben […]. Die wichtigste Art und Weise, wie wir den sozialen Bewegungen Boliviens helfen können, ist nach wie vor, die arbeitenden Menschen im Norden für eine Haltung der Solidarität gegenüber Bolivien zu gewinnen. Und das gelingt am besten, indem wir uns nicht einfach nur gegen ‹imperialistische Einmischungen› wenden, sondern indem wir eine internationale Bewegung gegen das imperialistische System aufbauen […] und erklären, warum der Prozess des Wandels in Bolivien zweifellos weiterhin auf enorme Hindernisse und Gefahren stossen wird, solange der Imperialismus existiert.» («Bad Left Government» versus «Good Left Social Movements»? in Latin America’s Radical Left, S. 120, 121)

Heute singt Fuentes das Hetland-Velasco-Lied und behauptet, Präsident Maduro und die Chavistas hätten die Wahlen gestohlen – womit er die gleiche Position vertritt wie die faschistische venezolanische Rechte, das US-Aussenministerium und die CIA.

Die Rolle der kompatiblen Linken bei den US-Wahlen

Wir beobachten, dass die kompatiblen Linken besonders aktiv sind, wenn es um die US-Präsidentschaftswahlen geht. Sie sagen uns, dass die Linke unbedingt für das Völkermordregime Biden-Harris stimmen muss, um die «Demokratie» vor dem «Faschisten» Trump zu retten. Möglicherweise werfen sie ein, dass die beiden Parteien von den US-Konzernen geführt werden und dass wir unsere eigene Partei brauchen. Aber sie sagen das nur, um zu betonen, dass diese Wahl anders ist: Sie ist die wichtigste unseres Lebens angesichts der drohenden faschistischen Gefahr.

Übersetzt heisst das: Kein Zeitpunkt ist ein guter Zeitpunkt für eine Arbeiterpartei. Jede Abstimmung ist der falsche Zeitpunkt. Wählt bei jeder Wahl die Demokraten. Versucht niemals, eine dritte Partei aufzubauen. In der Wahlsaison verwandelt sich ihre Rhetorik des «kleineren Übels» in eine Stimmabgabe für die Demokraten als etwas Positives. The Nation verurteilt Präsident Maduro und unterstützt Kamala, da sie «unserer Stimmen und unserer Unterstützung würdig» ist. Schlimmer noch, dieser Typus entschuldigt, ja vertuscht sogar den ständigen Rechtsruck der Demokraten, während er den Rechtsruck der Republikaner übertreibt, so wie der Hetland-Velasco-Fuentes-Typus den von den USA unterstützten Wahldiebstahl und Regimewechsel vertuscht, während er die Chavistas ohne jeden Beweis des Betrugs bezichtigt.

Diese Pseudolinke versichert den Demokraten, dass sie über ein Jahr lang Völkermord begehen können, dass sie die Menschheit auf einen Atomkrieg mit Russland zusteuern können, dass sie weiterhin die Bedürfnisse der Menschen zu Hause vernachlässigen können, und dass wir dennoch das linke Milieu auffordern werden, für sie zu stimmen. Das signalisiert den Demokraten, dass sie immer weiter nach rechts rücken können, dass sie unsere Proteste gegen ihre menschenverachtende Politik ignorieren und trotzdem auf unsere Stimmen zählen können. Die Funktion der kompatiblen Linken ist es, den Aufbau einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse zu sabotieren, so wie sie auch die antiimperialistische Solidaritätsbewegung sabotieren.

Die kompatible Linke greift nicht nur diejenigen an, welche die nationale Befreiung anderer Länder gegen das US-Imperium verteidigen, sondern auch unseren eigenen Kampf für nationale Befreiung gegen die herrschende Monopolklasse im eigenen Land.

Eine Hauptgegnerin, mit der wir beim Aufbau der antiimperialistischen Arbeiterbewegung konfrontiert sind, ist diese linksliberale Fünfte Kolonne, auch wenn das in Zeiten des relativen sozialen Friedens nicht so offensichtlich ist.

Sie ist das Förderband der imperialistischen Propaganda in die Arbeiterbewegung, da sie im linken Milieu eine gewisse «Glaubwürdigkeit» geniesst und Gehör findet (wie Democracy Now veranschaulicht) – anders als die traditionellen bürgerlichen Analysten und Wortführer.

Wenn sich der Klassenkampf bei uns zuspitzt, werden die Herrschenden diesen Typus als letzte Waffe gegen uns einsetzen, bevor sie tatsächlich zu einer genuin faschistischen Herrschaft greifen. Dasselbe geschah mit den Sozialdemokraten und den Menschewiki im Ersten Weltkrieg und in der Folgezeit. So hysterisch die kompatiblen Linken heute auch über den Kampf gegen den «Faschismus» schwadronieren, die Rolle, die sie damals spielten, war entscheidend für den Aufstieg des Faschismus in Italien und Deutschland. Wie die CIA erkannt hat, spielt die kompatible Linke eine entscheidende Rolle in der «Regimewechsel»-Propaganda und hilft, den Aufbau einer antiimperialistischen Bewegung der arbeitenden Bevölkerung in den USA zu behindern.
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1 Stansfield Smith ist ein antiimperialistischer Aktivist aus Chicago. Er war über ein Jahrzehnt lang im Chicago Committee to Free the Cuban 5 aktiv und veröffentlicht nun seine Arbeit auf Chicago ALBA Solidarity. Er hat für den Council on Hemispheric Affairs über Venezuela, Bolivien und Ecuador geschrieben und für Counterpunch und andere über Nordkorea.

Quelle: Orinoco Tribune. Übersetzt mit Hilfe von DeepL.

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