kommunisten.ch

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In einer Stellungnahme zum Dokument der PdA-Parteileitung vom September 2009 («Geben wir der PdA wieder eine Rolle in der Schweizer Gesellschaft») fordern Cecilia Toledo und Esteban Munoz (beide PdA Genf) eine schonungslose Analyse der Schwachstellen der Partei der Arbeit. Den Autoren geht es besonders um jene Schwachstellen, die als Hindernisse auf dem Weg zur Definition, Annahme und Anwendung einer einheitlichen politischen Linie der Partei stehen. Sie stellen fest, dass sich der liquidatorische, opportunistische Rechtsflügel einer offen und sachlich geführten Diskussion verweigert und stattdessen zu Intrigen gegen Kommunisten innerhalb der Partei greift, und Verleumdungen aus der Schule Trotzkis verbreitet. Die Genfer Genossen fordern im Zusammenhang die Partei auch dazu auf, ihre Presseorgane zu leiten. Zum Beispiel wird die Genfer Sektion dort als sektiererisch behandelt, und kann ihre Meinung in den Spalten der Gauchebdo nicht frei äussern. Es folgt der Wortlaut des Dokuments:


Nationale Konferenz der PdA vom 28. November 2009
(Bemerkungen zum Dokument der Parteileitung1)


Die Erneuerung der PdA führt über den Aufbau einer kommunistischen Partei

1. Einleitung

Die organisatorische und politische Niedergang der Partei der Arbeit der Schweiz ist bis zum Punkt gelangt, an dem die parteiinterne Diskussion sich hauptsächlich den Basiskonzepten zuwendet, ohne welche unsere Existenz und politische Aktion sinnlos wäre. Bevor wir uns über unsere Ideologie, über unser Programm und über die politische Linie einigen, müssen wir wissen, was wir unter diesen Begriffen verstehen. Es ist festzustellen, dass diese Begriffe von der militanten Basis bis zur nationalen Direktion keine genügende Bestimmung erhalten, um eine so konstruktive und partizipative Debatte auszulösen, wie sie im Dokument der Parteileitung (PL) gefordert wird. Die nachfolgenden Kommentare suchen selbstverständlich keine Vollständigkeit und massen sich nicht den Stellenwert einer umfassenden Analyse an.
Die PL hat eine anerkennenswerte Anstrengung unternommen, um eine kritische Analyse vorzulegen und einige Vorschläge aufzuführen. Das Dokument der PL verdient folglich freimütige und rational begründete Antworten. Daher zielen die folgenden Bemerkungen darauf ab, die wichtigsten Schwierigkeiten und Hürden zu identifizieren, welche die PdA daran hindern, eine kommunistische politische Linie zu definieren, anzunehmen und anzuwenden. Ziel ist es, Analyse und Reflexion in einem konstruktiven Rahmen zu fördern.

2. Hat die PdA eine politische Linie?

Die Gesellschaft verändert sich unabhängig von unserer Aktivität oder unserer Bewegungslosigkeit als Partei. Der Klassenkampf ist der Faktor der Önderung in menschlichen Gesellschaften. Der Übergang zum Sozialismus ist keine politische Linie, sondern eine Notwendigkeit, welche die Kommunisten dank des Studiums der historischen Materialismus (der marxistischen Analyse der Geschichte) begreifen, und er ist ein Ziel, das sich mit der Anwendung von (revolutionären) politischen Linien zur Entwicklung des Klassenkampfs verwirklicht.
Der Verweis auf die Statuten ist zur Definition der politischen Linie nötig, aber nicht genügend. Eine existierende politische Linie ist eine solche, die Tag für Tag angewendet wird und die sich gemäss der Praxis und der wirtschaftlichen und sozialen Lage modifiziert. Eine geschwächte politische Linie wäre ein Linie, welche die Parteileitung und die Aktivisten (innerhalb der Partei) anzuwenden versuchen, aber die – zum Beispiel – die Massen (ausserhalb der Partei) nicht mobilisieren kann. Die PL sagt dazu mit Recht:

«Die auf dem kantonalen Niveau belassene Autonomie hat innerhalb der Partei die Entwicklung von höchst uneinheitlichen politischen Linien gestattet. Wir haben die Fähigkeit verloren, die unterschiedlichen Erfahrungen in eine Synthese zu vereinigen, um eine gemeinsame Linie zu entwickeln, und in einer konstruktiven Weise miteinander zu verkehren.» (Seite 3)

