Jacques Baud zum Ukraine-Konflikt: «Diese Krise war von Anfang an irrational»
Der ehemalige Schweizer Nachrichten-Offizier und gefragte Strategie-Experte Jacques Baud sieht irrationales Handeln – anders als der Medien-Mainstream – nicht bei Putin, sondern bei der westlichen Politikerklasse. Sie verweigerte Russland das Gespräch, missachtete seine legitimen Interessen und liess es so mit Absicht zum Konflikt kommen. Man war sich sicher, Russland mit Waffen und wirtschaftlichen Sanktionen in die Enge treiben zu können. Man ignorierte die geostrategischen Kenntnisse der eigenen Spezialisten, die es besser wussten, und kam dadurch zu völlig verfehlten Lageeinschätzungen. Wir geben hier die detaillierten Ausführungen von Baud über die Anfänge des Krieges, in denen der weitere Kriegsverlauf bis zur sich nun deutlich abzeichnenden Niederlage des Westens bereits angelegt war, gekürzt wieder.
von JACQUES BAUD, 1. April 2022
Seit November 2021 haben die US-Amerikaner ständig eine russische Invasion in der Ukraine an die Wand gemalt. Die Ukrainer schienen dem jedoch nicht beizupflichten. Warum nicht?
Man muss bis zum 24. März 2021 zurückgehen. An diesem Tag erliess Wolodymyr Selenskyj ein Dekret zur Rückeroberung der Krim und begann mit der Verlegung seiner Streitkräfte in den Süden des Landes. Gleichzeitig fanden mehrere Nato-Übungen zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee statt, begleitet von einer deutlichen Zunahme der Aufklärungsflüge entlang der russischen Grenze. Russland führte daraufhin mehrere Übungen durch, um die Einsatzbereitschaft seiner Truppen zu testen und um klar zu machen, dass es die Entwicklung der Lage verfolgte.
Die Lage beruhigte sich erst im Oktober/November mit dem Ende der ZAPAD-21-Übungen, deren Truppenbewegungen als Verstärkung für eine Offensive gegen die Ukraine ausgelegt wurden. Doch selbst die ukrainischen Behörden wiesen den Gedanken an russische Kriegsvorbereitungen zurück, und Oleksij Reznikow, der ukrainische Verteidigungsminister, erklärte, dass es seit dem Frühjahr keine Veränderungen an der Grenze gegeben habe.
Unter Verstoss gegen die Minsker Vereinbarungen führte die Ukraine im Donbass Luftangriffe mit Drohnen durch, darunter mindestens einen Angriff auf ein Treibstoffdepot in Donezk im Oktober 2021. Die amerikanische Presse nahm dies zur Kenntnis, die Europäer jedoch nicht, und niemand verurteilte diese Verstösse gegen die Vereinbarungen.
Im Februar 2022 überstürzten sich die Ereignisse. Am 7. Februar bekräftigte Emmanuel Macron bei seinem Besuch in Moskau gegenüber Wladimir Putin sein Bekenntnis zu den Minsker Vereinbarungen, ein Bekenntnis, das er nach seinem Treffen mit Wolodymyr Selenskyj am nächsten Tag wiederholen sollte. Doch am 11. Februar endete das Treffen der politischen Berater der Staats- und Regierungschefs des «Normandie-Formats» (Frankreich, Deutschland, Ukraine und Russland) in Berlin nach neunstündiger Arbeit ohne konkrete Ergebnisse: Die Ukrainer weigerten sich nach wie vor, die Minsker Vereinbarungen anzuwenden, offenbar auf Druck der Vereinigten Staaten. Wladimir Putin stellte fest, dass Macron leere Versprechungen gemacht habe und dass der Westen nicht bereit sei, die Vereinbarungen durchzusetzen, wie schon seit acht Jahren.
Die ukrainischen Vorbereitungen in der Kontaktzone gingen weiter. Das russische Parlament wurde [durch einen Antrag der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation] alarmiert und forderte Wladimir Putin am 15. Februar auf, die Unabhängigkeit der Republiken anzuerkennen, was dieser ablehnte.
