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Die Klimastreiks vor einem Scheideweg

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Massimiliano Ay

von Massimiliano Ay, politischer Sekretär der Kommunistischen Partei

In der aktuellen Klimadebatte ergreifen auch die beiden Zeitungen der italienischen Schweiz, «Corriere del Ticino» und «La Regione», Partei. Die erste Zeitung, die sich an einer liberal-konservativen redaktionelle Llnie orientiert, tendiert dazu, der Kritik an Klimastreiks Raum zu geben, während die andere deren Vorhaben lobt und eine für die europäische und “liberale” Linke typische Linie vertritt.

Als Marxist fühle ich mich von beiden Ansätzen weit entfernt: wenn der erste die Beschränktheit der wachstumsfeindlichen “Degrowth” -Ideologie richtig sieht, so gelten seine Sorgen eigentlich nur der Tatsache, dass die Dogmen des kapitalistischen Produktionsmodells von den neuen Generationen in Frage gestellt werden; der zweite, der zu Recht die sparsame Nutzung der natürlichen Ressourcen als wichtig markiert, betont nachdrücklich die “ethisch-individualistischen” Tendenzen derjenigen, die – mit politischer Intelligenz, muss man sagen – die Vermarktung von “Fridays for future” verwalten.

In der online-Ausgabe von «La Regione» vom 18. Januar 2020 lese ich einen Kommentar des Journalisten Lorenzo Erroi, der – in einer Polemik mit den Kollegen des «Corriere del Ticino» – zugibt: “Es ist wahr, dass ein Teil der Bewegung sich mit dem radikalsten Flügel der Linken und dessen Utopien und antikapitalistischen Impulsen überlappt. Und es ist ebenso wahr, dass manchmal auf der Strasse eine Logik des „Wir gegen sie“ herrscht, welche Regierungen und Unternehmen insgesamt dämonisiert. Die grundlegende Rolle der Mobilisierung bleibt in der Abrechnung mit individuellen Lastern und Konsumverhalten“.

Indem Erroi die Klimastreiks verteidigt, schwächt er sie in Wirklichkeit und hilft, sie unschädlich zu machen. Die Behauptung, dass dieselben der Selbstkritik betreffend des individuellen Konsum dienen sollen, ist gerade der beste Weg zur Propaganda jener Vision, die ich oben als “ethisch-individualistisch” definiert habe: einer Vision, die dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem völlig immanent ist, das sich gewiss ein “grünes” Make-up für seine Selbstreproduktion verpassen wird: die multinationalen Konzerne, die Armeen, die Banken usw. werden diese Wiedergeburt der ökologischen Sensibilität fördern, um einen neuen Schub der Ausbeutung von Arbeitnehmern und zum Ausbau des Kriegsapparats zu rechtfertigen, wobei jedoch die Aufmerksamkeit der jungen Menschen von wirklich einschneidenden sozialen Reformen (auch für die Umwelt) auf vornehmlich auf die Fassade gerichtete grüne Reformen gelenkt wird, wie die unsoziale CO2-Steuer, welche die Arbeitenden bezahlen werden!

Und während eine gewisse radikal-chique Linke die “Laster” der breiten Volksschichten kritisiert (die, auf den Punkt gebracht, mit dem Billigflugzeug reisen und Fleisch essen!), können Arbeitgeber und Bourgeoisie ruhig schlafen: denn das konfliktorientierte Anliegen, das in den Klimastreiks hervortritt und seinem Klassengehalt nach nicht mit dem Absingen abstrakter Parolen begnügt, sondern richtigerweise konkret diejenigen identifiziert, die für die Verschlechterung der Natur verantwortlich sind, das wird auch seitens der “befreundeten” Presse verurteilt, welche die Jungen einlädt, … Banken nicht zu “dämonisieren”.

Wenn die Klimabewegung eine solche Wendung nimmt, indem sie zur Kritik am individuellen Konsum, zur veganen Propaganda oder zum Kult des modischen Neo-Pauperismus abdriftet, dann wird sie in einer Seifenblase enden. Wenn es andererseits gelingen wird, wie es heute in einigen Kantonen der Schweiz der Fall ist, eine Klassenlinie aufrechtzuerhalten, mit den Arbeiter- und Studentengewerkschaften zusammenzuarbeiten und nicht bloss soziale Rechte einzufordern (z. B. öffentliche Verkehrsmittel, die in Richtung Nulltarif gehen), sondern auch eine einschneidende Planung der produktiven Entwicklung unter Vorrang der Kollektivs vor den Profiten (z. B. mit gesetzgeberischen und steuerlichen Massnahmen gegen multinationale Unternehmen, die arme Länder verwüsten und in schmutzige Energie investieren), dann – und nur dann – können wir sagen, dass die Klimastreiks es geschafft haben, das Land vorwärts zu bringen.


Original (ital.): Gli scioperi del clima di fronte a un bivio? (tio.ch 14.02.2020) | Übersetzung: kommunisten.ch (12.02.2020)


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