Demonstranten skandieren Slogans gegen den IWF und tragen Plakate während einer Demonstration in Nakuru Central Business. Bild: James Wakibia | AP
IWF-gesteuerte Politik löst in Kenia tödliche Proteste aus
Mindestens 23 kenianische Demonstranten wurden am Dienstag getötet, nachdem Hunderte das Parlament des Landes gestürmt hatten, um gegen ein geplantes Steuererhöhungsgesetz zu protestieren, das die Lebenshaltungskostenkrise des Landes zu verschärfen droht. Der Druck des IWF auf Nairobi, seinen Haushalt auszugleichen, ist ein zentrales Thema.
von ROBERT INKALESH1, 27. Juni 2024
Videos von auf dem Beton verstreuten Leichen und von Demonstranten, die das Parlament stürmten, gingen in den sozialen Medien viral. Dies folgt auf Proteste in der vergangenen Woche, die das Land zum Stillstand brachten. Präsident William Ruto, der gewählt wurde, um die Krise der Lebenshaltungskosten anzugehen, versucht nun, den Dissens mit Gewalt zu bekämpfen, nachdem es ihm nicht gelungen ist, die Bedingungen zu verbessern.
Die kenianische Menschenrechtskommission berichtete, dass die Arbeitsgruppe für Polizeireformen (PRWG) 23 Todesfälle durch Polizeischüsse sowie mindestens 50 Verhaftungen, 22 Entführungen und über 300 Verletzte unter den Demonstranten verzeichnet hat.
Der umstrittene Gesetzentwurf in Kenia sieht neue Abgaben auf die Erstellung von digitalen Inhalten mit Geldwert, eine Steuererhöhung von 5 Prozent auf digitale Zahlungen, eine Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf Brot und eine Verbrauchssteuer von 25 Prozent auf im Inland hergestelltes pflanzliches Speiseöl vor. Obwohl Präsident Ruto öffentlich von der Unterzeichnung des Gesetzes zurücktrat, bleiben die Spannungen hoch.
Die westlichen Medien konzentrieren sich auf die Proteste und die Reaktion der Polizei. Der ursächlichen Rolle des IWF, der Präsident Ruto unter Druck gesetzt hat, diese Steuerpolitik umzusetzen, damit Kenia seine Kreditschulden zurückzahlen kann, wird hingegen kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Seit seiner Wahl im Jahr 2022 hat Ruto zahlreiche Steuererhöhungsgesetze durchgesetzt und damit den IWF und internationale Investoren erfreut, aber sein Volk verärgert.
Demonstranten haben mit Schildern gegen den IWF protestiert und die Regierung aufgefordert, das Land nicht zu einer «Laborratte» werden zu lassen. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, zusätzliche 2,3 Milliarden Dollar an Steuern einzunehmen, um die Staatsverschuldung zu verringern, die mit 68 Prozent des BIP weit über den von der Weltbank und dem IWF empfohlenen 55 Prozent liegt. Etwa 37 Prozent der jährlichen Zahlungen Kenias entfallen auf Zinskredite, die kaum zurückbezahlt werden können.
Bereits im Jahr 2021 hatten die Kenianer protestiert und den IWF aufgefordert, ein dreijähriges Finanzierungspaket im Wert von 2,34 Milliarden Dollar zu stornieren, da Bedenken wegen der Misswirtschaft der Behörden vorhanden waren. Die Kredite sollten Kenia bei der Bewältigung der COVID-19-Krise helfen und die Anfälligkeit für Schulden verringern. Das Land ist jedoch weiter in eine unerträgliche Lebenshaltungskostenkrise abgerutscht.
Während das US-Aussenministerium die Gewalt gegen Demonstranten öffentlich verurteilt, hat es in den letzten Jahren zunehmend gemeinsame Sache mit der kenianischen Regierung gemacht. Einen Tag vor den Schüssen auf die Demonstranten gab die US-Regierung ein «Memorandum über die Ernennung Kenias zu einem wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten» heraus. Dieser Schritt zielt darauf ab, Kenia in den Einflussbereich der USA zu ziehen, um der wachsenden Präsenz Chinas und Russlands in Afrika durch Waffengeschäfte, Auslandshilfe und Kredite entgegenzuwirken. → «Laufbursche der Nato»
Kenia leitet jetzt sogar eine von den USA unterstützte multinationale Polizeimission in Haiti, die auf Ersuchen der haitianischen Regierung «lokale Banden» bekämpfen soll. Einige dieser «Banden» haben jedoch lokale Unterstützung für die Aufrechterhaltung der Ordnung, was dazu führt, dass die Mission als ausländische Einmischung angesehen wird und möglicherweise weitere Gewalt auslöst. → Carte Blanche für die Schwarzmasken
Die wirtschaftlichen Probleme Kenias gehen auf die Bretton-Woods-Konferenz von 1944 zurück, die zur Gründung von Institutionen wie der Weltbank und dem IWF führte. In den 1980er Jahren begannen die afrikanischen Staaten, bei diesen Institutionen Kredite zu beantragen, die oft nicht zurückgezahlt werden konnten. Dadurch waren viele Länder, darunter auch Kenia, der Gnade des IWF ausgeliefert, der damit seine politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ziele durchsetzen konnte.
Der Weltfinanzgipfel 2023 setzt diesen Trend fort und zielt darauf ab, Afrika und dem globalen Süden neue wirtschaftliche Realitäten aufzuzwingen.
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1 Robert Inlakesh ist ein politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer mit Sitz in London, Grossbritannien. Er hat aus den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt und moderiert die Sendung «Palestine Files». Er ist der Regisseur von ‹Steal of the Century› über Trumps Palästina-Israel-Katastrophenpolitik. Folgen Sie ihm auf Twitter @falasteen47
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