Am 11. Februar behauptete Präsident Joe Biden, dass Russland die Ukraine in den nächsten Tagen angreifen würde. Woher wusste er das? Das ist ein Rätsel. Aber seit dem 16. Februar hat der Artilleriebeschuss auf die Bevölkerung im Donbass dramatisch zugenommen, wie die täglichen Berichte der OSZE-Beobachter zeigen. Natürlich reagieren weder die Medien noch die Europäische Union noch die Nato noch irgendeine westliche Regierung darauf oder greifen ein. Es wird später gesagt werden, dass dies eine russische Desinformation ist. Es scheint in der Tat so zu sein, dass die Europäische Union und einige Länder absichtlich über das Massaker an der Bevölkerung im Donbass geschwiegen haben, weil sie wussten, dass dies eine russische Intervention provozieren würde [die dann in der westlichen Öffentlichkeit leicht als «unprovozierter Angriff» diffamiert werden kann].
Gleichzeitig gab es Berichte über Sabotageakte im Donbass. Am 18. Januar fingen Kämpfer aus dem Donbass Saboteure ab, die Polnisch sprachen, mit westlicher Ausrüstung ausgestattet waren und versuchten, in Gorliwka chemische Zwischenfälle zu verursachen. Es könnte sich um CIA-Söldner handeln, die von den Amerikanern angeleitet oder «beraten» wurden und sich aus ukrainischen oder europäischen Kämpfern zusammensetzten, um Sabotageaktionen in den Donbass-Republiken durchzuführen.

Die massive Zunahme des Beschusses der Bevölkerung im Donbass ab 16. Februar zeigte den Russen, dass eine Grossoffensive unmittelbar bevorstand. Dies veranlasste Putin, einem Duma-Vorstoss der KPRF nachzugeben, die Unabhängigkeit der Republiken anzuerkennen und eine Intervention gemäss Artikel 51 der UN-Charta in Betracht zu ziehen. (Datenquelle: OSCE SMM Daily Reports)

Bereits am 16. Februar wusste Joe Biden, dass die Ukrainer mit dem Beschuss der Zivilbevölkerung im Donbass begonnen hatten, was Wladimir Putin vor eine schwierige Wahl stellte: entweder dem Donbass militärisch zu helfen und ein internationales Problem zu schaffen oder tatenlos zuzusehen, wie die russischsprachige Bevölkerung des Donbass vernichtet wird.
Sollte er sich zu einer Intervention entschliessen, könnte sich Putin auf die internationale Verpflichtung der «Schutzverantwortung» (R2P) berufen. Er wusste jedoch, dass die Intervention unabhängig von ihrer Art und ihrem Umfang einen Sturm von Sanktionen auslösen würde. Unabhängig davon, ob sich die russische Intervention auf den Donbass beschränken oder darüber hinausgehen würde, um den Westen in Bezug auf den Status der Ukraine unter Druck zu setzen, wäre der zu zahlende Preis derselbe. Dies erklärte er in seiner Rede am 21. Februar.
An diesem Tag stimmte er dem Ersuchen der Duma zu und erkannte die Unabhängigkeit der beiden Donbass-Republiken an; gleichzeitig unterzeichnete er Freundschafts- und Beistandsverträge mit ihnen.
Der ukrainische Artilleriebeschuss auf die Bevölkerung des Donbass ging weiter, und am 23. Februar baten die beiden Republiken Russland um militärische Unterstützung. Am 24. Februar berief sich Wladimir Putin auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, der gegenseitige Militärhilfe im Rahmen eines Verteidigungsbündnisses vorsieht.
Um die russische Intervention in den Augen der Öffentlichkeit völlig illegal zu machen, haben wir bewusst verschwiegen, dass der Krieg eigentlich schon am 16. Februar begann. Die ukrainische Armee bereitete sich bereits 2021 auf einen Angriff gegen den Donbass vor, was einigen russischen und europäischen Geheimdiensten durchaus bekannt war. Juristen werden darüber urteilen.
In seiner Rede vom 24. Februar nannte Wladimir Putin die beiden Ziele seiner Operation: «Entmilitarisierung» und «Entnazifizierung» der Ukraine. Es geht also nicht darum, die Ukraine zu erobern, vermutlich nicht einmal darum, sie zu besetzen, und schon gar nicht darum, sie zu zerstören.