Danach kann man nicht behaupten, dass derzeit eine politische Linie existiere. Man muss die Realitäten in der Partei gründlich zugeben, sonst kommen wir nicht weiter. In der Tat:

«Im allgemeinen gibt es seit einigen Jahren eine Sehschwäche für das, was die Partei sein will, was ihre Ziele und folglich der Sinn ihres Kampfes sind.» (Seite 1)

3. Einige Widersprüche in der kritischen Analyse

Zum guten Teil sind die im Dokument der PL vorgebrachten Kritiken zutreffend; aber einige Widersprüche bleiben, vermutlich um die bitteren Tatsachen zu versüssen. Vorab:

«So gab es … eine Abweichung in den Parlamentarismus … fast ausschliesslich dem Kampf zur Eroberung von Sitzen in bürgerlichen Institutionen zugewendet, ohne diesen Kampf mit einem Diskurs und vor allem mit einer Praxis zur sozialistischen Transformation der Gesellschaft zu begleiten.» (Seite 3)

Diese Lage ist noch immer die Realität. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: die Parteileitung hat diese Abweichung ohne Willen zur Transformation mitgemacht; die Aktivisten, mangels einer anderen Praxis, haben das Ganze ohne grosse Überzeugung gutgeheissen. Dennoch erklärt das Dokument der PL dazu:

«Die Haltung unserer Partei war immer, die Errichtung eines sozialistischen Systems anzustreben, das auf komplett neuen Grundlagen und Fortschritten im Vergleich zu den kapitalistischen Regeln beruht.» (Seite 5)

Wenn die PdA in diese letzten Jahren eine Linie hatte, dann war diese ganz einfach reformistisch. Sie war für eine sozialistische Transformation in Worten und für eine simple Verbesserung des Kapitalismus in den Taten. Es ist übrigens bedauerlich, dass die Statuten die Überwindung des Kapitalismus und die Entwicklung des Sozialismus in der schweizerischen Gesellschaft in den dritten Rang hinter die Geschlechtergleichheit und die Verteidigung der demokratischen Rechte versetzt haben.

4. Woher die ganze Verwirrung in der PdA?

Die PL will zwischen zwei politischen Richtungen vermitteln, die sich innerhalb der PdA ausdrücken. Das PL-Dokument schiebt auf subtile Weise die Verantwortung für die ideologische Desorientierung sowohl auf das Konto der marxistischen Strömung, wie auch auf das Konto der liquidatorischen Strömung:

«Der Antrag zur Umbenennung in «Kommunistische Partei der Schweiz» und die Anträge zur Auflösung der Partei, um eine ‘echte’ Linkspartei zu gründen, nährten die Verwirrung über die Rolle, welche die Partei in der schweizerischen Gesellschaft spielen soll.» (Seite 1)

Ganz im Gegenteil, diese beiden unterschiedlichen Anträge geben den Aktivisten eine klare Wahl zwischen einer kommunistischen Partei oder einer Linkspartei. Die Dynamik seit 1991 hat bei jeder Gelegenheit den klaren Willen zum Ausdruck gebracht, sich alldessen zu entledigen, was an revolutionärem Inhalt in der PdA vertreten ist. Der Prozess, der von der Bildung einer Linksallianz, über Zwischenstationen wie –Gauche en mouvement– oder –A Gauche Toute– zur Schaffung einer Linkspartei führt, hat den Aktivisten und der Parteileitung erlaubt, –Liquidationsversuche– festzustellen.
Denjenigen, welche die dubiosen Bündnisse abgelehnt oder Kritiken dagegen vorgebracht haben, ist es nicht gelungen, diese auf nationaler Ebene mit einem revolutionären Gegenprojekt zu bekämpfen. Hingegen kommt den Anträgen auf Önderung des Namens in KPS und gegen den EU-Beitritt das Verdienst zu, dass sie in der Diskussion über die politische Linie von Gewicht sind, und dass ihnen eine Glaubwürdigkeit als wohl definierte Projekte mit klaren Fronten zukommt. Es ist nicht das gewohnte “weder ja noch nein”, “ja aber” oder das zuletzt zur Verblüffung der Aktivisten gehörte “nein aber”!