Von diesem Zeitpunkt an ist unser Einblick in den Verlauf der Operation begrenzt: Die Russen verfügen über eine ausgezeichnete Operationsgeheimhaltung (OPSEC); die Einzelheiten ihrer Planung sind nicht bekannt. Der Verlauf der Operation erlaubte es uns jedoch, relativ schnell zu verstehen, wie die strategischen Ziele auf die operative Ebene übertragen wurden.
Entmilitarisierung:- Zerstörung der ukrainischen Luftfahrt, der Luftabwehrsysteme und der Aufklärungsanlagen am Boden;
- Neutralisierung der Kommando- und Nachrichtendienststrukturen sowie der wichtigsten logistischen Routen in der Tiefe des Gebietes;
- Einkreisung des Grossteils der ukrainischen Armee, die im Südosten des Landes zusammengezogen ist.
Entnazifizierung:
Zerstörung oder Neutralisierung von Freiwilligenbataillonen, die in den Städten Odessa, Charkow und Mariupol sowie in verschiedenen Einrichtungen im Gebiet operieren.
Entmilitarisierung
Die russische Offensive wurde auf eine sehr «klassische» Weise durchgeführt. Sie begann mit der Zerstörung der Luftwaffe am Boden in den ersten Stunden. Dann wurde man Zeuge eines gleichzeitigen Vormarsches entlang mehrerer Achsen nach dem Prinzip des «fliessenden Wassers»: Vormarsch überall dort, wo der Widerstand schwach war, und Überlassung der (truppenmässig sehr anspruchsvollen) Städte für später. Im Norden wurde das Kraftwerk von Tschernobyl sofort besetzt, um Sabotageakte zu verhindern. Die Bilder von ukrainischen und russischen Soldaten, die das Kraftwerk gemeinsam bewachten, wurden natürlich nicht gezeigt.
Die Idee, dass Russland versucht, die Hauptstadt Kiew zu übernehmen, um Selenskyj zu beseitigen, kommt typischerweise aus dem Westen – das haben sie in Afghanistan, im Irak und in Libyen getan, und das wollten sie in Syrien mit Hilfe des Islamischen Staates tun. Aber Wladimir Putin hatte nie die Absicht, Selenskyj zu erschiessen oder zu stürzen. Stattdessen versucht Russland, ihn an der Macht zu halten und drängt ihn zu Verhandlungen, indem es Kiew umzingelt. Bislang hatte er sich geweigert, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen. Doch nun wollen die Russen die Neutralität der Ukraine erreichen.
Viele westliche Kommentatoren waren überrascht, dass die Russen weiterhin eine Verhandlungslösung anstrebten, während sie gleichzeitig militärische Operationen durchführten. Die Erklärung dafür liegt in der strategischen Ausrichtung Russlands seit der Sowjetzeit. Für den Westen beginnt der Krieg, wenn die Politik endet. Der russische Ansatz folgt jedoch einer Clausewitzschen Inspiration: Krieg ist die Kontinuität der Politik, und man kann fliessend von einem zum anderen übergehen, sogar während der Kämpfe. Dies ermöglicht es, Druck auf den Gegner auszuüben und ihn zu Verhandlungen zu bewegen.
In operativer Hinsicht war die russische Offensive beispielhaft: In sechs Tagen eroberten die Russen ein Gebiet, das so gross war wie das Vereinigte Königreich, und zwar mit einer Geschwindigkeit, welche jene der deutschen Wehrmacht im Jahr 1940 übertraf.
Der Grossteil der ukrainischen Armee war im Süden des Landes stationiert, um sich auf eine grössere Operation im Donbass vorzubereiten. Deshalb konnten die russischen Streitkräfte sie ab Anfang März im «Kessel» zwischen Slawjansk, Kramatorsk und Sewerodonezk einkesseln, mit einem Vorstoss von Osten über Charkow und einem weiteren von Süden von der Krim aus. Truppen aus den Republiken Donezk (DVR) und Lugansk (LPR) ergänzten die russischen Streitkräfte durch einen Vorstoss aus dem Osten.
In diesem Stadium ziehen die russischen Streitkräfte die Schlinge langsam zu, stehen aber nicht mehr unter Zeitdruck. Das Ziel der Entmilitarisierung ist so gut wie erreicht, und die verbleibenden ukrainischen Streitkräfte verfügen nicht mehr über eine operative und strategische Kommandostruktur.
Die «Verlangsamung» der russischen Operationen, die unsere «Experten» auf die schlechte Logistik zurückführen, ist nur die Folge davon, dass sie ihre Ziele erreicht haben. Russland scheint sich nicht auf eine Besetzung des gesamten ukrainischen Territoriums einlassen zu wollen. Vielmehr scheint Russland seinen Vormarsch auf die sprachliche Grenze des Landes einschränken zu wollen.
Unsere Medien berichten von wahllosen Bombardierungen der Zivilbevölkerung, vor allem in Charkow, und es werden in einer Endlosschleife Dantesche Bilder gesendet. Gonzalo Lira, ein Lateinamerikaner, der dort lebt, zeigt uns jedoch am 10. und 11. März eine ruhige Stadt. Es stimmt, dass es sich um eine grosse Stadt handelt und wir nicht alles sehen können, aber das scheint darauf hinzuweisen, dass wir uns nicht in dem totalen Krieg befinden, der uns ständig auf den Bildschirmen serviert wird.
Was die Donbass-Republiken angeht, so haben sie ihre eigenen Gebiete «befreit» und kämpfen in der Stadt Mariupol.
Entnazifizierung
In Städten wie Charkow, Mariupol und Odessa wird die Verteidigung von paramilitärischen Milizen übernommen. Diese wissen, dass das Ziel der «Entnazifizierung» in erster Linie auf sie ausgerichtet ist.
Für einen Angreifer in einem städtischen Gebiet sind die Zivilisten ein Problem. Deshalb versucht Russland, humanitäre Korridore zu schaffen, um die Städte von Zivilisten zu befreien und nur die Milizen zurückzulassen, damit sie leichter bekämpft werden können.
Umgekehrt versuchen die Milizen, Zivilisten in den Städten zu halten, um die russische Armee davon abzuhalten, dort anzugreifen. Deshalb sträuben sie sich gegen die Einrichtung dieser Korridore und tun alles, damit die russischen Bemühungen erfolglos bleiben – sie können die Zivilbevölkerung als «menschliche Schutzschilde» benutzen. Videos, die zeigen, wie Zivilisten versuchen, Mariupol zu verlassen und dabei von Kämpfern des Asow-Regiments verprügelt werden, werden hier natürlich sorgfältig zensiert.
Auf Facebook wurde die Asow-Gruppe früher in die gleiche Kategorie wie der Islamische Staat eingestuft und unterlag den «Richtlinien für gefährliche Personen und Organisationen» der Plattform. Es war daher verboten, sie zu verherrlichen, und «Beiträge», die sie positiv darstellten, wurden systematisch verboten. Am 24. Februar änderte Facebook jedoch seine Politik und erlaubte Beiträge, die die [nazistische] Miliz unterstützten. Im März erlaubte die Plattform in den Ländern des ehemaligen Warschauer Paktes Aufrufe zur Ermordung russischer Soldaten und Offiziere. So viel zu den Werten, die unsere Politiker inspirieren, wie wir sehen werden.
Unsere Medien propagieren ein romantisches Bild des Volkswiderstands. Dieses Bild hat die Europäische Union dazu veranlasst, die Verteilung von Waffen an die Zivilbevölkerung zu finanzieren. Dies ist ein krimineller Akt. In meiner Funktion als Leiter der Friedenssicherungsdoktrin bei der UNO habe ich mich mit der Frage des Schutzes der Zivilbevölkerung beschäftigt. Wir haben festgestellt, dass Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in ganz bestimmten Kontexten auftritt. Vor allem dann, wenn Waffen im Überfluss vorhanden sind und es keine Kommandostrukturen gibt.
Diese Kommandostrukturen sind das Wesen von Armeen: Ihre Aufgabe ist es, den Einsatz von Gewalt auf ein Ziel hin zu lenken. Indem die EU die Zivilisten willkürlich bewaffnet, wie es derzeit der Fall ist, macht sie sie zu Kombattanten und damit zu potenziellen Zielen. Ausserdem führt die Verteilung von Waffen ohne Kommando und ohne operative Ziele unweigerlich zu Abrechnungen, Banditentum und Aktionen, die eher tödlich als effektiv sind. Der Krieg wird zu einer Frage der Gefühle. Macht wird zu Gewalt. So geschah es vom 11. bis 13. August 2011 in Tawarga (Libyen), wo 30 000 Schwarzafrikaner mit (illegal) von Frankreich abgeworfenen Waffen massakriert wurden. Übrigens sieht das britische Royal Institute for Strategic Studies (RUSI) in diesen Waffenlieferungen keinen Mehrwert.