«So ist es, wie wir schon gesagt haben, aus Sicht der Parteileitung zur Stärkung der Partei notwendig, wieder eine Partei zu werden, die nach den Grundsätzen einer kommunistischen Partei funktioniert.» (Seite 4)

Die PL schliesst sich der Strömung an, welche die kommunistischen Prinzipien der Gründung der PdA wiederaufnehmen will, wie diejenigen, welche eine Önderung des Parteinamens von PdA zu KPS befürworten. Das heisst, dass die PL paraxoderweise, laut ihrer eigenen These, zur Desorientierung der PdA beiträgt!
Was die Verwirrung hervorruft, ist vielmehr der Umstand, dass gewisse Anträge betreffend Bündnisse (abgesehen von Anträgen auf Fusion oder Schaffung einer neuen Partei) einerseits, und anderseits die Haltung der Befürworter einer Namensänderung in KPS nicht nach denselben Kriterien beurteilt werden können. Die einen betreffen Strategie und Taktik, die anderen aber Ideologie und Organisation der PdA. Wenn ein Genosse den kommunistischen Anträgen zustimmt, heisst das noch lange nicht, dass er jedes Bündnis mit sozialdemokratischen oder linksradikalen Kräften zurückweisen würde. Deshalb muss das kommunistische Projekt mehr Klarheit gewinnen und eine allgemeinere, über die Namensänderung hinaus gehende Haltung werden.

5. Das interne Klima und die Unfähigkeit zur Debatte in den Instanzen

«Die Schwäche der politischen Linie ist heute ein schweres Problem, das eine Unfähigkeit zur Vertiefung von Debatten über politische Grundsatzfragen, aber auch über manches sehr konkrete Thema verursacht.» (Seite 1)

Diese Feststellung trägt zur Verwirrung bei, indem die Ursachen und Folgen nicht richtig identifiziert werden. Vorab ist es eine Unfähigkeit oder Weigerung zur Vertiefung der Debatte, welche die Entwicklung der PdA mit einer Ideologie, einem Programm und einer Linie verhindert.
Die interne Debatte ist so gut wie nicht vorhanden, weil nicht alle Führungskräfte und Aktivisten zum Dialog bereit sind. Trotz der verschiedenen Adjektive, die da und dorthin geschleudert werden, nehmen die Kommunisten ihre Haltungen ein und beschreiben diese in Resolutionen und Artikeln, die allen Aktivisten der PdA zugänglich sind. Aber jene, welche sich als Neuerer ausgeben, greifen nur zu Boykott und Beleidigung, die in Ablenkungsmassnahmen eingewickelt werden. Man praktiziert eine doppelte Zugehörigkeit, man weigert sich, an den Instanzen der PdA teilzunehmen, man hindert die Kommunisten daran, sich in der Parteipresse zu äussern, man erhebt Vorwürfe wegen Sektierertums, Dogmatismus oder Perversion, und dies ohne weitere Argumentation, beladen mit den Vorurteilen eines anderen Alters und eines anderen Lagers.
Indem sie die Kommunisten des ‘Stalinismus’ und Autoritarismus bezichtigt, versucht die sozialdemokratische und liquidatorische Strömung, sich der Aufmerksamkeit der Aktivisten und der Werktätigen zu bemächtigen. Die Liquidatoren möchten ihre Ideen als neuartig, modern und innovativ darstellen, was ein Vorwand ist, um die marxistischen und leninistischen Grundsätze zu verleugnen. Das Übel verschlimmert sich noch, wenn sie dieselben Thesen wie die Faschisten und die antikommunistische Reaktion verbreiten, indem sie Kommunismus = Nazismus gleichsetzen. Zu diesem Zweck inspiriert sich die liquidatorische Strömung oft der theoretischen Schriften der trotzkistischen Bewegung, die sehr zahlreich sind und von den US-amerikanischen Geheimdiensten verbreitet werden konnten, um die sozialistischen Staaten und die Arbeiterbewegung zu schwächen. Das heisst, die liquidatorische, sozialdemokratische Strömung opportunistisch ist, und dass sie die Thesen verschiedener Strömungen, bis hin zu denen von Marx, veruntreut und umbiegt, um sie nach den eigenen Interessen zu deuten.
Es handelt sich nicht einfach um eine Gewissenslast, es handelt sich um die Unfähigkeit, die kommunistische Bewegung des vergangenen Jahrhunderts zu analysieren. Im allgemeinen verstehen die Mitglieder die Tragweite der sozialen Errungenschaften nicht, die dank dem sozialistischen Block und den revolutionären Bewegungen erzielt wurden. Die Mitglieder der PdA verstehen auch nicht die unterschiedlichen Etappen des Niedergangs der UdSSR, die zu ihrem Fall und zur Wiederaufrichtung des Kapitalismus geführt haben. Wenn es dazu genügte, dass ein politisches und ökonomisches System repressiv ist und unschuldige Opfer provoziert, dann müsste der Kapitalismus schon längst tot und begraben sein. Die Realität ist komplizierter; alle sozialistischen Erfahrungen in den Müll zu werfen, würde uns daran hindern, die PdA zu erneuern.
Auf Seiten der Kommunisten ist keine Melancholie vorhanden, aber der Wille zu verstehen, warum das erste sozialistische Abenteuer gescheitert ist, und wieder eine kommunistische, internationalistische Identität zu entwickeln. Es genügt nicht zu erklären, dass wir uns “am Ausgang aus der Krise” der Partei befinden, um endlich zu verstehen, wer wir sind, und was wir wollen. Alles zu seiner Zeit. Bringen wir die Etappen nicht durcheinander.
Bevor noch der Sozialismus in der UdSSR angewendet wurde, standen sich Revolutionäre und Reformisten in den Debatten der Arbeiterbewegung schon gegenüber. Sogar vor Stalin gab es die Auseinandersetzungen zwischen Marxisten und Anarchisten, zwischen Bolschewiki und Menschewiki, die in Einzelheiten mit den heute geführten Debatten ähnlich sind.
Öbrigens vergisst der Text der PL zu präzisieren, dass die Grundsätze des Marxismus-Leninismus pausenlos angegriffen und in Frage gestellt werden, und zwar von einer Kategorie von Aktivisten, deren Option hinsichtlich der Zukunft der PdA sehr unsicher ist. Dennoch, einige von ihnen fühlen sich als Kommunisten, ohne genau angeben zu können, was eine zeitgemässe kommunistische Partei ausmachen soll. Der gemeinsame Punkt, welcher diese Genossen verbindet, ist ihre Angst vor dem «Stalinismus» und die Ablehnung jeder Bezugnahme auf Stalin. Unter diesen Bedingungen ist es schwierig, mit ihnen zusammen eine kritische Analyse des Sozialismus in der UdSSR vorzunehmen, denn die Urteile fallen mit der Guillotine: “Der ist ein Stalinist.” Die Debatte ist somit abgehauen, zensuriert und geschlossen. Das zeigt, dass die betreffenden Genossen den Marxismus-Leninismus mit Stalin, und Stalin mit Gulag gleichsetzen. Diese rechtslastige Haltung ist extrem schwerwiegend, weil sie zum Antikommunismus führen kann, und als Strategie eingesetzt wird, um die marxistische Strömung zu isolieren und ihre Positionen innerhalb unserer Organisation in Minderheit zu versetzen und zu disqualifizieren. Diese Haltung führt sogar dazu, dass sich Genossen selbst aus der Partei zurückziehen, um einem administrativen Entscheid zuvorzukommen.

6. Die Synthese und die politische Einigung der PdA

Das Dokument der PL lässt einige Zweideutigkeiten zurück, was die Synthese der unterschiedlichen Meinungen anbelangt. Zur Frage der politischen Linie:

«Jedes Mitglied soll sie kennen und sich darin wieder erkennen. Anders gesagt, sie muss als Frucht aus der Synthese aus den Meinungen Aller resultieren. Es handelt sich für uns nicht darum, jede individuelle Position anzunehmen, sondern alle individuellen Positionen zusammen zu fügen, um durch einen dialektischen Prozess der Synthese eine kollektive, allerdings einheitliche Position zu erarbeiten.» (Seite 2)

Will die Parteileitung etwa zwei antagonistische Positionen versöhnen? Das Tabu muss vollständig aufgehoben werden. Eine Synthese zwischen der Liquidation und der Entwicklung der PdA ist schlechterdings unmöglich!
Die marxistisch-leninistischen Grundsätze stehen im Gegensatz zur rechtsgerichteten Haltung, welche von einigen Genossen vertreten wird, welche die Auflösung der Partei und Fusion mit anderen Organisationen vorschlagen, oder die Partei auflösen möchten, um eine neue Partei nach dem Modell der deutschen “Linken” zu gründen. Dies auch wenn der Text der PL erwähnt:

«Es geht nicht darum, ein metaphysisches Ideal zu schaffen, wie es die zukünftige ‘Linkspartei’ sein könnte, bar aller Bedeutung der Theorie für die Analyse der Gesellschaft oder für das Funktionieren der Partei.» (Seite 4)

Die PL der PdA unterlässt eine klare Definition der Strömung, welche für die Liquidation der Partei wirkt, und der Strategien, welche zur Desorientierung der Partei eingesetzt werden. Die Zögerlichkeiten gegenüber der Zeitung Gauchebdo oder gegenüber der Schaffung einer ‘Linkspartei’ und der Rückzug betreffend die Entscheidung des XIX. Parteitags über den Nichtbeitritt zur Europäischen Union sind die sichtbarsten Öusserungen dieser Unterlassung.