Wenn man Waffen an ein Land liefert, das sich im Krieg befindet, setzt man sich ausserdem der Gefahr aus, als Kriegspartei betrachtet zu werden. Die russischen Angriffe vom 13. März 2022 auf den Luftwaffenstützpunkt Mykolajew erfolgten nach russischen Warnungen, dass Waffenlieferungen als feindliche Ziele behandelt würden.
Die EU wiederholt die katastrophalen Erfahrungen des Dritten Reiches in den letzten Stunden der Schlacht um Berlin. Der Krieg muss dem Militär überlassen werden, und wenn eine Seite verloren hat, muss das zugegeben werden. Und wenn es Widerstand geben soll, dann muss er geführt und strukturiert werden. Aber man tut genau das Gegenteil – Zivilisten werden dazu gedrängt, in den Kampf zu ziehen, und gleichzeitig genehmigt Facebook Aufrufe zum Mord an russischen Soldaten und Offizieren. So viel zu den Werten des Westens.
Einige Geheimdienste sehen in dieser unverantwortlichen Entscheidung eine Möglichkeit, die ukrainische Bevölkerung als Kanonenfutter für den Kampf gegen Wladimir Putins Russland zu benutzen. Diese Art von mörderischer Entscheidung hätte man den Kollegen von Ursula von der Leyens Grossvater überlassen sollen. Es wäre besser gewesen, in Verhandlungen einzutreten und so Garantien für die Zivilbevölkerung zu erhalten, als Öl ins Feuer zu giessen. Es ist leicht, mit dem Blut anderer kämpferisch zu sein.
Das Entbindungskrankenhaus in Mariupol
Es ist wichtig, im Voraus zu verstehen, dass nicht die ukrainische Armee Mariupol verteidigt, sondern die Asow-Miliz, die aus ausländischen Söldnern besteht.
In ihrer Zusammenfassung der Situation vom 7. März 2022 erklärte die russische UN-Mission in New York: «Einwohner berichten, dass die ukrainischen Streitkräfte das Personal aus dem Geburtskrankenhaus Nr. 1 der Stadt Mariupol vertrieben und in der Klinik einen Schiessstand eingerichtet haben.»
Am 8. März veröffentlichte das unabhängige russische Medium Lenta.ru die Aussagen von Zivilisten aus Mariupol, die berichteten, dass das Entbindungskrankenhaus von der Miliz des Asow-Regiments übernommen wurde und diese die zivilen Bewohner vertrieben, indem sie sie mit ihren Waffen bedrohten. Sie bestätigten damit die Aussagen des russischen Botschafters einige Stunden zuvor.
Das Krankenhaus in Mariupol befindet sich in einer beherrschenden Stellung, die sich hervorragend für die Aufstellung von Panzerabwehrwaffen und zur Beobachtung eignet. Am 9. März griffen russische Streitkräfte das Gebäude an. CNN zufolge wurden 17 Menschen verletzt, aber die Bilder zeigen keine Verletzten in dem Gebäude, und es gibt keine Hinweise darauf, dass die genannten Opfer mit diesem Angriff in Verbindung stehen. Es ist von Kindern die Rede, aber in Wirklichkeit ist nichts zu sehen. Das kann stimmen, muss aber nicht stimmen. Das hindert die führenden Politiker der EU jedoch nicht daran, dies als Kriegsverbrechen zu betrachten. Und das erlaubt es Selenskyj, eine Flugverbotszone über der Ukraine zu fordern.
In Wirklichkeit wissen wir nicht genau, was passiert ist. Aber die Abfolge der Ereignisse deutet darauf hin, dass die russischen Streitkräfte eine Stellung des Asow-Regiments angegriffen haben, als sich in der Entbindungsstation keine Zivilisten befanden.