«Es gilt absolut zu vermeiden, dass diese Diskussion ausschliesslich im Kreise der Genossen auf verantwortlichem Posten in der Partei geführt werden.» (Seite 1)

Ist es im Zentralkomitee jemals vorgekommen, dass die Genossen auf verantwortlichen Posten die im PL-Dokument angeschnittenen Gegenstände gründlich diskutiert hätten? Um zu vermeiden, dass diese Diskussion exklusiv geführt wird, müssten wir die Diskussion überhaupt vermeiden.
Alle Mitglieder müssen die politische Linie der Partei diskutieren und festlegen, aber delegieren diese Mitglieder diese Aufgabe nicht für zwei Jahre an das Zentralkomitee und die Parteileitung? Sollen sich die Genossen an verantwortlichen Stellen zwei Jahre lang nur mit administrativen Aufgaben herumschlagen, in Ermangelung einer existenten politischen Linie, die sie anwenden könnten? Kommt der Vertrauensverlust gegenüber den leitenden Instanzen nicht gerade von der Tatsache, dass diese leitenden Instanzen unfähig sind, sich auf ein gemeinsames Projekt zu einigen, das sie den Mitgliedern und Aktivisten vorschlagen würden? Oder davon, dass die einmal gefassten Beschlüsse nur jene verpflichten, die daran glauben? Die politische Einigung der PdA hängt auch von der Fassung energischer Beschlüsse ab, vor allem wenn sich diese auf eindeutige Mehrheiten stützen. Leider sind wir noch nicht dort angelangt.

7. Konzept einer “kommunistisch inspirierten Partei” und Tendenzen in der PdA

Die Konzeption einer “kommunistisch inspirierten Partei” wird im Text der PL der PdA mehrfach erwähnt. Dennoch bleibt der Begriff “kommunistisch inspiriert” unscharf. Die Identitätsfrage bleibt missverständlich und konfus, während die von der PL angeführten Argumente darauf tendieren, die politische Linie und die grundlegenden Prinzipien der PdA klären zu wollen. Aber gelingt ihnen dies?
Heisst das für die PdA, die sich schon als Partei mit kommunistischer Inspiration definiert, – wie hier gezeigt wird: «Diese Positionen sind in erster Linie von der Geschichte der PdA inspiriert, das heisst einer Partei, die sich während langer Zeit auf die Lehren des Marxismus-Leninismus gestützt und diese auf die schweizerische Wirklichkeit angewendet hat.» (Seite 1) – dass die Parteileitung der PdA nicht wirklich eine Önderung vornehmen will, sondern eher eine historische Erinnerung an die marxistisch und leninistisch inspirierten Gründungsprinzipien pflegen will?
Hat nicht der Begriff «Inspiration» selbst auch zum Verlust der Identität beigetragen, und deckt er nicht einfach die Tatsache zu, dass die Tendenzen im Innern der PdA und der Sektionen akzeptiert und ermuntert werden? Tendenzen zu ermuntern hat zur Folge, dass die marxistische ideologische Linie geschwächt wird, aber was schlimmer ist, es führt zur Abschwächung des Verteidigungskampfes der Werktätigen auf nationalem und internationalem Gebiet. In der Tat, wie will man sich auf die Grundlagenarbeit mit der Bevölkerung, den Arbeitenden, den Ausgeschlossenen, den Diskriminierten konzentrieren, wenn der Kampf sich wesentlich auf das ideologische Terrain auf parteiinterner Ebene verlagert?
Die PL neigt zur Annahme einer kommunistischen Position, weil die Mehrheit der Aktivisten den kommunistischen Werten verbunden ist, auch wenn gewisse Zweifel bestehen bleiben. Aber der Vorschlag des Konzepts einer «kommunistisch inspirierten Partei» lässt die Türe für alle möglichen Interpretationen offen. Haben wir in der Arbeiterbewegung nicht schon Revisionisten gesehen, welche den Marxismus an ihrer Sauce zubereiten und behaupten, sie seien davon inspiriert? Hat es nicht unter den Revisionisten des Marxismus und Leninismus einen starken Anteil von Liquidatoren? Alle, die den Marxismus revidiert haben, die vorgeschlagen haben, ihn zu “renovieren” (alle Vorschläge von neuen Formen des politischen Kampfes, wie von der PL angeben) haben sich vom Kommunismus “inspiriert”, um ihn zu veruntreuen. Nach Jahren der ideologischen und organisatorischen Schwächung aufgrund von “kommunistisch inspirierten” revisionistischen Thesen hat sich eine liquidatorische sozialdemokratische Strömung formiert und entwickelt sich innerhalb der PdA. Am vagen Konzept einer “kommunistisch inspirierten” Partei festzuhalten, ist kein Schritt in Richtung einer Stärkung der PdA durch marxistisch-leninistische Grundsätze, sondern es kompromittiert im Gegenteil die guten Beschlüsse der PL.

8. Die Beziehung zwischen der parteiinternen Krise und der Krise gegen aussen

Die PdA erlebt eine interne Krise, die sich in einer Auseinandersetzung um Existenz oder Verschwinden der Partei äussert. Die externen Beziehungen sind ebenfalls konfliktgeladen.

«Die Kraft einer politischen Bewegung bemisst sich in ihrer Fähigkeit, die eigenen Ideen innerhalb der Gesellschaft zum Durchbruch zu bringen. Für die Kommunisten oder jedenfalls Aktivisten der gesellschaftlichen Transformation ist es absolut falsch zu glauben, dass die politische Kraft einer Organisation sich in den Wahlresultaten ablesen lasse oder in der Anhängerzahl messbar sei.» (Seite 1)

Die Lösung der internen Krise und der externen Krise kann nicht zur gleichen Zeit geschehen. Selbstverständlich ohne die Arbeit mit der Bevölkerung aufzugeben, muss der Akzent auf die Harmonisierung des internen Funktionierens der PdA gesetzt werden. Dies für eine gegebene Zeit und einen gegebenen Raum. Daher sind Beglückwünschungen und Selbstzufriedenheit fehl am Platz, solange man noch keine Resultate bemerkt.
Jede kommunistische Partei hat ihr Presseorgan. Dieses Element ist entscheidend, denn es bildet die Brücke zwischen der Lösung der Krise im Inneren und der Lösung der Krise gegen aussen. Wie soll man eine Lage qualifizieren, wo die interne Krise halbwegs gelöst ist und ein Presseorgan an den Irrtümern festhält und die Veränderungen nicht wirklich wiedergibt? Wo bliebe die Glaubwürdigkeit einer solchen Organisation?

«… müssen wir die Bedeutung unserer eigenen Zeitungen und Internetseiten, und die Notwendigkeit ihrer Unterstützung und Entwicklung unterstreichen.» (Seite 7)

Um konsequent mit den vorstehend nicht nur in diesem Dokument, sondern auch in jenem der PL aufgezählten Grundsätzen zu bleiben, wird es nicht unnütz sein beizufügen, dass die Zeitungen und Internet-Seiten “unterstützt”, “entwickelt”, aber vor allem geleitet werden müssen.
Es ist für niemanden eine Überraschung, dass in der Dynamik von Gauchebdo, die redaktionelle Linie dieser Wochenzeitung dazu neigt, eine eventuelle Linie der PdA ersetzen zu wollen. Zum Beispiel wir die Genfer Sektion dort als sektiererisch behandelt, und kann ihre Meinung in den Spalten der Gauchebdo nicht frei äussern. Wenn eine den Prinzipen der Gauchebdo für zuwiderlaufend eingestufte Meinung dennoch einmal die Hürde nimmt, dann erscheint ein oft zwei bis dreimal so langer Artikel, welcher der genannten Position widerspricht.
Über die Fragen der Europäischen Union oder der Schaffung einer Partei “Die Linke”, ist die Meinung von Persönlichkeiten ausserhalb der PdA überrepräsentiert und die Haltung der PdA oder ihrer Sektionen wird ins Lächerliche gezogen. Es gibt in erster Linie eine Verweigerung der Demokratie und schliesslich eine Verweigerung gegenüber der PdA überhaupt. Um diesen Unsinn zu beseitigen, ist es an den Zeitungen und Internetseiten, die Aktivitäten der Partei gemäss den Entscheiden und Beschlüssen ihrer Instanzen zu unterstützen und zu entwickeln.