Das Problem ist, dass die paramilitärischen Milizen, die die Städte verteidigen, von der internationalen Gemeinschaft ermutigt werden, sich nicht an die Regeln des Krieges zu halten. Es scheint, als hätten die Ukrainer das Szenario des Entbindungsheims in Kuwait City im Jahr 1990 nachgespielt, das von der Firma Hill & Knowlton für 10,7 Millionen Dollar vollständig inszeniert wurde, um den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen davon zu überzeugen, im Rahmen der Operation Wüstenschild/Sturm im Irak zu intervenieren.
Westliche Politiker haben acht Jahre lang zivile Angriffe im Donbass hingenommen, ohne irgendwelche Sanktionen gegen die ukrainische Regierung zu beschliessen. Wir sind längst in eine Dynamik eingetreten, in der westliche Politiker bereit sind, das Völkerrecht für ihr Ziel der Schwächung Russlands zu opfern.
Schlussfolgerungen
Als ehemaliger Geheimdienstler fällt mir als Erstes die völlige Abwesenheit der westlichen Geheimdienste bei der Darstellung der Situation im letzten Jahr auf. In der Schweiz wurden die Dienste dafür kritisiert, dass sie kein korrektes Bild der Lage vermittelt haben. In der Tat scheint es, dass in der gesamten westlichen Welt die Nachrichtendienste von den Politikern vereinnahmt worden sind. Das Problem ist, dass es die Politiker sind, die entscheiden – der beste Nachrichtendienst der Welt ist nutzlos, wenn der Entscheidungsträger nicht zuhört. Genau das ist in dieser Krise geschehen.
Während also einige Nachrichtendienste ein sehr genaues und rationales Bild der Situation hatten, hatten andere eindeutig das Bild, wie es von den Mainstream-Medien propagiert wurde. In dieser Krise haben die Dienste der Länder des «neuen Europa» eine wichtige Rolle gespielt. Das Problem ist, dass sie meiner Erfahrung nach auf der analytischen Ebene extrem schlecht sind – sie sind doktrinär, ihnen fehlt die intellektuelle und politische Unabhängigkeit, die notwendig ist, um eine Situation mit militärischer «Qualität» zu bewerten. Es ist besser, sie als Feinde denn als Freunde zu haben.
Zweitens hat es den Anschein, dass die Politiker in einigen europäischen Ländern ihre Dienste absichtlich ignoriert haben, um ideologisch auf die Situation zu reagieren. Aus diesem Grund war diese Krise von Anfang an irrational. Es sei darauf hingewiesen, dass alle Dokumente, die der Öffentlichkeit während dieser Krise vorgelegt wurden, von Politikern auf der Grundlage kommerzieller Quellen präsentiert wurden.
Einige westliche Politiker wollten offensichtlich, dass es zu einem Konflikt kommt. In den Vereinigten Staaten waren die Angriffsszenarien, die Anthony Blinken dem Sicherheitsrat präsentierte, nur das Produkt der Phantasie eines für ihn arbeitenden Tiger-Teams – er tat genau das, was Donald Rumsfeld 2002 getan hatte, der damit die CIA und andere Geheimdienste «umgangen» hatte, die viel weniger energisch über irakische Chemiewaffen gesprochen hatten.
Die dramatischen Entwicklungen, die wir heute erleben, haben Ursachen, deren man sich bewusst war, die man aber nicht sehen wollte:
- auf strategischer Ebene die Erweiterung der Nato (die wir hier nicht behandelt haben);
- auf politischer Ebene die Weigerung des Westens, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen;
- und auf operativer Ebene die kontinuierlichen und wiederholten Angriffe auf die Zivilbevölkerung des Donbass in den letzten Jahren und die dramatische Zunahme Ende Februar 2022.
Mit anderen Worten: Natürlich kann die russische Intervention bedauert und verurteilt werden. Aber die Vereinigten Staaten und die Europäische Union haben die Bedingungen für den Ausbruch eines Konflikts geschaffen. Es wird Mitgefühl für das ukrainische Volk und die zwei Millionen Flüchtlinge gezeigt. Das ist gut so. Hätten wir aber auch nur ein Minimum an Mitgefühl für die gleiche Anzahl von Flüchtlingen aus dem Donbass gehabt, die von ihrer eigenen Regierung massakriert wurden und acht Jahre lang in Russland Zuflucht gesucht haben, dann wäre das alles wahrscheinlich nicht passiert. … Mehr als 80 Prozent der Opfer im Donbass sind auf den Beschuss durch die ukrainische Armee zurückzuführen. Jahrelang hat der Westen zu den Massakern der Regierung in Kiew an russischsprachigen Ukrainern geschwiegen, ohne jemals zu versuchen, Druck auf Kiew auszuüben. Es ist dieses Schweigen, das die russische Seite letzten Endes zum Handeln zwang.
Die Europäische Union war nicht in der Lage [oder nicht gewillt?], die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu fördern – im Gegenteil, sie hat nicht reagiert, als die Ukraine ihre eigene Bevölkerung im Donbass bombardierte. Hätte sie dies getan, hätte Wladimir Putin nicht zu reagieren brauchen. In Abwesenheit der diplomatischen Phase zeichnete sich die EU dadurch aus, dass sie den Konflikt anheizte. Am 27. Februar erklärte sich die ukrainische Regierung bereit, in Verhandlungen mit Russland einzutreten. Doch nur wenige Stunden später beschloss die Europäische Union ein Budget von 450 Millionen Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine und goss damit Öl ins Feuer. Von da an waren die Ukrainer der Meinung, dass sie keine Einigung zu erzielen brauchten. Der Widerstand der Asow-Miliz in Mariupol führte sogar zu einer Aufstockung der Waffenlieferungen um 500 Millionen Euro.
In der Ukraine wurden mit dem Segen der westlichen Länder diejenigen ausgeschaltet, die für eine Verhandlung eintraten. So wurde Denis Kirejew, einer der ukrainischen Verhandlungsführer, am 5. März vom ukrainischen Geheimdienst (SBU) ermordet, weil er Russland zu wohlgesonnen war und als Verräter galt. Das gleiche Schicksal ereilte Dmitri Demjanenko, den ehemaligen stellvertretenden Leiter der SBU-Hauptdirektion für Kiew und die Region, der am 10. März ermordet wurde, weil er einem Abkommen mit Russland zu positiv gegenüberstand – er wurde von der Mirotvorets-Miliz («Friedensstifter»!) erschossen. Diese Miliz steht in Verbindung mit der Mirotvorets-Website, auf der die «Feinde der Ukraine» mit ihren persönlichen Daten, Adressen und Telefonnummern aufgelistet sind, um sie zu verfolgen oder sogar zu beseitigen; eine Praxis, die in vielen Ländern strafbar ist, nicht aber in der Ukraine. Die UNO und einige europäische Länder haben die Schliessung dieser Website gefordert, was von der Rada abgelehnt wurde.
Am Ende wird der Preis hoch sein, aber Wladimir Putin wird wahrscheinlich die Ziele erreichen, die er sich selbst gesetzt hat. Seine Beziehungen zu Peking haben sich gefestigt. China entwickelt sich zu einem Vermittler in dem Konflikt, während sich die Schweiz in die Liste der Feinde Russlands einreiht. Die Amerikaner müssen Venezuela und den Iran um Öl bitten, um aus der energiepolitischen Sackgasse herauszukommen, in die sie sich selbst manövriert haben – Guaidó verlässt die Szene für immer, und die Vereinigten Staaten müssen die verhängten Sanktionen kläglich zurücknehmen.
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Quelle: The Postil Magazine. Übersetzt mit Hilfe von Deepl.com (kostenlose Version).
Das sind die weiteren Beiträge unserer Spezialausgabe zum Ukrainekonflikt:
- Die USA bereiten sich darauf vor, Russland mit Gas zu unterwerfen. GLEN FORD in einer Reprise von 2014 über den Maidan-Putsch als Strategie für einen langwierigen Angriff der USA auf Russlands Energiehandel.
- Bei der Krise in der Ukraine geht es nicht um die Ukraine, sondern um Deutschland. MIKE WHITNEY in einer Reprise von 2022 über die Ukraine als Washingtons «Waffe der Wahl», um Nord Stream zu torpedieren und so einen Keil zwischen Deutschland und Russland zu treiben.
- Die Sektoren MIC, OGAM und FIRE erobern die Nato. MICHAEL HUDSON in einer Reprise von 2022 über die drei Oligarchien, welche die US-Aussenpolitik kontrollieren.