9. Die Angst, ein kommunistisches Projekt zu verteidigen

«Somit sind wir der Auffassung, dass die Stärkung über den Aufbau einer kommunistisch inspirierten Partei in unserem Land führen muss, ohne dass damit gesucht wird, Anstoss zu erregen.» (Seite 3)

Ohne bei wem Anstoss zu erregen? An wen richtet sich der letzte Teil des Satzes, wonach niemand schockiert werden soll? An uns Kommunisten, die wir innerhalb der PdA aktiv sind? Wahrscheinlich nicht. Zielt der Schluss dieses Satzes auf die nicht kommunistischen Mitglieder und Aktivisten der PdA? Oder auf das Schweizer Volk? Eine kommunistische Partei ist obligatorisch ein Schock für die Bourgeoisie, welche die Macht des Kapitals in ihren Händen hat und nicht verlieren will. Was die öffentliche Meinung anbetrifft, so ist diese formbar und nach Jahren intensiver Desinformation und antikommunistischer Propaganda dafür empfänglich, den Kommunismus zu verwerfen.
Und übrigens, falls es nicht dazu kommt, dass jemand Anstoss nimmt, dann weil die fragliche kommunistische Partei kein Gefahrenpotential bildet, weder als Oppositionspartei, noch als Partei der ideologischen Konfrontation, und erst recht nicht als Kraft, die imstande wäre, die etablierte Ordnung eines Tages umzustürzen. Also besteht die Aufgabe der kommunistischen Partei darin zu verstehen, wieso dies geschehen konnte, und die internen und externen Ursachen des organischen Lebens der besagten Partei zu analysieren. Diese Aufgabe der Selbstkritik ist heilsam, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt, welche an eine wissenschaftliche Analyse zu stellen sind, wie dies im Dokument der PL der PdA unterstrichen wird, und wenn aus Angst und Vorurteilen rührende Zufallskriterien beiseite gelassen werden.

«Man sollte die Analyse und die eingebrachten Anträge genau studieren und sich auf objektive Feststellungen abstützen, nicht auf emotionale Empfindungen.» (Seite 2)

Angesichts der Offensive der Rechten und der extremen Rechten, angesichts der ideologischen Entfremdung der Massen, angesichts der Wahlmisserfolgs, den die Partei mehr und mehr zu konstatieren hat und nach ihrem annähernden Verschwinden aus den Parlamenten, haben sich die Vorschläge zur Verwandlung der PdA in eine in den Augen der schweizerischen Bevölkerung akzeptablere Organisation vervielfacht. Die PL der PdA beschreibt den gegenwärtigen Zustand der Partei wie folgt:

«Leider zwingt uns der Gedanke an den Einfluss, den unsere Partei auf das Bewusstsein der Bevölkerungsmassen in der Schweiz ausübt, zur entschiedenen Feststellung, dass dieser Einfluss von geringer Bedeutung ist. Die populären Klassen, obwohl sie in bestimmten Regionen noch in bedeutendem Umfang uns wählen, sind sich oft nicht bewusst darüber, was wir auf lange Sicht wollen.» (Seite 1)

Die Frage hat sich den Mitgliedern der PdA in diesen letzten Jahren gestellt, und sie stellt sich noch heute. Kann die Hebung des Bewusstseins der Massen mit der Zahl der von der Partei geernteten Stimmzettel gemessen werden? Erfolgt sie durch Verstärkung der parlamentaristischen und sozialdemokratischen Tendenz? In der Tat, dieser rein parlamentarische Weg war begleitet von einer Sozialdemokratisierung der PdA, um diese Partei dahin zu führen, dass sie sich der marxistischen und leninistischen Auffassungen als ideologisches Fundament entledigt, um bei den Wähler nicht zu “Anstoss zu erregen”. Auf die kommunistische Kultur verzichten, heisst vor dem Kapital abdanken. Es bedeutet, das Feld der Bourgeoisie zur freien Führung ihres ideologischen Krieges gegen die Massen zu überlassen. Damit wird das Schicksal der Arbeiter der Allmacht der Kapitalisten und der bürgerlichen Staates preisgegeben, während doch die Überproduktionskrise den Niedergang und die Verfaulung des Kapitalismus anzeigt.
Die Kommunisten wissen, dass dieses todgeweihte System nicht ewig halten wird und wollen zu seiner Schwächung und anschliessenden Zerstörung beitragen, indem sie die Kämpfe der Arbeiterbewegung gegen die Ausbeutung unterstützen. Es liegt daran, dass die kommunistische Partei, wie ihre Geschichte zeigt, die Volksbefreiungskämpfe unterstützt, und dass sie eine führende Rolle in den Kämpfen der Arbeiter zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen gespielt hat, wenn der Kommunismus für die Bourgeoisie anstössig ist.
Was die Bourgeoisie am meisten fürchtet, sind die Revolutionen und besonders die bolschewistische Revolution, die Erhebung der Massen, die Arbeiterstreiks, vor allem, wenn sie sich in den wichtigsten Sektoren der Volkswirtschaft verallgemeinern, die Manifestationen für mehr soziale Gerechtigkeit und die Revolten gegen die Ausgrenzung. Die Kämpfe der organisierten Arbeiter haben schon umfangreiche Projekte von wirtschaftlicher oder militärischer Tragweite zu Fall gebracht, welche die Regierungen beschlossen hatten. Darunter fallen die Siege gegen den Kolonialismus, den Nazismus oder in jüngster Zeit gegen neokolonialistische Projekte wie die Freihandelsverträge und die ALCA (nord- und südamerikanische Freihandelszone).

10. Schlussfolgerung: In welcher Etappe steht die PdA?

Es gibt einige ergänzenden Bemerkungen anzubringen, einige weiteren im Papier der PL angeschnittenen Punkte zu klären, wie die Metaphysik, den Klassenkampf und den gesellschaftlichen Konflikt, die revolutionäre Natur oder Moral, die Nützlichkeit der Gewerkschaften, die Autonomie der Sektionen, das Spiel der Allianzen. Diese Punkte werden zweifellos durch die Kommission für das politische Programm 2010 aufgegriffen werden.
Es zieht sich ein grosser Enthusiasmus durch das Dokument der PL, aber nicht alle Vorschläge können auf einmal umgesetzt werden. Die Kader und Aktivisten müssen die Etappen definieren, um unser Ziel (den Sozialismus) zu erreichen und vor allem die Etappe bestimmen, in der wir uns heute befinden. Die Bestimmung der gegenwärtigen Etappe wird uns helfen, die Partei zu reorganisieren und die politische Linie festzulegen.
Wie oben gesagt, ist die politische Linie nicht ein Bündel von grundlegenden Ideen, sondern genauer gesagt ein Ziel (eine revolutionäre Partei zu kreieren, das Bewusstsein der Massen zu heben, eine Massenpartei zu werden, die gesellschaftlichen und psychologisch notwendigen Bedingungen für eine Revolution zu schaffen, die Macht zu ergreifen, den Sozialismus aufzubauen). Alle Tätigkeiten der Partei müssen der politischen Linie folgen und bezwecken, dieses Ziel zu erreichen.
Die Analyse der PL-Dokumentes zeigt den schlimmen Zustand der PdA. Im wesentlichen verfolgen die Kritiken am PL-Dokument das Ziel, die Kritik tiefer und ohne Auslassung der Situation der PdA anzusetzen. Wir sind in einer Scharnier-Situation, die ihrer Vollendung entgegen geht, wenn die PdA beschliesst, sich aufzulösen, oder wieder eine kommunistische und revolutionäre Partei aufzubauen. Um auf die Krise der Partei zu antworten, kann sich diese politische Linie auf die Entwicklung einer revolutionären Partei ausrichten. Von dieser Linie und von den realen Kräften der PdA ausgehend, könnten die Instanzen die folgenden Entscheide treffen: Konstituierung einer Führungsequipe, die sich durch Zusammenhalt bewähren muss, Präsenz in den Gewerkschaften, um die radikaleren Arbeiter heranzuziehen, Beteiligung an Wahlen zwecks Zugangs zu breiten Propagandamöglichkeiten, Aufbau der Partei an den Orten der Arbeiterkämpfe, usw.
Schliesslich müssen die Schlussfolgerungen, welche aus den Debatten der nationalen Parteikonferenz gezogen werden, genauer sein, was die verwendeten Begriffe anbelangt, weniger versöhnlerisch hinsichtlich der Analyse der PdA, der marxistischen Ideologie und der Grundsätze der kommunistischen Organisation weniger allgemein gehalten werden, sondern vermehrt konkrete Lösungen aufzeigen.

Genf, im Oktober 2009

Unterzeichner:
Cecilia Toledo
Esteban Munoz

Original: CheMarx: Le renouveau du Parti Suisse du Travail passe par la construction d’un parti communiste
(Übersetzung: kommunisten.ch)

1 Dokument der Parteileitung: GEBEN WIR DER PDA WIEDER EINE ROLLE IN DER SCHWEIZER GESELLSCHAFT (September 2009)


Siehe auch:


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